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Von Ballett bis Bossa Nova und Tango

Die Mendelssohntage stehen dieses Jahr vor ihrer 9. Ausgabe. Unter dem Motto «Tanz!» wird ein abwechslungsreiches und spannendes Programm präsentiert. Es reicht vom Ballett in Glucks «Orfeo» und Verdis «Aida» bis zum Tango. Bei Letzterem kann sogar das eigene Tanzbein geschwungen werden.

von Dieter Wagner

Eröffnet wird das Festival mit einer konzertanten Aufführung der Oper «Aida» von Giuseppe Verdi in der Alten Reithalle Stimmgewaltige Stars der Mailänder Scala lassen die Aufführung zu einem einmaligen Erlebnis werden. Neben Natasa Kàtai (Aida), Daniela Pini (Amneris) und Danilo Formaggia (Radamès) wird Giovanni Battista Parodi (Ramphis) zu hören sein.

Die berühmten Tänze dieser Oper wie der «Tanz der Mohrensklaven» oder der «Triumphmarsch» werden ein fulminanter Auftakt zu den unter dem Motto «Tanz!» stehenden 9 Mendelssohntagen

Mit Konzertformaten wie Bossa Nova oder Tango wird das Publikum zum Mitmachen motiviert Am Tangoabend (4 November) soll neben dem Konzerterlebnis nämlich auch aktiv getanzt werden. Lorena Mermelstein und Silvio Grand, beide Stars der Tangoszene, geben im Anschluss an den konzertanten Teil einen Tanzkurs für Anfänger. Mit der anschliessenden Milonga, bei der dann die Fortgeschrittenen ihre Tanzkünste unter Beweis stellen können, klingt der Abend aus.

Die Tänze der Furien in der Unterwelt werden das Festival beenden Mit Glucks «Orfeo ed Euridice» wird die Kantorei der Stadtkirche Aarau gemeinsam mit dem argovia philhar- monic einen imposanten Schlusspunkt in der Stadtkirche setzen. Die Solo-Sopranistinnen wurden mittels eines Wettbewerbes am 1 Mai ermittelt, die Hauptrolle des Orfeo wurde mit der international bekannten Mezzosopranistin Michaela Selinger besetzt. Sie war an der Wiener Staatsoper und in Hamburg engagiert und ist international auf den grossen Bühnen Europas tätig. Als Tänzer konnte ein Star der Ballettwelt engagiert werden: Kevin Pouzou wird die Tänze der Unterwelt, der Furien und der Geister tanzen. Der gebürtige Franzose wurde 2015 zum Ersten Solisten des Staatsballetts Berlin ernannt Seit der Saison 2017/18 ist er Mitglied des Balletts Zürich.

Im Rahmen der Mendelssohntage findet jedes Jahr eine Masterclass statt, welche diesmal für Sängerinnen und Sänger ausgelegt ist. Dazu konnte Peter Brechbühler, Bassbariton mit Aarauer Wurzeln, gewonnen werden Er ist Professor an der Musikhochschule Luzern und wird zum Thema Mendelssohn-Lieder und -Oratorien seinen Meisterkurs geben.

Die Mendelssohntage werden zudem in Leipzig ihren ersten Auftritt haben. Als diesjährigen Beitrag wird das Mendelssohn-Haus Leipzig die Preisträgerin oder den Preisträger des Abschlusskonzertes in die Musikstadt Leipzig zu einem Rezital einladen. ⋅ von Dieter Wagner

Kevin Pouzou – ein Star in der Ballettwelt – wird beim grossen Abschlusskonzert der Mendelssohntage in Glucks «Orfeo ed Euridice» die Tänze der Unterwelt, der Furien und der Geister tanzen. Im Gespräch erzählt er unter anderem, wie er zum Tanzen kam und was er vom Aarauer Publikum erwartet.

Kevin Pouzou, wie bist du zum Tanzen gekommen?

