Wohnen an der Magistrale

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WOHNEN AN DER MAGISTRALE AUF DER SUCHE NACH POTENTIALRÄUMEN


Abstract 4 1 Motivation

5

Wohnraumknappheit in Hamburg

7

Potentialraum Magistrale

9

Die Geschichte der Straße

11

Wohnen an der Magistrale?

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2 Fokus: Raum

18

Die B5 und ihre Bedeutung Von der Weide zu Stadt Zerstörung und Neubeginn Freie Fahrt für freie Bürger

19 25 27 29

Ein stadträumliches Portrait

31

Alles fürs Auto?

37

3 Fokus: Nutzer Einwohnerstrukturen im Vergleich

42 43

Verinselung 45 Begegnungen 47 01 “Hot Dogs” zwischen Rückersweg und Steubenstraße 49 02 “24 Stunden Sport” am Rückersweg 52 03 “Keine Bank” im Wohnblock am Wichernsweg 54 04 “Auf der anderen Seite” im Hamburg Fatihspor e. V. 57 05 “Grillen am Kanal” in der Hinterhofidylle. 60 06 “Hellas Pizza House” am Borstelmannsweg 63 07 “Alles kann - nichts muss” Frivole Bar im Club Equinoxe 66 08 “Superbude” Verschnaufpause in der Spaldingstraße 69 09 “Ilohh” Die Bar am Ende der Welt 72 10 “Die aufregende Welt” von Yaqubi Automobile 75 11 “Stille Absprachen” beim Taxihandel Rahimizi 78 12 “Die Spieler” in der Halle Eiffe 81 13 “Bunter Hund” am Kanal 84 14 “Musik” im Bunker 86 15 “Einsamkeit” in der Kleingartenidylle. 89


4 Learning from ...

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... Nutzergruppen

97

... Einzelstrategien

99

5 Learning to ...

103

Vorgehensweise 105 Szenario A. Eine Frage der Widmung. 107 Explorative Szenarien 115 Szenario B. Inseln der Eigenbrödler. 121 Szenario C. Sag mir wo du wohnst, ich sag dir wer du bist. 125 Szenariotransfer 129 5 Strategie & Taktik

132

Gesamtstrategie: 5 Regeln.

133

6 Deals 1 Alles aufs Auto 2 Leben, Wohnen, Arbeiten 3 ... und fertig ist die Laube 4 Vom Leer- zum Wohnraum 5 Lebensraum auf Zeit 6 Lückenfüller

137 137 140 143 145 148 150

Résumé 153 Quellenverzeichnis 155 Abbildungsverzeichnis 156



Abstract Um dem absehbaren Engpass bei der Bereitstellung von Siedlungsflächen begegnen und gleichzeitig ein weiteres Wachstum ins Umland verhindern zu können, werden sowohl qualitative als auch quantitative Nachverdichtungspotentiale identifiziert, Umsetzungsstrategien entwickelt und geprüft. Großes Potential für eine Nachverdichtung bilden deshalb die Hauptverkehrsachsen im Bereich der Inneren Stadt. Es gilt Magistralen nicht mehr als reine Transiträume zu sehen, sondern den Straßenraum zu schließen und zu qualifizieren und sie zu (Wohn)Orten des Austauschs und des Aufenthaltes zu transformieren.

5


1 Motivation



Wohnraumknappheit in Hamburg Hamburg wächst. In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Einwohner (1.738.366 EW Stand: 31. März 2013) um knapp 50.000 gestiegen. Bis zum Jahr 2030 wird ein weiterer Bevölkerungsanstieg auf etwa 1,9 Mio Einwohner vorausgesagt. (vgl. Wikipedia 2013: Hamburg). Vergleicht man nun Einwohnerentwicklung und Wohnungsbau miteinander, fällt auf: Hamburg wächst schneller als ausreichend Wohnraum geschaffen werden kann. Der Wohnungsbau (Wohn- und Nichtwohngebäude einschl. Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden) hat sich seit 1995 mehr als halbiert.

3.729

2009

keine Angaben

3.587

2008

3.520

3.758

4.278

2004

3.173

2003

3.251

3.711

u erentwickl ng hn

3.893

1.600.000

Einw o

3.862

1.660.000

Wohneinheiten in Hamburg*

1.780.000

1.720.000

1.812.709** 5.054

6.208

8.099

9.750 7.899

7.471

1.840.000

8.601

EW*** 1.900.000

8.902

Wohn- und Nichtwohngebäude einschl. Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden in Hamburg

6.502

Einwohnerentwicklung gegenüber dem Wohnungsneubau* in Hamburg

8.471

Hamburg ist teuer. Die Stadt mit dem höchsten Mietspiegel in Deutschland wird demnächst Hamburg sein und damit München, als bisher teuerste Stadt zum Wohnen, ablösen. Innerstädtischer Wohnraum lag im Jahr 2012 in Hamburg bei einem Quadratmeterpreis von 12-14 Euro (Nettokaltmiete). Angrenzender Wohnraum, in der inneren Stadt, bewegte sich im Schnitt zwischen 10-12 Euro pro qm. Grundlage dieser Erfassung bildeten rund 520.000 Wohnungen. (vgl. www.hamburgportal.de: 2012) Wohnraumangebot und -nachfrage klaffen demnach immer weiter auseinander. Der Hamburger Wohnungsmarkt wird von einer großen Nachfrage nach knapp vorhandenem Wohnraum im mittleren und niedrigen Preissegment gekennzeichnet. Im Luxussegment dagegen ist sowohl im Miet- als auch im Kaufsektor ein Überangebot an Wohnraum zu verzeichnen. Bezahlbarer Wohnraum wird also knapp. Vor allem das Angebot an Sozialwohnungen ist unzureichend.

1992

1993

1994

1995

1996

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1998

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2000

2001

2002

2005

2006

2007

2010

2011

2012

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Stand: Oktober 2012, www.wikipedia.org/wiki/Hamburg#cite_note-20

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Einem Bedarf an 218.000 Wohnungen steht ein Angebot von 108.000 Wohneinheiten gegenüber. (Eigene Berechnungen, aus: Pestel Institut: 2012 und Statistikamt Nord: Wohnungsbauzahlen 1990 – 2010) Die geringe Bautätigkeit im Sozialen Wohnungsbau in den letzten zehn Jahren sowie auslaufende Mietpreisbindungen sorgen (auch in Zukunft) für eine zusätzliche Anspannung des Wohnungsmarktes.

15%

15%

14%

15%

12%

19% 17%

13%

13%

17%

18% 16%

9%

300 400€

400 500€

500 600€

600 750€

750 1.000€

1.000 1.500€

über 1.500€

2% 5%

Angebot

200 300€

unter 50.000€

50.000 100.000€

100.000 150.000€

150.000 225.000€

225.000 300.000€

300.000 400.000€

über 400.000€

Nachfrage

0% bis 200 €

4%

Nachfrage

Angebot

3%

7%

6% 9%

10%

10%

10%

14% 18% 16%

16% 18%

21%

21%

19%

Eine notwendige Nachverdichtung. Im Juli erfolgte mit der BauGB-Novelle 2013 eine Novellierung des Baugesetzbuches. Mit der Novelle werden § 1 Abs. 5 BauGB – Ziele und Grundsätze der Bauleitplanung - sowie § 1 Abs. 2 BauGB - Bodenschutzklausel – neu gefasst. Nach § 1 Abs. 5 BauGB n. F. soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen und unter Berücksichtigung von Brachflächen, Gebäudeleerstand und Baulücken zukünftig Flächenneuinanspruchnahmen reduzieren. Diese neue Gesetzesänderung stärkt die Aussage des Projektes, welches die Schaffung von Wohnraum aufgrund der knappen Flächenressourcen in Hamburg nach wie vor in Entwicklungen im Bestand in der Inneren Stadt sieht. Damit soll ein absehbarer Engpass bei der Bereitstellung von Siedlungsflächen und ein weiteres Wachstum ins Umland verhindert werden. In dieser Arbeit wurden sowohl qualitative als auch quantitative Nachverdichtungspotentiale nach Innen identifiziert und exemplarisch an einem innenstadtnahen Gebiet mit urbaner Mischung und gutem ÖPNV-Anschluss konzeptionell ausgearbeitet.

Wohnraum in Hamburg: Angebot und Nachfrage links: Wohnungen zur Miete* rechts: Wohnungen zum Kauf

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Potentialraum Magistrale Unklares Bild. Großes Potential für eine Nachverdichtung bilden die Hauptverkehrsachsen, die das Hamburger Zentrum mit dem Umland verbinden und in ihrer Körnung und Ausformung eine heterogene Struktur und damit ein abwechslungsreiches Bild von Stadt formulieren. In ihrem Verlauf von Innen nach Außen wird die kompakte definierte städtebauliche Kante zu einem ausgefransten, lückenhaften Straßenraum, den es gilt zu schließen und qualifiziert zu verdichten. Diese Hauptverkehrsachsen oder auch Magistralen, die ebenso in anderen Städten die ähnlich wie Hamburg einen radial-konzentrischen Aufbau haben zu finden sind verbinden seit langer Zeit die Stadt mit dem Umland und haben sich meist im Verlauf der Jahrhunderte verfestigt und wurden je nach Planungsparadigma weitergebaut oder umgestaltet. Die Straßen verbinden Stadtkern und Umland, gewährleisten den Fluss von Gütern und Personen zwischen Stadt und Region und prägen in ihrer autogerechten Ausformulierung das Bild der Stadt. Problem: Straße. Thomas Sieverts meint: “An den Ausfallstraßen als Querschnitte durch Stadt und Umland verbinden sich alle typischen Probleme der Stadt in verschärfter Form.”(Sieverts: 2011) Die Probleme haben einen klar zu definierenden Auslöser: die Verbindungsfunktion der Straße mit den Begleiterscheinungen Geräusch- und Abgasemissionen sowie Flächenverbrauch. ‚Der Federplan‘ von Fritz Schumacher, hervorgehoben der Betrachtungsraum der Arbeit

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City - HafenCity Sprung über die Elbe Hafen - Erlebnisraum Elbe Urbanisierungszone Zentrum Handlungsschwerpunkt

Es bleiben unwirtliche Orte, innere Bruchkanten und Barrieren mit diffusen Restflächen und Leerständen. Aber gerade diese Attribute tragen Potentiale in sich. Trotz der Dominanz des Verkehrs und seiner negativen Folgen gibt es verschiedenste Nutzungen entlang der Straße. Einige existieren gerade durch die tägliche Verkehrsfrequenz, andere trotzdem. An der Straße wird auch gewohnt, es findet Alltag statt. Das bringt bestimmte Verhaltensmuster und Anpassungsstrategien mit sich. Wohnungsneubau an diesen Orten ist unterliegt erschwerten Auflagen, das Wohnen im Bestand aber geduldet. Die Flächen entlang der Straße sind weiter mit heterogenen Nutzungen ausgestattet, Restnutzungen, Nischennutzungen, Lückenbüßer und auf die Straße spezialisierte Nutzungen. Groß- und Kleinmaßstäbliches liegt hier nebeneinander. Entlang der Straße sind verschiedenste insuläre Nutzungen aufgereiht die jeweils ihre eigene Logik der Selbsterhaltung haben. Die großräumliche Struktur der Straße kann man als räumlich statisches Gebilde sehen, Dynamik in der Nutzung ist vor allem auf den einzelnen Parzellen zu finden. War in den Vorkriegsjahren die Umgebung der Straße Lebensraum für viele Hamburger, wurde sie in den Wiederaufbaujahren zum Transitraum ausgebaut, wobei der Ausbau der Straße den Verkehr nicht reduziert, sondern vermehrt hat. “Sie hat ihre Vielfalt an Funktionen verloren, sie wurde zur Rennbahn für hohe Geschwindigkeiten” (Emberger, Schopf 2013: 5)

Räumlicher Leitplan der Stadt Hamburg von 2007mit Entwicklungsachsen entlang der Magistralen. Bergedorf ist als Handlungsschwerpunkt aufgeführt was Folgen für die B5 haben könnte.

Umdeuten. Ist es nicht an der Zeit diese Räume umzudeuten und zu nutzen? Ist die hier immer noch gelebte Autogerechtigkeit nicht unzeitgemäß? Durch die hier zu aktivierenden Flächenpotentiale und bereits vorliegenden Nutzungen kann der Raum intensiver genutzt und weitergedacht werden 11


Die Geschichte der Straße "Eine einzige Straße von fünfhundert Meter Breite und von der notwendigen Länge, man höre genau, der notwendigen Länge: Das wird die Stadt der Zukunft sein. (...) Setzt in die Mitte dieses riesigen Streifens Eisenbahn- und Straßenbahnlinien, Leitungen für Wasser, Gas und Elektrizität, Reservoirs, Gärten und, in Abständen, kleine Bauten für die verschiedenen städtischen Dienstleistungen (...) und nahezu alle komplexen Probleme, die das städtische Leben von großen Bevölkerungsmassen schafft, wären gelöst. Unser Stadtprojekt verbindet die hygienischen Bedingungen des Lebens auf dem Land mit jenen der großen Hauptstädte." (Arturo Soria y Mata: La línea recta,in: El Progreso,1882) Die Straße als Lebensraum. Bis zum Zeitalter der Industrialisierung waren Organisation, räumliche Ausformulierung und damit Funktion der Straße von der Geschwindigkeit des Menschen als Fußgänger, geprägt. (vgl. Emberger, Schopf 2013:5) Die daraus resultierende Vielfalt des (räumlichen) Gebrauchs der Straße beschreibt Karl Heinrich Hüllbusch als eine Aneinanderreihung von Plätzen, bei welcher die Basis der Organisation das Gegenüber bildete und “der Blick über die Straße” oder “der Weg über die Straße” den alltäglichen, nachbarschaftlichen Austausch möglich machte. (vgl. Holzapfel 2012:19) Damit verwies er auf die ursprüngliche Wichtigkeit von Kreuzungen und Straßen als Treffpunkte, Orte der Orientierung, des Beobachtens, der Information und der Entschleunigung oder zusammenfassend: “Wohnen an einer Straße, wo Menschen passieren, war eine Qualität.” (Holzapfel 2012:24)

„Jeder Deutsche soll den Anspruch haben, sich einen eigenen Wagen zu kaufen. Deshalb wollen wir ihm die Straßen dafür bauen.“ (Helmut Schmidt, 1965)

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Vom Lebensraum zum Verkehrsraum. Das Auto als Massenprodukt und Wohlstandsgut hat die ursprüngliche Organisation und Funktion der Straße vollständig verändert. Abgase und Lärm sowie die neuen Gefahren der Geschwindigkeit sorgten für eine enorme Schmälerung der Aufenthaltsqualität. Vor allem aber die Hierarchisierung der Verkehrswege hatte den Verlust der urbanen Vielfalt zur Folge. Die neue Ordnung war typisch und für ihre Zeit nachvollziehbar. Das Planungsparadigma der Nutzungstrennung in der Nachkriegszeit, beschränkte sich nicht nur auf den Straßenverkehr. Es drang tief in die Alltagspraktiken der Menschen ein und formulierten separierte Zonen des Arbeitens, des Wohnens und der Freizeit. Breite, möglichst kreuzungsfreie Hauptverkehrsachsen durchzogen nun die Städte um dem Autofahrer eine möglichst schnelle Verbindung in die Ferne zu gewährleisten. “Ziel ist die reibungslose Zirkulation und nicht der Halt oder die Ankunft. Das Zentrum als möglicher Punkt des Zusammenstoßes wird ersetzt durch die Zirkulation um ein leeres Zentrum, dessen Verlust belebend wirkt, weil es den Fokus auf die Bewegung selbst legt. Allein der plötzliche Unterbruch des Flusses, der Verkehrsstau, schafft Unzufriedenheit.” (archithese 02.2013:74)


“Das soziale Netz, die Basis des gesellschaftlichen Zusammenhanges, wurde damit zerschnitten und zerstört.” (Emberger, Schopf 2013:6) Eine Verkehrsentlastung durch Ausfallstraßen galt dennoch als angestrebtes Ziel und ständiges Argument: Tatsächlich hat sich jedoch fast ausnahmslos keine Entlastung gezeigt. Entlastungsund Ringstraßen wurden auf Grundlage dieser Annahme ständig weiter ausgebaut und damit die Flächen für den motorisierten Verkehr noch weiter vergrößert. (vgl. Holzapfel 2012:35) Die Logik der Verkehrsplaner der Nachkriegszeit, es waren oft Ingenieure der Gebäudelehre, ist mit ihrem statischen Denken zu erklären. Sie übertrugen die richtige Dimensionierung eines Balkens auf die angemessene Dimensionierung einer verkehrsbelasteten Straße. (vgl. Holzapfel 2012:51) Die Logik der Nutzungstrennung entspringt im Wesentlichen der Charta von Athen und ihrer Forderung nach Sonne, Licht, Luft und Hygiene. Diese Logik der Moderne führte schließlich zum Sieg der Zeit über den Raum, zum Sieg des Individuums über die Gemeinschaft und stellte somit auch die Weichen für die Ausformulierung sogenannter Nicht-Orte: “Wie man leicht erkennt, bezeichnen wir mit dem Ausdruck ‘Nicht-Ort’ zwei verschiedene, jedoch einander ergänzende Realitäten: Räume, die in Bezug auf bestimmte Zwecke (Verkehr, Transit, Handel, Freizeit) konstituiert sind, und die Beziehung, die das Individuum zu diesen Räumen unterhält. Diese beiden Sachverhalte überlagern sich zwar in weiten Teilen gegenseitig und ganz sicher offiziell (die Individuen reisen, kaufen, suchen Erholung), aber sie vermischen sich nicht im selben Maße, denn die Nicht-Orte vermitteln einen ganzen Komplex von Beziehungen zu sich selbst und zu den anderen, die nur indirekt mit ihren Zielen zusammenhängen: So wie die anthropologischen Orte Organisch-Soziales hervorbringen, so schaffen die Nicht-Orte eine solitäre Verträglichkeit.” (Augé 1994:96) Augé hält dennoch fest, dass der Einzelgänger, der einsame Reisende und Konsumierende, nicht als Prototyp der Planung der Moderne entspringen muss.

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Das Anthropologische sei auch an Nicht-Orten der Moderne möglich.(vgl. Augé 1994:125) Der einstige Neuanfang führt demnach zu einer völlig neuen Ausformung von Begegnung und Austausch. Ein Neuanfang in Hamburg. Die Nachkriegsjahre waren in Westdeutschland durch zwei grundsätzliche Strömungen, der Rekonstruktion und dem Neuanfang, geprägt. In einigen Städten wurde aufgrund des vorhandenen Straßennetzes, der kleinteiligen Eigentümerstruktur und dem Einspruch vieler Bürger die Rekonstruktion, in den meisten Fällen jedoch - abgeschwächt - der Mittelweg, gewählt. Oft waren Kriegsschäden nur ein Vorwand, das Straßennetz über die alten Bebauungsstrukturen hinweg zu planen und realisieren. Nach einer Gesamtzerstörung der Stadt von 54%, verfolgte auch Hamburg nach dem Krieg das Ziel der nutzungsgetrennten, autogerechten Stadt: Da wären, um nur einige zu nennen, die eingeschlagene Schneise der Ost-West-Straße durch die Innenstadt, die City-Nord als Arbeiterstadt sowie die später errichtete Bürostadt City-Süd und der Rückbau des Straßenbahnnetzes. “Und so konnte Konstantin Gutschow, seit 1941 zum “Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg” ernannt, im Frühjahr 1944, nach der weitgehenden Zerstörung der Stadt, sagen: “So kalt und berechnend, so verständnislos, soviel Schmerz und Kummer bereitend die Feststellung auch sein mag, der Städtebauer möge es sagen dürfen: Dieses Werk der Zerstörung wird Segen wirken (…). Das Bild der Trümmer rührt uns nicht in der Seele an, vielmehr lässt es nur umso deutlicher und lebendiger das Bild des zukünftigen Hamburg, des neuen Hamburg, vor unseren Augen erstehen.” (Bardua, Kahler 2012:17) Zu dicht, zu laut, zu gemischt, vor allem zu unsozial war Hamburg in den Augen vieler Stadtplaner. Eine Meinung, die bereits in den 20er Jahren von Fritz Schumacher vertreten und später von den Nationalsozialisten weiter entwickelt wurde bis sie schließlich vor allem im kriegszerstörten Osten in Form der “gegliederten und aufgelockerten Stadt” realisiert wurde. Zudem sollte ein leistungsfähiges Netz an Schnellund Ringstraßen für den ungehinderten Ablauf des Berufs- und Wirtschaftsverkehrs sorgen. Eine Separierung der Verkehrsarten und damit eine Verdrängung der schwachen Verkehrsteilnehmer (Fußgänger und Radfahrer) war leider auch in den Neuplanungen in Hamburg eine logische Konsequenz. Vom Verkehrsraum zum Lebensraum? Konflikte und Kompromisse resultierend aus der Verkehrsplanung der Moderne, lassen sich allein aus dem ruhenden Verkehr ablesen. Dort wo einst Kinder spielten, Treffpunkte waren, besetzen nun Autos die Flächen und versperren den Blick auf die gegenüberliegende Seite. Eine gleichberechtigte Nutzung ist allein durch Autos beanspruchte Fläche gar nicht möglich. Sprach man aufgrund der gefährlichen Geschwindigkeiten von Schutz der Verkehrsteilnehmer, meinte man die Trennung der Verkehrsarten. 14


Diese war schon an den neuen Namen von Straßenkategorien abzulesen: Durchfahrtsstraße, Umgehungsstraße und Wohnstraße. Statt Kreuzungen wurden Unter- und Überführungen gebaut und das Wohnen, “das Fenster zur Straße” von der Straße abgewendet. Nun gab es das Gegenüber, die Basis der Organisation an einer stark befahrenen Straße nicht mehr. Es musste dem Verkehr ausweichen und wurde zur Rückseite. Damit wichen auch Begegnungen, Austausch und das Zufällige auf der Straße bzw. es fand nur soweit statt, wie es der Verkehr zuließ. “Dabei war die Straße Jahrtausende geradezu durch Kommunikation definiert.” (Holzapfel 2012:37)

“Ich meine, das Auto ist ein nützliches Hilfsmittel, aber keine heilige Kuh, und die Wachstumsrate der Automobilindustrie ist es nicht wert, ihr die Zukunft unserer Städte zu opfern.” Hans-Jochen Vogel, Münchens damaliger Oberbürgermeister, in einem Interview im Spiegel im Mai 1971 ‚Das Auto mordetMünchen unsere Städte‘

Erst in den 70er Jahren wurden Stimmen gegen die autogerechte Planung laut. Neben Verkehrslärm, Umweltverschmutzung und Lobbyarbeit beklagte man die stadträumliche Qualität, den Mangel an Urbanität und die Nutzungsentmischung. In “Die totale Autogesellschaft” beschrieb Hans Drolliger 1972 die Probleme, die das Auto und sein Gebrauch mit sich bringen und spaltete zu diesem Thema als einer der Ersten die Meinungen in Deutschland. Hamburg Wien Man hat mittleweile erkannt, dass bei den autogerechten Lösungen der Moderne 27der Mensch vergessen wurde und plant nun 28 27 Entschleunigungen in Form 43 von nächtlichen 30er Zonen oder dem Wiederaufbau eines Straßenbahnetzes. Man diskutiert intermodale 6 11 Mobilitätskonzepte und stellt am Ende trotzdem fest: Hamburg ist 39 19 immer noch die Stadt der Autofahrer”. Hier hat der motorisierte Individualverkehr mit 43 % den höchsten Anteil am Verkehrsaufkommen. (vgl. http://rycon.wordpress.com: 2010). Dennoch. Das Verkehrsverhalten der Stadtbewohner, der Hamburger, muss und wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verändern. Das wird auch stadträumliche Konsequenzen vor allem an den Ein- bzw. Ausfallstraßen nach sich ziehen. Warum also nicht heute schon damit beginnen, die Straße wieder als einen Ort der Kommunikation zu begreifen und ihr etwas vom ursprünglichen Leben(sraum) einzuhauchen?

28 37

14 21

Modal Split - Städte im Vergleich MIV (motorisierter Individualverkehr) ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) Fahrrad Fuß * Köln 2006.

Hamburg

Wien

Hamburg

München Wien

27

28

München

27

28 37

43 6

11 19

14 39

21

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Wohnen an der Magistrale? Diese Frage formuliert auf den ersten Blick einen Widerspruch. Die ‘Magistrale’ oder auch Ein- oder Ausfallstraße einer Stadt, versinnbildlicht die ständige Fortbewegung, das Fliessen des motorisierten Verkehrs zu einem weit entfernten Ziel. Assoziiert man mit “Wohnen” ein Zuhause, ein Ankommen oder Ausruhen, verbindet man mit der Hauptstraße das Durchreisen und Rastlose. Dass diese Gegensätzlichkeit nicht zwingend sein muss, kann man aus der Geschichte der Straße ableiten. Dem scheinbaren Widerspruch wurde im Projekt nachgegangen, um im immanenten Konflikt positives Potential zu entdecken und weiter zu verdichten. Die Leitfrage, die sich durch das gesamte Projekt zieht lautet: Welche Wohnräume können an einer Ausfallstraße geschaffen werden?

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2 Fokus: Raum


Die B5 und ihre Bedeutung

Magistralen und Straßen mit regionaler Bedeutung in Hamburg. Hervorgehoben ist der Betrachtungsund Fokusraum: Die B5 östlich des 1. Ringes

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Fokusraum. Der exemplarische Betrachtungsraum für die Fragestellung welche Wohnformen an der Magistrale geschaffen werden können ist ein Teil der Bundesstraße 5. Fokusraum ist hier ein Ausschnitt der B5 im Hamburger Stadtgebiet. Dieser umfasst die Nordkanalstraße und Spaldingstraße, welche zusammengeführt in Richtung Osten zur Eiffestraße werden. Grenze des Fokusraumes ist der Hamburger Ring 1 in westlicher Richtung und in östlicher Richtung die Weiterführung der Eiffestraße als Bergedorfer Straße. Die Straße führt aus der Hamburger Innenstadt, als Verlängerung der Ost-West-Straße in Richtung Osten über Billstedt nach Bergedorf. Großräumlich gesehen führt die B5 durch Hamburg bis nach Berlin.


