Melchior Grimm - Correspondence

Page 1

Die „Correspondance litteraire" unter

Friedrich-Melchior

Grimm und Heinrich Meister

(tT53-tT93)

Inaujural-Dissertation zur

Erlangimg der Doktorwürde genehmigt

von derPhilosophischen Fakultät der

Frledrich-Wiihelms-Universität zu Berlin.

Von

Georg Rubensohn aus Berlin

Tag

der Promotion. 15. Juni 1917


Referenten

:

Prof. Dr.

Morf

Prof. Dr. Brandl

Emil Ehering,

Berlin

NW.

7,

Mittelstr. 39,


Meinen Eltern



Inhaltsverzeichnis

Seite

Vorwort I.

|

Vorgänger und Mitarbeiter Grimms an der „Correspondance litteraire";

die

Abonnenten

Raynal und die „Nouvelles d'Epinay.

II.

Diderot.

Mme

Fürstliche Abonnenten,

Grimms Programm und Art und Mittel der

Witz und

2

litteraires",

Ironie,

Charakteristik seiner Arbeit

Kritik.

12

Gegenstände seiner Kritik.

Tadel und Spott.

Goethe und die „Cor-

respondance".

III.

Grimms

Stellung zu Philosophie, Religion

Streben

nach Wahrheit.

Gegen Systeme und sophen.

an die

Perfektibilität.

Die zeitgenössischen Philo-

Seine Stellung

Religion

28

zur „Encyclopedie".

zum Determinismus.

Seine Stellung

Sein Skeptizismus.

Stellung

Prinzipien.

und Moral

zum

Sein Glaube

— — Grimms An-

Pessimismus.

Glaubenssache.

— Forderung der Gewissensfreiheit. ~ Bekenntnis zur Religion der Natur. — lieber religiöse Zeremonien und kirchliche Einrichtungen. — Religion und Moral. sicht

Das

über das Christentum.

Sittlichkeitsgefühl des

durch die Erziehung. Sein

Erziehungsplan.

— —

Menschen.

Festigung der Moral

Forderung weltlicher Erziehung.

Stellung zu Rousseaus Erziehungs-

lehren. -— Prinzenerziehung.

IV.

Grimms tischen

Stellung

zur

Geschichtswissenschaft,

zu

den

poli-

und sozialen Fragen

Wahrheit

und

Aufrichtigkeit

59 Grundpfeiler

der

Oeschichts-


VI

Wissenschaft.

Schreibung.

der

Vorbildlichkeit

antiken

Geschichts^

Beurteilung zeitgenössischer Geschichtsschreiber

— lieber die verschiedenen Regierungs^ Der „Contrat social". — Fragen der öffentlichen Verwaltung, der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit. — Handelspolitische Fragen. Freiheit des Handels. — Industrie und Landwirtschaft. Die „economistes politiques". — Ueber den Mignot

(Voltaire,

etc.).

formen.

Luxus und andere Fragen des

Lebens in

gesellschaftlichen

Frankreich.

V.

Grimms

Stellung zu

Kunst und

a) Allgemeine Theorien.

Gegen

Die bildende Kunst. Theorien.

systematisierende

verschiedenen

hauerei

kunst

Literatur.

Kunstgattungen.

Malerei

81

Abgrenzung

Architektur

Theaterdekoration

der Bild-

Schauspiel-

Französische und italienische Musik.

Musik.

Die Verdienste Dunis, Philidors und Gretrys.

Ballet.

b) Die schöne Literatur

97

Klage über den Verfall des guten Geschmacks.

bildlichkeit der antiken Poesie.

ländische Literatur. ziertheit

Die Journale. Stellung zu .

Lustspiel.

Gegen Ge-

Der französische Roman.

Molieres Kunst.

— Das französische

Die „comedie larmoyante".

Diderots

Dramen Vorbilder der

„trag^die

domestique"

zösische Tragödie.

Grimms

oder

Prosatragödie.

Die

Die fran-

Die Ueberlegenheit der antiken Tra-

Stellung zu Voltaire.

Sedaine.

Sittenkomödie.

„bourgeoise".

Geschichtliche Stoffe.

und Shakespeare.

Der erzieherische Zweck des

Dekadenz der Pariser Bühne.

Die Mischung von Tragischem und Komischem,

gödie.

Grimms

Rousseau."— ^^Lyrische und epische Poesie.

Das französische Theater. Theaters.

Vor-

Die zeitgenössische aus-

Pflege der Sprache.

und Preziositäi

— Racine und Corneille. — Die englische Tragödie

Der Vers der Bühnendichtung.

- Die


VII 145

VI. „Die Correspondance litteraire unter Meister".

Meisters

Mitarbeiter.

Programm.

Arbeit und seiner Kritik.

seiner

Charakteristik

Zusammenfassende Ueberblicke

und Nekrologe. a) Meisters Ideen

Meisters Stellung zur Philosophie.

mus.

Gegen den Pessimis-

Gegen Intoleranz der Kirche und der

Die Antike

als

und

Ueberblick

über

französischen Literatur und Sprache. Poesie.

Komödie.

Das französische Molieres

romanesque". Tragödie.

ahmer.

159

Literatur.

Vorbild für Kunst und Literatur.

Musik.

zösische

Die

Priesterschaft.

Politische Fragen.

b) Meisters Ideen zur Kunst

Schlußwort.

Erziehungsfragen.

Sein Glaube an die Perfektibilität.

Reformation.

153

zu den Fragen der Weltanschauung

Theater.

die

— —

Die Einheitsregeln.

Shakespeare

und

seine

Entwicklung

der

Die

Die Fabel.

Der Tiefstand der

Charakterkomödie.

Die fran-

Die

„com^die

Die französische

französischen

Nach-

Die Prosatragödie. 170



Literaturverzeichnis

Correspondame

philosophique

litteraire,

M. Tourneux.

Baldensperger, Etüdes d'histoire

(Young

et ses „Nuits''

Oeuvres de Diderot, A. Frangois,

La

et

critique,

Paris 1907.

litteraire,

(Archiv

f.

Paris 1905.

Bd.

1

et

VAcademie

Bd.

Dictionnaire de

d. Stud. d.

1

Paris 1875.

Assezat.

Grammaire du purisme

VAcademie francaise diverses formales du purisme du XVII' au XIX'

Le

p.

en France.)

p. J.

francaise au XVIII^ siecle,

A. Frangois,

p.

16 Bde.

Paris 1877.

et les siecle.

Bd. 128 S. 143

neueren Sprachen.

bis 160.)