Kevin Pouzou Als Kind war ich introvertiert und befand mich ständig in meiner eigenen Welt Ich zog es vor, in meiner Fantasiewelt Zuflucht vor der Realität und vor unangenehmen Situationen zu suchen. Soziale Interaktionen fielen mir nicht leicht. Doch dann entdeckte ich die faszinierende Welt der klassischen Musik Sie sprach mich vollkommen an und war die Verkörperung meiner inneren Welt Ich verliebte mich regelrecht in sie und wollte ständig von ihr umgeben sein. Während meiner musikalischen Reise stiess ich auf das klassische Ballett Ich erfuhr, dass einige Mädchen in meiner Schule Ballettunterricht nahmen und ich verspürte sofort eine starke Anziehungskraft zu dieser Kunstform. Ich fragte ständig meine Eltern, ob ich auch tanzen dürfte Sie stellten jedoch eine Bedingung: Ich durfte gehen, wenn meine schulischen Leistungen gut genug waren Entschlossen, meinen Wunsch zu verwirklichen, änderte ich meine Einstellung zum Lernen. Ich arbeitete hart an meinen Noten und innerhalb kürzester Zeit verbesserten sie sich deutlich. Meine Eltern hatten keine andere Wahl, als mich zum Ballettunterricht zu bringen Auch nachdem ich den Einstieg ins Tanzen geschafft hatte, musste ich weiterhin gute schulische Leistungen erbringen, um meinen Traum am Leben zu erhalten. Die Vorstellung, dass ich das Tanzen aufgeben müsste, wenn meine Noten nicht perfekt waren, diente mir als ständige Motivation So blieb ich hartnäckig und engagiert, um meine schulischen Verpflichtungen zu erfüllen und gleichzeitig meine Leidenschaft für das Tanzen weiterzuentwickeln. Diese Disziplin und Hingabe haben mir geholfen, meinen Weg im Tanz fortzusetzen und eine lebenslange Liebe zur Kunst des Balletts zu entwickeln.

Was war für dich der Höhepunkt deiner Karriere?

KP Diese Frage erinnert mich ein wenig an die Frage nach dem Lieblingskind eines Elternteils > oder der Lieblingsküche eines Kochs Es wäre falsch und nicht ganz fair, einen bestimmten Moment als definitiven Höhepunkt meiner Karriere zu benennen Wenn ich auf meinen bisherigen Werdegang zurückblicke, erkenne ich, dass jeder einzelne Moment und jede Erfahrung ihren eigenen Wert hatten und dazu beigetragen haben, mich als Künstler zu formen. Es war nicht nur die glanzvolle Bühnenaufführung oder der Moment des persönlichen Erfolgs, der meine Karriere definierte. Vielmehr waren es die vielen kleinen Schritte, die Herausforderungen, die ich überwunden habe, die Rückschläge, aus denen ich gestärkt hervorging, und vor allem die Menschen, die ich entlang des Weges getroffen habe.

Wenn ich dennoch einen Aspekt meiner Karriere hervorheben müsste, der mir besonders wichtig ist, dann wäre es die Möglichkeit, mit inspirierenden Künstler:innen und Menschen zusammenzuarbeiten. Dabei denke ich nicht nur an die grossen Namen, sondern auch an die unzähligen Kollegen, Ballettmeister, Lehrer und anderen kreativen Köpfe, die meinen Weg gekreuzt haben Es waren die Begegnungen, die Gespräche, die gemeinsamen Momente des Lachens und Weinens, die den eigentlichen Zauber meiner Karriere ausgemacht haben

Der Höhepunkt meiner Karriere liegt also nicht in einem einzelnen Moment, sondern in der Summe all dieser kostbaren Erfahrungen, Begegnungen und Erinnerungen, die mich zu dem Künstler gemacht haben, der ich heute bin Jeder Schritt auf diesem Weg war bedeutsam und hat mich geformt, und darauf bin ich stolz

Was bedeutet es für dich, die Unterwelt des Orfeo zu tanzen?

KP Es ist eine Ehre und eine grossartige Gelegenheit, bei einem solchen Projekt mitzuwirken.