Umlandverbindung. Der näher betrachtete Raum ist geprägt durch überregionale Zusammenhänge, die sich auf lokaler Ebene lediglich als starker Verkehrsfluss äußern. Ein beachtlicher Teil des Verkehrsaufkommens ist Durchgangsverkehr. Zielort könnte hierbei die Innenstadt sein, Quellen des täglichen Pendlerverkehrs können in Billstedt und Bergedorf verortet werden. Die Straße ist nicht die einzige verkehrstechnische Verbindung, sie wird durch öffentliche Verkehrsmittel entlastet. Parallel zur Straße verlaufen die U-Bahnlinie 2 und 4 nach Billstedt und die S-Bahnlinie 2 nach Bergedorf. Die Funktion als Bundesstraße in Richtung Berlin wird vor allem durch die Autobahn 25 entlastet. Die durch die Magistrale verbundenen Orte sind demnach mehrfach angebunden. Trotz dieser Alternativen ist sie mit einem täglichen Durchschnitt von knapp 50.000 Kfz werktags eine der verkehrsbelastetsten Straßen innerhalb Hamburgs.1 1 Zum Vergleich andere Straßen mit ihren durchschnittliche Werten: Streesemannstraße 37.000; Hamburger Straße 41.000; Kieler Straße 50.000, Ost-Weststraße 53.000; Veddeler Brückenstraße / A255 110.000 (vgl. Verkehrsentwicklung Einzelpegel 2013, BWVI)

Die B5 und parallel verlaufende Verkehrsachsen

Alster A24 A24

Billstedt

U2 Mümmelmansberg U2

S2 Aumühle S2

A1 A1

Bergedorf

A25 A25

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Ausschnitt aus dem Handlungsplan des räumlichen Leitbildes. Die B5 soll demnach stadträumlich qualifiziert werden. Sie führt entlang der Inneren Stadt, der Urbanisierungszone und des äußeren Siedlungsraumes. In all diesen Räumen sollen nach Aussagen des Leitbildes Siedlungsreserven mobilisiert werden. City Stärkung der Nutzungsmischung und Funktionsvielfalt; Qualifizierung der öffentlichen Räume Innere Stadt Bestandsentwicklungs und Bestandsqualifizierung, Mobilisierung von Siedlungsreserven für Wohnen und Gewerbe; Qualifizierung der Grünund Freiflächen Urbanisierungszone Mobilisierung von Siedlungsreservern durch Konversion, Neuordnung, Flächenrecycling; Qualigizierung von übergeordneten Grünzügen Äußerer Siedlungsraum Mobilisierung von Siedlungsreserven für Wohnen und Gewerbe durch Nachverdichtung und Flächenentwicklung Stärkung und Sicherung der Zentren Qualifizierung und Stärkung der innerstädtischen Parkanlagen / Grünzüge / Waldgebiete Handlungsschwerpunkte mit komplexen Aktivierungs- und Steuerungbedarf Kooperationsräume mit den Umlandgemeinden Lage- und Freiraumpotentiale nutzen; Stadt- und Hafenelbe / Landschaftselbe Stadträumliche Qualifizierung von Magistralen

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Räumliches Leitbild. Im räumlichen Leitbild Hamburgs von 2007 ist die Eiffestraße als Magistrale kenntlich gemacht. Allgemein heißt es zur Entwicklung der Magistralen: „Ziel ist es, die Straßen unter Wahrung der für die Erreichbarkeiten in der Stadt wichtigen Verkehrsfunktionen besser in den städtischen Raum zu integrieren, d.h. die von ihr ausgehenden Beeinträchtigungen so weit wie möglich zu mindern und als »Stadträume« aufzuwerten.“ (FHH 2007: 41) Die Verkehrstrassen werden als notwendige und beeinträchtigende Räume aufgefasst. Es wird weiter von „gestalterisch und nutzungsstrukturell schwierige[n] Räumen entlang der Hauptverkehrsstraßen“ (FHH 2007: 72) gesprochen. Zum Umgang mit den Situationen wird lediglich angeregt „durch bauliche und grüngestalterische Maßnahmen die ausgehenden Störungen zu mindern und die Querungsmöglichkeiten von Stadtquartier zu Stadtquartier zu verbessern“ (FHH 2007: 72). Es werden optische Aufbesserungen vorgeschlagen um Magistralen zu qualifizieren. Umgang mit Bestand, baulich-räumliche Transformationen oder gar einen Eingriff in den Verkehrsstrom sucht man im Leitbild vergeblich. Die Funktion der Straße definiert den umliegenden Raum. Eher verhalten wird weiter das Urteil gefällt, dass „bei der Bewertung der Magistralen (Hauptverkehrsachsen) als Bürostandort [...] Experten durchweg keine nennenswerten Entwicklungsaussichten [sehen].“ (FHH 2007: 137).


Im Gegensatz dazu sollen sie aber „als Teile des öffentliche Raumes erlebbar gemacht werden“ (FHH 2007: 170) und „in der inneren Stadt steht die urbane Qualifizierung im Vordergrund“ (ebd.) Laut dem beiliegenden Plan „Mehr Stadt in der Stadt - Handlungskonzept“ befindet sich das im Projekt gewählte Fokusgebiet in der Inneren Stadt, welches qualifiziert werden muss. Verkehrsstärken. Bei genauerer Betrachtung der Verkehrsstärken und ihrer Folgen können einige Schlüsse gezogen werden. Die stärkste Verkehrsbelastung auf der Eiffestraße / Bergedorfer Straße ist auf der Höhe Billstedt. Die Verkehrsstärke nimmt aber in Richtung Innenstadt wieder ab, genauso wie in Richtung Bergedorf. Bei den vielen Fahrten entlang der Straße handelt es sich also nicht zwangsläufig um regionalen, sondern um innerstädtischen Verkehr.

Billstedt

Bergedorf

tägliche Kfz-Belastung in tausend an Werktagen 30 50 70 23


Dieser beträgt in der Regel nur wenige Kilometer und könnte mit entsprechenden Alternativangeboten reduziert werden. Nichtsdestotrotz wurde in den letzten Jahrzehnten stark in den Individualverkehr investiert. Die Folgen zeigen sich in unterschiedlicher Weise. Es gibt starke Belastungen durch Lärm- und Schadstoffemissionen, die das direkte Umfeld der Straßen nicht mehr anders nutzbar oder gar unbewohnbar machen. Durch die Trennung der Funktionen und Verkehrsarten konnte sich das Auto als stärkste Verkehrsart auf Kosten anderer durchsetzen (vgl. Schopf, Emberger 2013: 5). Städtbaulich sind die Folgen entlang der B5 stark sichtbar. Kurioserweise werden die Verkehrsstärken weder auf der Spaldingstraße noch auf der Nordkanalstraße ermittelt. (Rolf Mielke 2013)

Pkw-Bestand in Hamburg

00 011

220

0000

220

tägliche Verkehrsbelastung auf der Eiffestraße

Kfz täglich auf de Eiffestraße , 1991 - 2010 60000 60000

50000 50000 00 011 220

0000 220

9911 19

24

600000 600000

1 991

Rein rechnerisch fährt täglich fast jedes 10. Hamburger Auto über die Eiffestraße.

900000 900000

19

Der Kfz-Verkehr auf der Eiffestraße war in den letzten 20 Jahren, mit einigen Schwankungen, rückläufig. Ähnlich ist es mit den in Hamburg gemeldeten Pkws. Nach einer kontinuierlichen Steigerung kam es seit Mitte des letzen Jahrzehnts zu einem Einbruch. Durch steigene Spritpreise, alternative Mobilitätsangeboten und einem Mentalitätswandel ist anzunehmen, dass sich das Verkehrsverhalten in den nächsten Jahren weiter wandeln wird.

Kfz-Bestand in Hamburg, 1991 - 2010


Lärmbelastung entlang der Verkehrsachsen

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Von der Weide zu Stadt

Um den heutigen Zustand der Straße zu verstehen ist es notwendig sich ihren geschichtlichen Werdegang anzusehen. Das heutige Stadtbild ist Ergebnis verschiedenster geschichtlicher Entwicklungen, die nicht mehr sichtbar sind aber durch die Recherche nachvollzogen werden können. Um 1790 existiert bereits die Hammer Landstraße als Verbindung in die noch befestigte kompakte Stadt Hamburg. Die Landstraße führte vorbei an den kleinen Orten Hamm und Horn nach Bergedorf. Die heutige B5 ist in etwa auf der Fläche der Mittel-Wetterung, die der Entwässerung der landwirtschafltich genutzten Flächen diente. Die Flächen waren Marsch- und Weideland. 1909 ist das Stadtwachstum Hamburgs in vollem Gange. Die Industrialisierung sorgte für die Ausdehnung des Siedlungsraumes in das Umland. Gründerzeitbauten entstehen und Kanäle werden ausgehoben. Der westliche Teil der Mittel-Wettern wird zum noch heute existierenden Mittelkanal ausgebaut. Die Kanäle werden als Industriekanäle ausgebaut, die umliegen Flächen sollen dem Gewerbe dienen. Die damalige Nutzung ist auch heute noch in den Flächennutzungsplan eingeschrieben.

Das heutige Hamm um 1790

Hammerbrok und Hamm um 1909

Eiffestraße 519 im Jahr 1910. Die Eiffestraße befindet sich gerade im Bau.

26

Angeln am Mittelkanal um 1910. Die Stadt hatte noch klare Übergänge ziwschen Mietskasernen und Landschaft. Der Kanal ist an dieser Stelle noch nicht befestigt.


Der nicht mehr existente Nordkanal in Hammerbrook, an dem sich Gewerbe wie auch Wohnnutzungen ansiedelten.

Eiffestraße Ecke Normannenweg

1927 wurde die Verkehrsinfrastruktur weiter in Richtung Osten ausgebaut, die Bebauung sollte folgen. Dadurch ist die Landwirtschaft auf dem Rückzug. Die Hammer Landstraße weist inzwischen eine durchgehende Bebauung auf. Die Bille wurde zum Teil kanalisiert. 1927 weiteres Wachstum erwartet

Der Mittelkanal von der Brücke Nagelsweg in Richtung Osten. Die Ufer waren als Promenade ausgestaltet im Hintergrund die St. Annen Kirche.

Baden war im Mittelkanal um 1925 noch möglich.

Diagonalstraße Ecke Eiffestraße um 1940. Auf der rechten Seite gab es einen Rosengarten, der heute noch als Freifläche den selben Namen trägt.

27


Zerstörung und Neubeginn

Durch die Bombardierungen der Alliierten 1943 wurde Hamburg stark zerstört. Hammerbrook wurde zu 98% vernichtet, Hamm zu 96%. In der ersten Bombennacht vom 27. auf den 28 Juli entfachte ein Feuersturm, der umliegende Gebäude niederbrannte. Das führte zu starken Bevölkerungsverlusten von denen sich die Bezirke nicht mehr erholten. Mit verändertem Interesse in den Wiederaufbaujahren wurden die Bezirke in ihrer Nutzung umstrukturiert. Der Stadtgrundriss blieb in weiten Teilen bestehen.

Bombenschäden entlang des Mittelkanals 1943

Blick auf das zerbombte Hamm 1943 von der Eiffestraße auf einen intakten Bunker. In dem Bezirk bestehen einige dieser Bunker, die heute als Musikbunker Proberäume beherbergen.

Die Trümmer der Gebäude an der Eiffestraße

Blick von der ehemaligen Pro-Bäckerei am östlichen Ende der Eiffestraße

Die Schadenskarte zeigt die im Krieg getroffenen Gebäude in weiß. Trotz der nahezu kompletten Zerstörung wurde die Straße auf einem ähnlichen Grundriss wieder aufgebaut. Sportplätze und Freiflächen sind nach wie vor nicht bebaut.

28


Nach den Bombardierungen wurde die Eiffestraße aufgrund von Seuchengefahr teilweise unter Quarantäne gestellt und abgeriegelt. Das Abtragen der Trümmer und der einsetzende Wiederaufbau dauerte Jahrzehnte. Im Plan von 1968 sind deutlich die noch vorhandenen Freiräume zu erkennen. Die Bebauung ist noch sehr fragmentiert.

1968 Das Gebiet wird langsam wieder aufgebaut.

Die Kreuzung Eiffestraße Ecke Luisenweg nach Räumung der Trümmer Mitte der 1950er Jahre

Luftbild über die Kleingartenanlage, die nach dem Krieg viele Personen beherbergte. Hamm ist einer der bevölkerungsreichsten Stadtteile Hamburgs

EW 100.000 90.000

Hamm Süd& Hammerbook werden fortan gewerblich genutzt

* 96% Kriegszerstörung in beiden Stadtteilen

80.000

Bevölkerungsentwicklung der Stadtteile Hamm und Hammerbrook. In den Vorkriegsjahren herrschte hier eine Einwohnerdichte, die nicht annähernd wieder erreicht wurde.

70.000 60.000 50.000 Hamm 2011 (38.935 EW)

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Hammerbrook 2011 (1.843 EW)

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1950

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29


Freie Fahrt für freie Bürger

In den 80er Jahren weist die Straße noch immer kein geschlossenes Bild auf. Der Wiederaufbau ist weitgehend abgeschlossen. Die Wohnbauten wurden in der Regel in Zeilenbauweise ausgeführt. Einige Großstrukturen prägen das Gebiet. Unter dem Einfluss der Nachkriegsmoderne entstanden vor allem Bildungseinrichtungen in dieser Formensprache. Die frühere Blockrandbebauung ist nur noch vereinzelt vorzufinden. Die Eiffestraße wurde verländert und zur B5 ausgebaut.

Der Schadensplan zeigt in weiß die im zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Gebäude. Rot überlagert ist der heutige Gebäudebestand.

30

1987 Die Eiffestraße erlangt regionale Bedeutung

Die Eiffestraße wird auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet. Die ehemalige Allee, die einst die Straße säumte, wird zum Grünstreifen. Die Fahrbahn wird verbreitert, für die letzten wenigen Bewohner gibt es vereinzelt Ampeln.

Nutzungen die der Straße entsprechen. McDonalds macht Mitte der 1980er an der Eiffestraße auf.


Das Gebiet wird am stärksten durch seine Verlängerung geprägt: Die Eiffestraße, die einst nördlich über der Billhuder Insel endete, wird als Schnellstraße bis nach Bergedorf geführt. Die B5 (damals noch unter dem Namen E15) führt den Verkehr direkt aus dem Umland in die Stadt. Platz dafür war auf den Flächen der ehemaligen Mittelwettern. Von der Landwirtschaft genutzte Flächen wurden durch Kleingartenanlagen ersetzt, die Wettern war inzwischen völlig überflüssig. Durch diese Straßenverbindung wurde das östliche Hamburger Umland komfortabel von der Stadt aus erreichbar und umgekehrt. Ein Zeichen des Fortschritts und der Zeitersparnis. Durch diese direkte Verbindung konnte die Hammer Landstraße vom Verkehr entlastet werden, welche die frühere Verbindung darstellte. Heute ist die Hammer Landstraße wesentlich ruhiger und wohnlicher als die Eiffestraße. Die jahrhundertelang existierende Verbindung wurde einige Meter nach Süden verlegt. Eine vorteilhafte Situation für alle Beteiligten. Mit der Zeit ändert sich aber die Situation, auch an der Eiffestraße wird wieder gewohnt. Die Straße ist zentral und profitiert von der U-Bahn, die entlang der Hammer Landstraße fährt. Der Wachstumsdruck steigt und die räumliche und verkehrliche Prägung des Raumes sind nicht mehr zeitgerecht. (Wulf 2013)

1999 langsam füllen sich die Freiflächen

Die Wunden sind noch immer nicht verheilt. 1992 wird ein Wohnblock wieder geschlossen, den es bereits vor dem Krieg gab.

Die Straße verändert sich langsamer als in den letzten Jahrzehnten. Die meisten Flächen sind wieder bebaut oder in Gebrauch. Ein Interesse an einer Entwicklung gibt es nicht, andere Standorte sind besser für Investitionen in Wohn- oder Gewerbebauten geeignet. Die Straße ist primär Transitraum, andere Nutzungen sind dem untergeordnet.

Eine Torsituation wird am Ende der Eiffestraße errichtet. Der Maßstab der Straße ist nicht mehr der Fußläufige. Die Gebäude können nun auch andere Bedürfnisse bedienen. 31


Ein stadträumliches Portrait Start: Nordkanalbrücke

Hammerbrook. Westlich der Deichtorhallen, nach der Bahnunterführung am Klosterwall, eingekeilt im Gewirr unterschiedlicher Trassen, an der Stelle, über welcher sich zusätzlich die spätere Nordkanalstraße zur Brücke erhebt, markiert die Aufspaltung der Nordkanalbrücke vom Högerdamm im Münzviertel den Startpunkt des Untersuchungsgebietes. Während man als Fußgänger oder Radfahrer Umwege und lange Wartezeiten an Ampeln in Kauf nehmen muss, führt die Nordkanalbrücke den Autofahrer direkt auf die gleichnamige vierspurige Einbahnstraße.

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32

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Nutzungen im Untersuchungsgebiet

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Zwischen 3 bis 11 Geschossen klaffen Lücken, oft sind es großräumliche Areale, auf denen geparkt wird, trotz eines an beiden Seiten der Straße vorhandenen Parkstreifens. Großformatige Werbeträger besetzen die Zwischenräume. In und neben den Gebäuden haben sich viele Nutzungen für den motorisierten Verkehr angesiedelt wie Tankstellen, Reparaturwerkstätten, und Geschäfte für Motorradbekleidung. Sie werden ergänzt durch Hostels und Hotels, Möbeloutlets, diversen Fetischläden, einem Sex-Drive-In…


Kreuzung Anckelmannsplatz / Am Berliner Tor

Das gleiche Bild bietet sich nebenan in der Spaldingstraße, dem stadteinwärtsführenden Pendant zur Nordkanalstraße. Die nächste große Kreuzung zur Hammerbrookstraße wird schon von weitem durch ein S-Bahn-Viadukt dominiert. Die unbeliebten darunter liegenden und angrenzenden Grundstücke haben KFZ-Betriebe, Reifenhändler und Tankstellenbesitzer für sich entdeckt. Die Kreuzung am Berliner Tor bildet im Verlauf der B5 einen weiteren Höhepunkt autogerechter Planung: Der überdimensionierte Verkehrsknotenpunkt Anckelmannsplatz trägt mittlerweile zu Unrecht den Namen Platz, denn an dieser Kreuzung von 4 bis 5-spurigen Straßen ist ein Aufenthalt unmöglich. Etwas Blockrand wird abgelöst von “zeitgemäßer” eigenwilliger Architektur geht über in eine diffuse Abstandsbegrünung und Wegeverbindung und endet schließlich in der übersichtlicheren, in beide Richtungen führenden, vierspurigen Eiffestraße.

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33


Hamm. Die Bebauung ist nun weitaus niedriger, der Rand aber genauso ausgefranst. Linkerhand, an der Nordseite dominieren Abstandsflächen und großflächige, niedrige Schulbauten. Rechts, auf der südlichen Seite, ist die Gebäudestruktur, hauptsächlich aus der Nachkriegszeit, etwas kleinteiliger und durchmischter. Sie wird gelegentlich durchbrochen von großen Bürogebäuden aus den 80er und 90er Jahren. Dazwischen im Norden das schützende, Abstand garantierende Restgrün, Hecken und Zäune, am südlichen Teil der Straße sind Grenzen meist baulicher Art. Eine riesige Freifläche fällt ins Auge. Sie wird von mehreren Autohändlern genutzt. Weiter Richtung Westen werden die niedrigen Schulbauten von der typischen Wohnzeilenbebauung der 50er- und 60er Jahre abgelöst. Der Monotonie des Wohngebietes auf der Nordseite steht die Heterogenität des Gewerbegebietes auf der Südseite entgegen. Offene Tore locken in kleinen Hinterhöfe und machen neben einer Mischnutzung aus Wohnen und Gewerbe einen großartigen Ort am Mittelkanal sichtbar. Mit der Änderung der Widmung in ein Mischgebiet ändert sich schlagartig die Kleinteiligkeit im Süden. Einem großen Wohnblock folgt ein Gewerbeareal, welches durch höhere Gebäude auf dieser Seite mit dem Wohnhochhaus auf der anderen Seite eine Art Torsituation schafft. Im südlichen Teil dominiert Leerstand, im nördlichen Langeweile. Der Straßenraum ist noch diffuser und ungeordneter als im innenstadtnahen Bereich. Einsame Kleingartensiedlungen entlang der letzten Unterführung komplettieren zu beiden Seiten den Eindruck einer typischen Ausfallstraße.

Schwarzplan Untersuchungsgebiet mit Umgebung, maßstabslos

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Wohngebiet Mischgebiet Gewerbegebiet

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Flächennutzungsplan, maĂ&#x;stabslos

Bauliche Dichte (GFZ) entlang der B5

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Abwicklung der Magistrale von Innen nach Außen, Maßstab M 1:4.000 Schnitt A-A

Grossmann & Berger

Büros und Wohnungen für Hamburg www.grossmann berger.de

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Spaldingstraße

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Nordkanalstraße

Öffentliche Verkehrs- und Parkflächen Private Parkflächen, KFZ- An- und Verkauf Öffentliche Flächen für Fußgänger und Radfahrer Private Flächen

AUTOHAUS.de

Schnitt B-B

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Spaldingstraße

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Nordkanalstraße

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Eiffestraße

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Eiffestraße

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Eiffestraße

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Alles fürs Auto? Die abstrakte Darstellung “Alles fürs Auto” erklärt zum einen, warum an Ausfallstraßen auf eine räumlich gefasste, kleinteilige und abwechslungsreiche Ausformulierung verzichtet wurde, und bringt zum anderen den Konflikt zwischen Verkehr und Wohnen an diesem Nicht-Ort auf den Punkt: Unten dargestellt sind alle ebenerdigen Flächen entlang der Nordkanal-, Spalding- und Eiffstraße, welche ausschließlich vom motorisierten Verkehr besetzt werden. Sie sind das Produkt einer Planung, die zum vermeintlichen Wohle aller (zum Schutz des Fußgängers, zum Schutz des fliessenden Verkehrs) eine Hierarchisierung und damit Trennung der Verkehrswege favorisierte. Extremthesen als Annäherung. Um diesen Ort und mit ihm seine Planung besser zu verstehen, erfolgte eine Auseinandersetzung mit der Problematik über den Antagonismus zwischen Wohnraum und Verkehrsraum. Aus einer der damaligen ähnlichen technisch-räumlichen Betrachtungsweise heraus, formulieren drei Thesen eine noch extremere Trennung des Wohnens zum Verkehr zugunsten des jeweiligen Anderen. Es sind demnach separierende Ausweichstrategien, aus dem alten Prinzip autogerechten Planung.

Alles fürs Auto: Abstrakte Darstellung der genutzten Straße: Straßenraum, Querstraßen und angrenzende Freiflächen, die ausschließlich dem motorisierten Verkehr dienen

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These 1 ‚Wohnen statt fahren“. Beseitigt man den motorisierten Verkehr von der Eiffestraße, löst man das Grundproblem nicht, es wird nur verlagert. Ein Kompromiss, denn die parallel verlaufende Hammer Landstraße muss nun das komplette Verkehrsaufkommen aufnehmen. Hamm-Mitte und Hamm-Süd, eigentlich durch die B5 getrennte Stadtteile können dagegen zu einem zusammenhängenden Raum zusammenwachsen. These 2 ‚Parkdeckel Hamm‘. Eine Deckelung der Eiffestraße scheint eine Win-Win-Situation für beide Seiten zu sein. Darüber würde ein Freiraum von knapp 60 Meter Tiefe entstehen können, der motorisierte Verkehr profitiert ohne weiteres enorm davon, denn zusätzlich zur oberirdischen Verkehrsberuhigung entlang der Eiffestraße, kann nun auch der Verkehr auf der Hammer Landstraße entlastet werden. Darüber hinaus, vereint hier der entstandene Park, was einst durch die Ausfallstraße getrennt wurde. These 3 ‚Eiffe-Highway‘. Baut man die Eiffestraße als übergeordnete Verkehrsader weiter aus, würden sich die Wohnnutzungen noch weiter reduzieren. Im Gegenzug können diese nun entlang der Hammer Straße verdichtet werden. Es ist, ähnlich wie in These 1, eine räumliche Verlagerung, und demnach ein Kompromiss (Eine Straße zum Wohnen, eine zum Fahren), da auch in dieser These die Hammer Landstraße weniger verkehrsbelastet wäre.

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Raum als Produkt. Aus den Erkenntnissen der Extremthesen, lässt sich folgende These ableiten: Die Straße ist das Produkt anderer Räume bzw. deren Nutzer. Die Angebote entlang der Straße und der Verkehr bedingen sich gegenseitig. Die räumliche Ausprägung und der Gebrauch des Raumes sind stark definiert durch den motorisierten Individualverkehr (welcher wiederum das Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse ist). Im Folgenden wurde diese These auf ihre räumlichen und funktionalen Ausformulierungen sowie die gesellschaftlich-sozialen Praktiken vor Ort genauer untersucht.

These 1 ‚Wohnen statt fahren“

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These 2 ‚Parkdeckel Hamm‘

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These 3 ‚Eiffe-Highway‘

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Schnitt zu These 1 ‚Wohnen statt fahren“

Eiffeweg

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Öffentliche Verkehrs- und Parkflächen Private Parkflächen, KFZ- An- und Verkauf Öffentliche Flächen für Fußgänger und Radfahrer Private Flächen

Schnitt zu These 2 ‚Parkdeckel Hamm‘

Deckel Hamm

Schnitt zu These 3 ‚Eiffe-Highway‘ Überall!

Besser iss das!