F. Gaiffe, 1

Le Drame en France au XVIII'

siecle.

Paris 1910.

Bd.

Goethes Werke.

Weimar.

Les Trarisformations de la langue francaise pendant la deuxieme moitie du XVIII' siecle (1740-89). Paris 1903. 1 Bd. H. Hettner, Die französische Literatur im 18. Jahrhundert. F. Gohin,

Braunschweig

1912'.

1

Bd.

A. Koch, Baron Melchior von (Ztschr.

f.

frz.

Spr.

u. Lit.

Grimm und

seine Pariser Briefe.

VII S. 219-25.)

G. Lanson, Manuel bibliographique de la litterature francaise

moderne,

III.

R. Mahrenholtz,

Paris 1911.

Bemerkungen über

sophique, litteraire et critique.

XI M.

J.

die Correspondance philo-

(Ztschr.

f.

frz.

Spr.

u. Lit.

S. 90-104.)

Minckwitz, Beiträge zur Geschichte der französischen

Akademie.

(Ztschr.

f.

frz.

Spr. u. Lit.

XL

S. 49-102.)


von der Osten, Luise Dorothea, Leipzig 1893. Eugene Ritter, /.-/. Rousseau et Mme d'Houdetot. J.

de

la Societe J.-J.

E. Schörer,

Rousseau

II

d'hist.

litteraire

Usteri et Ritter, Lettres inedites de Meister.

Paris 1903.

1

(Annales

1906.)

Fr ederic- Melchior Grimm.

La Correspondance litt. XIV S. 7-12.)

Paul Usteri,

Bd.

1

Paris 1887.

de Grimm.

Mme

1

Bd.

(Revue

de Stael ä Henri

Bd.

Paul Wohlfeil, Fünf bisher unveröffentlichte Briefe Grimms an Friedrich d. Gr. (Archiv f. d. Stud. d. neueren Sprachen. Bd. 128 S. 329-38.)


Die Correspondance Friedrich-Melchior

litteraire unter

Grimm und (175^-1793)

Heinrich Meister



Vorwort

Es

beabsichtigt, auf den folgenden Seiten

ist

sammenhängende Darstellung Pariser

Correspondance

Friedrich

Grimms

Mefcbior

Meisters

Geistes

kritischeni

unter

(1753

—73)

der

Redaktion

der

und

Heinrich

(1773—93) zu geben und zu zeigen, wie diese ihren

Zeitschrift

des

litteraire

eine zu-

ausländischen

Abonnenten

Frankreichs

Kultur und besonders das französische Schrifttum vorgeführt hat.

Die äußere Geschichte der Correspondance

von M. skizziert,

Tourneux al's

erzählt

ist,

dies unerläßhch' scheint,

wird

um

hier

den

litteraire, die

nur insoweit

Rahmen

für d'as

Bild des geistigen Habitus der berühmten Zeitschrift zu ge-

winnen.

Dabei

ist

zelnes nachgetragen,

gekommen

ist

zu Tourneux' historischem Bericht ein-

was der Forschung

seither zur Kenntnis


1

Vorgänger und Mitarbeiter Grimms an der Correspondanee

Vom R

a

y n a

Juli in

1

1747 bis

litteraire; die

zum Februar

Abonnenten

1755 berichtet der Abbe

125 Briefen, den NouveUes Utteraires, über

lite-

rarische und künstlerische Neuerscheinungen, Theaternachrichten,

technische oder wissenischaftMche Erfindungen und

Entdeckungen, über die bedeutenden Männer des Tages, über Ereignisse,

Gerüchte und Anekdoten aus der Geselfechaft.

Diese Korrespondenz

erschien

in

zwangloser Reihenfolge

ungefähr zweimal im Monat, weist aber im heutigen Druck,

nach der Datierung der einzelnen Briefe zu urteilten, recht große Lücken auf. So setzen die Nachrichten vom 27. Dezember 1751 (Brief 110) bis zum 1. April 1754 (Brief 111) aus, es fehlen die Nummern vom Mai 1754, und^ zwischen

dem

108.

und

109. Briefe

vermißt

man wegen

der Anspielung

des Redaktors auf einem dazwischenliegenden, aber nicht vor-

handenen Artikel ebenifalls eine Nummer. Raynal zeigt sich bemüht, seinen. Abonnenten, zu denen hauptsächlich die Herzogin Luise Dorothea von SachsenGotha gehörte, Frankreichs geistiges und geseltechaftliches Leben: möglichst objektiv vorzuführen, und diese Aufgabe hat er zur Zufriedenheit seiner Besteller gelöst.

Uns

dürfte diese Korrespondenz nicht

mehr

bieten als

die zahlreichen zeitgenössischen' Berichte, welche die litera-

rischen Geschäftsträger der ausländischen Höfe von Paris


3

aus an ihre Auftraggeber sandten/

In

den Briefen findet

sich kaum ein Artikel, der formeW oder inhalthch unsere Aufmerksamkeit besonders fesseln könnte, ausgenommen der Artikel im 116. Brief (Bd. 2. S. 171),' der eine persönlichere

Note

diesem Artikel

In

trägt.

kommt Raynal

auf die deutsche

Nation zu sprechen, und im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen hat er die feste Hoffnung, daß

wir stehen im August 1754

Werke

in

nicht allzu ferner Zeit

auch

in

Deutschland große

der schönen Literatur entstehen werden, soballd die

dort lebenden Männer des Geistes die deutsche Sprache vervollkommnet und ihr die notwendige Geschmeidigkeit und Anmut verliehen haben würden. Die Dichtungen Hallers, die in Deutschland und Frankreich gleich großen Erfolg erl'angt

haben, bestärken seinem Glauben an d'en Fortschritt der deut-

schen Sprache und an die Zukunft einer ruhmreichen Literatur in

dem

so oft verachteten Nachbarllande.

Die größte Bedeutung von Raynals Korrespondenz

daß

darin,

zum

sie

liegt

einen nicht ganz dreißigjährigen Deutschen, der

Freundeskreise gehörte, anregte, nach ihrem Muster und

Vorbilde

eine

ähnliche

Es ist dies und sein Lebenswerk,

gründen.

sophique et critique.

literarische

zu

Berichterstattung

Friedrich Melchior Grimm^ Correspondance

die

litteraire,

philo-

Diese größte und interessanteste

aller

modischen Korrespondenzen, Memoiren und vertrau-

jener lichen

1.

Großen

Mitteilungen des z.

18.