Natürlich habe ich bereits Ideen und Visionen, was umgesetzt werden könnte. Die Kulisse an sich ist bereits prachtvoll und auch die Musik trägt dazu bei Daher würde ich sagen, dass nicht viel schiefgehen kann. Ich bin gespannt darauf, mich tiefer in die Thematik einzuarbeiten und meinen Beitrag zur Darstellung der Unterwelt des Orfeo zu leisten.

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Von Berlin über Zürich nach Aarau – das Aarauer Publikum ist gespannt – was erwartest du von Aarau?

KP Ein Publikum bringt immer seine eigene Atmosphäre mit sich und ich bin sicher, dass es in Aarau nicht anders sein wird. Ich freue mich darauf, zu kommen, aufzutreten und das Aarauer Publikum kennenzulernen. Jede Stadt hat ihre eigene Energie und ihre eigene Art, das Tanzstück zu erleben Es ist immer aufregend zu sehen, wie das Publikum reagiert, wie es mitgeht und wie es die Vorstellung interpretiert Ich hoffe auf eine herzliche Atmosphäre, auf offene und begeisterte Zuschauerinnen und Zuschauer in Aarau Es wird spannend sein, die Reaktionen des Publikums zu erleben und die einzigartige Beziehung zwischen Künstler und Publikum in Aarau zu spüren

Welche Rolle spielen für dich die Emotionen beim Tanzen?

KP Emotionen spielen eine zentrale Rolle beim Tanzen. Sie sind der Treibstoff, der die Bewegungen mit Leben erfüllt und sie von blosser Technik zu einer tiefgreifenden

Erfahrung macht Wenn ich auf der Bühne stehe, versuche ich, meine eigenen Emotionen mit denen der Figur oder der Geschichte, die ich darstelle, zu verbinden Es geht darum, den Zuschauerinnen und Zuschauern eine authentische und mitreissende Erfahrung zu vermitteln Emotionen sind der Schlüssel, um eine Verbindung herzustellen und eine gemeinsame Sprache mit dem Publikum zu sprechen Durch das Tanzen kann ich Emotionen ausdrücken, die manchmal schwer in

Worte zu fassen sind, und sie auf eine universelle und berührende Weise mit anderen teilen

Welchen Rat würdest du jungen angehenden Tänzer:innen geben, die ebenfalls von einer Karriere im Tanz träumen?

KP Mein Rat an junge Tänzerinnen und Tänzer, die von einer Karriere im Tanz träumen, wäre, niemals den Glauben an sich selbst zu verlieren und hart für ihre Ziele zu arbeiten Der Weg im Tanz kann mit Herausforderungen und Rückschlägen verbunden sein, aber es ist wichtig, sich von ihnen nicht entmutigen zu lassen. Seid geduldig und beharrlich in eurem Training, entwickelt eine starke Disziplin und den Willen, kontinuierlich zu lernen und euch weiterzuentwickeln. Haltet an eurer Leidenschaft fest und lasst euch von Rückschlägen nicht entmutigen, sondern nutzt sie als Ansporn, um stärker zurückzukommen Und vor allem: Geniesst jeden Moment auf der Bühne und lasst eure Leidenschaft für den Tanz immer in euren Bewegungen spürbar werden ⋅

TERMINE

Kevin Pouzou

Der Franzose Kevin Pouzou absolvierte seine Ausbildung an der Ecole de Danse de l’Opéra de Paris und am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse in Paris 2007 wurde er Mitglied des Staatsballetts Berlin, wo er 2015 zum Ersten Solisten ernannt wurde U a trat er als «Benno» in Patrice Barts «Schwanensee», als «Paris» in John Crankos «Romeo und Julia» sowie in Choreografien von George Balanchine, Nacho Duato, Stanton Welch, Angelin Preljocaj, Alexei Ratmansky, Ohad Naharin, Vladimir Malakhov und Jiří Kylián auf Seit der Saison 2017/18 ist er Mitglied des Balletts Zürich U a tanzte er «Prinz Siegfried» in Ratmanskys «Schwanensee», «Diaghilew» in Marco Goeckes «Nijinski» und «Albrecht» in Patrice Barts «Giselle».

MENDELSSOHNTAGE

AARAU 2023

OKTOBER | NOVEMBER 2023

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