Eiffe-Highway

41



3 Fokus: Nutzer


Einwohnerstrukturen im Vergleich Bevölkerungsdichte* Hamm-Mitte 10.959 EW 12.177 EW/km2 Hammerbrook 1.893 EW 681 EW/km2 (HH: 2.313) Hamm-Süd 4.160 EW 3.782 EW/km2

Hamburg

19.0% Hamm-Mitte

*alle Daten aus dem Jahr 2011

Hamm-Süd

15.0%

Ü 65

15.2%

Ü 65

Ü 65

Hammerbrook

5.2% Ü 65

Anteil der über 65-Jährigen* nach Stadtteil

Hammerbrook

8.1% Anteil der unter 18-Jährigen* nach Stadtteil 44

U 18

Hamm-Süd

Hamm-Süd

Hamburg

15.5%

15.6%

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U 18

U 18


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42,0%

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Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund nach Stadtteil*

Hammerbrook

74.0%

Hamm-Mitte Hamm-Süd

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Hamburg

56.3%

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Anteil der Einpersonenhaushalte an den Gesamthaushalten im Vergleich*

Hammerbrook

13,1%

HammSüd HammMitte

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Arbeitslosenquote nach Stadteilen im Vergleich*

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20.506

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Durchschnittliches Jahreseinkommen nach Stadtteilen im Vergleich (2004) 45


Verinselung In der ersten genaueren Untersuchung des Untersuchungsgebietes, tritt die durch den Verkehr verursachte Trennung deutlich hervor: Sogenannte ‚Inseln‘, die nach ihrer Struktur, Körnung und Nutzung entlang der Hauptstraße geplant wurden oder entstanden sind und - jede auf ihre Art - sich sowohl voneinander als auch von der Straße räumlich abgrenzen. Acht ‚Insel-Typen‘ sind klar voneinander zu unterscheiden.

„Die Inselkarte“: Eine subjektive Wahrnehmung vom Untersuchungsgebiet

10

11

08

09

‚Zu Hause‘ Wohnen - monofunktional höhere Bebauung (4-5 Geschosse) Unterscheidung in Zeilen- und Blockrandstrukturen 46

09

‚Die wilde Mischung‘ unterschiedliche Körnungen und Bebauungshöhen oft Hinterhöfe, Gewerbe & Dienstleistungen lokal & global selten Wohnnutzung

08

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12

10

12

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06 14

07 ‚(Big) Boxes‘ niedrige, flächenintensive Bebauung Gewerbe & Dienstleistungen

03

01 02 15

‚Kleingartenidylle‘ dünn besiedelte Räume niedrige Bebauung private Grünflächen viele Eigentümer

10

‚Autoflächen‘ Private und unbebaute Grundstücke, Parkflächen & Autohöfe

11

Schienenverkehr

Restflächen und -grün

10 12

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Interviews Autoverkehr

12

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Erholungsgrün

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07 Wasserkanten Fußgängerquerungen 47


Begegnungen Abstract Interviewführung Auf Basis unserer Kartierung, die den inselhaften Charakter des Untersuchungsgebietes sichtbar machte, wählten wir die Orte der Befragungen aus. Es sind ‘Inseln’, die nach ihrer Struktur, Körnung und Nutzung entlang der Hauptstraße geplant wurden oder entstanden sind und - jede auf ihre Art - sich sowohl voneinander als auch von der Straße räumlich abgrenzen. Acht ‘Insel-Typen’ sind klar voneinander zu unterscheiden: 1 “Die Kleingartenidylle” 2 “Zu Hause” Wohnzeilen 3 “Zu Hause” Wohnblöcke 4 “Big Boxes” Größere Industrie und Gewerbeagglomerationen 5 “Die wilde Mischung” Mischung von Büro, Kleingewerbe und Dienstleistungen Darüber hinaus sind viele Freiflächen mit inselhaftem Charakter vorzufinden: 6 Erholungsgrün 7 Restflächen und -grün 8 Autoflächen Auffallend sind die an fast allen Inseltypen vorgelagerten Parkund Abstandsflächen zum Straßenraum. Bei geringeren Distanzen zur Straße grenzen Hecken, Zäune und Tore die Grundstücke ab. Die tragende Hypothese formulierte, dass die Straße (als Produkt anderer Räume bzw. deren Nutzer und umgekehrt) eine Verinselung produziert. Damit ist die Straße eine Verräumlichung von Interessenskonflikten. Diese Konflikte treten allerdings nicht als solche hervor, sie werden lediglich ausgehalten und sind ständige Kompromisse. Die Forschungsfrage lautete folglich: Wie manifestieren sich Kompromisse an der Straße? Leitfadengestützte Befragungen wechselten sich ab mit spontanen Interviews, die sich aus der teilnehmenden Beobachtung, der Situation, ergaben. Abstrakte Leitfadenstruktur: Wann, wie oft und seit wann sind Sie hier? Warum? Wie nutzen Sie diesen Ort? Welche Orte nutzen Sie auch? Mit wem haben Sie hier (regelmäßig) Kontakt? Was wünschen Sie sich für diese Umgebung? Was stört Sie hier? Wie nehmen Sie die Nordkanal-/ Spalding-/ Eiffestraße wahr? Alle Begegnungen sind sind rekonstruiert und in kurzen Erzählungen ausformuliert.

48


49


01 “Hot Dogs” zwischen Rückersweg und Steubenstraße

Feierabend. Es ist Sommer. Unser Treffpunkt auf der südlichen Seite der Eiffestraße ist der Großparkplatz einiger überregionaler Unternehmen wie Medimax, Mc Fit und Fressnapf. Auffallend hohe Gebäude markieren stadtauswärts den Schlußpunkt des von uns abgesteckten Untersuchungsgebiets. Es wirkt - vom durchrauschenden Verkehr abgesehen - still, leer - isoliert. Gelegentlich steigen Kunden aus ihren Autos, gehen zielgerichtet in ein Geschäft oder sie bewegen sich genauso zügig zurück und fahren davon. Inmitten dieses Transit- und Konsumraums fällt uns der kleine Imbisswagen sofort auf. Wir gehen befragen den Besitzer. Neben uns hat der einzige Kunde, ein beleibter Mittfünfziger gerade seine Bestellung aufgegeben. Er hört interessiert zu, während wir den Imbissverkäufer befragen. Den Wagen an diesem Standort gibt es seit 2003. Er selbst habe ihn vor fünf Jahren vom Vorbesitzer übernommen. Zum Leben reiche das jedoch nicht aus. Zwei Jobs habe er. Erst Nachmittags betreibt er seine Imbissstand. Seine Frau hilft vormittags aus, während er als Kurier durch Hamburg fährt. Das sind 12 Stunden, die er täglich arbeitet - mit Einkauf und Vorbereitungen. Er deutet auf den Mann neben uns, der seinen Hot Dog buchstäblich verschlingt. “Eigentlich ist hier nur um die Mittagszeit was los. Danach habe ich so gut wie keine Kundschaft.” Mampfend fügt der Hot-Dog-Liebhaber hinzu: “Ich steig’ hier eigentlich nie aus, fahr immer nur durch.” Woher er denn komme, fragen wir ihn. “Aus Schwerin.” Er pendelt seit 20 Jahren. Sein Auto könne die Strecke mittlerweile alleine fahren. Aber er selbst hat doch gerade hier zum Essen angehalten? “Ja, das war ein Versehen. Sehen Sie: Selbst wenn man noch Besorgungen machen muss, hier hat man doch Angst, keinen Parkplatz zu bekommen.” Unsere Blicke schweifen über die großen und leeren Parkflächen. Wir wundern uns: Vielleicht wegen den hohen Hecken zur Straße? Der Imbissbesitzer erzählt weiter. Selbst das Mittagsgeschäft ist eingebrochen. Ursprünglich gab es hier mehr Büros und Geschäfte: “Das ganze Haus steht leer.” Er deutet auf den Eingang eines ehemaligen Motorradladens. Montag bis Freitag 10.00 bis 18.00 habe er geöffnet, nur Mittags lohne es sich noch. Seit die Pflegeschule gegenüber allerdings eine eigene Kantine hat, ist auch das Mittagsgeschäft eingebrochen. Eigentlich denke er sowieso darüber nach, den Standort zu wechseln. Und Abends? Nach 18 Uhr? “Da ist hier alles tot. Sonst hätte ich länger geöffnet, glauben sie mir. Ich würde ja früher schließen, aber ein paar Leute wissen, dass ich hier bin.”, er deutet auf seinen einzigen Kunden. Der Hot-Dog-Liebhaber wischt sich den Mund ab und verabschiedet sich. Kurz darauf ein weiterer Kunde, der Geschäftsleiter von Medimax. Er raucht eine Zigarette und hört auch uns länger zu, bevor er seine Bestellung aufgibt. Wir entschuldigen uns bei ihm, aber er winkt ab und sagt: “Ich habe Zeit.” und weiter: “Die Laufkundschaft fehlt. Hier gibt es nur Zielkundschaft. Wir brauchen hier Lebensmittelläden, also keinen Aldi oder Penny, einen Edeka zum Beispiel. Das würde mehr Frequenz bringen.” Der Imbissbesitzer nickt zustimmend. Wir fragen nach: “Einen Lebensmittelladen? Wäre das nicht Konkurrenz für sie?” Er schüttelt den Kopf: “Nein, nein. Egal was! Hauptsache Frequenz!”

50


51


08 Jahre im Quartier

Vorteile Provitiert durch Frequenzbringer in der Umgebung

Typologie und Positionierung

Nachteile Leerstand in der Umgebung Keine Laufkundschaft

(Big) Boxes

andocken

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Zweitjob als Kurier Ehefrau arbeitet im Imbiss wenn er nicht da ist Längere, an Frequenzbringer angepasste Öffnungszeiten

6

12

18

Raumnutzung und Umfeld MC Fit

Büros MediMax

Fressnapf

Pflegeschule

Grill-Imbiss

01 52


02 “24 Stunden Sport” am Rückersweg Auf dem Dach des eingeschossigen Gebäudes hinter dem Imbisstand - wieder ein Parkplatz. Wir gehen hinauf und genießen den Ausblick auf den südlich angrenzenden Mittelkanal. Menschen in Sportkleidung steigen aus ihren Autos und gehen in das angrenzende Gebäude zur Billig-Fitness-Kette ‘Mc Fit’. Wir gehen ihnen nach. Am Eingangsbereich müssen wir warten und beobachten die Menschen, die eifrig an ihren Fitnessgeräten meist gen Fenster und damit Sommer trainieren. Eine junge Frau begrüßt uns und wir erklären ihr unseren Besuch. Sie informiert uns über das Konzept von ‘Mc Fit’ und darüber, wer das Studio nutzt. Besonders an ‘Mc Fit’ ist der günstige Monatsbeitrag. “Hier kann man nur trainieren. Eine Sauna oder dergleichen gibt es hier nicht. Daher auch die niedrigen Preise.” Sie erklärt weiter: “Hier trainieren Leute, die in der Nähe wohnen. Die meisten kommen allerdings mit dem Auto. Wir haben hier sehr viel Laufkundschaft. Im Durchschnitt 1.200 Kunden pro Tag, an sonnigen Tagen, wie diesem, sind es 900. Dass Frauen/ Männer-Verhältnis ist geschätzt 30/70.” In St. Georg wurde sogar eine weitere Filiale geöffnet, um diese in Hamm-Mitte zu entlasten. “Hat aber nicht funktioniert.” Sie lacht.

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08 Jahre im Quartier

Vorteile Standortvorteil durch die Lage an der Ausfallstraße Eigenes Parkdeck

Typologie und Positionierung Nachteile Zu viele Kunden (Big) Boxes

Zulassen

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Neue Filiale in St. Georg

6

12

18

Raumnutzung und Umfeld Grill-Imbiss

Büros MediMax

Fressnapf

Pflegeschule

MCFit

02 54


03 “Keine Bank” im Wohnblock am Wichernsweg Wir bleiben auf der Straßenseite, gehen weiter stadteinwärts und gelangen in den grünen Innenhof des nächsten Wohnblocks zwischen Wichers- und Rückersweg. Auch hier: Parkeinfahrten, daneben Mülltonnen “versteckt” in den typisch steinernen Behausungen. Es wird etwas ruhiger und grüner. Wir lauschen nachbarschaftlichen Gesprächen und folgen den Stimmen. Im Hof treffen wir auf eine ältere Frau mit Rollator, die sich mit einer Nachbarin am Fenster unterhält. Wir bitten sie um ein kurzes Interview. Als hätte sie nur auf uns gewartet, dreht sie sich um, setzt sich auf den Rollator und erklärt stolz: “Ich wohne seit 43 Jahren in diesem Haus.” Sie wohne hier gerne, erzählt sie uns, lediglich Bänke vermisse sie. Die Mitarbeiter der SAGA GWG hätten nicht nur die einzige Bank im Hof zerstört, sondern auch einige ihrer Bäume, die sie einst gepflanzt hatte. Einzig ihre Blumenbeete sind verschont geblieben. “Und - ach ja - nachts randalieren die hier. Die Polen trinken zuerst auf dem Parkplatz vom Penny und dann kommen sie hierher nach Hause und schlagen Autos kaputt. Also, das sind nicht nur Polen, da sind auch Deutsche dabei.” Wie sie die Straße wahrnehme, fragen wir sie. “Ooch, den Lärm höre ich nicht. ich habe sowieso eine Wohnung zum Kanal. Wenn nicht diese lauten Bauarbeiten gegenüber wären, hätte ich es sehr schön.” Wir erfuhren, dass neben den Indutrie- und Gewerbeeinheiten auf der anderen Seite des Mittelkanals gerade neue Miet- und Eigentumswohnungen (“Die kleinsten ab 190.000€”) entstehen. In diesem Moment kommen unverkennbar - ihre Tochter mit Enkeltochter aus der Haustür. “Hälst du mir gar nich’ die Tür auf?”, plärrt die Alte. Die Tür wird geöffnet, ein klares Zeichen für uns, die letzten Fragen zu stellen. “Und abgesehen vom Lärm? Wie gefällt ihnen ihre Wohngegend?” “Hier gibts alles: Sky, Budni, eine Apotheke, zwei Pennys...” “Dafür müssen sie aber die Straße überqueren...” Sie grinst: “Ja, ich geh nicht bei den Ampeln rüber. Aber ich hab da einen Trick: Sobald die Autos da ganz vorne rot haben, schaff ich es sicher bis zur Verkehrsinsel.”

55


56


4

Jahre im Quartier

Vorteile Ruhiger Hof Schöner Ausblick auf den Kanal

Typologie und Positionierung

Nachteile Keine Bank Umgang und Pflege der GWG mit dem Hof Keine Querungsmöglichkeiten Betrunkene Anwohner

Zu Hause

03

Zulassen

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien

01 02

Keine Bänke - Rollator als Sitz Eigene Pflege des Hofes Keine Ampeln benutzen

6

12

18

Raumnutzung und Umfeld

15

Tochter & Enkeltochter

Pflegeschule

Bewohnerin

03 57


04 “Auf der anderen Seite” im Hamburg Fatihspor e. V.

Zeit die Straßenseite zu wechseln. 500 Meter stadteinwärts, an der Ecke Borstelmannsweg kommt endlich etwas Abwechslung in die monotone Wohnzeilenbebauung. Ein Kulturzentrum mit Moschee und ein Sportverein sowie ein griechisches Restaurant sind tatsächlich entlang diese Ausfallstraße vorzufinden - allerdings versteckt hinter dem, die Straße begleitenden, ungenutzten Abstandsgrün. Die Tür zum Fatih Spor e.V. ist offen. Fatih Spor e.V. wurde 1982 gegründet. Der Verein hatte lange Zeit sein Sitz in der Neustadt und ist erst seit ein paar Jahren in Hamm-Mitte an der Eiffestraße. Wir treten ein in einen sehr kleinen Raum und erblicken zwei Männer mittleren Alters, die gerade die aktuellen Ereignisse in Istanbul im Fernsehen verfolgen. An den Wänden hängen Fotos der Vereinsmitglieder, der Mannschaft und gerahmte Handzeichnungen türkischer Sehenswürdigkeiten. Sie stellen den Ton des Fernsehers auf stumm und beäugen uns misstrauisch. Einer von beiden senkt die meiste Zeit unseres Besuchs den Kopf. Sein Freund neben ihm wird im Laufe unseres Gesprächs immer redseliger. Spätestens als sich ein drittes Vereinsmitglied dazu gesellt und uns seine Meinung zur Umgebung mitteilt, wird richtig diskutiert - ja, philosophiert. Darüber, was man aus dieser Straße alles machen könnte, denn sie ist nun mal “wie eine Grenze”. Keiner von ihnen wohne noch in Hamm, sie treffen sich jedoch regelmäßig, fast jeden Abend, hier im Verein. Jeder von Ihnen fährt mit dem Auto hierher - einen Parkplatz findet man leicht. Alle stellen fest: Es gibt diese zwei Seiten der Straße, “hier Wohnen - da drüben Gewerbegebiet. Da drüben kommt nichts mehr,” sagt einer von ihnen und zeigt auf ein leeres Geschäft, “Da war mal ein Motorradladen. Der musste schließen. Wie alle anderen Kleinhändler. Hier fehlt einfach die Laufkundschaft.” Sie merken an, dass die Straße selbst nur für den Durchgangsverkehr konzipiert ist, es ist sehr laut - wohl auch ein Grund, warum alle drei bei diesem Wetter nicht draußen sitzen. “In der Nacht ist es noch schlimmer. Die lassen die Motoren aufheulen und geben Gas.” Sie sind sich aber auch einig, dass es sich hier nicht lohnt, eine Einkaufsstraße zu planen, das Gebiet läge viel zu zentral. Die Leute würden lieber in der Innenstadt einkaufen. Was also tun? Einer von Ihnen sieht die Lösung auf der anderen Seite durch (sozialen)Wohnungsbau. Ein anderer fällt ihm ins Wort: “Ach, das macht doch keinen Sinn. Daran hat doch niemand Interesse. Das ist ein Gewerbegebiet.” “Aber es wäre ein gutes Wohngebiet. Und es gäbe dadurch Laufkundschaft für die Kleinhändler”, verteidigt er seine Idee und blickt uns an: “Setzen sie sich mal ne Stunde an diese Straße und zählen die Fußgänger. Die können sie an einer Hand abzählen. Und dann vergleichen sie das mal mit der Fuhlsbüttler Straße. Die funktioniert!”

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59


Jahre im Quartier

Vorteile Preiswerter Raum Immer Parkplätze verfügbar

Typologie und Positionierung

Nachteile Fehlender Einzelhandel in der Umgebung Verkehrslärm

Wilde Mischung

Zulassen

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Aufgrund des Verkehrslärmes: Treffen im Gebäudeinneren

14

6 03

12

18

01

Raumnutzung und Umfeld

02

Equinoxe

Hellas Pizza House

Ambulanter Pflegedienst

15

Carglass

Fatihspor e. V.

04 60

Orient Cafe

Türkische Gemeinde zu Hamburg-Hamm


05 “Grillen am Kanal” in der Hinterhofidylle. Wir wechseln wieder die Straßenseite. Es zieht uns in die von uns bezeichnete “Wilde Mischung” - kleine Nutzungsstrukturen, Höfe mit Kleingewerbe und Büroeinheiten, in denen augenscheinlich auch gewohnt wird. Diesmal sind wir es, die angesprochen werden. Ein junger Mann, er heisst Mathias, ist etwa 30 Jahre alt, fragt, ob wir etwas Bestimmtes suchen. Wir erklären ihm unser Projekt und er ist sofort begeistert. Er wohne nämlich genau an dieser Straße, erzählt er uns, wenn wir Lust haben, zeigt er uns seine Hofidylle. Er schließt die schmale Tür des Hoftores auf. Es ist nicht leicht, hier sein Fahrrad durchzuschleusen. Hier wohnt er seit drei Jahren in einer Wohngemeinschaft und deutet auf ein Haus am Kanal, im Gebäude daneben haben Künstler ihre Ateliers, tagsüber parken die Autos der dort ansässigen Firmen. “Die perfekte Auslastung!” Mathias strahlt: “Bis zum Abend nutzen Firmen den Hof -Künstler oft länger, abends und am Wochenende sind wir hier. Es gab auch schon einige legendäre Feiern!” Stolz präsentiert er uns seinen Blick auf den Mittelkanal. Es wird gegrillt. Die Bewohner haben hier einen abgesteckten Bereich, der restliche Hof ist asphaltierte Parkfläche. Mathias stellt uns seinen Freunden vor, die sofort fragen, ob wir an der Straße einen Zebrastreifen planen könnten. Sie wohnen nämlich genau zwischen zwei Ampeln - und müssen bei der Querung entweder 250 Meter nach links oder rechts gehen. “Ja, die Straße nervt”, gibt Mathias zu, “Es ist auch ziemlich laut. Aber wir kriegen das hier drinnen nicht mit. Die Hoftür muss immer geschlossen bleiben.” Er schwärmt von kurzen Wegen - auch “perfekt” - denn er fährt nur ein paar Minuten zur Arbeit am Jungfernstieg. In seiner Freizeit ist er entweder daheim, hier im Hof mit Freunden, aber in seinem Viertel hält er sich sonst nicht auf. “Eigentlich ist es hier total super, es ist zentral, die Infrastruktur ist da, die Wohnung ist preiswert.” Mathias überlegt kurz: “Klar, es gibt kaum Restaurants, von Bars ganz zu schweigen, aber für ihn ist es trotzdem -” na? - “perfekt.” Grillduft weht zu uns herüber, wir bekommen Hunger. Ob wir uns das Boot von Ihnen für eine kleine Tour mal ausleihen dürften. “Klar. Gebt einfach Bescheid. Und danach grillen wir hier!”

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62


Jahre im Quartier

Vorteile

Typologie und Positionierung

Große, bezahlbare Wohnung Lage am Kanal Regelmäßige Nutzung des Innenhofes Partys stören die Nachbarschaft nicht

Nachteile

Wilde Mischung

Zu wenig Angebote in der Umgebung Dunkler, unbeleuchteter Innenhof Umwege/Ampeln: Die Straße ist eine Barriere

abschotten

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Abschottung durch das Hoftor Lampen erhellen den dunklen Hof

14

6 03

12

18

01

Raumnutzung und Umfeld

02

Avis

Thomas & Thomas bloomsberry Lieferservice

Aldi

15

Armenischer Kulturverein

IWS b2b Kommunikation Techno Trade Hamburg

Ateliers

McDonalds

Industriewerbung

Mathias

05 63


06 “Hellas Pizza House” am Borstelmannsweg Nachts. Ein Sturm zieht auf. Wir treffen uns zum Abendessen in Hellas Pizza House. Mathias hatte es uns gestern als das “einzig gute Restaurant in der Nähe” empfohlen. Es war nicht das erste Mal, das wir dort einkehrten. Tatsächlich hatte es uns schon mehrmals in diese Ecke verschlagen. Versteckt hinter den obligatorischen Wiesen entlang der großen Straße kann man hier einen Hauch von Urbanität schnuppern. Neben dem Restaurant befindet sich Fatih Spor Verein, daran schließt ein weiterer Verein, der Orient Sportler Treff, an. Hinter dieser Bebauung, entlang des Borstelmannswegs, wird ein großes Areal von einem Türkisch-Islamischen Kulturverein bespielt. Hier sind Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs, bleiben stehen, unterhalten sich, trinken Tee oder essen Pizza. Man kennt sich, grüßt sich, plaudert miteinander. Es gibt aber auch Konflikte. Lautstarke Beschimpfungen. Drohungen. Alles wegen eines Missverständnisses. Wolken ziehen auf, der Himmel verdunkelt sich, es wird kälter und windig. Es ist immer noch verhältnismäßig laut, der Berufsverkehr flacht nur langsam ab. Wir bleiben dennoch draussen sitzen und genießen es, endlich in Ruhe beobachten zu können, Gesprächsfetzen aufzuschnappen und dabei die andere Straßenseite im Blick zu haben. Jenny, die junge Kellnerin erzählt uns hier viel über die Geschichte des Restaurants, seine Gäste und das Viertel. Sie kündigte vor einigen Jahren ihren Job bei der Hamburger Sparkasse in der gleichen Straße und arbeitet nun seit acht Jahren im Hellas Pizza House. Das gibt es seit 1989. “Davor war hier eine Rockerkneipe drin.”, verrät sie uns. 24 Jahre sind wirklich eine lange Zeit für diesen Ort, denn Kleingewerbe und -händler halten sich in der Regel nicht lange an der Eiffestraße. Sie haben überwiegend Stammkunden. Laufkundschaft komme hier kaum vorbei. Gäste gehen zielgerichtet hierher - die meisten in der Mittagszeit. “Es könnte mehr los sein.” Neben dem normalen Gastronomiebetrieb bieten sie deshalb einen Lieferservice an. Hin und wieder kommt es vor, dass sie mal einen Teller Nudeln ‘rüber’ bringe. Mit ‘rüber’ meint sie die Sportvereine. Es gäbe ein freundschaftlich-nachbarschaftliches Verhältnis zwischen ihnen. “Die Gegend ist sonst keine besonders gute. Es ist eine eher ärmliche Straße. Außerdem ist es sehr laut, deswegen sitzen viele Gäste lieber drinnen.” Stichwort “drinnen”. Ein Paar mittleren Alters mischt sich ein: “So wie wir. Es ist nicht nur zu laut draussen, wir sind auch Nichtraucher. Hier drin raucht niemand” “Das sind meine Eltern.”, sagt Jenny. “Hier findet auch grad ein Generationenwechsel statt. Recherchieren sie das mal.”, ergänzt Jennys Vater und seine Frau fügt hinzu: “Und eine Fluktuation ist das hier! Gegenüber hat doch schon wieder eine neue Bar aufgemacht - oder was ist das?” “Equinoxe. Ein Swingerclub – “ Jenny unterbricht uns: “Wir haben übrigens auch Saisonarbeiter als Stammkunden. Die sind für ein paar Wochen im Jahr schräg gegenüber im Hotel untergebracht und kommen jedes Jahr wieder zu uns.” Im ‘Equinoxe’ gehen gerade die Lichter an. “Wir gehen da jetzt mal rein.”, sagen wir, trinken den Ouzo aus, zahlen und machen uns auf den Weg in die ‘Frivole Bar’.