B. Thiriot, der auf Voltaires

bis 1772 schrieb (1772

ist

dem

Jahrhunderts beginnt mit Empfehlung

für Friedrich den

Th. gestorben), La Harpe, der an den

Zarowitz Paul bis 1789 berichtete; Suard und Pierre Clement (1748-52) schreiben für den

—70)

Markgrafen von Anspach und Favart (1760

schreibt für den Grafen de Durazzo. 2.

Ich zitiere hier sowohl als auch in der Folge nach der großen

Ausgabe der „Correspondance 1877),

raires"

von Raynal abgedruckt

3.

Die

litteraire"

durch

Maurice Toumeux

der in den beiden ersten Bänden die „Nouvelles

(Paris

biographischen

„Friedr.-Melch.

Angaben sind entnommen

Grimm", Paris

litte-

hat.

1887.

E.

Scherer's


""" ^

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' ^

4

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z^^';

^

Mai 1753 und erstreckt sich in ihrer alten Form über genau zum Mai 1793, bis in die Tage der Schreckensherrschaft, die auch hier ihre verheerende Kraft bewies. Die von Zürich aus geleitete Fortsetzung, die bis zum Jahre 1813 40 Jahre bis

möghchen Schwierigkeiten

führt, hat so unter alleni

daß

gelitteni,

sowohl formet als auch inhaltlich kaum einen Wert

sie

besitzt.*

Obgleich an d^r Correspondance litteraire mehrere Mitarbeiter tätig waren, ist sie doch vornehmlich charakterisiert

durch

Hauptredaktoren,

die

Meister, und

Grimm

Deutschen

die

und

deutlich zerfällt sie in zwei Abschnitte durch

die Redaktionsperiod^n dieser beiden

Männer.

Grimm selbst leitet die Korrespondenz vom Mai 1753 bis zum Februar 1773.'' Er versendet sie allmonatlich zweimal, am 1. und 15., in hand'schriftlichen: Exemplaren.^ Infolge verschiedener

Reisen,

die

im Laufe dieser

er

Deutschland, England und Rußland unternimmt,

Zeit sei

nach

es

aus

Geschäftsgründen oder privater Angelegenheiten halber, finden sich recht erhebliche

vom vom

15.

1770,

^aise

März und

1.

1.

Lücken. So vermissen wir die April 1768,

Oktober 1769,

vom

15.

vom

vom Mai

1.

Februar, 15. Juni,

4.

Vgl Tourneux Bd. XVI.

5.

Lanson führt im „Manuel bibliographique de

moderne"

respondance

1768—73, Meister und

Wie wir

1790 an.

S. 210. la litterature fran-

1911, III S. 625 unter Nr. 8522 als Redaktoren der „Cor-

litteraire" auf:

S.

Grimm

Mme

5 und

Diderot und

einwandfrei.

Nummern

September 1769, August und 15. September 15. Juli, 1. und 15.' August, bis

1753-68, Diderot

d'Epinay

und

Mme

1773—90, Meister

d'Epinay

allein

von

S. 8 sehen werden, ist diese Datierung nicht

Mme

d'Epinay übernehmen nur während

Grimms Abwesenheit von Paris im Jahre 1769 und 1771 seine Vertretung. Mit dem März 1773 tritt Grimm die Leitung der Korrespondenz an Meister ab. 6.

einzelnen Nummern ist außerordentlich verNummer vom 1. Juni 57 nur etwas über 3 Druckwährend die vom Januar 73 über 61 Druckseiten umlaßt

Der Umfang der

schieden.

So

seiten stark,

ist

die


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15. September und 15. Dezember 1771, vom 15. April, 15. Mai und 1. Juni 1772. Trotz dieser Lücken war die Arbeit, die Grimm auf sich genommen hatte, doch noch so groß, daß er sie nicht dtirch« gängig aliein bewältigen konnte. Sein eifrigster und bedeutendster Mitarbeiter war sein intimer Freund Diderot, der ihm nicht nur mit Rat, sondern auch mit der Tat hilfreich zur Seite stand. Er liefert Artikel seit dem August 1757, und

außer den vielen kleineren und größeren Stücken, die

Grimm

mit Diderots Erlaubnis der Korrespondenz beilegte, und den

von 1759 an regelmäßigen Kritiken der Pariser Kunstausstellungen, der Salons, die wir in der großen Ausgabe von Diderots Werken veröffentlicht finden, zähle ich noch ungefähr 50 Beiträge von seiner

Dabei scheint

Gebieten.

weitem nicht hat,

Hand aus den verschiedensten

Grimm nach

alte Artikel, die sein

einer

Freund

aufgenommen zu haben, wenngleich

sichert,

Andeutung^

bei

für ihn geschrieben

er ausdrücklich ver-

daß er nichts unterdrücken woWe, was aus der Feder

stamme. Als sich Grimm im Jahre 1769' auf eine Reise nach Deutschland, speziell nach Wien und Berlin begibt, wird die Korrespondenz vorwiegend von Diderot besorgt. Ein zweites Mal, vom I.September 1771 bis zum Ende des Jahres, während Grimm sich in London aufhält, um dort dem Erbprinzen von Hessen-Darmstadt auf den

i8

dieses Philosophen

Wunsch

seiner Mutter, einer Abonnentin der Correspondance,

und Ratgeber zu dienen, überträgt er dem Freunde die Leitung der Korrespondenz.^ Es kann hier erspart bleiben, den Ideen nachzugehen, als Gesellschafter

die Diderot in seinen Urteiten entwickelt.

Sie ergeben sich

aus der ganzen Welt- und Kunstanschauung dieses PhiloHier sollen nur einige Worte über die Art seiner

sophen.'''

Im Durchschnitt

8—10

beträgt jede

Nummer

in der

Seiten. 7.

1. u.

8.

15.

9.

1.

15.

November 69

Februar 69

Okt

(S.

(S. 276).

71 (S. 366).

