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Anna Fedorovas Liebe zu einem «Phönix»

Sie ist spontan, eloquent, herzerfrischend und hat ein besonderes Flair für die Musik russischer Komponisten: die ukrainische Pianistin Anna Fedorova, die nun mit Rachmaninoffs 2. Klavierkonzert ein bemerkenswertes Gastspiel beim argovia philharmonic gibt.

von

Dr. Verena

Naegele

Vor zehn Jahren sorgte Anna Fedorova bei einem Live-Konzert mit dem ConcertgebouwOrchester Amsterdam für Furore, als die erst 20-Jährige mit dem 2. Klavierkonzert Rachmaninoffs brillierte Mittlerweile hat das Video auf Youtube über 39 Millionen Aufrufe (!) und die Pianistin hat das Werk schon x-Mal auf den Konzertbühnen gespielt Allerdings gehört zum Phänomen Anna Fedorova, dass ihre Interpretation dieses Klassik-Hits bei jedem Auftritt so klingt, als wäre es zum ersten Mal.

Geboren wurde Anna Fedorova am 27. Februar 1990 in Kiew, also kurz vor dem Zerfall der Sowjetunion. Mittlerweile steht ihre ukrainische Heimat wiederum grell im Rampenlicht des Weltgeschehens und damit natürlich auch die Musikerinnen und Musiker aus diesem gebeutelten Land. Trotzdem lässt sich die Pianistin nicht unterkriegen

Zusammen mit ihrem Mann, dem im Concertgebouw-Orchester spielenden Solo-Bassisten Nicolas Schwartz, hat sie im September 2022 in Den Haag die «Davidsbündler Musikakademie» eröffnet. Hier werden vor- wiegend aus der Ukraine emigrierte junge Musikerinnen und Musiker unterrichtet Unter den Lehrkräften befinden sich auch Borys Fedorov und Tatiana Abaieva, die Eltern von Anna Fedorova, beides erfolgreiche Pianisten, die 2022 aus Kiew zu ihrer Tochter geflohen sind und nun in Holland zusammen mit dem Schwiegersohn einen kunterbunten Musikhaushalt bilden

In Kiew wurde Anna Fedorova zuerst von ihren Eltern unterrichtet: «Solange ich mich erinnern kann, gab es im Elternhaus immer Musik. Meine Eltern übten, gaben ihren Schülerinnen und Schülern Unterricht oder legten Schallplatten auf Ich habe nie ein Leben ohne Musik gekannt und so war es ganz natürlich für mich, so früh wie möglich mit dem Spielen anzufangen.» Wenig erstaunlich also, dass die kleine Anna schon mit vier Jahren mit dem Klavier begonnen hat und es nie bereute. Nach ihrer Grundausbildung zog es sie ans Royal College of Music in London, wo sie drei Jahre lang bei Norma Fisher studierte Die Beziehung zu ihrer ehemaligen Lehrerin ist so eng geblieben, dass diese nun bei der «Davidsbündler Musikakademie» Meisterkurse gibt. Bei Fisher hat die junge Pianistin gelernt zu experimentieren und verschiedene Interpretationen eines Stücks auszuprobieren, was der Spontaneität von Fedorovas Charakter entspricht.

«Ich bin eine sehr flexible Persönlichkeit und bin stets offen für ein Abenteuer oder etwas Aussergewöhnliches», stellt sie lachend fest Dazu gesellt sich, dass sie «das Gefühl von Zeitreisen» liebt, die «Verbundenheit mit der Vergangenheit und unserer Geschichte». Damit meint Fedorova allerdings nicht die Sowjetunion, sondern explizit die russische Tradition, in welche sie von Kindesbeinen an eintauchen konnte. Es war ihre russische Grossmutter, mit der sie viel Zeit verbrachte, die ihr systematisch die alte russische Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts näherbrachte: «Sie zeigte mir russische Filme, russische Kunst, Literatur und Musik »

Dazu gehörte natürlich auch die Welt von Rachmaninoff, der mit seinem lebenslangen eleganten Auftreten seiner aristokratischen Herkunft verpflichtet blieb, was sich auch in seiner Musik spiegelt. Zu dieser fühlte sie sich schon als Kind hingezogen, da sie ihr viele Momente von tiefen Gefühlen und grösstem Triumph vermittelte. Die Werke von

Rachmaninoff strömen ihrer Meinung nach eine Kraft aus, die in der heutigen schwierigen Zeit genauso wie zu Lebzeiten des Komponisten dringend benötigt wird

Entsprechend beglückt war Anna Fedorova, als sie eingeladen wurde, mit dem Sinfonieorchester St. Gallen alle vier Rachmaninoff-Klavierkonzerte einzuspielen Das

2. Klavierkonzert, das sie nun auch mit dem argovia philharmonic aufführen wird, bildete für Rachmaninoff die Befreiung aus einer tiefen Depression. Nachdem seine

1. Sinfonie und das

1. Klavierkonzert bei Publikum und Presse durchgefallen war, verfiel der Komponist in eine Schaffenskrise, aus der ihn ein Psychiater 1901 hinausführen konnte.

Das Befreiende, das sein Schöpfer beim Komponieren des Werks empfunden haben musste, spürt man beim Anhören des sinfonisch angelegten, romantischen Klavierkonzerts Die eingängigen Melodien und zuweilen plakativ wirkenden Passagen machten das Werk allerdings auch zum Lieferanten von Schlagerschnulzen und von Filmmusik, wie beim Marilyn-Monroe-Klassiker «Some Like It Hot».

Für Anna Fedorova jedoch ist das 2. Klavierkonzert so etwas wie ein Phönix: «Dieses Konzert ist voll von Emotionen, Licht, Happiness und Triumph. Das Licht siegt über die

Dunkelheit und diese Gefühle übertragen sich auf die Hörerschaft wie auf die Interpretinnen und Interpreten » Das Werk scheint wie auf sie zugeschnitten: In ihrer Interpretation hält sie auf faszinierende Weise die Balance zwischen federleicht und passioniert Als «Mysterium der fliegenden Finger» titulierte «Der Spiegel» ihre Einspielung.

Anna Fedorova auf ihre Affinität zu Rachmaninoff einzuschränken, wäre allerdings fatal eindimensional. Während der Coronapandemie hat sie sich intensiv mit Chopin auseinandergesetzt und ein phänomenales

CD-Album dazu herausgebracht Mit den grossen Werken des Repertoires konzertiert die Pianistin inzwischen in den Konzertsälen in Europa, USA und Asien Und sie sagt: «Ich trete sehr gerne an ungewöhnlichen Orten auf.» Da ist sie beim argovia philharmonic in der Alten Reithalle in Aarau und dem Kurtheater Baden also genau richtig ⋅

Termine

1.

Anna Fedorova Klavier

Rune Bergmann Chefdirigent argovia philharmonic

Sergei Rachmaninoff (1873–1943)

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 c-Moll op. 18

Edvard Grieg (1843–1907)

«Peer Gynt» Suite für Orchester Nr 1 op 46

Edvard Grieg

«Peer Gynt» Suite für Orchester Nr 2 op 55

SEPTEMBER 2023

Do 21 19.30 Uhr Aarau

18 45 Alte Reithalle

Fr 22 19.30 Uhr Baden

18 45 Kurtheater

So 24 17.00 Uhr Aarau

16 15 Alte Reithalle

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