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Jahre im Quartier

Vorteile „Das verlängerte Wohnzimmer“ für Anwohner Viele Stammkunden

Typologie und Positionierung

Nachteile Verkehrslärm keine Laufkundschaft

Wilde Mischung

Zulassen

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Zusätzlicher Lieferservice

14

6 03

12

18

01

Hellas Pizza House

Raumnutzung und Umfeld

02

Equinoxe

Ambulanter Pflegedienst

15

Orient Cafe

Carglass

Hellas Pizza House

06 66

Türkische Gemeinde zu Hamburg-Hamm


07 “Alles kann - nichts muss” Frivole Bar im Club Equinoxe “Club-Equinoxe - Norddeutschlands größter Swingerclub auf 3 Areas!” So wirbt der Besitzer auf seiner Internetseite für ein “einzigartiges Erotikerlebnis”. Es sei aber nicht nur der größte, sondern auch der “teuerste Club in ganz Norddeutschland”. “Zu großen Veranstaltungen kommen bis zu 450 Swinger aus Deutschland, sogar aus Italien reisen sie an!”, entspannt sitzt der Geschäftsführer des ‘Equinoxe’ auf dem Barhocker, im Hintergrund räumt Bardame Cindy den Tresen auf. “Was hier vorher drin war?”, er lacht, “Davor war es eine türkische Disko, davor eine tschechische, eine arabische... es gab auch Leute, die haben hier ein paar Jahre einfach nur gechillt, davor war es ein Sex-Kino und in den 50er Jahren ein normales Kino - ich habe mit meinem Sohn beim Renovieren Eintrittskarten von 1952 gefunden. Ja, und uns gibt es hier seit 4 Jahren.” Den Standort für diesen exklusiven Club hat er sich ganz genau ausgesucht, besonders wichtig war hierbei der direkte Autobahnanschluss: “Wisst ihr, Swinger fahren bis zu einer Stunde in die Clubs. Die meisten kommen nicht von hier. Ich bin in ganz Deutschland wunderbar vernetzt.” Nur in Hamburg sei das Konkurrenzdenken sehr groß. Dabei ist sein Publikum ein ganz anderes, exklusives. Er schaut uns prüfend an: “Ihr zwei würdet in diesen Klamotten hier am Wochenende nicht reinkommen. Mittwochs an der Bar ist das Ok, aber normalerweise müssen Männer einen Anzug tragen, Frauen haben es da immer einfacher. Simmts, Cindy?” Cindy lacht keck: “Oder auch nicht.” Wie er die Straße wahrnehme, fragen wir ihn. Sie stört ihn nicht. Er hört den Lärm auch nicht - die Türen des Clubs seien immer geschlossen und seine Wohnung zwei Stockwerke darüber mit 150 Quadratmeter großer Dachterrasse ist zum Kanal ausgerichtet. Letztendlich profitiert er von der Straße. Genug Parkplätze habe er auch für seine Stammkunden im Hof. Laufpublikum ist sowieso nicht erwünscht. “Zugegeben, wohnen möchte ich hier nicht ewig. Zu viel Gesocks. Mit ein Grund, warum ich draußen keine Werbung habe und der Club von außen auch nicht als Swinger-Club zu erkennen ist. Es hat sich etwas gebessert. Früher gab es noch mehr Ausländer und Industrie. Das geht jetzt alles an den Stadtrand.” Die ersten Swinger kommen, Begrüßungsbussis werden ausgetauscht und trotzdem entfährt dem Besitzer ein: “Was macht ihr denn hier?” “Hätten wir uns anmelden müssen”, fragt die Frau erschrocken? “Ja, dann hätte ich mich darauf vorbereiten können.” Es wird Zeit - wir verabschieden uns.

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Jahre im Quartier

Vorteile Erreichbarkeit durch MIV

Typologie und Positionierung

Nachteile Laufpublikum ist nicht erw체nscht Gewerbe und Industrie in der Umgebung

Wilde Mischung

Zulassen

T채gliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Keine Werbung - bewahrt Anonymit채t

14

6 03

12

18

01

Raumnutzung und Umfeld

02

Ambulanter Pflegedienst Starcar

t체rkische Gemeinde zu Hamburg-Hamm

Hellas Pizza House

15

Carglass

Orient Cafe

Equinoxe

07 69


08 “Superbude” Verschnaufpause in der Spaldingstraße

Fast am Ende, dem eigentlichen Startpunkt unseres Untersuchungsgebiets, finden wir eine Bar in der Superbude: “Hostel. Hotel. Lounge. In St. Georg.” So die Werbung. Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir uns in Hammerbrook befinden, aber St. Georg klingt besser, den Namen haben Touristen schon irgendwo aufgeschnappt. Beeindruckt sind wir dann doch von diesem gelungenen Hostel. Ein kleiner, ruhiger, Hof mit Sitzgelegenheiten, Veranstaltungshinweise stehen an einer Tafel, eine abgefahrene Blumentopfdeko schmückt eine hohe Wand - alles sehr cool, sehr lässig, scheinbar ungeplant und doch durchdacht und dekoriert. Designed und recycled, durchbrochen von Macs, eine große Künstler-WG mit Geld. Wo gibts das schon? Am Wochenende ist hier alles ausgebucht, unter der Woche wohnen in der Superbude viele Stammkunden. Wir setzen uns in den Hof und kommen sofort ins Gespräch mit einem junggebliebenen Hannoveraner. Er arbeitet als SAP-Berater unter der Woche in Hamburg und fährt am Wochenende wieder nach Hause. Und das schon seit Jahren. “Urban Design? Was ist das denn? Seid ihr etwa hier für die Ampelschaltung zuständig?” Was ihn denn daran störe, fragen wir ihn. Und überhaupt: “Als Fußgänger oder Autofahrer?” “Als Autofahrer. Diese Ampelschaltung. Das Letzte! Manchmal brauche ich sechs Stunden nach Hannover. Sechs Stunden! Ich fahr jetzt nur noch mit dem Zug.” Er beruhigt sich und überlegt. “Urban Design... Letztens hab ich jemanden kennengelernt, der war Kommunikationsdesigner - war mir bisher nicht bekannt.” “Ich bin übrigens Diplom Fitness-Ökonom”, mischt sich ein Anderer ein. “Ha! Ach was!”, der Hannoveraner klopft sich auf die Schenkel. Der Fitness-Ökonom, eigentlich aus Heidelberg, ist auch beruflich regelmäßig in Hamburg und immer in der ‘Superbude’ einquartiert. “Wo kann man hier noch was trinken gehen?”, fragen wir beide Gäste. “Hier? Ich glaube, hier gibt es nichts.” An der Rezeption blättern wir im Reiseführer ‘Hamburg: 20 Stadtteil-Spaziergänge’. 20 Stadtteile! Keiner davon ist Hamm oder Hammerbrook. Wir fragen die junge Frau an der Rezeption, woran es liegen könnte, dass beide Viertel im Reiseführer nicht auftauchen: “Ja, ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was es in Hamm gibt.” Wir fahren weiter. Unsere letzte Station und erstes festes Ziel: Die ‘Bar Ilohh’ in der Repsoldstraße.

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08 Jahre im Quartier

Vorteile Zentrale Lage Breites Nutzerspektrum im Temporären Wohnen

Typologie und Positionierung Nachteile Kaum Angebote des Einzelhandels, der Nahversorgung, der Gastronomie in unmittelbarer Umgebung Wilde Mischung

Abschotten

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Eigene Bar Veranstaltungshinweise für ganz Hamburg

6

12

18

Raumnutzung und Umfeld

Citilager

Office Möbel Hamburg Fapio AO Hostel

Superbude

08 72


09 “Ilohh” Die Bar am Ende der Welt Warum man sie ‘Die Bar am Ende der Welt’ nennt, können wir nur vermuten. Die Bar befindet sich zwar sehr zentral in Hamburg, im Münzviertel, wird aber von den großen Verkehrsachsen völlig abgeschnitten. Das Juwel versteckt sich in einem ruhigen Seitenarm der Spaldingstraße. Nachts sei sie ruhig, klärt man uns auf, tagsüber ist die schmale, kopfsteingepflasterte Repsoldstraße Abkürzung und damit Nadelöhr für die Anbindung an die B5. Gäste machen sich über uns lustig, als wir die Bedienung an der Bar zur Umgebung befragen. Sie ist aber sehr interessiert, kennt selbst Urban Design Studenten, die einst Projekte in Hammerbrook bearbeiteten. Michaela arbeitet seit drei Jahren in der IlohhBar, zur Zeit nur Mittwochs, es ist einer von zwei Jobs neben ihrem Studium der Sozialen Arbeit. Sie wohne allerdings auch im selben Haus, deshalb kennt sie sich in dieser Straße und ihrem Viertel sehr gut aus. Michaela ist, wie sie sagt, sehr “aktiv in ihrem Viertel”. Sie berichtet uns außerdem von einer starken Nachbarschaft: gegründet wurden beispielsweise Nachbarschäftsgärten und eine Food-Cooperative, zum Kompensieren des fehlenden Einzelhandels. Die Bar sei für viele Gäste aus der Umgebung wie ein “verlängertes Wohnzimmer”, “Hierher verirrt sich kaum einer,” Michaela überlegt: “Gut. Manchmal sind es ein paar Hotelgäste von gegenüber, hin und wieder gibt es auch etwas schwierigere Gäste, in den Wintermonaten, wenn die Notschlafstelle in der Spaldingstraße 1 geöffnet ist.” Die Stadt stellt dort 160 Schlafplätze für Obdachlose in einem alten Bürogebäude zur Verfügung. Beide Hochhäuser, die zur Zeit als Notunterkunft genutzt werden, sollen angeblich abgerissen werden. Der neue Standort des Bezirksamts Mitte ist hier geplant. Die Gäste neben uns gehen, ein anderer nimmt den Platz neben uns ein und lauscht interessiert unseren Gesprächen. Ein Stammgast? “Ich bin übrigens Torsten. Dreimal die Woche hier anzutreffen, meistens zum Kickern oder Karten spielen. Ich wohne im Nebenhaus.” Er selbst kenne sich hier wunderbar aus, “aber erklärt mal einem Touristen, wie man da rüber geht.”, er zeigt in Richtung Kreuzung unterhalb der Nordkanalbrücke, “Für Fußgänger und Radfahrer ist diese Kreuzung unmöglich. - “Selbst für Autofahrer ist diese Gegend verwirrend.”, ergänzt Michaela und erzählt weiter: “Hier in der Nähe gibt es zwei A&O-Hostels, die Leute wüssten oft gar nicht, welches sie gebucht haben. Da sieht man schon mal Touristen mit Rollkoffern über die Straßen hin und her flitzen. Die nutzen natürlich nicht die Ampeln.” Torsten muss bei dieser Vorstellung grinsen. Er hat schon in vielen Bundesländern gelebt, sein Ziel sei es, irgendwann man in allen gewohnt zu haben. Nach Hamburg hatte es ihn vor ein paar Jahren verschlagen und nun arbeitet er hier als Tourguide.” Torsten erzählt uns, dass die Repsoldstraße bald eine Einbahnstraße und damit verkehrsberuhigter werden soll. “Dann kommen drei Mülleimer und alles ist gentrifiziert.”, Michaela lacht. In den folgenden Stunden wird lange darüber diskutiert, wie man denn diesen Verkehrswahnsinn lösen könnte. Wir sind müde. “Und sonst?”, fragen wir? “In diesem Viertel gibt es wirklich einen starken Zusammenhalt - und viele treffen sich in der Ilohh-Bar - es ist auch die einzige Bar in der Gegend.” Wir kommen mit Sicherheit noch mal wieder. Bald.

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Jahre im Quartier

Vorteile Große Stammundschaft aus der Nachbarschaft

Typologie und Positionierung

04

Nachteile Dominierender motorisiserter Verkehr Das Viertel zerschneidende Verkehrsachsen Teilweise ungebetene Gäste Keine Einkaufsmöglichkeiten

Zu Hause

Abschotten

06

Tägliche Zeit im Quartier

07 6

12

Anpassungsstrategien

14 18

01 02

Mouzaliotis Container

Raumnutzung und Umfeld

Winternotprogramm

Food-Coop Verschiedene Abendangebote

03

15

Cafe Exil

Mortensen Upload IT-Consulting

Ilohh Bar

09 75


10 “Die aufregende Welt” von Yaqubi Automobile

Mittag. Erst kommt der Wind, dann der Regen. “Wir kaufen Autos”. Ein großes Schild in der Nähe des Berliner Tors, entlang der Anckelmannstraße, markiert auffallend für jeden Vorbeifahrenden seine, wie es auf der Homepage nachzulesen ist, “aufregende Welt”. Wahed Yaqubi, etwa Mitte Vierzig, afghanischer Herkunft und Geschäftsführer des gleichnamigen Autohandels gibt es an dieser Stelle, neben S-Bahn-Hochtrasse, Logistikunternehmen und weiteren Autohändlern seit etwa drei Jahren. “Zentral, ja - so praktisch die Lage an der Straße auch ist, aber hier kauft niemand zufällig ein. Ich lebe hauptsächlich von Zielkundschaft. Meine Kunden werden über das Internet auf mich aufmerksam.” Früher Verkaufsfläche mit Werkstatt von Ford, teilt Yaqubi sich heute mit zwei anderen Autohändlern den Autohof. “Ich kaufe die hochwertigen Autos direkt von den Firmen, beispielsweise bei Auktionen, die anderen Händler verkaufen hauptsächlich Gebrauchtwagen.” “Gibt es da trotzdem keine Konkurrenz?”, fragen wir ihn. “Nein, nein, mit Einigen bin ich verwandt - oder zumindest befreundet. Der Besitzer von ‘Nice Cars’ nebenan ist zum Beispiel mein Schwager.” Es wäre allerdings nicht mehr so einfach wie vor zwei, drei Jahren. Den Gewinn von damals kann er heute nur erzielen, wenn er drei mal so viele Autos verkauft. Er hat etwa 30 bis 40 Autos im Bestand und ist gelegentlich auf der Suche nach einem alternativen Standort, denn er hat das Grundstück nur für zwei Jahre pachten können, seitdem wird sein Vertrag immer wieder für kurze Zeit verlängert. Soweit er weiß, sind hier zwei Studentenwohnheime geplant. Ob es denn nicht schwierig sei, einen neuen Standort zu finden? “Nein, das ist gar kein Problem. Solche Orte gibt es zu genüge. “Ich möchte dann aber lieber in eine Halle ziehen, als die Autos weiter unter freiem Himmel stehen zu lassen. Da findet sich sicher was.” An den Wänden in seinem kleinen Büro hängen Urkunden und Zertifikate. “Ja, ich bilde hier auch aus.”, erzählt er uns stolz. Ein Porsche fährt in den Hof und kommt neben uns zum stehen: “Das ist unser Popstar hier.” Yaqubi lacht und unterhält sich kurz mit dem Fahrer. Wir verabschieden uns, verlassen den Hof und blicken zurück. Yaqubi fotografiert gerade den Popstar, den Porsche.

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Jahre im Quartier

Vorteile Direkte Lage an der Ausfallstraße

Typologie und Positionierung

Autoflächen

Andocken

Nachteile

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12

Tägliche Zeit im Quartier

kurzfristige Mietverträge Absatzprobleme Keine Überdachung

13

05

Anpassungsstrategien Onlinehandel auf Suche nach neuem Ort

6

12

18

Raumnutzung und Umfeld Black Car Autohändler

Autolackererei

Nice Cars

Ford

Yaqubi Automobile

10 78


11 “Stille Absprachen” beim Taxihandel Rahimizi Rahimizi handelt auch mit Autos, vor allem mit gebrauchten Taxis. Beeindruckend ist hier die riesige Verkaufsfläche, direkt an der Eiffestraße. Am Zaun neben dem Eingang sind unzählige Briefkästen befestigt. Entgegen unserer Annahme gibt es hier nicht einen großen anonymen Händler, sondern viele lokale - und wie sich auch später herausstellt - familiäre Kleinunternehmen. Wir treffen in einem ähnlich winzigen Büro wie dem von Yaqubi einen jungen Mann an. Seit 5 Jahren hat sein Onkel an der Eiffestraße den Autohof, der als 15-Jähriger wiederum mit seinem Onkel einen KFZ-Handel aufmachte. Der junge Mann stieg vor zwei Jahren mit in das Geschäft ein, er wollte nach dem Abi nicht studieren, sondern “erstmal arbeiten”. Rahimizi ist der Hauptmieter, er allein habe auf dieser Seite 15 Untermieter. Wieviele es insgesamt auf dieser Fläche sind, wisse er gar nicht. Auch er besitze ungefähr 30 - 40 Autos. Konkurrenz komme aber auch hier nicht auf. Er lächelt: “Man kennt sich. Es gibt stille Absprachen. So regeln wir das hier.” Wir haben vorhin schon einen afghanischen Autohändler interviewt… “Ja, wissen Sie, bei den Afghanen ist das so: Wenn einer was ausprobiert, dann machen das die anderen auch.” “Wie lange wird dieser Ort eigentlich schon als Autohof genutzt”, fragen wir Rahimizi. Er wisse es nicht genau, aber vorher war hier eine Tankstelle. Der Boden sei kontaminiert. Eine Bebauung dieses Grundstücks komme deshalb nicht in Frage. Auch er habe nur kurzfristige Verträge, sollten die nicht mehr verlängert werden, hätte er drei Monate Zeit, sich was Neues zu suchen. “Drei Monate?”, fragen wir erstaunt. “Ja, aber das ist kein Problem. Dann ziehen wir eben um. Plätze gibt es genug.”, erklärt er uns. Seine Kunden seien international: aus dem Ostblock, Südamerika, neuerdings auch aus den Arabischen Emiraten. Die werden nur über das Internet auf den KFZ-Handel aufmerksam. “Deutsche dagegen, sind oft Laufkundschaft.” Nichtsdestotrotz sei die Lage praktisch. Die Kunden finden den Handel gleich. “Zwei Minuten!”, ruft er plötzlich, und hält zwei seine Finger gen Fenster. “Ja, zwei Minuten.” Ein Mann öffnet hastig die Tür zum Büro: “Es regnet gleich. Wir müssen das Auto noch fotografieren.” Rahimizi schaut uns entschuldigend an. “Kein Problem. Wir müssen eh weiter.” Ob wir dennoch ein Foto machen dürfen, fragen wir ihn. “Ein Foto? Wovon? Mir? Aber ich bin heute gar nicht schön angezogen.”, er lächelt verlegen.

79


80


Jahre im Quartier

Vorteile Direkte Lage an wichtiger Straße Nähe zu diversen Autoservices

Typologie und Positionierung

Nachteile Kurzfristiger Vertrag

0 Autoflächen

Andocken

12

11

Tägliche Zeit im Quartier

13

05

Anpassungsstrategien Untervermietung an 14 andere Antohändler Onlinehandel kontaminiertes Grundstück

6

12

Raumnutzung und Umfeld

18

Autohändler *15

Inkasso Treuhand

Autohändler Autohändler Autohändler

Autohändler

Autohändler Autohändler Autohändler

Seda IT

Burger King

Autohändler

Taxihandel Rahimizi

11 81


12 “Die Spieler” in der Halle Eiffe

Abgestandener, kalter Rauch kommt uns entgegen als wir die Tür zur Spielhalle Eiffe öffneten. Es ist sehr leer. Wir gehen direkt zur Bedienung an die Bar. Man merkt sofort, dass Auskünfte das Casino betreffend, ihr sichtlich unangenehm sind, dennoch beantwortet sie die meisten unserer Fragen. “Die Spieler”, wie sie die Kunden nennt, kommen nicht aus der Nähe. “Nee, Spieler spielen nicht dort, wo sie wohnen.”, sie blickt uns mit einem seltsamen Blick an. Das man sich sowas nicht denken kann, suggeriert dieser. Sie selbst, geschätzt Mitte Fünfzig, aus Wandsbek, arbeitet seit 1997 hier. “Aber nur am Wochenende.”, weshalb sie Fragen zur Statistik nicht beantworten kann (oder will). Die Spielhalle habe von acht bis vier Uhr - beides Morgens versteht sich - geöffnet. “Gibt es Zeiten, an denen mehr Kunden hier sind? “Nein, gibt es natürlich nicht.” Wieder dieser Blick. “Scheisse, Scheisse, Scheisse!”, hört man einen Mann fluchen. Sie und die andere Bedienung am Tresen sind die einzigen Frauen in diesem Raum. Es habe sich aber in den letzten Jahren geändert, versichert sie uns, Frauen gehen hier mittlerweile auch alleine rein. Das Verhältnis sei in etwa 70/30. Der Mann, der eben geflucht hatte, steht nun neben uns und bestellt einen Kaffee. “Ah, es gibt eine Kaffee-Flatrate?” “Ja, früher waren Kaffee und Snacks umsonst. Das wurde uns aber verboten.” Wir blicken uns um. Eine riesige, gelbe, unheimlich hässliche Couch steht am Fenster. “Benutzt die auch mal jemand?”, fragen wir. “Zum Telefonieren geht man da rüber.”, ruft die Frau uns zu, während sie den Kaffee zubereitet. Jetzt erst fällt uns das Verbotsschild auf. “Handys sind natürlich am Automaten nicht erlaubt.”, erklärt sie. Es ist ein anstrengendes Gespräch. Böse Blicke werden uns von den “Spielern” zugeworfen und die Thekenkraft fühlt sich überhaupt nicht wohl in dieser Situation. Ob sie hier in der Nähe nach der Arbeit noch was unternehme? “Nee, hier gibt’s doch nichts.”, sagt sie leicht säuerlich. “Dürfen wir von ihnen ein Foto machen?” “Nein.” “Von der Halle?” “Nein.”

82


83


Jahre im Quartier

Vorteile Gute Erreichbarkeit mit dem Auto Anonymität

Typologie und Positionierung

Nachteile Gesetzesänderungen

Wilde Mischung

Abschotten

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien -

14

6 03

12

18

01

Raumnutzung und Umfeld

02

Commerzbank

Büromöbel

15

Casino

Halle Eiffe

12 84

4mosa Restaurant

Inkasso Treuhand


13 “Bunter Hund” am Kanal Uns zieht es wieder in einen Innenhof der “Wilden Mischung”. Hier treffen wir am Kanal auf einen Hausbootbesitzer. Er repariert gerade etwas an seinem Boot. Wir sprechen ihn an. Er wischt sich die Hände ab. “Natürlich hat er fünf Minuten.” Er lächelt. Seit letztem Herbst wohne er hier, aber allein das Genehmigungsverfahren hätte 13 Monate gedauert. Er referiert nun sehr lange - länger als fünf Minuten - über diverse Genehmigungsschwierigkeiten, Steine, die einem in den Weg gelegt werden und darüber, wie Bürokratie unter den Ämtern alles verlangsame oder sogar blockiere. Das Bezirksamt Mitte sei aber viel kooperativer als das Bergedorfer, früher habe er dort am Moorfleet gewohnt. Dann musste er weg. Hausbootbesitzer ist er seit nunmehr 20 Jahren. Ganz so zufrieden ist er noch nicht mit seinem neuen Wohnort. “Davor war ich direkt in der Natur. Hier gibt es nur Gewerbe. Die Eiffestraße ist ja wie eine Grenze. Dahinter fängt erst das Viertel an. Ich habe wirklich lange gesucht. Einfach war das nicht. Immerhin ist das ein gewachsener Hof.” Soviel könne er aber auch nicht berichten, er habe sich noch nicht richtig eingelebt, hin und wieder “grille oder schnacke” er mit seinen Nachbarn und deutet dabei auf die Glaserei, Tischlerei und Autowerkstatt. Ihn nerven die Autohändler - die verschmutzen den Kanal. Nachts. Wir wundern uns. Meint er vielleicht die Autowerkstätten? Nun referiert er über Verschmutzungen und kontaminierte Böden und Gewässer im allgemeinen. “Jetzt geht’s gleich los.” Er unterbricht sich selbst und schaut zum Himmel. “Erst kommen die Wolken, dann kommt der Regen.” Ob wir ein Foto machen dürfen. “Warum nicht? Ich bin eh ein bunter Hund.” Noch ist keine Wolke am Himmel. Wir verabschieden uns dennoch und fahren weiter.

85


Jahre im Quartier

Vorteile freier Liegeplatz

Typologie und Positionierung

Nachteile Wasserqualität Genehmigungen Gewerbegebiet keine freie Standortwahl

Wilde Mischung

Abschotten

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien -

14

6 03

12 01

18 Glaserei

Raumnutzung und Umfeld

02

Innenausbau

Aldi

Tischlerei

15

Avelino Lieferservice

Imbiss Autoteile

Werkstatt

Hausboot

13 86

Hongkong Asia


14 “Musik” im Bunker Der Hausbootbesitzer scheint Recht zu behalten. Die ersten Wolken ziehen auf. Wir halten am Musikbunker und suchen nach einem Eingang. Alle Türen sind verschlossen. Drei Jugendliche steigen aus dem Auto. Sie sind unsere Rettung. Mit Musikinstrumenten beladen, sind sie ohne Zweifel auf dem Weg zu ihrem Proberaum im Bunker. Ob wir mit rein dürfen. Kommt drauf an. Wenn ihr vorhabt zu Stehlen, dann nicht.”, scherzen sie. Hier wurde schon öfter eingebrochen, erzählen sie uns. Wir begleiten sie zu ihrem Proberaum. Dicke Schlösser hängen vor jeder Tür. “Ja is super hier. Es gibt ja wenig Orte, wo man so richtig Krach machen kann. 230 Euro kostet die Miete. Wir teilen uns den Raum mit einer anderen Band. Deshalb gibt es einen Zeitplan. Wir sind immer am Wochenende hier. Heute Abend treten wir auf. In Hannover.” “Naja, eher in einem Kaff bei Hannover.”, berichtigt ihn sein Bandkollege. Als wir nach einem Foto fragen, merken wir, wie jung sie eigentlich sind. Einer zieht sich extra dafür um, sie genieren sich, wirken etwas aufgeregt, machen Scherze. Zum Abschied drücken sie uns stolz ihre Aufkleber in die Hand: ‘We’re all Thieves’ steht in einer weiss-abgewetzten Schrift über einer rot-gelben abstrahierten Explosion auf schwarzem Grund. Ein Stockwerk darüber treffen wir auf andere Bandmitglieder. Sie sind weitaus älter, proben hier teilweise schon seit acht Jahren. Mit den anderen Bands haben sie nichts zu tun. “Hier ist jeder für sich.” Der Typ mit der längsten Haarpracht erzählt, dass er der einzige Hamburger in der Band ist. Er wohne auch ganz in der Nähe, an der Hammer Landstraße. Laut und gefährlich. Oft gäbe es hier Schlägereien. Heißt das, er hält sich in der Gegend öfter auf? Er schüttelt den Kopf und lacht: “Wenn ich nach der Probe noch was machen will, dann sicher nicht hier.” Hier gäbe es nicht viel. Lediglich mit dem ‘Sky’ käme man ganz gut hin, bemerkt ein anderer von ihnen. Wir spielen übrigens heute in der ‘Astra Stube’. Kommt doch vorbei, sagen sie uns zum Abschied. Wir verlassen den Bunker und landen im Unwetter. Die Tür fällt ins Schloss. Es gibt kein Zurück mehr.