367

u. 369).

erwähnten Ausgabe etwa


~

Grimm

Kritik gesagt werden. Urteilsfähiigkeit

6

Freundes''

des

sich über die

selbst äußert

mon ami

folgendermaßen:

Denis Diderot est excellent juge en

de choses exceUentes, en fait de produetions qui donnent quelque prise ä son sens profond et exqiiis. Schlechte Werke ohne Ideen, ohne Talent oder

könnten seine Aufmerksamkeit

Stil

faut qu'il s'en occupe refaire

fait

dans satete,

dans son Imagination, genie et sa vue,

malgre Alors

SHl

le livre

ce qui riest que

komme son de frais un komme

ä un pauvre

avee tres peu

fait

fesseln.

trouve plus court de les

dans

et pretant ainsi

en

il

lui, il

il lit

kaum

merveilleux. Plus un auteur est pauvre, plus

lui

il

prodigue du

Mit Leichtigkeit mache er so im Geiste aus einem mäßi-

sien.

gen Werke eine production sublime, die er dann selbst bewundere und mit Worten der Anerkennung überschütte, die dem kühlen Kritiker in Erstaunen setzen. Umsomehr bedauert

Grimm

Diderots

allzu

eingehende Beschäftigung

FHckwerken minderwertiger Autoren, seine Zeit vergeude, in der er sich

als der

mit

den

Freund dadurch

zum Wohle

des Volkes

und zu seinem eigenen Ruhme hätte betätigen können. Oft weicht denn auch Grimms Urteil über ein Werk von dem seines Freundes ab, und nicht selten nimmt er Gelegenheit, seiner abweichenden Meinung in einer Anmerkung zum Text Ausdruck zu verleihen. Bei der langen Besprechung, die (1769) von SaintLes Saisons Diderot dem Gedichte Lambert widmet, findet Grimm an zahlreichen Stellen die leicht ablehnende Haltung des Philosophen zu schonend und rücksichtsvoll

und versäumt

es nicht, durch kräftigere

Worte

des Tadels sein Mißfallen kundzutun und den Tadel des Freundes zu verstärken.^' Grimm scheut sich auch nicht, Diderots Urteil offen zu widersprechen, falls er anderer Meinung ist. Wenn dieser die Saisons des Saint-Lambert für eins der bleibenden

10.

Zur

Werke

kritischen Beurteilung Diderots verweise ich auf Hettner

„Die französ. Literatur im 11. 15. 12.

der französischen Nation hält, so

Oktober 67

Februar 69

18.

Jahrhundert" 1912«.

(S. 445).

(S. 282, 283, 284^ 287, 288),

S.

287

ff.


— Grimm

glaubt

fest,

7

daß das Gedicht bald

Wert

geraten wird, da ihm jeder poetische

in

Vergessenheit

Die Folgeunserem Kritiker Recht gegeben. Grimm äußert sich auch recht scharf und im Gegensatz fehle/''

zeit hat

zu Diderot über die Persönlichkeit des Saint-Lambert, die der

Philosoph mit Worten der Achtung und Verehrung bedenkt/' Ein anderes

widerspricht

Mal'''

Grimm seinem Freunde

energisch, ais dieser bei der Besprechung der Ephemerides du citoyen (1765 72), eines periodischen Werkes der ökonomischen Schule des Mirabeau und Quesnay, die Nützlichkeit des Unternehmens dieser economistes volitiques betont, obgleich ihm ihre Unerfahrenheit in wirtschaftKchen Fragen nicht entgeht. Nous devons aussi quelque chose ä ceux qui cherchent ä nous eclairer, ist der Standpunkt, von dem Diderot ausgeht. Grimm spricht diesen Nationalökonomen jede

Daseinsberechtigung

ab'^

und redet von ihnen nur kurz

als

von den unnützen und unwissende Schwätzern, die Jahre lang über eine Besserung der öffentlichem finanziellen Schwierigkeiten schrieben und Heilmittel vorschlügen, ohne die Uebelrii

stände zu erkennen^

Von

um

die es sich handelte.

Interesse dürfte auch der Artikel sein,'" in

Grimm wegen richtigen

eines zu harten, ungerechten

Diderot hat

in

und zu

entschuldigt

Urteils

Grimms Abwesenheit

dem

sich

und auch un-

rechtfertigen

sucht.

einige Blätter der Kor-

respondenz durchgelesen und zufällig eine Kritik über Young*s Gedicht auf

dem

Les Nuits

gefunden.

Er

hinterläßt

dem Freunde

Schreibtische eine kurze Notiz, in der er ihm unver-

blümt seine Meinung über rechtigkeiten sagt.

Grimm

viele ist

Unrichtigkeiten und Unge-

aufrichtig genug, diese censure

wiederzugeben, und fügt eine Entschuldigung und Rechtferti-

gung

bei

pour reparation de tinjustice par moi commise sans Februar 69

13.

15.

14.

L März

69

(S.

286).

(S. 293).

November 69

374).

15.

15.

16.

Vgl auch im folgenden

17.

1.

Juni 70

(S. 47),

(S.

S. 75.


mechancete, mais par me siute de la profession detestable que i'ai eu le malheur d'embrasser^^ Es ist wohl kaum anzunehmen, daß Diderot fortlaufend

von dem Inhalte der Correspondance Kenntnis hatte, vielmehr wird ihm nur gelegentlich ein Blick in einzelne Nummern vergönnt gewesen sein. Grimm erklärt selbst,'' daß niemand in Paris die Korrespondenz kenne, und daß auch Diderot nur und dort einige Artikel durchflogen haben könne. Un ami

hier

confiant

comme lui arrive chez moi, il ne me trouve pas; il mon bureau, lit quelques bribes de mon bavardage,

s'assied ä

et, qui pis est, en convient encore; il taut qu'il se croie tout permis chez moi. Nur so kann es sich Grimm erklären, daß Diderot plant, seine Kritiken ganz nach der Art des Freundes schreiben zu wollen. Wir müssen zugeben, daß sie sich

formell von denen des Hauptredaktors nicht unterscheiden.

d'

Von den übrigen E n a y zu nennen, pi

recht lange Beiträge

Mitarbeitern die

Grimms Londoner

Reise

Januar 72

Ihre

fallen.

die

liefert,

Mme

hauptsächlich

ist

im ganzen ungefähr

zum

14,

Teil

vornehmlich in die Zeit von

vom

1.

September 71

zeigen

Artikel

recht

bis

zum

deutlich den

starken Einfluß ihres intimen Freundes und sollen uns

darum

hier nicht eingehender beschäftigen.

18.

Grimm

bespricht in der

Nummer vom

15,

März 69

Uebersetzung der „Nuits" des Young durch Le Tourneur. behandelt im wesentlichen den Stoff der Dichtung:. (S.

30) hat es

Grimm

die er sehr lobt.

Am

(S.

313) die

Diese Kritik 15.

Mai 70

mit der Uebersetzung durch Colardeau zu tun,

Bei dieser Gelegenheit

kommt

er auf die ältere Ueber-

setzung der Young'schen Dichtung durch Le Tourneur zurück, von der er angibt, sie sei v^^enig gelesen w^orden.