87


88


08 Jahre im Quartier

Vorteile Bezahlbarer Proberaum in Hamburg

Typologie und Positionierung

Nachteile Einbrüche in der Vergangenheit Hohe Quadratmeterpreise Kaum Gastronomie

(Big) Boxes

Abschotten

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Vorhängeschlösser vor allen Türen Essen vom Supermarkt

6

12

18

Shell

Raumnutzung und Umfeld

Sky Supermarkt

Musikbunker

14 89


15 “Einsamkeit” in der Kleingartenidylle.

Es ist schwül. Über 30 Grad. Der bisher heißeste Tag im Jahr. Jugendliche kommen uns andauernd in Kleingruppen entgegen - sie alle haben nur ein Ziel: Das Freibad. Wir schlagen die andere Richtung ein und befinden uns nach ein paar Gehminuten in einer anderen Welt. Man hat wenig Einblick auf die Grundstücke: Überraschend hohe Hecken grenzen diese vom Gehweg ab. Aber es ist sehr ruhig, deshalb vermuten wir nur wenig Kleingärtner hier. Wir gehen weiter, die Hecken werden niedriger, jetzt bestätigt sich unsere Vermutung. Es dauert eine ganze Weile, bis wir auf einen Menschen treffen. Ein Mann um die 50 arbeitet in seinem Garten. Die Temperaturen machen ihm offensichtlich sehr zu schaffen. Er schnauft. Vielleicht kommen wir gerade richtig. Zeit eine Pause einzulegen. Wir erfahren von ihm, dass er seinen Garten schon seit 20 Jahren hat. “Früher war das hier ein Paradies, als ich mit Frau und Tochter abends und jedes Wochenende im Sommer hier war. Wissen Sie, wir haben damals an der lauten Hafenrandstraße gewohnt. Hierher zu kommen, war dann immer wie ein Urlaub auf dem Land. Raus aus der Stadt. Ein Segen!” In den letzten Jahren hat sich allerdings viel geändert. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. “Früher gab es viele Familien. Kinder die hier gespielt haben. Und dann hat man den einen oder anderen mal auf ‘nen Kaffee zu sich eingeladen oder mal geschnackt, so wie wir jetzt hier.” Er kenne nur noch seine direkte Nachbarin, sie ist sogar schon 30 Jahre hier. Aber sie wird ihre Parzelle bald verkaufen. “Es ist so ruhig geworden. Hier könnte mehr los sein. So wie damals.” Seit seine Frau im letzten Jahr gestorben ist, komme er nur noch selten her. “Ich werde den Garten auch verkaufen müssen. Meine Tochter ist 22, die hat überhaupt kein Interesse daran. Alleine ist es zu viel Arbeit. Vier Wochen war ich nicht da. Sehen sie, wie es hier aussieht?”, er dreht sich vom Zaun Richtung Garten und gleich darauf wieder zu uns um, lässt die Schultern hängen und seufzt: “Aber ich kann mich so schwer davon trennen. Das hier ist mir sehr ans Herz gewachsen.” Kurze Pause. Überlegen. Wie jetzt weiter? Und die Umgebung? Die Eiffestraße? Das Viertel? Ob er es nutze?, fragen wir. “Gar nicht.”, antwortet er, hier rundherum ist doch auch nichts los. “Ah ja, naja, die Straße, im gewissem Sinne ja.”, korrigiert er sich. Er wohne mittlerweile in Tespe, etwa 40 Kilometer von Hamburg entfernt, da ist die Anbindung zu seinem Garten eine ganz günstige. Er lächelt etwas. “In Hamm ist nichts los. Immerhin bauen sie jetzt ein Bürgerhaus. Im gesamten Viertel muss es mehr Angebote für Familien geben, dann kommen die auch. Es reicht einfach nicht aus einen Platz zu befestigen und ein paar Bänke aufzustellen.” Er zeigt auf den Osterbrookplatz zu seiner Rechten: “Wenn dort jemand ist, sind das Jugendliche, die randalieren.”, er hält inne: “Hier gibt es kaum noch Gespräche.” Wir müssen weiter, aber fragen ihn trotzdem am Ende: “Warum tun sie sich nicht mit ihrer Nachbarin zusammen und teilen sich einen Garten?” Er schaut uns kurz hellwach an, sackt wieder in sich zusammen. Dann denkt er nach: “Ja, vielleicht.”, murmelt er.

90


91


Jahre im Quartier

Vorteile Eigener Freiraum Gute Erreichbarkeit mit dem Auto

Typologie und Positionierung

Nachteile Mitgliederschwund Kein Austausch, kein Miteinander mehr Garten macht viel Arbeit

Kleingartenidylle

Abschotten

Tägliche Zeit im Quartier

Anpassungsstrategien Aufgeben des Kleingartens

6

12

18

Raumnutzung und Umfeld

Büros

Kleingärtner

15 92


93


Thesen- Update Raum als Produkt. Die Straße ist das Produkt anderer Räume bzw. deren Nutzer. Die Angebote entlang der Straße und der Verkehr bedingen sich gegenseitig. Die räumliche Ausprägung und der Gebrauch des Raumes sind stark definiert durch den motorisierten Individualverkehr (welcher wiederum das Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse ist). Interessenskonflikte. Der Gebrauch des Raumes ist Resultat kontinuierlicher Aushandlungsprozesse und damit das Ergebnis von Interessenskonflikten.

Aufenthaltsqualität und Verkehrsbelastung nach John Whitelegg und Donald Appleyard

LIGHT TRAFFIC

2000 vehicles per day 200 vehicles per peak hour 3.0 Freunde pro Person 6.3 Bekanntschaften

MODERATE TRAFFIC 8000 vehicles per day 550 vehicles per peak hour

3

3

18

5 22

6 33

32

3

3

34a

38

2 40

35

1

4

32

30

28

4

35.000 - 48.000 Kfz pro Tag (2009)

1 -1 -1

34

33 35

3

3

34

Links: Insulaner ‚Die wilde Mischung‘

EIFFESTRASSE HEAVY HEAVY TRAFFIC

Abgrenzung und „Verinselung“* *Darstellung nach geführten Interviews vor Ort

16

31

3

31

0.9 Freunde pro Person 3.1 Bekanntschaften

Aufenthaltsqualität und Verkehrsbelastung im Untersuchungsgebiet

4

3

30

29

16.000 vehicles per day 1.900 vehicles per peak hour

29

HEAVY TRAFFIC

28

1.3 Freunde pro Person 4.1 Bekanntschaften

Mitte: ‚Die Geselligen‘ ‚Die wilde Mischung‘ Rechts: ‚Die Unternehmen‘ ‚(Big) Boxes‘

94

NORDEN

506

1


Die Straße als Freiraum… Die tatsächliche Einschränkung und damit verbunden der Konflikt im Gebrauch des Fußgängers oder Bewohners ist in den folgenden Grafiken dargestellt: Die Grundorganisation der (gründerzeitlichen) Straße wurde als eine LIGHT TRAFFIC vehicles per day Aneinanderreihung von2000 Plätzen verstanden. Damit waren Blicke 200 vehicles per peak hour 3.0 Freunde pro Person und Wege und damit Austausch zum Gegenüber gewährleistet. Je 6.3 Bekanntschaften höher aber die Verkehrsbelastung an einer Straße ist, desto stärker reduziert sich die Aufenthaltsqualität und es werden weniger Bekanntschaften in der Nachbarschaft geknüpft. (vgl. Holzapfel 2012: 20)

FIC

er day peak hour

on

TRAFFIC

MODERATE TRAFFIC

er day peak hour

on

12 15 17

14 16

FIC

18

per day er peak hour

25

on

8000 vehicles per day Die Straße als Grenze… am Beispiel der B5. Der verkehr 550 vehicles per peak hour 1.3 Freunde pro Person macht Austausch und Aufenthalt fast unmöglich. Fußgänger und 4.1 Bekanntschaften Anwohner ordnen sich dem Verkehr unter und verlagern ihre Aktivitäten auf die Rückseite der Straße. Neben einer räumlichfunktionaler Verinselung sind also die gesellschaftlichen Auswirkun4 gen ähnlich abgrenzender Natur. Analog zur Charakterisierung der 1 1 strukturellen Verinselung, werden HEAVY TRAFFICim Folgenden die Akteure, also 16.000 vehicles per day 2 typische Nutzer der Straße kategorisiert und deren unterschiedliche 1.900 vehicles per peak hour 1 Freunde pro Person Strategien analysiert. 0.9 3.1 Bekanntschaften

20

26a

3

2 22

26b

24

1

4

28

30

6 nselung“* ührten Interviews vor Ort

125d

26a

0 Kfz pro Tag (2009)

123b

26

1

SE Y TRAFFIC

4

4

125e

1

-14

4

EIFFESTRASSE HEAVY HEAVY TRAFFIC

5

35.000 - 48.000 Kfz pro Tag (2009) Abgrenzung und „Verinselung“* *Darstellung nach geführten Interviews vor Ort

-1

6

105

103

398

4

1 NORDEN

5

NORDEN

440

-1

95


4 Learning from ...



... Nutzergruppen Die Nutzer an der Eiffestraße lassen sich aufgrund ihrer Anpassungs- und Aneignungsstrategien in Gruppen einteilen. Die hier bestimmte Auswahl wurde aufgrund von räumlichen Gegebenheiten und ihren damit verbundenen Verhaltensmustern gewählt. Während für eine Gruppe die Straße Grund zur Ansiedlung und damit essentieller Standortfaktor ist, bedeutet sie für andere Gruppen Hindernis und Barriere. Die Unternehmen – 24 Stunden. Für die Unternehmer ist die Magistrale als Standort eine Win-Win-Situation. Sie sind auffällig, schnell zu erreichen und können in den meisten Fällen rund um die Uhr genutzt werden. Häufig sind es autoaffine Nutzungen oder sie tragen zumindest zu einer höheren Frequenz des Individualverkehrs bei, den sie für sich zum Teil abschöpfen können. Die Unternehmer agieren völlig autark. Wichtig ist ihnen Zentralität und Erreichbarkeit. Sie empfangen als einzige Gruppe Zielpublikum und funktionieren damit nach klar definierbaren ökonomischen Parametern: Ab einem bestimmten Einflussradius und Öffnungszeiten rund um die Uhr, lohnt sich die Ansiedlung auch an einem seltener frequentierten Ort. Die Angebote der Billig-Fitnesskette “McFit” und des Design-Hostel-Formates “Superbude” sind ständig verfügbar. Die Geselligen – Das verlängerte Wohnzimmer. Für die Geselligen ist die Standortwahl an der Magistrale ein fauler Kompromiss. Sie (be)dienen hauptsächlich Anwohner und Fußgänger. Damit beleben sie als eine kleine Insel der Urbanität die Magistrale. Die fehlende Laufkundschaft jedoch nagt an ihren Existenzen. Nur durch zusätzliche Programmpunkte, wie der Erweiterung ihres Sortiments oder eine Spezialisierung können sie überleben. Die Nachteile der Lage, wie Geräuschemmisionen, ermöglichen überhaupt erst ihre Existenz, denn der Mietpreis ist daher niedriger. Der Wirkungsradius ist kleiner als der der Unternehmen, sie sind oft auf ihre unmittelbare Nachbarschaft angewiesen. Die Geselligen müssen regelmäßig ihr Angebot erweitern, experimentieren, neue Abendformate und Zusatzangebote anbieten. Hellas Pizzahouse hat ein Lieferservice, die Illohbar bietet Spieleabende und Kickerturniere an. Fatihsport e.V. ist ein Sportverein, mit einer langjährigen Mitgliedertreue, schon vor dem Umzug in die Eiffestraße, denn viel wird auch außerhalb des Vereinslokals auf den Sportplätzen erlebt. Die Insulaner – kein Wohnen an der Straße. Das Leben an der Eiffestraße ist hier oft ein fauler Kompromiss. Die stark befahrene Straße als Barriere und abgrenzendes Element verhindert Austausch, Verweilen und Begegnungen. Man schottet sich innerhalb seiner Nachbarschaft, soweit vorhanden, ab. 98


Es werden individuelle Aufenthalts- oder Querungstaktiken entwickelt. Die Bewohner haben ihre persönlichen Anpassungsstrategien entwickelt. So ist es bei der Oma die zeitliche Anpassung zum Überqueren der Straße, während sich Mathias und der Hausbootbesitzer über ihre private Raumnutzung den Bedingungen anpassen. (Wohn)Aktivitäten finden am Kanal bzw. im Innenhof oder außerhalb des Viertels statt. Von Vorteil ist zweifelsohne die zentrale Lage und Anbindung, welche den Aufenthalt erst ermöglichen, auch wenn dieser verbesserungsfähig wäre. Bei den preiswerten Mieten nimmt man das wohl in Kauf. Die Profiteure – Standort in Abhängigkeit. Für die Profiteure ist der Standort ein Formelkompromiss. Oft sind sie nicht auf eine dauerhafte Nutzung ausgerichtet, eigenen sich jedoch die zeitlichen und räumlichen Lücken so gut wie möglich an. Als Frequenznehmer profitieren sie von den Frequenzbringern in ihrer Umgebung und sind deshalb auf sie angewiesen. Die Aktivitäts- bzw. Öffnungszeiten richten sich nach denen in ihrer Umgebung. Bei den Autohändlern spielt es eine wichtige Rolle, dass die Verkehrszulassungsstelle in der Nähe ist und Nummernschilder hier ausgestellt werden. Während der Öffnungszeiten der Zulassungsstelle kaufen die meisten Kunden ihren Wagen (sofern das nicht über das Internet passiert). Zusätzlich gibt es ein gut ausgebautes Netzwerk zu anderen Autohändlern und Werkstätten. Der Grillimbiss hat seine Öffnungszeiten an die des umliegenden Gewerbes geknüpft, wie das einiger Büros und dem benachbarten Medimax. Die Profiteure sind räumlich flexibel. Als Auto- oder Imbissverkäufer kann ein Umzug schnell von statten gehen. Von ihnen selbst ist aber eine Verstetigung gewünscht. Der Standort wird unter suboptimalen Bedingungen genutzt, mit Hoffnung auf Verbesserung. Die Eigenbrödler – unauffällig aber präsent. Mit der Lage an der Straße und dem lauten, stark frequentierten Individualverkehr wurde hier eine Win-Win-Lösung erreicht. Die Eigenbrödler besetzen Nischen und schotten sich ab. Sie profitieren von der Erreichbarkeit bei gleichzeitiger Anonymität. Da es entlang der B5 kaum Nachbarschaften und Fußgängerverkehr gibt, bleiben die Eigenbrödler unauffällig. In der Spielhalle kann man dem Glückspiel frönen ohne dabei gesehen zu werden: „Der Spieler spielt nicht wo er wohnt“. Der Weg zur Spielhalle kann durch MIV oder ÖPNV gut überwunden werden. Der Muskibunker stört keine Personen in der Umgebung und umgekehrt. Hier kann laut gespielt werden, ohne dass sich jemand beschwert. Die Proberäume sind eng und abgeschottet, im Bunker bekommt man nichts von seinen musikalischen Nachbarn mit. Der Swingerclub ist in seiner äußeren Erscheinung unaufällig, obwohl er der größte in Norddeutschland ist. Informationen darüber gibt es über die Internetplattform. „Der Swinger ist bereit eine Stunde zu fahren.“ Auch hier ist die Verkehrsanbindung essentiell.

UNDERSTAND

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CONTINUE

99


... Einzelstrategien Alle vorgefunden Strategien werden für die Bearbeitung zukünftiger Strategien in drei grundsätzliche Haltungen zur Ausfallstraße unterteilt: “Abschotten, Zulassen und Anknüpfen”. Sie resultieren aus der Kategorisierung der Nutzergruppen und werden je nach Akteur unterschiedlich angenommen, akzeptiert oder ausgehalten. Handlungsstrategien Geplante Wegeführungen oder Ampelschaltungen entlang der verkehrsreichen Straße werden von den Fußgängern in der Realität oft umgangen. Vor allem die Verkürzung der Wege über das den Fußgänger schützende Abstandsgrün ist allgegenwärtig. In der Weiterführung dieser Strategie bedeutet es ein “Andocken” an die vorgefundenen Praktiken und ein zusätzliche Verlagerung dieser von der Grünfläche auf die Straße. In letzter Konsequenz geht es nicht nur darum Wege abzukürzen, sondern auch zu rasten, stehen zu bleiben, sich zu treffen, …

Die Planung nach dem Krieg: Wohnzeilen, dazwischen Abstandsgrün zur Hauptstraße. Der Fußgänger hält sich an die ihm vorgegebenen Wege und soll sich dem Autoverkehr unterordnen. Die Realität: Fußgänger und Radfahrer suchen sich den kürzesten Weg.

Ist-Zustand

Die Idee Die Pfade ‚breiter treten‘. Fußgänger und Autofahrer teilen sich den Raum. Hier wird nicht nur durchquert, auch verweilt, ausgeruht, getroffen, austauscht.

Andocken

100


Zeitliche Anpassungsstrategien sind bei vielen der Nutzer entlang der Straße zu finden. Je nach Positionierung und Interessenlage kann hier eine zeitliche Abschottung, das Andocken oder das Zulassen gefunden werden. Beim “Andocken” richten sich die Aktivitätszeiten nach der Hauptfrequenz der Straße. Dienstleister und Läden, die auf das Auto spezialisiert sind, haben entsprechend synchronisierte Öffnungszeiten. Beim “Zulassen” überlagern sich die Aktivitätszeiten teilweise untereinander sowie mit denen der Straße, wie beispielsweise beim Musikbunker oder bei der Spielhalle. “Abschotten” bedeutet auch eine zeitliche Abschottung von Nutzungen, wie es beispielsweise bei Mathias oder dem Hausboot ist. Hier folgen Arbeiten und Wohnen zeitlich aufeinander.

Grill-Imbiss Büronutzungen Baumax Fressnapf Supermarkt

Andocken

ungenutzt

Arbeit

ungenutzt

ZUlassen

Büronutzungen Gastronomie SängerAkademie McFit unausgelastet

Abschotten

Arbeit

Freizeit

+

Wohnen Wohnen

Büro Werkstatt Arbeit

Wohnen

An die Straße andocken: Die Straße ist essentiell. Nutzungen sind abhängig von der Erreichbarkeit. Angebote sind spezialisiert auf den Transitverkehr. Durch die Spezialisierung gibt es zeitliche Nutzungsreserven durch ungenutzte Räume.

Mischung zulassen: Eine Intensivierung des heutigen Zustandes. Raum- und Zeitreserven werden ausgeschöpft. Einige der Nutzungen profitieren von der Nähe zur Straße, andere nicht. Die Nutzungsreserven sind geringer als beim andocken aber dennoch vorhanden.

Von der Straße abschotten Die Umgebung spielt nur noch eine geringfügige Rolle. Die Insel funktioniert in sich selbst. Verschiedene Nutzungen reihen sich aneinander.

101


Räumliche Strategien sind oft auch Strategien der zeitlichen und funktionalen Überlagerung. Wohnen und Arbeiten findet am gleichen Ort statt. Der Besitzer des Swingerclubs, der in in den unteren beiden Geschossen seines Hauses arbeitet und das Oberste bewohnt, ist durch seine Anpassungsstrategie genauso Pionier wie Mathias, der sich seinen Wohnort mit Gewerbetreibenden und Künstlern teilt. Das räumliche Lernen von Mathias wäre ein bauliches “Abschotten” von der Straße, Lernen vom Swingerclub dagegen, ein bauliches “Zulassen”. Eine bauliche Übersetzung für “Andocken” wäre auch in dieser Strategie denkbar. Für die untersuchten Orte bedeuten diese Strategien eine perfekte, störungsfreie Auslastung.

Die Planung nach dem Krieg: Die einst dicht besiedelte südliche Straßenseite wurde nach dem Krieg entvölkert und fortan gewerblich genutzt.

Hauptstraße

Innenhof

Am Kanal

Unten: Die Ideen orientieren sich an den Aussagen der Bewohner und Nutzer, im Allgemeinen Fußgänger an der Magistrale. Durch eine Verschärfung ihrer Anpassungsstrategien und Wunschvorstellungen, erfolgt neben den Extremthesen zum KFZ-Verkehr eine weitere Annäherung über die Akteure zum Umgang mit der Straße.

Die Realität: Wohnen findet heute vereinzelt in oder neben gewerblich genutzten Höfen statt.

Gewerbe Wohnen

Abschotten

102

+

SE

AS

TR

FES

EIF

ZUlassen

Andocken

SE

AS

TR

FES

EIF


Wohnformen nach Widmung Eine Strategie einer Nutzungskategorie: Wohnen. Alle entlang der Magistrale vorgefundenen Wohnformen wurden gesammelt und nach ihrer zeitlichen Nutzung wie folgt unterteilt: - Kurzfristige Wohnformen Hostel, Hotel, Boarding House, Büroleerstand - Mittelfristig Wohnformen Seniorenheim, Kinderheim - Mittel- bis Langfristige Wohnformen Mietwohnung, Eigentumswohnung, Kleingarten, Hausboot Als Nächstes wurde eine Häufung bestimmter Wohntypen innerhalb der Flächenwidmungen festgestellt und zusammenfassend beschrieben: - Mischgebiet Neben einer Vielzahl an Büro- und Gewerbebauten, wird nur temporäres Wohnen tatsächlich praktiziert, sowohl legal (Hotels, Hostels) und illegal im Büroleerstand (Obdachlose). - Gewerbegebiet Hier ist temporäres bis mittelfristiges, flexibles, (Nischen)Wohnen zu finden, sowohl legal (Hotels, Hostels) als auch illegal (Mietwohnen). - Wohngebiet Im Wohngebiet gibt es viel Genossenschaftsbau. WOHNFORMEN DER MAGISTRALE & LAGE )* An den Hauptstraßen wird AN Wohnen ergänzt (WOHNDAUER durch gewerbliche * IN DER UMGEBUNG DER NORDKANAL-, SPALDING UND EIFFESTRAßE GRUNDLAGEN: FNPHier HAMBURG, EIGENE ERHEBUNGEN & INTERNETRECHERCHE Erdgeschossnutzungen. binden sich die Bewohner mittel- bis langfristig und damit am längsten an ihre jeweilige Wohnform. Auffallend ist die Vielfalt an meist zeitlich begrenzten, temporären Wohnformen im Misch- und Gewerbegebiet. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Nutzungsdauer vom Stadtinneren nach Außen zunimmt.

MISCHGEBIET

KLEINGARTEN

IN ALLEN GEBIETEN

HO TEL HOS TEL

Wohnformen an der Magistrale (Wohndauer und Lage ) * In der Umgebung der Nordkanal-, Spalding und Eiffestraße

WOHNGEBIET

GEWERBEGEBIET

KINDERHEIM HAUSBOOT HO TEL HOS BOARDING TEL HOUSE

EIGENTUMS WOHNUNG MIETWOHNUNG

SENIORENHEIM

EIGENTUMSWOHNUNG

MIETWOHNUNG

TAGE WOCHEN MONATE

KURZFRISTIG

1 BIS 10 JAHRE

MITTELFRISTIG

AB 10 JAHRE

LANGFRISTIG 103


5 Learning to ...



Vorgehensweise Learning to. Die im Feld beobachteten Anpassungs- und Aneignungsstrategien des Lebensraums an der Magistrale sollen in zukünftigen Situationen erprobt werden. Hierzu wurden Zukünfte entworfen, die gewünschte und ungewünschte Entwicklungen und Dynamiken freisetzen und damit sichtbarmachen. Die Fragestellung „Welche Wohnräume können an einer Ausfallstraße geschaffen werden?“ wird in drei unterschiedlichen Zukunftsbildern nach Ausprägung relevanter Schlüsselfaktoren etwickelt. Die Szenarien dienen hier “zur Darstellung alternativer Entwicklungs-wege und alternativer künftiger Zustände” (Steinmüller 2003: 3) Grund dafür ist der Gewinn eines tieferen Verständnis über die Anpassungsstrategien. „In dem sie auf der Einschätzung von zukünftig relevanten Faktoren aufbauen, zwingen sie dazu, bestehende (implizite oder auch unbewusste) Grundannahmen über zukünftige Entwicklungen zu explizieren (Shell 2003, 12).“ (Kosow, Gassner 2008: 15) Ausprägungen und Wechselwirkungen des “Learning from...” werden hinterfragt und auf Eventualitäten getestet. Weiter helfen die erstellten Szenarien konkretere Zielvorstellungen zu definieren. Die Fragestellung wird in Verbindung gesetzt mit möglichen räumlichen Ausprägungen der angewandten Handlungsoptionen der Bewohner. Wichtig ist es mehrere Szenarien zu erstellen, die denkbare Zukünfte abbilden und alternative Entwicklungswege aufzuzeigen die sich voneinander abgrenzen lassen. Bei der Erstellung der Szenarien werden um die Bandbreite aufzufächern zwei unterschiedliche Ansätze gewählt. Es wird ein normatives Szenario (Wunschszenario) und zwei explorative Szenarien (Trendszenarien) erstellt. Der Aufbau richtet sich dabei nach einer idealtypischen Vorgehensweise. Problemstellung. Die Problemstellung der Szenarien ist die der Ausgangsfrage: „Welche Wohnräume können an der Magistrale geschaffen werden?“.

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Szenariofeld. Das Szenariofeld wird von zwei Parametergruppen aufgespannt. Zum einen durch allgemein-gesellschaftliche, externe Faktoren, zum anderen durch im Feld gemachte, interne Erfahrungen. Die externen Faktoren können in wirtschaftliche, ökologische, gesellschaftliche, stadtpolitische und rechtliche Faktoren unterteilt werden.1 Die im Feld gemachten Faktoren wurden als direkte Nennung in das Szenariofeld mit aufgenommen.2 Das Feld bestand so aus etwa 50 Faktoren mit jeweils mindestens zwei Ausprägungen. In den folgenden Diskussionsvorgängen wurde das Feld wieder eingeengt und damit die Komplexität auf ein handhabbares Maß reduziert. Durch die Diskussionen wurden „Relevanzentscheidungen hinsichtlich der Abgrenzung des zu betrachtenden Untersuchungsfeldes“ (Kosow, Gassner 2008: 20) getroffen. 1 Beispiele sind hier Entwicklung des Einzelhandels, Umweltauflagen, gesellschaftliche Teilhabe, Bebauungsdichte oder auch Mobilitätsangebot. 2 Durch Erfahrungen wahrgenommene Faktoren sind beispielsweise Randnutzungen, Angebote in unmittelbare Nachbarschaft, Extraangebote der Geselligen, Öffnungszeiten, etc.

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Szenario A. Eine Frage der Widmung. Eine weitere Annäherung an den Ort und damit ein Schritt in Richtung Konzeptfindung erfolgte durch das Erstellen eines normativen Szenarios und damit eines formulierten Wunschbildes, welches dadurch die eigene Positionierung in der jeweiligen Szenariowelt in den Blick rückt, damit Veränderungsnotwendigkeiten bestimmt und darauf mit geeigneten Maßnahmen reagiert werden kann. Obwohl auf ein Ziel hingearbeitet wird, weist diese Ausformulierung einer hypothetischen Situation auf ungeplante Entwicklungen und mögliche Schwachstellen hin. Die Zukunft der Straße wurde in einer Zeitspanne von knapp 30 Jahren narrativ ausformuliert. Nach einer eingehenden Analyse der vorhandenen Wohnformen und Bewohner im Untersuchungsgebiet, stellte sich im Projekt folgende Frage: Wie können (temporäre) Wohnräume in Zukunft an der Magistrale weiter entwickelt und intensiviert werden? 2012. Ausgangslage. Hamburg wächst rasant. Wohnraum in Hamburg wird zur Mangelware, auf dem Wohnungsmarkt herrschen abstruse Verhältnisse. Angebot und Nachfrage stimmen nicht überein, gebaut wird vornehmlich für eine zahlungskräftige Mittel- und Oberschicht. Eine geringe Bautätigkeit im sozialen Wohnungsbau und auslaufende Mietpreisbindungen sorgen für zusätzliche Spannungen im unterem Preisniveau. Wie aber lässt sich ausreichend bezahlbarer Wohnraum schaffen? Um dem absehbaren Engpass bei der Bereitstellung von Siedlungsflächen zu begegnen und gleichzeitig ein weiteres Wachstum ins Umland verhindern zu können, werden sowohl qualitative als auch quantitative „Nachverdichtungspotentiale nach Innen“ identifiziert. 2013. Nach einer umfangreichen Analyse sieht die Stadt Hamburg ein großes Potential darin Hauptverkehrsachsen weiter zu verdichten und künftig zu einem Wohnstandort auszubauen. Räumliche Potentiale liegen in ihrer Lückenhaftigkeit, dem ausgefransten Straßenraum und der niedrigen Bebauung. Neben einer Vielzahl an Nahversorgungseinrichtungen, Erholungsflächen in unmittelbarer Nähe bzw. deren schnelle Erreichbarkeit, sind sowohl die Verkehrs- als auch die soziale Infrastruktur nahezu optimal. Die baulich heterogenen Strukturen an Ausfallstraßen und deren Nutzungsvielfalt soll bewahrt und ausgebaut werden. Ein großes Defizit ist das der Magistrale innewohnende Charakteristikum: Ihre Autogerechtigkeit und die damit verbundenen räumlichen Schneisen sowie die durch den motorisierten Verkehr produzierten Emissionen. Verkehr und Wohnen scheinen demnach in einem großen Konflikt zu stehen. Die Bundesstraße 5, beginnend an der Nordkanal- bzw. Spaldingstraße inklusive ihrer Verlängerung, der Eiffestraße, führt durch die Stadtteile Hammerbrook und Hamm-Mitte bzw. Hamm-Süd. Dieser Abschnitt innerhalb der Inneren Stadt eignet sich nach Meinung der Experten gut für das Projekt “Wohnen an der Magistrale”. Interdisziplinäre Gutachterteams arbeiten nun an der gestellten Problemanalyse und einem übergeordneten, flexiblen Masterplan. In der zweiten Phase durch das Gutachterteam ‘BohMunD’ stellt sich in einer ortsbezogenen, qualitativen Analyse überraschenderweise heraus, dass in Misch- und Gewerbegebieten entlang der Straße bereits temporäre, teilweise illegale, Wohnnutzungen vorzufinden sind. Die meisten bisher definierten Defizite werden von den Bewohnern entlang der Straße nicht in dem Maß als störend empfunden, wie vermutet. 108


Ab 2013. Masterplanung. Die aus Analyse, sowie durch Interviews und Beobachtungen gewonnenen Erkenntnisse veranlassen das Team ‘BohMunD’ dazu, ihr ursprüngliches Ziel “Wohnen an der Magistrale” zu erweitern in: “(Temporäres) Wohnen an der Magistrale”. Sie planen einen behutsamen, Transformationsprozess, definieren Schlüsselfaktoren und erarbeiten im ersten Schritt je nach Lage (Wohn-, Misch- und Gewerbegebiet) und Wohnform (kurz-, mittel-, langfristig) einen übergeordneten Masterplan. Die Ergebnisse finden große Zustimmung in den Behörden. Etappenweise sollen die Ideen realisiert werden. Ab 2015. “Top Down” Weichenstellung. Politische Restriktionen & Anreize: Flächennutzungsplan, §34, Soziale Erhaltungsverordnung, SoBoN, steuerliche Vergünstigungen mit sofortiger Wirksamkeit Mobilität: Verbesserung des ÖPNV (Straßenbahn), langfristige Planung Ausgangspunkt des Gutachtens war die Bedeutung von Widmungen und ihre baunutzungsrechtlichen Verordnungen, festgesetzt über den Flächennutzungsplan. Verordnungen, die in ihrer tatsächlichen Nutzung oft umgangen, umgedeutet, ausgehebelt werden. An diesen nischenhaften und teilweise illegalen Lösungen möchte man sich nun orientieren. Eine differenzierte Betrachtung der Straße nach Misch-, Wohn- und Gewerbegebiet ist hierbei notwendig. Mischgebiet (Hammerbrook, Spalding- und Nordkanalstraße innerstädtisch) Oft dienen leerstehende Büro- und Gewerbebauten als kurzfristige (legale und illegale) Unterkünfte für Obdachlose, weiterhin existiert eine große Auswahl an kurzfristigen temporären Wohnformen - es sind in Hammerbrook ausschließlich Hotel- und Hostelbetriebe. Erst stadtauswärts sind auch Mietwohnungen und Kleingartenanlagen vorzufinden. Gewerbegebiet (Hamm-Süd, südlich der Eiffestraße, am Kanal) Auffallend ist hier die Vielfalt an meist kurz- bis mittelfristigen Wohnformen. Flexibles Nischenwohnen, in Hotels, Hostels, aber auch (illegales) Wohnen in Gewerbehöfen findet hier statt. Wohngebiet (Hamm-Nord und -Süd, nördlich, teilweise südlich der Eiffestraße) Hier wohnt man klassisch - mittel- bis langfristig - hauptsächlich im Genossenschaftsbau. An der Hauptstraße sind in den Erdgeschossen vereinzelt Nutzungen für den Einzelhandel vorgesehen, ein Teil davon steht jedoch leer. Die kürzesten, flexibelsten Wohnformen finden demnach im Mischgebiet statt, eine große Vielfalt an Wohnnutzungen sind im Gewerbegebiet zu finden, die langfristigsten dagegen im Wohngebiet. Maßnahmen im Mischgebiet Diverse (steuerliche) Anreize (für Eigentümer, Mieter und Betreiber von temporären Wohn- und Übernachtungsanbietern) sorgen für eine Intensivierung von Unterkünften für Touristen, Pendler, Saisonarbeiter und Expats. Die Umwidmung vom Gewerbe zum Wohnraum wird durch eine 50/50-Klausel im FNP geregelt.

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Maßnahmen im Gewerbegebiet Lang- bis mittelfristiges Wohnen gilt es zu intensivieren und damit zu legalisieren. Soziale Erhaltungsverordnungen und damit der Milieuschutz müssen auch hier wirksam werden. Damit sollen kleine Unternehmer- und Gewerbetreibende geschützt werden. Maßnahmen im Wohngebiet Das Ziel der Stadt Hamburg nach einer Verdichtung im Bestand im zentrumsnahen Wohngebiet wird öffentlich in der Presse diskutiert. Interesse einiger Großinvestoren wird laut. Soziale Erhaltungsverordnungen und damit Restriktionen werden daher als planerisches Mittel eingesetzt, um das nun unter starkem Aufwertungs- und Verdrängungsdruck stehende Gebiet vor Luxusmodernisierungen, Umwandlungen in Eigentumswohnungen, Umwidmungen von Wohn- zu Gewerbenutzungen oder Verkäufe kompletter Wohngebäude zu einzudämmen. Private Investoren müssen darüber hinaus nach der neu eingeführten “Sozialgerechten Bodennutzung” bei einer Neuplanung eine Eigenfinanzierung von 30% für soziale Einrichtungen bzw. Sozialwohnungen gewährleisten. Eine ständige Verdichtung (nach §34) findet im Einzelfall sowieso statt - so das Argument der Stadt. Deshalb ist eine strategisch geplante Nachverdichtung unbedingt notwendig, um unkontrolliertes Wachstum zu verhindern. Bauliche Nachverdichtung wird grundsätzlich begrüßt, wenn alle festgesetzten, stadträumlichen Kriterien erfüllt werden. Alle Anreize und Restriktionen treten 2015 mit sofortiger Wirkung in Kraft, sie gehen in ihrer Wirkungsart und -weise stark auf die Widmung ein. Im innenstadtnahen Mischgebiet ist deshalb weiterhin mehr Spielraum als im Wohngebiet. Mobilität Durch einen langfristigen, bis 2040 geplanten Transformationsprozess an der Ausfallstraße, wird die Autogerechtigkeit der Nachkriegszeit etappenweise eingedämmt, das Mobilitätsverhalten der Menschen soll über das zusätzliche ÖPNV-Verkehrsangebot an der Straße gesteuert werden - die Einführung eines Straßenbahnnetzes wird diskutiert. Bis 2040. “Bottom Up”, Weiche Faktoren, Reaktion auf die politischen Weichenstellungen, Entwicklungen gesellschaftlicher Segregation nach Widmung, zeitlich variable Miet- und Eigentumsstrukturen je nach Widmung Etwas zeitversetzt greifen etwas dynamischere und weiche Faktoren. Es sind erwünschte und forcierte Reaktionen, die sich in einem Zeitraum von ca. 15 Jahren abspielen. Entwicklungen im Mischgebiet Die gesamte Tourismusbranche, besonders Hoteliers, Hostel- und Boardinghouse-Betreiber und damit wohnungssuchende Zuzügler, temporär situierte Gastarbeiter und Fachkräfte profitieren von den politischen Entscheidungen. Vermehrt siedeln sich Einzelhandel, Geschäfte des täglichen Bedarfs, vor allem Bar- und Restaurantbetreiber vor Ort an, die nun als Frequenznehmer im temporären Wohnstandort große Vorteile sehen.

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Während die Frequenz im Wohngebiet moderat an Öffnungszeiten und Wohnrhythmen gekoppelt ist, erwacht hier das Leben vor allem in den Abend- und Nachtstunden. Die Bewohnerstruktur ist sehr homogen, sehr jung, im erwerbsfähigen Alter, vor allem ist das Mischgebiet zu einem Wohnort für Singles geworden. Von den positiven Entwicklungen der Tourismusbranche in Hammerbrook profitiert auch die Stadt Hamburg selbst. Aus diesem Grund werden die negativen Tendenzen der Spalding- und Nordkanalstraße zu einer Art Vergnügungsmeile nicht ernst genommen. Entwicklungen im Gewerbegebiet Aufgrund des nun vorhandenen Laufpublikums, erholt sich der Einzelhandel langsam. Es sind Pendler, Expats, Saisonarbeiter, Studenten, Kreative…, welche die Schnelllebigkeit und die Abwechslung im Gebiet zu schätzen wissen und gleichzeitig für eine weitere Nutzungsmischung und -verdichtung im Gewerbe und Dienstleistungssektor sorgen. Oft ist der Wohnort auch gleichzeitig Ort zum Arbeiten (Coworking-Konzepte werden vermehrt in den Hinterhöfen praktiziert). Damit wird das einstige Gewerbegebiet zum durchgehenden Aufenthaltsort: zum Ort des Wohnens und der Erholung, des Konsums, der Arbeit: Zum Lebensraum. Diese Entwicklungen tragen zu einer erhöhten Identifikation der mittel- und langfristigen Bewohnerschaft und damit zur Bildung von stabilen Nachbarschaften bei. Große Qualitäten bieten hier vor allem der einstige Industriekanal, der Mittelkanal. Viele Single-Haushalte, aber auch Wohngemeinschaften sind im Gewerbegebiet zu finden. Es bleibt ein Wohnort vor allem für junge Menschen, für bestimmte (unkonventionelle) Lebensstile und -abschnitte. Die Wohnpreise steigen hier am schnellsten an, auch bedingt durch die hohe Fluktuation der Bewohnerschaft. Ein Gentrifizierungsprozess ist trotz des Milieuschutzes sehr schnell zu beobachten. Entwicklungen im Wohngebiet Dank der SoBoN stieg seit 2015 die Baurechtschaffung für den Wohnungsbau an. Da schnelle, gewinnbringende Investitionen nicht mehr in dem Maß möglich sind, wird nun in langfristigere Projekte investiert. Neben Investorenprojekten (mit SoBoN-Regelung), geförderten Wohnungsbauprojekten, gründen sich Baugenossenschaften und Projekte ähnlich der Mietshäusersyndikate. Wohnzeilen werden zur Straße geschlossen und durch Dachgeschosswohnungen um bis zu zwei Geschosse aufgestockt. Der bauliche Abstand zur Straße wird verringert und diese somit stärker gefasst. Hier wohnen vermehrt Familien, es haben sich mittlerweile viele Pflegeheime niedergelassen. Das Alter der Bewohner ist demnach im Wohngebiet am höchsten. Die Abend- und Nachtnutzungen dominieren demnach stark das Mischgebiet, finden ein Gleichgewicht mit den Tagesnutzungen im Gewerbegebiet, nehmen aber zum Wohngebiet stadtauswärts allmählich ab. Entlang der Straße wird in allen Widmungen höher gebaut, werden Lücken geschlossen. In den oberen Geschossen, in den Gebäuden zweiter Reihe wird ruhiger und mittel- bis langfristiger gewohnt. Die Bewohnerstruktur wird vom Misch- zum Gewerbe- bis hin zum Wohngebiet (von innen nach außen) familiärer, älter, das Wohnverhältnis gefestigter und langfristiger. Eine räumliche Segregation von Wohn- und damit Lebensformen ist abzulesen: Temporäre Wohnkonzepte im Mischgebiet - Familienwohnen im Wohngebiet. Das Gewerbegebiet fungiert als eine Art Puffer zwischen Wohn- und Mischgebiet.

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Alle Entwicklungen verschärfen sich bis 2050 innerhalb der Widmungen. Resultierend aus einer zielgerichteten Planung und damit verbundenen unterschiedlichen Maßnahmen führen sie zu einer sozialen Segregation, die je nach Widmung unterschiedlich ausformuliert sind. Mobilität Die gestiegenen Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen, Pendler und Saisonarbeiter wirken sich deutlich auf den (Auto)verkehr aus. Während bis 2015 der Durchfahrtsverkehr das Bild der Straße formte, dominiert nun der zielgerichtete Verkehr, am signifikantesten im innerstädtischen Bereich der Straße. Gleichzeitig erhöhen sich die Frequenzen der Fußgängerquerungen. Der Autoverkehr wird demnach etwas reduziert und entschleunigt. Hier sind jedoch starke Schwankungen zwischen den Sommer- und Wintermonaten zu beobachten. Mit der 2020 geplanten Fertigstellung des schienengebundenen Verkehr entlang der Eiffestraße soll eine weitere Reduzierung stattfinden. Der Trend zum Car-Sharing wird verstärkt, der Autobesitz nimmt ab. Damit reduziert sich der ruhende Verkehr an der Straße sichtbar. Ehemalige Parkplatzflächen werden nun für den Schienverkehr zugeschrieben.

Mischgebiet in Hammerbrook links: Gegenwart rechts: Szenario

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Wohngebiet in Hamm: links: Gegenwart rechts: Szenario

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Explorative Szenarien

wirtschaftliche w1 wirtschaftliche Entwicklung Faktoren w2 Einzelhandel / Nahversorger w3 Gewerbe / Unternehmen w4 Nischennutzer / Frequenznehmer w5 Immobilienpreise w6 Wohn- und Arbeitsplatz ökologische o1 Kontaminierungen Faktoren o2 Umweltauflagen o3 Lärmbelastung durch die Straße gesellschaftliche g1 Lebensstile Faktoren g2 Flexibilisierung der Arbeitswelt g3 Migration g4 Demographie g5 gesellschaftliche Teilhabe g6 Interesse am (Wohn-) Umfeld g7 Randnutzungen / Eigenbrödler stadtpolitische s1 Baurecht Faktoren s2 Bebauungsdichte s3 Erdgeschossnutzungen mobilitätsbezogene m1 Verkehrsbelastung Faktoren m2 Raumwiderstand m3 Mobilitätsangebot Beeinflussbarkeit

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-

o1 ökologische Faktoren o2

o3

g1 gesellschaftliche Faktoren g2

g3

g4

g5

g6

g7

s1

s2

s3

m1 mobilitätsbezogene Faktoren m2

m3

Kontaminierungen

Lärmbelastung durch die Straße

Lebensstile

Flexibilisierung der Arbeitswelt

Migration

Demographie

gesellschaftliche Teilhabe

Interesse am (Wohn-) Umfeld

Randnutzungen / Eigenbrödler

Baurecht

Bebauungsdichte

Erdgeschossnutzungen

Verkehrsbelastung

Mobilitätsangebot

2 3 2 3 1 1 1 1 2 2 2 2 1 0 1 1 2 2 3 2 2 11 1 1 1 0 0 0 1 1 1 0 2 2 1 1 1 3 2 0 1 2 12 2 1 2 2 2 1 1 2 0 1 1 2 1 2 1 2 1 1 1 2 20 1 0 0 0 1 2 2 0 1 0 2 1 1 1 1 0 0 1 2 2 23 2 0 0 1 1 0 2 2 1 2 2 3 3 2 1 1 1 1 1 1 10 0 0 2 3 0 0 2 2 1 1 1 1 1 0 1 0 0 0 2 3 03 0 0 0 0 0 0 1 2 1 2 0 1 0 0 1 0 2 2 2 0 32 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 2 0 0 0 2 0 1 2 2 0 10 0 0 0 1 2 3 0 0 2 0 0 0 1 1 1 2 1 2 0 0 03 2 1 3 2 3 0 0 2 1 0 1 2 1 1 2 1 3 0 0 0 32 1 1 1 1 0 0 2 1 0 1 2 2 2 2 1 1 0 0 0 2 22 1 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 1 0 2 1 0 0 0 3 1 21 1 1 0 2 1 1 1 1 1 2 1 2 1 2 0 0 0 2 1 2 13 2 1 0 1 1 0 1 0 2 1 1 1 2 1 0 0 1 0 1 0 31 1 0 1 1 0 0 1 2 2 2 1 1 1 0 1 1 0 0 0 2 10 0 2 1 0 0 2 2 2 2 3 3 1 0 1 0 0 0 0 1 1 23 3 1 1 1 0 2 2 2 3 2 1 0 0 1 1 0 0 1 1 1 22 2 1 2 1 3 2 2 1 2 0 0 0 0 1 0 0 1 2 2 0 01 0 0 2 2 2 2 2 1 2 3 3 0 1 0 0 0 1 2 2 1 22 2 2 2 2 2 1 1 1 2 0 2 2 1 1 1 2 2 1 2 2 33 1 2 2 2 3 2 0 0 3 2 2 0 0 2 2 1 1 2 2 3 323 34 32 36 35 32 15 12 13 25 24 17 10 27 27 33 17 22 34 31 12 19

Einflussstärke

w6 Wohn- und Arbeitsplatz

Raumwiderstand

w5 Immobilienpreise

stadtpolitische Faktoren

w4 Nischennutzer / Frequenznehmer

Umweltauflagen

w3 Gewerbe / Unternehmen

Die Einflussmatrix stellt die wechselseitigen Einflüsse der Szenariofaktoren in Beziehung.

wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs w1 wirtschaftliche Faktoren w2 Einzelhandel / Nahversorger

Einflussmatrix. Das explorative Szenario wird einem idealtypischen Szerarioaufbau angenähert. Nachdem die Problemstellung definiert und das Szenariofeld geöffnet und im diskursiven Prozess wieder reduziert wurde kommt es nun zur Auswahl der relevanten Schlüsselfaktoren mithilfe einer Einflussmatrix. Bei der Einflussmatrix bestehen die Zeilen und Spalten jeweils aus den definierten Einflussfaktoren. In den einzelnen Feldern wird die Wirkung eines Faktors auf den eines anderen bewertet. Die Skala reicht dabei von 0 (=kein Einfluss) bis 3 (=starker Einfluss). Durch das Aufsummieren der Spalten und Zeilen ergibt sich die Einflussstärke (Aktivsumme) und die Beeinflussbarkeit (Passivsumme) der Faktoren. (vgl. Kosow, Gassner 2 008f: 38; Steinmüller 2003: 23).

36 20 28 17 32 19 15 14 16 25 21 20 20 23 17 17 27 26 17 30 33 34


Allerdings “erwecken die Matrix-Daten den Anschein einer Objektivität, die schon wegen dervorausgesetzten (intuitiven) Bewertungen nicht vorhanden ist” (Steinmüller 2003: 23). Trotzdem generiert das Verfahren Wissen über die Schlüsselfaktoren und über ihre Abhängigkeiten untereinander. Projektionen. Im nächsten Schritt werden die Faktoren auf ihre Unsicherheit hin bewertet. Dies geschieht durch die Auswertung der Aktiv- und Passivsummen. Diese können in vier unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden (vgl. Kosow, Gassner 2008: 39): • Aktive und impulsive Faktoren (hohe Aktivsumme, niedrige Passivsumme) haben großen Einfluss auf andere Faktoren, sind aber schwer steuerbar. • Reaktive und passive Faktoren (hohe Passivsumme, niedrige Aktivsumme) sind stark beeinflussbar. • Kritische und dynamische Faktoren (hohe Passivsumme, hohe Aktivsumme) sind stark vernetzt, beeinflussen und sind selbst dem Feld unterworfen • Puffernde und träge Faktoren (niedrige Aktiv- und Passivsumme) wirken nur schwach auf das Feld.

Einflussstärke

Interessant für das Szenario sind vor allem aktive, lenkbare und kritische Faktoren aufgrund ihrer Einflussstärke. Träge Faktoren werden außen vor gelassen. Durch das Einsetzen in eine Prioritätenmatrix werden die Faktoren in ihrem Handlungsraum dargestellt. In weiterer Folge werden sieben Faktoren ausgewählt, die mithilfe eines morphologischen Kastens in ihren unterschiedlichen Ausprägungen kombiniert werden. (vgl Kosow, Gassner 2008: 50) Aus diesen Kombinationen werden die Szenarien erstellt.

Unsicherheit

Die Prioritätenmatrix veranschaulicht die Wirkungsstärken und Beeinflussbarkeiten der einzelnen Faktoren.

wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs Einzelhandel / Nahversorger Gewerbe / Unternehmen Nischennutzer / Frequenznehmer Immobilienpreise Wohn- und Arbeitsplatz Kontaminierungen Umweltauflagen Lärmbelastung durch die Straße Lebensstile Flexibilisierung der Arbeitswelt Migration Demographie gesellschaftliche Teilhabe Interesse am (Wohn-) Umfeld Randnutzungen / Eigenbrödler Baurecht Bebauungsdichte Erdgeschossnutzungen Verkehrsbelastung Raumwiderstand Mobilitätsangebot

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Inseln der Eigenbrödler. Das steigende Mobiltiätsbedürfnis wird durch ein erweitertes Angebot (m3) befriedigt, ruft aber gleichzeitig mehr Verkehr hervor (m1). Das hat negativen Einfluss auf die Eiffestraße, wodurch die Preise für Wohnimmobilien sinken (w5). Die Stadt versucht dem entgegen zu wirken, indem die BauNVO weitläufiger ausgelegt wird (s1). Das hat bauliche Folgen. In Hammerbrook kommt es zu einer weitern Zunahme von temporären Wohnformen, in Hamm lassen sich vor allem Personen mit prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen (g3) nieder, am Wohnort wird auch gearbeitet (w3). Durch die gesunkenen Preise kann hier gesiedelt und ausgebaut werden (s2).

Diese und folgende Seite: Der morphologische Kasten besteht aus den Schlüsselfaktoren und den betrachteten Ausprägungen. Durch die Auswahl der Ausprägungen wird das morphologische Feld bestimmt das dem Szenario zu Grunde liegt (vgl. Steinmüller 2003: 28; Kosow, Gassner 2008: 50). Farblich hervorgehoben sind die Ausprägungen der Schlüsselfaktoren die im Szenario unter der gegebenen Fragestellung betrachtet werden.