Bemerkungen vom

1.

Juni 70 (S. 47), die

Selbstkorrektur veranlassen. Kritik

In

Dagegen

Grimm

richten sich Diderots

zu der oben erwähnten

größerem Zusammenhange wird

die

Grimms und Diderots über Young's „Nuits" wiedergegeben

und besprochen von Baldensperger Paris 1907

S.

France"

55—109).

(S.

71

u.

73

in der

in

den „Etudes d'histoire

Abhandlung „Young

et

litteraire"

ses ,Nuits^ en


-

9

-

Als weitere Beiträge seien hier noch aufgeführt:

die

Kritiken von Bonnet über Quelques auteurs d'histoire natu-

und von Damilaville'' über Rochon de Chabannes' Komödie Heureusement, Auf den Wunsch eines Abonnenten, ihm Hilfsmittel; zum Studium der Naturwissenschaften anzu-

relle

'"

geben, gibt Grimm eine von Daubenton, dem Mitarbeiter des Buffon an der Histoire naturelle, aufgestellte Liste des livres d'histoire naturelle wieder/"

Eine schwierige Frage ist die nach den Abonnenten der Korrespondenz, die sich nur nach den erhaltenen Exemplaren und nur unvollkommen feststellen lassen."' Im ganzen dürfte die

Correspondanee

worden

sein.

litteraire in 15

oder 16 Kopien versandt

Dieser größere Kreis hatte sich jedoch erst im

Laufe der Zeit nach fortwährenden, unermüdilichen Geschäftsreisen entwickelt, die Grimm selbst nach den verschiedenen

Fürstenhöfeo erhielt,

ist

hin

nicht

unternahm.

mehr zu

Wer

ermitteln.

die

ersten

Vom

1.

Nummern

April 54 ab

bezieht die literarischen Briefe die Herzogin Luise Dorothea

von Sachsen-Gotha. Dann gehören zu den Abonnenten die Landgräfin von Hessen-Darmstadt (seit 54), die Königin von Schweden (seit 56), die Kaiserin Katharina IL von Rußland (seit 64), ferner der König Stanislaus von Polen, der Mark-

Herzog von Sachsen- Weimar, der Großherzog von Toscana, die Prinzessin von Nassau-Saarbrücken, der Herzog von Zweibrücken, der Prinz Georg von Hessen - Darmstadt und der Markgraf von Baden-

graf von Ansbach, der

Soweit die uns bekannten Abnehmer der Correspon-

Durlach.

danee

litteraire.

Es

fehlen uns

oder vier Abonnenten, deren

demnach noch immer

Namen

Friedrich der Große

drei

wir nicht kennen.

hatte kein Interesse für die

Korrespondenz und Heß sich 1763 nur mit Mühe dazu beDezember 59

20. 15. 21.

1.

Dezember 62

22. 15. 23. vgl.

Dezember 59 R.

(S.

(S.

163). 190).

(S. 171).

Mahrenholtz „Bemerkung<»n über die Correspondanee

politique, litteraire et critique" (Behrens Zeitschrift

XI 1889

S.

90 fL)


— Nummern

wegen, einige

~

10

zu beziehen,

um

nach drei Jahren

Zusendung zu verzichten.^* Das erklärt sich wohl daraus, daß der König bis 1772 seinen eigenen Korrespondenten Thiriot, den Freund Voltaires, in Paris hatte, außerdem durch selbständige Lektüre der bedeutenden franauf die weitere

Werke und durch den Verkehr mit seiner franzöUmgebung und den größten französischen Zeit-

zösischen sischen

genossen derart über das Geistesleben Frankreichs unterwar, daß sein Bedarf an ernster literarischer Unterweisung gedeckt war, und an pikanten, unterhaltenden Stoffen richtet

konnte ihm die Korrespondenz ihrem

Programm gemäß

Lobeserhebungen 15. April

63

zuwider,

(S. 265) finden,

sich

die

den

nichts

IL jene übermäßigen

Gewiß waren auch Friedrich

bieten.

in

Grimm

dem

Artikel

eigens für

vom

den Zweck

hergerichtet hatte, ihn durch Vermittlung der Herzogin Luise

Dorothea nach Berlin gelangen zu lassen. Hierauf antwortete der König mit einem Brief, der folgende Kritik über Grimm enthält: Cest garcon d'esprit Qui s'est beaucoup forme ä

m

Paris

.

.

.

Cependant

m'envoyer ses

je

femlles,

vom demande

il

en gräce que, sil veut

daigne un peu m'epargner.

Wenn

man aber einerseits bedenkt, daß die Ehrbezeugungen der Rokokozeit leicht in Redensarten tiefster Ergebenheit und Unterwürfigkeit ausarteten, die oft genug unseren Geschmack verletzen, und wenn wir andrerseits durch die ganze Korrespondenz hin sehen, daß Grimm den großen König aufrichtig bewunderte, wird man wohl die verächtlichen Aeußerungen zurückweisen müssen, die Paul Wohlfeil in seinem Ar-

Grimms an Friedrich den Großen"'' Grimms Werbung um den König gebraucht. Friedrich

tikel

„5

lernte

Briefe

für

IL

den zu Anfang so unterschätzten) Korrespondenten

24 Ueber

die Korrespondenz, die die

Herzogin von Gotha mit

Grimms „Com litt." zu gewinnen, sowie

Friedr. d. Gr. führte,

um

über Friedrichs

Gr. Beurteilung der literarischen Briefe und Ab-

lehnung

ihrer

d.

ihn für

weiteren

Dorothea", Leipzig 1893. 25.

Archiv

f.

d.

Zusendung, S.

vgl.

J.

von der Osten „Luise

280—86.

Stud. d. neueren Sprachen 128. Bd. 329 iL


-

M

IM

!.' 1

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-

IT i :

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,

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I

i

später genauer kennen; und schätzen und würdigte ihn einer

Audienz

Sans-Souci

in

und eines

(1769)

zum Mai

wechsels, der sich bis

längeren

Brief-

Monate vor des

1786, drei

Königs Tode, erstreckt. Private Personen

dance

Grimm

ließ

als

Abnehmer der Correspon-

mochten sie sich auch noch so sehr darum bemühen und noch so hohe Summen für ein Abonnement in Aussicht stellen/'' Sie garantierten ihm nicht genügend jene strenge Diskretion*, deren seine WahrheitsUebe und Offenheit bedurfte, um nicht den Verfolgungen der inlitteraire

nicht zu,

toleranten Machthaber des damaligen Frankreich ausgesetzt

zu sein.