Faktor

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Ausprägung

w3 Gewerbe

nimmt am Standort ab

nimmt zu

verarbeitendes wird ersetzt

w5 Immobilienpreise

sinken

keine Veränderung

steigen

g3 Lebensstile

differenzieren sich weiter aus

reduzieren sich

s1 Baurecht

verliert Bedeutung

strikter & novelliert

s2 Dichte

sinkt

bleibt konstant

steigt

m1 Verkehsbelastung

sinkt

bleibt konstant

steigt

m3 Mobilitätsangebot

sinkt - monostrukturell

steigt - multimodal


Sag mir wo du wohnst, ich sag dir wer du bist. Grundsätzlich nehmen Verkehr und Verkehrsangebote ab (m1). Die öffentlichen Verkehrsmittel werden reduziert, das eigene Auto ist nicht mehr für jeden finanzierbar (m3). Durch die gestiegenen Mobilitätskosten steigen die Preise für innenstadtnahe Immobilien rasant in die Höhe (w5). Das führt zu Nachverdichtungen in allen Bereichen. Da die Reduktion der Wege für Gewerbe und Wohnen von Vorteil ist (w3), mischen sich diese Nutzungen in Hamm. Möglich ist das durch Umwidmungen (s1). Große Wohnungsbauprogramme werden umgesetzt, die Wohnungen direkt belegt. Aufgrund der starken Probleme und der in Massen angebotenen Lösungen kommt es zur Reduzierung der Lebensstile (g3).

Faktor

Ausprägung

w3 Gewerbe

nimmt am Standort ab

nimmt zu

verarbeitendes wird ersetzt

w5 Immobilienpreise

sinken

keine Veränderung

steigen

g3 Lebensstile

differenzieren sich weiter aus

reduzieren sich

s1 Baurecht

verliert Bedeutung /

strikt & novelliert

Realitätsbezug s2 Dichte

sinkt

bleibt konstant

steigt

m1 Verkehsbelastung

sinkt

bleibt konstant

steigt

m3 Mobilitätsangebot

sinkt - monostrukturell

steigt - multimodal

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links: Hammerbrook 2013 rechts: Hamm 2013

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Szenario B. Inseln der Eigenbrödler. Durch die gesellschaftliche Beschleunigung verändern sich auch die Mobilitätsbedürfnisse. Räumliche Flexibilität ist gefordert und wird entsprechend versucht zu bedienen. Das Mobilitätsangebot wird zunehmend vernetzter, dazu tragen verschiedene Faktoren bei. Es gibt immer bessere Abstimmungen durch Apps und Kommunikationsmittel, die es ermöglichen die Wege schnellstmöglich zu überwinden. Einige der großen Autofirmen haben es geschafft alternative und Sharing-Konzepte anzubieten. Der Verkauf von Autos ist nicht mehr das Hauptgeschäftsfeld dieser Konzerne. Sie haben sich zu Mobilitätsdienstleistern weiterentwickelt und bieten Lösungen zur bequemen, autonomen Raumüberwindung. Es geht nicht mehr darum ein Verkehrsmittel zu besitzen, die Verantwortung darüber zu haben, für Reparaturen aufzukommen etc. Wichtig ist es dann mobil zu sein, wenn es nötig ist. Das Verkehrsmittel ist on demand. Das eigene Auto als Statussymbol ist nur noch schwer vorstellbar, wenn man bedenkt welche Mühen man mit so einem Gerät hatte. Diese Verfügbarkeit fördert eine intensivere Vernetzung aller Orte. Hierarchisierungen von Stadt und Umland lösen sich weitgehend auf. Es kommt zur Zunahme von zurückgelegten Wegen. Der Speckgürtel blüht auf, man kann es schon nicht mehr Gürtel nennen, es ist eher ein Feld. Hamburgs Wachstum wird vor allem durch die Region kompensiert. Durch die steigenden Mobilitätsangebote kommt es zu mehr Nachfrage und damit zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. Wurden früher die Alten und Kinder als immobil bezeichnet, ist das lange her. Auch sie können auf das Angebot zugreifen. Es kommt regelrecht zu einer Demokratisierung der Mobilitätsverfügbarkeit. Die Vernetzung ins Umland und in andere Stadtviertel wird größer, die zurückgelegten Reichweiten erhöhen sich. Durch automatische Systeme beim Fahren nimmt die Dichte der Autos auf der Straße zu. Dinge wie selber am Steuer Mindestabstand einhalten kennt man nur noch aus Erzählungen. Bereits bestehende Verkehrskorridore wie die Eiffestraße müssen diese Verkehrsmengen auffangen. Fossile Brennstoffe werden nicht mehr genutzt. Peak Oil hat man nie als Einschnitt mitbekommen. Mit der Zeit wurden andere Antriebs-systeme einfach preiswerter. Damit haben sich zwar die Abgase reduziert, laut und unwirtlich ist es an den Straßen aber immer noch u.a. durch Reifenabrieb und die bleibende Barrierewirkung. Durch die verkürzten Wegzeiten und der Irrelevanz von Zentralitäten sinken Immobilienpreise an der Eiffestraße. Die Straße ist reiner Transitraum, mit dichten Verkehrsflüssen. Die vorhandenen Frequenzen können aber nicht abgeschöpft werden. Durch die Vernetzung der Verkehrsträger entsteht eine höhere Auswahlmöglichkeit an Mobilitätsträgern die bis vor die Haustür fahren. Es ist unnötig unterwegs Pausen zu machen und an einer autobahnähnlichen Straße anzuhalten. Gerade wenn Verkehrsmittel gemeinsam genutzt werden sind spontane Umwege eher schwierig umzusetzen.

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Zukunft Hammerbrook

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Zukunft Hamm

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Um der vollkommenen Verödung der Straße entgegen zu wirken versucht die Stadt durch Aufweichungen der Bauordnung den genannten Veränderungen entgegen zu steuern. Es werden besondere Bestimmungen und Nutzungsoffenheiten beschlossen. Dichterichtlinien werden gelockert, die bauliche Entwicklung in die Höhe voran getrieben um durch die Konzentration von Funktionen doch so etwas wie Zentralität zu kreieren. Die Widmungsgrenzen verschwimmen und verlieren an Bedeutung. Die baulichen Folgen stellen sich bald ein. Im innerstädtischen Bereich, in Hammerbrook kommt es zu einer enormen Zunahme baulicher Dichte. Es wird dicht und hoch gebaut. Nutzungen sind meist Beherbergungsstätten in allen Variationen. Zentrale Lagen sind vor allem für Städtetouristen interessant, hier sind Flächen vorhanden, die demzufolge ausgebaut werden. Auch Dienstleistungsgewerbe zieht es weiter in die Bauten. Die enge Verknüpfung zu anderen Dienstleistern ist wichtig. Hammerbrook wird zum Business Distrikt. Östlich des Berliner Tors ist diese Zentralität nicht mehr gegeben. Durch die Aufweichung der Widmungen bilden sich verschiedene Mischgebiete. Die bauliche Dichte wird größer, die Dichte an Personen nicht zwangsläufig. Hier finden prekäre Lebensvorstellungen ihre Räume. Die weiter ausdifferenzierten Lebensstile koexistieren in ihren Inseln entlang der Straße. Es kommt zu immer mehr Formen des Eigenbrödlertums. Viele kleine Mikrokosmen bilden sich mit ihren Eigenlogiken. Die Trennung von Wohnen und Arbeiten löst sich räumlich und zeitlich auf. Erhöhte Mobilität für Personen geht einher mit einer erhöhten Mobilität von Gütern, Daten und Dienstleistungen und können von diesen Standorten angeboten oder abgefragt werden. Durch den Wegfall trennender Nutzungsbestimmungen kommt es zur Ansiedlung verschiedener Kleingewerbe und der eigenen Produktion, der personal fabrication von Gütern. Sie sind mit Wohnnutzungen kompatibel und schließen diese nicht aus.

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Szenario C. Sag mir wo du wohnst, ich sag dir wer du bist. Das Mobilitätsangebot entwickelt sich rückläufig. Durch die schlechte Finanzlage der Kommunen werden innerstädtische Fahrleistungen reduziert. Teile der städtischen Verkehrsmittel wurden privatisiert, was zu einer Ökonomisierung von einst öffentlich zugänglichen Dienstleistungen führt. Das Hamburger Verkehrsnetz wurde zum Privatgut. Leistungen werden wegrationalisiert, die Zugänglichkeit wird durch den Preis reguliert. Es werden nur noch Strecken mit finanziellem Mehrwert bedient, das Umland wird kaum noch mit Fahrleistungen versorgt. Eine Kompensation der fehlenden Fahrleistungen ist nicht gegeben. Eine der wenigen Alternativen ist nach wie vor der motorisierte Verkehr. Dieser wird teils kollektiv in Fahrgemeinschaften genutzt, viel hat sich in der Benutzung aber nicht getan. Eine Zeit lang sah es danach aus als würden sich Sharing-Konzepte durchsetzen, letztendlich hat aber der Wunsch nach dem eigenem Fahrzeug und der Unabhängigkeit von Anderen sich durchgesetzt. Die Benutzung des Autos hat sich wenig verändert. Die Antriebsart ist eine andere und das Fahrzeug fährt weitgehend selbstständig. Durch die jahrzehntelangen Krisen, der mangelnden Konkurrenzfähigkeit zu anderen Ländern und der damit einhergehenden Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung Europas ist ein Auto kein allgemein leistbares Gut mehr. Hamburgs wirtschaftliche Entwicklung ist zwar leicht positiv, das macht sich aber nicht zwangsläufig bei den Bewohnern bemerkbar. Finanzierbar ist ein eigenes Auto nur noch für Wenige. Der Verkehr nimmt insgesamt durch gestiegene Mobilitätskosten ab. Kurze Wege werden immer wichtiger und sind mal wieder das viel gepriesene Paradigma der Planung. Die Folge ist eine höhere städtebauliche und Einwohnerdichte. Die planerische Ausrichtung auf innerstädtische Lagen, die kontinuierlich steigende Bevölkerung und die solide wirtschaftliche Situation in Hamburg (im Vergleich zum Umland) lassen die Immobilienpreise steigen. Es wird an zentralen Orten nachverdichtet wo es geht. Die bauliche Entwicklung der Stadt wird klar durch die Bauordnung und herrschenden Widmungen definiert. Aufgrund des entsprechenden Kostendrucks und der Nachfragen nach innerstädtischen Lagen werden die Bauvolumen maximal ausgenutzt. Hammerbrook wächst in die Höhe. Die bestehende Widmung zum Mischgebiet führt zu vielen Bürobauten und Beherbergungsgewerben. Hier ist die höchste Rendite zu erzielen. Als lukrativ stellt sich der Bau von Appartementwohnungen heraus. Diese werden oft von Personen belegt, die aufgrund beruflicher Flexibilität zu Wohnstandortwechseln gezwungen sind. Aber auch eine obere Mittelschicht wird in die zentralen Gebiete gelockt, wodurch Mobilitätskosten gespart werden können. Die zunehmende bauliche Dichte zieht eine erhöhte, wenn auch temporäre, Bevölkerungsdichte mit sich. Es kommt zumindest tagsüber zur Intensivierung der Erdgeschossnutzungen.

126


Zukunft Hammerbrook

127


Hamm 2013

128


In Hamm werden bestehende Wohngebiete nachverdichtet. Zeilen werden geschlossen, Restgrün bebaut, die Eiffestraße verschmälert. Die gestiegenen Mobilitäts- und Immobilienkosten sorgen für eine flächenhafte Nachverdichtung. Die bereits bestehenden Wohnnutzungen südlich der Eiffestraße und um den Osterbrookplatz fressen sich teilweise in die Gewerbegebiete. Durch den hohen Verwertungsdruck, der auf die Flächen wirkt, sieht sich die Stadt gezwungen Umwidmungen durchzuführen und bestimmte Nutzungsmischungen zuzulassen. Teils wird nicht störendes Gewerbe in das Wohngebiet integriert, teils wird es umgesiedelt. Tendenziell nimmt auch das innerstädtische Gewerbe zu. Dies wird deutlich in den Erdgeschosszonen sichtbar. Die Erdgeschosse sind nicht mehr dem Einzelhandel oder der Gastronomie vorbehalten, sondern werden stark vom spezialisierten produzierenden und verarbeitenden Gewerben nachgefragt. Auch bei diesen Nutzungen ist die Reduzierung der Wege ein wichtiges Thema, welches sich auf Standortpräferenzen auswirkt. Die Verdichtung im Wohnungsbau geschieht einheitlich und vor allem durch städtische oder genossenschaftliche Wohnbauprogramme. Es geht hier um Qualität in größeren Mengen. In der Stadt sind letztendlich zwei Wohnformen vorherrschend: Geschosswohnbau, oft als Blockrandbebauung ausgeführt und zentral gelegene Apartment-Hochhäuser. Der Unterschied liegt hier in der Einkommensgruppe. Durch finanzielle Zwänge, die mitunter der veränderten Mobilität und der Wohnungsfrage geschuldet sind, kommt es zu einer geringeren sozialen Mobilität. Das Individualisierungsthema der Vergangenheit wurde überwunden durch Einschränkungen der Wahlmöglichkeiten.

129


Szenariotransfer In den Szenarien wurde sowohl mit den Erkenntnissen aus “Learning from...” experimentiert als auch mit dem Einfluss von übergeordneten Faktoren. Hier wurde deutlich, dass Planung auf längere Zeit kaum Steuerungsmöglichkeiten hat, deshalb oft reaktiv zu sein scheint. Planung versucht die gewünschten Entwicklungen zu begleiten und zu steuern. Letztendlich wird die Stadt jedoch nicht geplant, sie ist ein Resultat unterschiedlichster Akteurskonstellationen und deren Wünsche und Einflüsse untereinander sowie deren Konflikte und Aushandlungen auf vielen Maßstabsebenen. Die Anfangs beschriebenen Schlüsselfaktoren haben eine so starke Wirkungskraft, dass Stadt im Spannungsfeld dieser ausgehandelt wird. Trotz der Unbeeinflussbarkeit überregionaler und globaler Entwicklungen, ist es nötig Aussagen zur zukünftigen Gestaltung des Raumes zu machen, eine proaktive Planung muss jedoch auch unerwarteten Entwicklungen Raum geben und ungeplante Momente zulassen. Hier kann ein Rahmen aufgespannt werden, in dem diese Entwicklungen stattfinden. Eine Strategie, die Aushandlungsprozessen Raum lässt, ist von Bedeutung. Prozesse, in denen Akteure taktisch handeln können, auf Basis ihrer eigenen Interessenlagen. Es stellt sich die Frage, wie diese Interessen zusammen gebracht werden können und aus Einzelentscheidungen ein Mosaik geformt werden kann, das in einen strategisch flexiblen Rahmen passt.

130


131



5 Strategie & Taktik


Gesamtstrategie: 5 Regeln.

#3

# 1

Nutz 3.1 R G 3.2 K 3.3 V 3.4 D

Vom Straßenraum zum Lebensraum. 1.1 Lücken werden geschlossen, der Straßenraum gefasst. 1.2 Plätze als Orte des Aufenthaltes werden neu geplant bzw. weiter ausgebaut. 1.3 Ausblicke/Sichtachsen schaffen zusätzlich Orientierung. 1.4 Straßenbegleitende mittelkronige Bäume werden verdichtet.

h = b (ca. 30m)

# 1.1 # 1.4 # 3 # 3.2

Best Practice: Lindwurmstraße, München

# 2.1

# 1.3

# 5.2

# 5.1

# 2 #

# 2

h = 0.5b (ca.30m)

h = 0.5b (ca.40m)

Straßenraum der Spalding- und Nordkanalstraße 2013

134

#2

# 2.2 # 2.3

Best

Kontraste in Bebauungsstruktur, Gebäudealter und -zustand 2.1 Höhe und Dichte der Bebauung werdrn nach der Entfernung zur St 2.2 Die maximale Bebauungshöhe bemisst sich nach der maximalen Str 2.3 Einer Überschreitung der zugelassenen Höhe (h≤b) ist bei einem Au


3

#3

zungsmischung stärken. Nutzungsmischung stärken. Regelungen zu Widmungen im Flächennutzungsplan müssen längerfristig gelockert werden: 3.1 Regelungen zu Widmungen im Flächennutzungsplan müssen längerfristig gelockert werden: Gewerbegebiet: Wohnen legalisieren, Mischgebiet: 50/50-Regel, Wohngebiet: Mehr Nutzungsmischung. Gewerbegebiet: Wohnen legalisieren, Mischgebiet: 50/50-Regel, Wohngebiet: Mehr Nutzungsmischung. Kürzere Parzellen und damit eine kleinteiligere Eigentümerstruktur sorgen für Heterogenität. 3.2 Kürzere Parzellen und damit eine kleinteiligere Eigentümerstruktur sorgen für Heterogenität. Vertikale Mischungsnutzung vor allem in der "Pufferzone". 3.3 Vertikale Mischungsnutzung vor allem in der "Pufferzone". Dem Wohnen vorrangig "dienende" Nutzungen" entlang der Straße sollen gestärkt werden. 3.4 Dem Wohnen vorrangig "dienende" Nutzungen" entlang der Straße sollen gestärkt werden.

# 3.3 # 3.3 #4

#4

Die multifunktionale Straße. Die multifunktionale Straße. 4.1 Parkraum entlang der Straße wird dem Fußgängerweg zugeschlagen. 4.1 Parkraum entlang der Straße wird dem Fußgängerweg zugeschlagen. 4.2 Eine Reduzierung der Straßenbreite um eine Fahrspur ist im stadtnahen Abschnitt zulässig. 4.2 Eine Reduzierung der Straßenbreite um eine Fahrspur ist im stadtnahen Abschnitt zulässig. 4.3 Weiterführende Aufwertungen an Kreuzungen werden zukünftig in ihrer Anzahl reduziert. 4.3 Weiterführende Aufwertungen an Kreuzungen werden zukünftig in ihrer Anzahl reduziert. 4.4 Fußgängerquerungen werden verdichtet, Ampelfrequenzen erhöht. 4.4 Fußgängerquerungen werden verdichtet, Ampelfrequenzen erhöht.

h = 0.5b (ca.60m) h = 0.5b (ca.60m)

2.2 # 2.2 2.3 # 2.3

# 5.2 # 5.2

h = 1,5b (ca. 40m) h = 1,5b (ca. 40m)

t Practice: Bowery, New York Best Practice: Bowery, New York

nd -zustand zeigen Vielfalt. zeigen Vielfalt. ernung zur Straße in Zonen von innen nach außen unterteilt. traße in Zonen von innen nach außen unterteilt. maximalen raßenbreiteStraßenbreite (h≤b). (h≤b). ufbau bei einem von maximal Aufbau von zwei maximal Staffelgeschossen zwei Staffelgeschossen zulässig. zulässig.

Straßenraum der Eiffestraße Straßenraum der Eiffestraße 2013 2013

#5

#5

Verknüpfung der Inseln. Verknüpfung der Inseln. 5.1 Fußläufige Wege werden ausgebaut, vorhandene gestärkt. 5.1 Fußläufige Wege werden ausgebaut, vorhandene gestärkt. 5.2 Ein Steg entlang des Mittelkanals verbindet das gesamte 5.2 Ein Steg entlang des Mittelkanals verbindet das gesamte Untersuchungsgebiet. Untersuchungsgebiet.

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Strategischer Urbanismus Strategische Stadtplanung wird von den Planungsorganen der Städte betrieben. Es werden Leitbilder und Entwicklungshorizonte definiert, Zielbilder und Visionen formuliert. Unter informellen Instrumenten der Planung werden Werkzeuge zusammengefasst, die in der Regel keine rechtliche Verbindlichkeit haben. Strategische Aussagen zur B5 gibt es im Räumlichen Leitbild der Stadt Hamburg nur in abstrakter Form. Es werden allgemeine Ziele formuliert: Orte an den Magistralen zu qualifizieren. Da eine Strategie längerfristig ein bestimmtes Ziel oder definierten Zustand anstrebt, bedarf es einer weiteren Konkretisierung. "Qualifizierung", ist eine vage Forderung, die eine genauere Ausformulierung handlungsweisender Regularien verlangt. Eine Strategie für die Bundesstraße 5 muss daher bestimmte Entwicklungen ausschließen, andere wiederum fördern. Taktisches Verhalten beschreibt die konkrete Realisierung im Einzelfall innerhalb einer Gesamtstrategie - in diesem Fall die zukünftige Ermöglichung und gestalterische Ausformulierung zur Ansiedlung von mehr Wohnraum an einer Ausfallstraße. Da der Standort aber gewisse Nachteile und Entwicklungshemmnisse aufweist, müssen zur erfolgreichen Nachverdichtung bestimmte Taktiken, manchmal unkonventioneller Natur, angewandt werden. Hier wird Stadtplanung klar zur Verhandlungssache. Um Ideen und Vorhaben umzusetzen zu können, benötigt es die Aushandlung und Einbeziehung verschiedenster Akteure. Durch diese Aushandlungsprozesse können Entwicklungen angestrebt werden, die dem Code der Straße entsprechen. Taktik beschreibt hier nicht eine klassische Projektentwicklung, sondern das Beschreiten alternativer Wege durch Abmachungen und Übereinkünfte, durch Kompromisse. Es werden Deals abgeschlossen. Aushandeln Die folgenden sechs Beispiele sind als Anregungen zu verstehen, welche durch potentielle Aushandlungsprozesse angestoßen werden sollen. Bei diesen Taktiken werden von allen Akteuren Eigenengagement, geteilte Verantwortungen und Verfügbarkeiten erwartet. Die praktische Umsetzung solcher Projekte lebt gleichermaßen sowohl von Begeisterung und Verpflichtung aller Akteure, die sich in ihren Handlungen an einer Gesamtstrategie orientieren.

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# 1 Vom Straßenraum zum Lebensraum. 1. 1 Lücken werden geschlossen, der Straßenraum gefasst. 1.2 Plätze als Orte des Aufenthaltes werden neu geplant bzw. weiter ausgebaut. 1.3 Ausblicke/Sichtachsen schaffen zusätzlich Orientierung. 1.4 Straßenbegleitende mittelkronige Bäume werden verdichtet. #2 Kontraste in Bebauungsstruktur, Gebäudealter und -zustand zeigen Vielfalt. 2.1 Höhe und Dichte der Bebauung werden nach der Entfernung zur Straße in Zonen von innen nach außen unterteilt. 2.2 Die maximale Bebauungshöhe bei Neubau und Aufstockung bemisst sich nach der maximalen Straßenbreite (h≤b). 2.3 Einer Überschreitung der zugelassenen Höhe (h≤b) ist bei einem Aufbau von maximal zwei Staffelgeschossen zulässig. #3 Nutzungsmischung stärken. 3.1 Regelungen zu Widmungen im Flächennutzungsplan müssen längerfristig gelockert werden: Gewerbegebiet: Wohnen legalisieren. Mischgebiet: 50/50-Regel. Wohngebiet: Mehr Nutzungsmischung für nicht störendes Gewerbe. 3.2 Kleinere Parzellen und damit eine kleinteiligere Eigentümerstruktur sorgen für Heterogenität in Bebauung und Nutzung 3.3 Vertikale Mischungsnutzung v.a. in der “Pufferzone”. 3.4 Dem Wohnen vorrangig “dienende” Nutzungen entlang der Straße sollen gestärkt werden. #4 Die multifunktionale Straße. 4.1 Parkraum entlang der Straße wird dem Fußgänger- / Fahrradweg zugeschlagen. 4.2 Eine Reduzierung der Straßenbreite um eine Fahrspur ist im stadtnahen Abschnitt zulässig. 4.3 Weiterführende Aufwertungen an Kreuzungen werden zukünftig in ihrer Anzahl reduziert. 4.4 Fußgängerquerungen werden verdichtet, Ampelfrequenzen erhöht (Fußgänger & Fahrrad flüssiger, MIV zäher). #5 Verknüpfung der Inseln. 5.1 Fußläufige Wege werden ausgebaut, Vorhandene gestärkt. 5.2 Ein Steg entlang des Mittelkanals verbindet das gesamte Untersuchungsgebiet und bietet damit eine alternative Wegeverbindung.

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6 Deals 1 Alles aufs Auto

Die Eiffestraße 2013

138

Derzeit wird die große Freifläche an der Eiffestraße 56 von etwa 30 Autohändlern gemietet. Will man die Grundstücksnutzung durch Wohnen intensivieren, spielen vor allem drei Akteure eine Rolle: Die öffentliche Hand, der Eigentümer der Fläche und die Autohändler. Im Interesse der Autohändler ist ein langfristiger Mietvertrag. Eine Halle als Witterungsschutz ist ein weiterer Wunsch, da das den Pflegeaufwand und damit die Kosten reduziert. Der Eigentümer hat ein Verwertungsinteresse an seinem Grundstück. Durch kontaminierte Böden sind die Gewinnchancen jedoch eingeschränkt. Die öffentliche Hand möchte Wohnraum schaffen und die Magistralen stadträumlich aufwerten. Alle Interessen können hier zusammen gebracht werden. Auf dem Grundstück arbeiten die Autohändler in Containern, die Stadt hat also bereits Sondernutzungsgenehmigungen vergeben. Durch die Entkontaminierung des Bodens kann nun eine zusätzliche Wohnnutzung garantiert werden. Die Autohändler bekommen ihr gewünschtes Dach auf Höhe zweier gestapelter Container. Diese Deckenplatte ist gleichzeitig eine Bodenplatte für eine darüber stattfindende Wohnnutzung, gestapelt in vier bis sechs Containern. Wohnraum kann hier durch Container preiswert geschaffen, möglicherweise über eine Sondernutzungsgenehmigung, welche die Nutzungsdauer begrenzt. Nach Jahren der Nutzung kann sich das Projekt verstetigen und bei Bedarf massiv gebaut werden. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen würde der bisherige Kompromiss der ungesicherten Zwischennutzung zu einer “Win-Win-Win”Situation führen.