Wenn Grimm

Correspondance

litteraire

Pflicht erinnert, sein

geben, so

ist

und in der seine Leser immer wieder an ihre

daher

Werk

in privaten Briefen

nicht der Oeffentlichkeit preiszu-

dies sicher keine „Art Wichtigtuerei"

und „Ge-

heimnistuerei", wie Wohlfeil meint,"" sondern eine leicht be-

da

greifliche Sorge,

für

seine ganze Existenz auf

ihn

dem

Spiele stand.'^

26.

Die fürstlichen Abonnenten zahlten recht ansehnliche Preise,

die durchaus nicht bei allen die gleichen waren.

seine

Kunden

mag man daraus

einschätzte,

Wie

verschieden

Grimm

ersehen, daß beispielsweise j

der

König von Polen

jährlich 400

fr.,

die Kaiserin Katharina dagegen |

1500

fr.

bezahlte. Vgl. Scherer,

27.

Archiv Bd.

28.

Daß Grimm

128. S.

334

1.

c.

S. 93.

ff.

zur Vorsicht allen Grund

halten seines Nachfolgers Meister,

gänger noch für ausreichend

hielt,

dem

hatte,

zeigt das

Ver-

die Garantien, die sein Vor-

nicht genügten.

Er zog

es vor, die

gefahrdrohenden Gebiete der Politik und Religion nach Möglichkeit zu meiden. d^hist. litt

Vgl, Meister's Brief an Gessner

Bd. XIV. 712).

vom

26. Juli

1773 (Revue


II

Grimms Programm und Charakteristik seiner Arbeit

An mehreren Steifen in der Correspondance litteraire Grimm selbst das Programm seiner Arbeit. Er will

skizziert

im allgemeinen wenig bei kleineren Broschüren aufhallieber einen genauen Bericht und eine begründete Kritik über die Bücher geben, die würdig seien, die öffentliche

sich ten,

sondern

Aufmerksamkeit zu

Von

fesseln.

Zeit zu Zeit pl'ant er eine

esquisse exacte et juste de tetat present de la litterature en

France, besonders in literarisch unfruchtbaren Monaten, also

im Spätherbst, wenn sich ihm kein anderes Material zur Besprechung biete/ Besondere Beachtung will er in seinen Besprechungen den spectacles s^chenken, cette partie brillante de la litterature franQaise,

gehen,

was der

und auch

Ueberhaupt

gessen werden.

die

Künste sollen nicht ver-

solle nichts

curiosite des etrangers

litteraire

nicht zu erkennen.

Grimm

spricht die

vermag

Wie

ichi

sei.

Nummern

der Corre-

ein redaktionelles

Programm

In der Komposition der einzelnen

spondance

seiner Kritik ent-

würdig

der Reporter einer Tageszeitung be-

ohne jede bestimmte Anordnung der Artikel

Schöpfungen und gesellschaftlichen Ereigoder Tagesfragen durcheinander, wie sie sich ihm

literarischen

nisse

^'

bieten.

^

j

Bei der Besprechung von Werken legt er weniger Wert Auszüge und Inhaltsangaben zu bringen, als vielmehr

darauf,

1.

L November 53

(S. 293).


'

i

-

-

13

' ;

einzelne nützliche und unterhaltende Details herauszugreifen

und an

anknüpfend seine eigenen Gedanken und VorVon diesem Standpunkte aus, die

sie

schläge zu entwickeln.

Werke

zu betrachten', kann ihn

schlechtes und unbedeutendes

denn

Werk

auch

mitunter

ein

weit länger beschäftigen

und hervorragendes. Er ford'ert ausdrücklich^ von allen Journalisten eine Prüfung der Hauptid'een der zu besprechenden Werke, während er die faiseiirs d'extraits als ein wertvolles

für

äußerst überflüssig hält.

solche nicht,

faut les

//

lire, et

Werke brauchten non pas sen rapporter ä un

Die guten

extrait sec et insipide qui, saus pretexte d'en

stance, n'en offre que le squelette.

donner

Schlechte

la sub-

Werke

aber

könne man ruhig vergessen. Es sollte nur über solche Bücher geschrieben werden, die zu neuen und interessanten Beobachtungen Anlaß gäben. Und was an Grimms Arbeit von größtem Wert ist, das ist die Befolgung dieser Forderung, das

und Bemerkungen, selbständigen Abhandlungen auswuchsen. sind die eignen Ideen

die sich oft bis zu

Als Richtschnur seiner Kritik bezeichnet er selbst Offen-

Wahrheit und Gerechtigkeit, und die Exklusivität seiner Abonnenten bürgt ihm für die Sicherheit, welcher eine solche Aufrichtigkeit bedarf. Eine strenge und gerechte Beurteilung macht er sich zur Pflicht, und weder persönliche Freundschaft noch Zwistigkeiten sollen sein Urteil beeinflussen. Achr tung und Höflichkeit auch den Gegnern gegenüber und Aus-

heit,

schaltung der persönlichen

Momente

ist ein

Grundsatz, den er

Polemik beobachtet wissen will. Mit heftigen Worten wendet er sich gegen Autoren wie La Beaumelle,

selbst in der

Clement de Dijon, Sabatier de Castres, Poinsinet, Palissot und Freron, die durch gehässige, schamlose, persönlich gehaltene Angriffe auf die

Ruhm

aisee;

Koryphäen des französischen Geistes

zu gewinnen suchten.^ 55

2.

15. Juli

3.

„L'esprit de mechancete est de toutes les sortes d*esprit la plus

11

ne

s'agit

(L November 72

(S. 54).

que de n avoir ni principes, ni

&

100).

justice, ni

pudeur."


~ Grimms von

stets

Kritik

recht

ist

14

scharf und bestimmt, Jedoch

empfindet

Er

SachHchkeit,

großer

Werke von Autoren

schmerzlich, daß er oft

selbst

es

tadeln

muß, mit

denen er gesellschaftlich verkehrt und an denen er

viele schät-

Er

findet einen

zenswerte Eigenschaften kennen gelernt

hat.'

daß ihn Gerechtigkeitssinn und nicht und deshalb kennt er keine Schonung, wie er andererseits dSe Verschwiegenheit seiner Leser nie ausnutzt, um sich etwa an seinen Gegnern durch geheime

Trost eitel

dem

in

Czed'anken,

Lust zu schaden

treibe,

Er befürchtet könn-

Angriffe auf ihre PersönMchkeiten zu rächen.' selbst, daß seine Urteile mitunter übereilt

ten,

wie dies nur allzu

leicht ein

und

irrig sein

Fehler der Leute werde, die

von Berufs wegen beständig zu kritisieren hätten. Zu schnell lasbildfe sich da ein Urteil, das später den Kritiker erröten Gegenüber hielte." Augen vor ihm man es wenn würde, sen anderen Journalisten, die für einen größeren Leserkreis schreiben, weiß er sich dadurch im Vorteil, daß ein> falsches vielen

März

67

(S.

248),

4.

1.

5.

Beispielsweise möchte ich an dieser SteUe auf

halten zu

Rousseau verweisen.

satzes, in

dem Grimm

tung

steht,

Trotz des ausgesprochensten Gegen-

zu Rousseau

Mme

führten, finden

wir bei

Grimm

Bruch zwischen den beiden Männern nie eine Aeußerung, die Rousseau hätte

persönlich verletzen können, sondern eine

158 und im folgenden

S.

114

Anm.

oft leichthin

verurteilt

Er erkennt

Blick in die

Augen

in

1.

c.

66. z.

B., die

von

und vom Publikum bei der

ersten Aufführung abgelehnt wurden, hält

zurück.

vgl. Scherer,

Bei der Beurteilung der Lustspiele des Sedaine

anderen Kritikern

scharfe, aber

zwar immer

nach Möglichkeit objektive und gerechte Kritik,

6.

und Dich-

in Philosophie, Politik

d'Epinay notwendigerweise mit sich brachte, und

die 1757 zu einem endgültigen

u.

Ver-

trotz ihrer persönlichen Reibungen, die ihr beiderseitiges

Verhältnis zu

145

Grimms

ihnen Feinheiten,

Grimm die

mit seinem Urteil

nicht

springen, sondern sich erst

auf den

ersten

dem aufmerksamen

Seine vorurteilslose, nicht

Leser oder Hörer allmählich offenbaren. von einer Augenblicksstimmung abhängige Kritik hat sich

wie in manchem anderen Falle

als zutreffend erwiesen

.

in

diesem


-

15

--

^ :

:

'

:

Feder kaum einen Schaden anrichten könne, noch der aufgeklärten Kritik seiner Abonnenten un-

Urteil aus seiner

da es

ja

terworfen

Wie

sei.

vorsichtig und bedacht

kritischen Urteilen

Grimm

trotzdem

in seinen

dafür seien folgende Beispiele ange-

ist,

führt.

Während

viele

Zeitgenossen eine Broschüre gegen die

christliche Religion,

Le Catechumene/ wegen der Aehnlich-

keit des Stiles, der pikanten

und

originellen Art der Darstel-

lung und der ganzen Denkweise ohne Bedenken Voltaire zuschreiben,

wagt

er nicht zu entscheiden.

Die Forschung hat

später erwiesen, daß in der Tat nicht Voltaire, sondern ein ge-

wisser Borde der Verfasser

ist.

Das Examen de la nouvelle histoire de Henri IV, de M. de Bury^ wurde ebenfalls allgemein Vol'taire zugeschoben. Grimm prüft das Für und Wider mit Scharfsinn und genauer Beobachtung

charakteristischen

aller

Kriterien

scheinbar unbedeutendesten Einzelheiten hinein,

bis

um

in

die

schMeßlich

zu der Ansicht zu kommen, die auch die Nachwelt bestätigt hat,

daß der Autor nicht

in

Aehnlich verhält er

sich, als es sich

Ferney zu suchen

sei.

um

die

Frage han-

ob das Testament politique du cardinal de Richelieu (1764)^ echt sei oder nicht. Mit beweiskräftigen Argumenten delt,

zeigt er die

Uebereinstimmung der Ideen, des

Stiles

und des

Werkes mit Charakter, Sprache und Fähigkeiten des Kardinals, über den er bei dieser Gelegenheit als MenGeistes des

schen undi Staatsmann sehr ten

Bemühungen

abfällig urteilt.

Trotz der lebhaf-

eines Voltaire, das schlechte

Werk von den Grimm

Schultern des früheren Ministers abzuwälzen, glaubt fest

an Richelieus Autorschaft, und auch hier hat die spätere

Zeit seine

Vermutungen

Januar 68

7.

1.

8.

15.

Juni 68

9.

15.

Dezember 64

(S.

(S.

gestützt.

13),

101). (S.

151).


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I

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^

,

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-

16

TestaMit gleicher Sicherlieit weist er die Echtheit des nach/" Belle-Isle ment politique du marechal duc de Arbeit des Bei dieser Gelegenheit schildert er die feine neglimit den Worten: Souvent une facon de parier Kritikers

m

mot choisi plutöt qu'un autre, une partigee ou appretee, une demonstracule mise ä la place d'une autre, fournissent au vrai critique

tion

diffelä oii le vulgaire n'aperQoit aucune.

rence sensible.

Correspondance ütteraire während auch sicher, under Redaktionszeit Grimms im allgemeinen stoßen wir doch verändert und ohne Schwankungen sind, so

Wenn

die Urteile der

und auf

vereinzelt auf Widersprüche'' irrig

zum

herausgestellt haben und

selbst korrigiert

Daß.

worden

schreibt er

einem

ansieht

ist natürlich.

der Gleichheit des

widerlichen Stiles sowie der indezenten,

Mme

Verfasser zu, als den er

Autoren und zwar

Mme

um

sich

Wahrheit handelt es

In

Grimm

sind.'''

zwei Romane wegen

schlechten Tones und Details

schon von

Teil

mühevollen Arbeit unserem Korresponden-

bei der

ten Irrtümer unterlaufen sind,

So

Kritiken, die sich als

de Beaumont zwei verschredene

de Beaumont und Desfontames.

Alciauch die Kritik über den Premier Jahrhun17. des biade des Lefevre", eine Piatonübersetzung aufs schärfste verurderts, deren Stil: und Sprache Grimm

Erwähnt

Oktober 62

10. 1.

48

11. Vgl. S. 12.

im

sei hier

Vgl.

im

Anm.

(S.

164).

60 und

S.

100

vorhergehenden S. 7

Falle der „Nuits« des

Young

Anm.

rektifiziert

er feststellen, daß die Schauspielerin

11.

wie er

sich

Ein anderes Mal

muß

und 8 und Anm.'