Eigentümer

Öffentliche Hand

Autohändler

Interessen

Interessen

Interessen

• • • •

• • • •

• • •

Flächensanierung Grunstücksverwertung Mieteinnahmen kein Mehraufwand

Wohnungsbau Flächensanierung Nachverdichtung Qualifizierung Magistrale

Standortsicherheit Überdachung Werkstatt

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

• • •

• • •

Mietverträge Investitionen Nutzerauswahl

rechtliche Situation Anreize / Hürden Sondernutzungsgenehmigungen

lässt Nutzung zu öff. Hand

Sondernutzungsgenehmigung

Mietzahlungen als Einzelmieter

Wohnbau aus Containerarchitektur

saniert Fläche Mietvertrag Eigentümer

Investition in Dach / Bodenplatte Mieter

Ausbau EG durch Autohändler

Die Eiffestraße nach den Deals

139


Konzeptskizze: temporäres Stapeln

10.36 m - 15.54

WOHNEN

5.18 m

ARBEITEN 2.59 m

140


2 Leben, Wohnen, Arbeiten

Derzeit dominiert auf dem Hinterhof in der Eiffestraße nichtstörendes Gewerbe. Eine Tischlerei, eine Autowerkstatt und eine Glaserei haben hier ihren Sitz, an der Uferkante ankert ein Hausboot. Auf dem Grundstück befindet sich bereits jetzt eine Mischnutzung aus Wohnen und Gewerbe, die weiter intensiviert werden soll. Bei einer Aufstockung der Gebäude von zwei bis drei Geschossen, könnte auf der selben Parzelle Wohnraum geschaffen werden, was dem Eigentümer zusätzliche Mieteinnahmen bringt. Zwar ist auf dem Grundstück Gewerbe angesiedelt, dieses weist aber lediglich an Werktagen tagsüber Aktivitäten auf. Geht man davon aus, dass die zukünftigen Bewohner einer Arbeit nachgehen, haben diese die meiste Zeit eine ruhige Wohnumgebung, denn am Wochenende und abends sind die Gewerbeeinheiten geschlossen. Für die Gewerbeeinheiten entstehen ebenfalls durch den zeitlichen Versatz keine Störungen – im Gegenteil - für die Unternehmen ist es geradezu nützlich wenn auch am Wochenende und in den Abendstunden Personen auf dem Grundstück sind. Dadurch wird das Einbruchrisiko gesenkt und eventuell anfallende Kosten für Alarmanlagen oder Wachdienste entfallen. Das bereits ankernde Hausboot kann als Pionier bezeichnet werden. Er sorgt für eine Intensivierung des Wohnens auf dem Wasser. Der Mittelkanal ist nah zur Eiffestraße gelegen, sodass auch auf anderen Grundstücken eine Feuerwehrzufahrt gewährleistet werden könnte. Weiter sollte die öffentliche Hand die Regulierungen zur Brandsicherheit auf Hausbooten überarbeiten, um hier mehr zu ermöglichen als zu verhindern. Es stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit, warum von einem Hausboot aus Brandschutzgründen eine Hauseinfahrt in 40m Entfernung liegen muss. Da Hamburg sich gerne als ‘Stadt am Wasser’ bezeichnet und auch deshalb daran interessiert sein sollte noch mehr Hausboote auf den Kanälen anzusiedeln. Eine Lösung wäre der Bau eines Steges an der Nordseite des Kanals, hier könnten zum einen die Boote festgemacht werden, zum anderen würden alternative Wege nah am Wasser entstehen, was zukünftig als positiver Standortfaktor gelten kann. Für die Grundstückseigner hat es den Vorteil, dass sie für den Anschluss an das Grundstück eine gewisse Pacht verlangen können. Das gleiche gilt für den Bezirk, der für den Liegeplatz Pacht verlangen könnte. Anpassungsstrategien, die in Ansätzen bereits auf der Straße funktionieren, können intensiviert werden, zum Vorteil aller Beteiligten. Grundlage dafür ist das Zulassen von Mischungen, die durch eine zeitliche Trennung Vorteile für die beteiligten Akteure bringen. 141


Eigentümer

Öffentliche Hand

Werkstätten

Interessen

Interessen

Interessen

• • •

• • •

• • • •

Grunstücksverwertung Mieteinnahmen kein Mehraufwand

Wohnungsbau Nachverdichtung Qualifizierung Magistrale

Standortsicherheit Werkstatt Hofnutzungen Sicherheit

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

• • •

• • •

Mietverträge Investitionen Nutzerauswahl

Mittelkanal 2013

142

rechtliche Situation Anreize / Hürden Sondernutzungsgenehmigungen

Mietzahlungen


öffentliche Hand verpachtet Wasserplatz 2 lässt Intensivierung und Nutzungsmischung zu 2 genehmigt Liegeplätze für Hausbooote 4 errichtet Stege

Hausboot Interessen

Liegeplatz

Handlungsspielraum

Mietzahlungen Eigentümer 1 beantragt Baugenehmigung 3 baut auf Bestand Werkstatt 1 mietet

Werkstatt 2 mietet

Werkstatt 3 mietet

Hausboot mietet

Mittelkanal nach den Deals

143


3 ... und fertig ist die Laube

Kleingartenanlagen sind hauptsächlich südlich und östlich der Eiffestraße vorzufinden. Die Flächen der jetzigen Laubenpieper weisen unterschiedliche Widmungen auf: Von Grün- über Gewerbe- zu Mischgebiet ist alles vertreten. Derzeit ist das Übernachten in der Gartenlaube erlaubt, das Wohnen aber untersagt. Im Kontext der Wohnungsnot, drängt sich die Frage auf, warum offizielles Wohnen in Kleingärten nicht erlaubt ist. Kleingärten haben einen geringeren Flächenverbrauch als Einfamilienhäuser, befinden sich oft in einer zentraleren Lage und bieten organisierte Nachbarschaften mit entsprechenden Verantwortlichkeiten. Durch die Genehmigung von Wohnnutzungen würde sich die Stadt Bewohner und damit Steuereinnahmen sichern, die sonst ins Umland gehen. Die Grundstücke werden weiterhin verpachtet, bleiben im Besitz der Stadt. So hat diese mittelfristig ihren Gestaltungsspielraum erhalten. Wohnraum würde geschaffen werden ohne dass seitens der Stadt große Investitionen zu tätigen wären. In Wien gibt es bereits die Widmung „Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen“. Hier kann unter bestimmten Bedingungen sogar Wohnbauförderung beantragt werden. Die Kleingärtner hätten nun die Möglichkeit in ihrer Kolonie zu wohnen. Diese füllt sich und Nachbarschaften entstehen wieder. Ein Heimwerkerparadies, in dem viel durch Arbeit mit wenig Geld geleistet werden kann. Hier kann sich Wohnbau etablieren für Milieus, die normalerweise auf dem Hamburger Wohnungsmarkt marginalisiert werden. Um eine Verstetigung zu garantieren, müssen bestimmte Regeln eingehalten werden. Da das Bundeskleingartengesetz nicht die Lebensrealitäten der gesamten Republik abdecken kann, ist es nötig hier nachzujustieren.

Öffentliche Hand

Kleingärtner

Interessen

Interessen

• • •

Wohnungsbau Nachverdichtung Qualifizierung Magistrale

pachtet Grundstück

Handlungsspielraum

• • •

144

rechtliche Situation Anreize / Hürden Sondernutzungsgenehmigungen

• • •

Standortsicherheit Wohnnutzung Nachbarschaft

Handlungsspielraum erlaubt Wohnnutzung

Pacht


Bauliche Richtlinien für eine zukünftige Wohnnutzung der Kleingärten.

3

2

4

1

5

6 1 Nebengebäude dürfen nicht in Massivbauweise und bewohnbar sein

4 es dürfen maximal 25% des Grundstückes bebaut werden

2 eine Aufstockung bis zu zwei geschossen ist erlaubt

5 die Grundfläche darf maximal 50qm betragen

3 insgesamt darf das Gebäude maximal 75qm Nutzfläche haben

6 der Abstand zum Nachbargrundstück muss im Einvernehmen mit diesem sein

Kleingarten nach dem Deal

145


4 Vom Leer- zum Wohnraum

Eine Nutzungsintensivierung auf den Flächen der ehemaligen Pro-Bäckerei bringt für alle Beteiligten Vorteile und hat an dieser Stelle positive Effekte durch umliegende Nutzungen. Von einer Vermietung seiner über fünf Geschosse leerstehenden Gewerbeflächen an Bewohner kann der Hauseigentümer unter bestimmten Voraussetzungen nur profitieren. Um längerfristig Handlungsspielraum über die Flächennutzung zu haben, werden zeitlich beschränkte Mietverträge abgeschlossen, wobei den Mietern eine Mindestnutzungszeit von fünf Jahren zugestanden werden wird. Zur verbesserten Zugänglichkeit der Fläche muss möglicherweise eine zusätzliche Erschließung errichtet werden. Die Mieter müssen den Innenausbau hin zur Wohnnutzung persönlich übernehmen, Materialien dafür stellt der Eigentümer zur Verfügung. So wird durch die Arbeitskraft der Mieter, die Investitions-kosten für die Vermieter gering gehalten. Gebäudetiefen von 20 Meter ermöglichen keine klassischen Wohngrundrisse, über kleinen Wohnungen im 2. und 3. Obergeschoss, liegen großzügige Lofts und Atelierräume. Um die Gewerbeinsel attraktiver zu gestalten, werden die kaum genutzten Parkplätze vor dem Gebäude sowie auf dem Parkdeck drastisch reduziert. Durch eine Nutzungsintensivierung und Freiflächenaufwertung werden Kunden angezogen, die Erdgeschossnutzungen intensiviert und Mieteinnahmen gesteigert. Die Stadt muss diese Nutzungsmischung genehmigen und fördern. Bei der Umsetzung kommt es zu einem Zugewinn an Wohnraum, wie auch zu vertikaler und horizontaler Nutzungsmischung im derzeit ungenutzten Gebäudebestand.

Eigentümer

Öffentliche Hand

Einzelhandel

Interessen

Interessen

Interessen

• • •

• • •

• •

Grunstücksverwertung Mieteinnahmen kein Mehraufwand

Wohnungsbau Nachverdichtung Qualifizierung Magistrale

Standortsicherheit Aufwertung der Gewerbeeinheit Angebotsvielfalt

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

• • •

• • •

• •

146

Mietverträge Investitionen Nutzerauswahl

rechtliche Situation Anreize / Hürden Sondernutzungsgenehmigungen

Mietzahlungen Investitionen


öffentliche Hand genehmigt Wohnnutzung

Eigentümer 1 schließt Mietverträge mit Bewohnern 3 fördert Ausbau 4 finanziert Erschließung 5 fördert Außenraumgestaltung

Mieter 2 bauen Wohnraum aus

Einzelhandel 5 beteiligt sich an Außenraumgestaltung

Bewohner Interessen

Wohnraum

Handlungsspielraum

• •

Mietzahlungen Eigenarbeit

147


Nutzungsmischung gegen Leerstand

4. - 7.OG Wohnen €€

2. - 3.OG Wohnen €

EG - 1. OG Gewerbe

148


5 Lebensraum auf Zeit

Neben einem relativ hohen Büroleerstand prägt temporäres Wohnen in Form von Hotels oder Hostels das Bild der Spaldingund Nordkanalstraße. Man könnte Räume des großen Büroleerstandes für temporäre Wohnungen nutzen. Im exemplarischen Gebäude, dem Hanse Hause in der Spaldingstr. 110, etabliert sich eine Hybridnutzung aus Hostel und Appartementhaus. Personen, die beruflich in Hamburg sind, haben so die Möglichkeit sich hier ein Zimmer oder eine kleine möblierte Wohnung zu mieten mit den Vorteilen eines Hotelbetriebs. Es gibt einen Zimmerservice, ein Restaurant mit Bar und Lounge, einen Treffpunkt im Hof oder auf freigewordenen Flächen des Parkdecks. Statt eines Concierges gibt es eine Rezeption. Mietverhältnisse können wochenlang oder über Monate bis Jahre andauern. Durch eine hotelartige Nutzung können ähnlich hohe Quadratmeterpreise erzielt werden, wie bei einem Bürobau. Die Wohnungen befinden sich im Riegel über der Sockelzone und beginnen ab der dritten Etage. Die derzeitigen Nutzer der Erdgeschosszone können weiterhin im Gebäude bleiben, das zweite Geschoss des Sockels kann nach wie vor Parkplatzfläche sein. Einer aktueller Mieter im Beispielgebäude ist der Autoverleih Sixt, welcher von eine temporären Bewohnern profitieren würde und umgekehrt. Das Parkdeck wird teilweise zum Aufenthaltsraum umgestaltet. Durch die zentrale Lage und den Adressaten des Hotels werden jedoch nicht mehr so viele Parkplätze benötigt wie derzeit verfügbar. In diesem Fall wird kein Wohnraum im klassischem Sinne geschaffen, dafür ein flexibles Angebot, welches aus den heutigen Lebensstilen resultiert. Zusätzlich wird der Stadtteil Hammerbrook durch die neue Bewohnerschaft belebt.

149


Superbutze nutzt Büroleerstand um gestaltet Parkdeck vermietet Wohnraum

Kooperation

Mieter bleiben

Sixt vermietet an Gäste

Hotel

Kunden

Einzelhandel

Interessen

Interessen

Interessen

• •

• •

• •

Grunstücksverwertung Mieteinnahmen

Wohnraum in Hamburg Unterlhaltung

Standortsicherheit Aufwertung des Standortes Angebotsvielfalt

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

• • •

150

Mietverträge Investitionen Nutzerauswahl

Mietzahlungen

Mietzahlungen


6 Lückenfüller

Das Gebäude der Firma Sharp entspricht nicht mehr ihren Anprüchen und Bedürfnissen und wird veräußert. Da die Stadt kaum mehr innenstadtnahe Flächen besitzt, kauft sie das Areal auf. Ziel ist es Wohnraum auf stadteigenen Flächen zu schaffen. Auf dem Grundstück wird eine Durchwegung geschaffen, die die Umgebung durch Wegeachsen einbindet und damit die Basis für ein kleinteiliges Wohnquartier schafft. Dafür wird das Grundstück in viele Parzellen geteilt, um auch kleineren Investoren oder Baugruppen die Möglichkeit zum Bauen zu bieten. Die Grundstücke werden im Erbpachtverfahren vergeben – die Stadt behält die Hand auf dem Grundstück, die Nutzer haben zu Beginn geringere Investitionen. Durch die Vergabe vieler kleiner Grundstücke entsteht zwar ein Mehraufwand, aber auch ein finanzieller Zugewinn. Die Baugenehmigungen werden nach Konzeptverfahren vergeben, um die Qualität im Quartier zu steigern. Die Mischung zwischen Wohnen und Arbeiten ist erlaubt, wird aber kontrolliert, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wohn- und Gewerbenutzung herzustellen. Damit wird verhindert, dass sich vornehmlich gewerbliche Nutzungen ansiedeln. Den Grundstücken werden mittels Bebauungsplan bestimmte ortsspezifische Regeln auferlegt, um die Entwicklung des Gebietes zu steuern. Die räumliche Kante entlang der Spalding- und Nordkanalstraße wird gestärkt und bildet damit einen Puffer zwischen Verkehrs- und dahinter liegendem Wohnraum.

eigene Entwicklung

Durchwegung entsprechend Umfeld Grundstückkauf

Vermietung

öff. Hand Parzellierung Eigentümer

Erbpacht

Mieter 151


Eigentümer

Öffentliche Hand

Bauherren

Interessen

Interessen

Interessen

• • •

• • • •

• •

Grunstücksverwertung Mieteinnahmen kein Mehraufwand

Wohnungsbau Nachverdichtung Qualifizierung Magistrale Handlungsspielräume

Baugenehmigung Aufwertung der Umgebung Nutzer

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

Handlungsspielraum

• • •

• • •

• •

Mietverträge Investitionen Nutzerauswahl

rechtliche Situation Anreize / Hürden Sondernutzungsgenehmigungen Kauf

Mietzahlungen Investitionen

1 Gebäudehöhe bis h≤1,5b 2 erste Reihe fungiert als Puffer 3 keine Pflicht Stellplätze zu errichten 4 vertikale Nuztungsmischung 5 Wohnbauförderung 6 Erbpacht 7 Konzepvergabe 8 Nuztungsmischung zwischen Wohneun und Gwerbe 9 ab zweiter Reihe niedrigere Bebauung

6 7

5 8 2

1

152

3


153


Résumé Thesen- Update Raum als Produkt. Die Straße ist das Produkt anderer Räume bzw. deren Nutzer. Die Angebote entlang der Straße und der Verkehr bedingen sich gegenseitig. Die räumliche Ausprägung und der Gebrauch des Raumes sind stark definiert durch den motorisierten Individualverkehr (welcher wiederum das Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse ist). Interessenskonflikte. Der Gebrauch des Raumes ist Resultat kontinuierlicher Aushandlungsprozesse und damit das Ergebnis von Interessenskonflikten. Kompromisse unterschiedlicher Auspägungen. Diese Konflikte treten allerdings nicht als solche hervor, sie werden lediglich ausgehalten und sind ständige Kompromisse. Unterschiedliche Akteure gehen je nach Position und Interessen unterschiedliche Kompromisse ein. Um die Komplexität von (Wohn)Raumproduktion zu verstehen, war es notwendig sich dieser auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen zu nähern. Die Schaffung von Wohnraum stellt an einer Ausfallstraße mit ihrer unzeitgemäßen Autogerechtigkeit eine Besonderheit dar, denn die Dominanz des motorisierten Verkehrs lässt eine Raumaneignung nur bedingt, in Form von Kompromissen, zu. Unterschiedlichste Logiken und Aneignungsstrategien aller vor Ort handelnden Akteure konnten über einen Methodenmix in Erfahrung gebracht und in der konzeptionellen Bearbeitung aufgenommen, weiterverfolgt und modifiziert werden. Neben den eingegangenen Kompromissen im Verhalten der Akteure, sind es deshalb auch die örtlichen Ausprägungen des Handelns, die Aussagen über zukünftige räumliche Strategien und Akteurskonstellationen möglich machen. Diese Betrachtung aus dem Ort und aus dem Handeln des Einzelnen heraus sollte in der Planung zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Geplanter und gelebter Raum liegen nämlich oft weit auseinander: Es werden sich Nischen angeeignet, Räume (illegal) umgenutzt und umgedeutet. Der Handlungsspielraum der Akteure vor Ort geht weit über die in der Planung beabsichtigten Möglichkeiten und Grenzen hinaus. Die Forschungsfrage, welche (Wohn)räume an einer Magistrale möglich sind, kann daher nicht abschließend eindeutig beantwortet werden. Die Antwort ist eher eine Symbiose aus einer kurzfristig zielgerichteten Planung und den Wünschen der Akteure und räumlichen Gegebenheiten. Diese Symbiose bedarf einer regelmäßigen Aktualisierung und Überarbeitung. 154


Handlungsebenenen relevanter Akteure an der B5

Po W lit G irt ik es sc el ha ls ft ch af t

U Re nte G ise rn üt n eh er de m en

Be Pe w Zi nd ohn el le e ku rn r nd en

Ei Pr ge n o In fi br U sul teu öd G nte an re ler es rn er el e lig hm e e n

Es geht nicht primär um die Art der Räume: “Welche Räume...” fragt zwar in eine zentrale Richtung, essentiell sind aber Fragen nach dem “Wie” und “Wer”. Es kommt damnach auf die Nutzer an, die sich die Räume aneignen. “Welche” fragt nur nach dem physischen Ergebnis, nach der Ausprägung, nicht aber nach der Ursache der Raumproduktion. Hier zeigt sich eine Bandbreite von Personen, die sich ihre Möglichkeiten selbst schaffen. Dies passiert auf unterschiedlichen Ebenen und Wegen. Es sind vorgefundene räumliche und zeitliche Anpassungsstrategien und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, die als unkonventionellere Strategien in eine klassische Planung einfließen müssen. Planung müsste dementsprechend kleine Schritte machen, flexibler reagieren, Entscheidungen auch nachträglich revidieren können und vor allem ungeplante Entwicklungen zulassen.

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Quellenverzeichnis Literatur Auge, Marc, 1994. Nicht-Orte; München; Beck Bardua, S. u. a., 2012. Die Stadt und das Auto. Wie der Verkehr Hamburg veränderte, München; Hamburg: Dölling und Galitz. Freie und Hansestadt Hamburg, 2007: Hamburg - Räumliches Leitbild, Entwurf; Landesbetrieb für Geoinformation und Vermessung Hamburger Sparkasse AG (Hg.) Hamburgisches WeltWirtschaftsinstitut gemeinnützige GmbH (Verf), 2010, L(i)ebenswertes Hamburg, Hamburg Holzapfel, H., 2012. Urbanismus und Verkehr. Kosow, Hannah; Gaßner, Robert: Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien.; IZT-WerkstattBericht Nr. 103; Berlin, 2008 Mayer, H., Tausendjähriges Reich und Tausenfüssler. Archithese. Age of cool, (2.2013), S.74 – 77. Schopf, J.M. & Emberger, G., 2013. Die Straße, die Fußgänger und die Stadtentwicklung. derive. Zeitschrift für Stadtforschung, S.5– 9. Sieverts, T., 2001. Zwischenstadt: zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und Land, Gütersloh; Berlin; Basel; Boston; Berlin: Bertelsmann Fachzeitschriften ; Birkhäuser. Sieverts, T., 2011. Architekturdebatte (4): Berlin braucht Mut zum Risiko - Seite 2 - Berlin - Tagesspiegel. Available at: http://www.tagesspiegel.de/berlin/architekturdebatte-4-berlin-braucht-mut-zum-risiko-seite-2/4359408-2.html [Zugegriffen September 12, 2013]. Steinmüller, Karlheinz; Schulz-Montag, Beate 2003: Szenarien. Instrumente für Innovation und Strategiebildung, Essen Tschirk, Werner, 2012. Herausforderung Einfallstraße; Wien; Fachbereich örtliche Raumplanung Internet http://rycon.wordpress.com Statistikamt Nord: Dokumentenansicht. Available at: http://www.statistik-nord.de/daten/verkehr-umwelt-und-energie/ schiffsverkehr/dokumentenansicht/95/produkte-1/ [Zugegriffen September 6, 2013]. Statistikamt Nord: Dokumentenansicht. Available at: http://www.statistik-nord.de/daten/bevoelkerung-und-gebiet/bevoelkerungsstand-und-entwicklung/ [Zugegriffen September 6, 2013]. http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg-Hammerbrook [Zugegriffen September 2, 2013] http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg-Hamm [Zugegriffen September 2, 2013] http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg [Zugegriffen September 2, 2013] www.hamburgportal.de [Zugegriffen September 13, 2013] www.immowelt.de [Zugegriffen September 13, 2013] http://maps.google.com/ [Zugegriffen September 14, 2013] http://www.bing.com/maps/ [Zugegriffen September 14, 2013] Daten Statistischer Bericht H I 2 - j/11 H: Kraftfahrzeuge im Hamburg, Volker Brandt, 2011/2012 Verkehrsentwicklung, Einzelpegel: Kfz DTV (Durchschnittlicher täglicher Verkehr); Rolf Mielke, bwvi, 2013 Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein: Hamburger Stadtteil-Profile 2011 Gespräche Thorsten Schmidt 25.06.2013 Rolf Mielke Telefonat 23.05.2013 Gunnar Wulf 15.05.2013

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Abbildungsverzeichnis S.5/6 Eigene Aufnahme S.7 Wohnungsbau in Hamburg: Statistikamt Nord: Wohnungsbauzahlen 1990 – 2010 Einwohnerentwicklung: www.wikipedia.org/wiki/Hamburg S.8 Angebot und Nachfrage: www.immowelt.de S.9 Federplan: Räumliches Leitbild Hamburg, S.30 S.10 Räumlicher Leitplan: Räumliches Leitbild Hamburg, Einleitung S.14 Modal Split im Vergleich: L(i)ebenswertes Hamburg, Wiener Linien S.16 Eigene Aufnahme S.17/18 Eigene Aufnahme S.19 Hauptverkehrsstraßen in Hamburg: Eigene Darstellung nach ALKIS S.20 Eigene Darstellung, Kartengrundlage: www.stepmap.de S.21 Handlungsplan: Räumliches Leitbild, S. 52/53 S.22 Verkehrsstärken: Grundlagen www.stepmap.de, Verkehrsentwicklung, Einzelpegel: Kfz DTV S.23 Kfz-Bestand in Hamburg: Eigene Darstellung nach Statistischer Bericht H I 2 - j/11 H Kfz auf der Eiffestraße: Eigene Darstellung nach Verkehrsentwicklung, Einzelpegel: Kfz DTV S.24 Lärmbelastung: Lärmkarte HH-strasse 2007.pdf S.25 - 30 Fotos: Stadtteilarchiv Hamm Kartenmaterial: Staatsarchiv S.28 Bevölkerungsentwicklung: www.wikipedia.org/wiki/Hamburg-Hamm, www.wikipedia.org/wiki/Hamburg-Hammerbrook S.31 Perspektive: Kreuzung Nordkanalbrücke und Amsinckplatz: Eigene Darstellung S.31/32 Nutzungen im Untersuchungsgebiet: Eigene Darstellung, Eigene Erhebung S.33 Schwarzplan: ALKIS S.34 Flächennutzungsplan: FNP FHH GFZ-Plan: Dichte in Hamburg, 2010 S.35/36 Schnitte durch das Untersuchungsgebiet: Eigene Darstellung S.37/38 Alles fürs Auto: Eigene Darstellung S.39 Luftbildermontagen: Eigene Darstellung, Grundlage: www.googlemaps.de S.40 Extremthesen, Schnitte durch das Untersuchungsgebiet: Eigene Darstellung S.41/42 Eigene Aufnahme S.43-44 Einwohnerstruktur: Eigene Darstellung, Grundlage: Stadtteilprofile Hamburg 2011 S.45/46 Inselplan: Eigene Darstellung S.48-92 Alle Fotos: Eigene Aufnahmen Alle Grafiken: Eigene Darstellungen S.70 Foto Superbude: media.stgeorg.superbude.de S.93 Aufenthaltsqualität: Eigene Darstellung nach Appleyard und Whitelegg S.94 Aufenthaltsqualität Untersuchungsgebiet: Eigene Darstellung S.95/96 Eigene Aufnahme S.99-102 Grafiken Einzelstrategien: Eigene Darstellungen S.103/104 Eigene Aufnahme/Fotomontage S.111-128 Szenarien: Eigene Darstellungen S.130 Eigene Aufnahme S.131/132 Eigene Aufnahme S.133/134 Skizzen Gesamtstrategie: Eigene Darstellungen S138-154 Alle Grafiken und Fotomontagen: Eigene Darstellungen

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WOHNEN AN DER MAGISTRALE

AUF DER SUCHE NACH POTENTIALRÄUMEN


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