Mme

-

18,

Laruette von der „Comedie-

abgesprochen hatte, sich sehr vervollItalienne", der er jedes Talent

kommnet air

que

hat

je

tember 65

me

und den größten

Beifall

emtei

„Cest avec grand

plai-

Kritiker. (15. Sepretracte", sagt der wahrheitsliebende

S. 369.)

März 65 (S. 220). 14 15. November 66 (S,

13. 1.

172).


_ n ^ teilt,

ohne zu merken, daß er es mit dem Neudruck eines 100

Jahre alten

Werkes zu

tun hat.'

Seltsam berührt den Leser vor allem Grimms Urteil über Beaumarchais bei Gelegenheit der Aufführung des Dra-

mas Eugenie

der

(1767)'",

literarischen

ersten

Produktion

des späteren Verfassers von Le barbier de Seville und

Le

Die Schuld an der Erfolglosigkeit des

Mariage de Figaro,

bühnenwirksam genug sei, Grimm der schlechten Behandlung des Stoffes zu. Der Autor besitzt seiner Meinung nach nicht das geringste Stückes,

dessen

an

Sujet

sich

schreibt

il ne fera jamais rien, de mediocre. Und obgleich das Stück nach einigen Aenderungen einen lebhaften und anhaltenden Erfolg hat, fühlt

Talent, nicht une etincelle de bon sens;

meme

unser Korrespondent doch nur die Unfruchtbarkeit des Ver-

und Trockenheit seines Stiles. M. de Beaumarehais na rien en lui qui doive lui donner du goüt pour les beaux-arts; de quoi savise-t-il de tes aimer et de s'en oceuper?^^ Hoch anzurechnen ist es aber Grimm, daß er fassers, die Plattheit

in seiner

scharfen Kritik nie persönlich wird und während sei-

ner ganzen Redaktionszeit auf keinen der satirischen Angriffe

Beaumarchais, dessen abenteuerliches Le-

eingeht, die über

ben und seinen Beruf

Wie Grimm

in

Umlauf gewesen

sind.

selbst ankündigt, soll der

Gegenstand seiner

Berichte alles Wissenswerte sein, und in der Tat, seine Vielseitigkeit

muß

harten Kampfe nische

um

Forschung

Quacksalberei

ein,

Februar 67

15.

15.

16.

Grimm

deux Amis"

neue bewundert werden.

stets aufs

die

tritt

Kurpfuscherei

selbst

wenn

(S.

bespricht

(15.

Pockenimpfung

gegen

und

rückständige

gelegentliche Unglücksfälle

226).

nur noch ein Drama Beaumarchais* „Les

Januar 70

Lustspiele

dem

er für die medizi-

S.

Er

441).

fällt

bei dieser Gelegenheit

kein besseres Urteil über Beaumarchais* Begabung.

vergänglichen

— In

B.'s,

den

Die großen un-

„Barbier de Seville"

und

Mariage de Figaro", hat Grimm nicht mehr besprochen, da

„Le

sie auf

der Bühne erst erschienen (1775 und 1784), als er die Redaktion der

„Correspondance

litteraire" nicht

mehr

führte.


_

«

18

und Rückschläge den Gegnern Augenblickstriumphe bringen. Die großen Prozesse gegen Jean Calas, Sirven, den Chevalier de La Barre, und auch sonstige Fragen des zeitgenössiDie Erfindung schen Gerichtslebens erregen sein Interesse. dter Porzellanmalerei, ihre Vervollkommnung und der Streit um ihre Urheberschaft findet ebenfalls in der Korrespondenz Seine Beschäftigung mit den Taeinen starken Widerhall.

gesfragen geht so weit, daß er zur Frage der Straßenbeleuchtung in Paris eigene Vorschläge macht und' ebenso über die

Verlegung des Hotel-Dieu sich äußert. aller

über

Reiseberichte aus

Welt, Broschüren über Tagesstreitigkeiten, Diskussionen die

verschiedensten

wissenschaftlichen Fragen unter-

zieht er seiner Kritik.

Grimms erste und für unsere Besprechung wichtigste Aufgabe war es aber, seinen Abonnenten ein möglichst objektives, kritisches Bild von den philosophischen, politischen, literarischen und künstlerischen

Werken

seiner Zeit zu geben.

Dieses umfassende Programm, das sich hat, hält er

auch in den ersten Jahren

doch, daß zuviel schlechte Bücher seien, diaß

man

ein.

Grimm

gestellt

Bald klagt

er je-

erscheinen, die nicht wert

seine kostbare Zeit mit ihnen verschwende.

Büchern bringt ihn zu de passer en revue tant de detestäbles ouvrages! Er begnügt sich infolgedessen damit, von solchen unbedeutenden Broschüren, Kompilationen oder auch

Und dem

die Beschäftigung mit so unnützen

Ausruf:

Que

je suis las

schlechten Stücken, die berechtigterweise

vom Publikum we-

nig beachtet wurden, nur die Titel zu geben. es später mit allen Schriften

und

Ebenso hält

er

Zeitschriften über Ackerbau,

Nationalökonomie, Handel, Finanzen und endlichi auch mit

den vielen schlechten zeitgenössischen Romanen. Schließlich gibt er es sogar auf, auch nur die Titel der werttosen Kompilationen, jener guepes des regions Utteraires, anzuführen.

Trotz all seiner Gewissenhaftigkeit können wir Grimm doch einige kleine Unehrlichkeiten nachweisen. Mitunter hat er Werke, die er anführt, garnicht gelesen und beschränkt


-.

-

10

dann darauf, Witze über Namen, Eigenschaften und Hei-

sich

mat des Autors, über den

Was

Titel

oder den Stoff zu machen/''

aber die Correspondance litteraire besonders vor

Werken

ähnlichen zeitgenössischen.

auszeichnet,

ist

der

UmGe-

stand, daß sich ihre Redaktoren nicht in den berüchtigten

sellschaftsklatsch einlassen, der in der Zeit beliebt

und

in voller Blüte

biographische Angaben,

Salontebens

war. Hier und dort erwähnt

wenn ihm

An Anekdoten und

scheinen/^

d'es

Grimm

solche charakteristisch er-

historischen

dagegen finden wir eine große Anzahl

Geschichtchen

in trefflicher

Auswahl

Hier müssen wir den Korrespondenten als einen ausgezeichneten,

humorvollen und interessanten Erzähler bewundern.

und Witz sind überhaupt zwei kostbare

Ironie

Grimm

mit denen

Mittel,

Seine Scherze und

seine Kritiken würzt.

seine leichte, meist gefällige Ironie sind sehr dazu angetan,

Lacher auf seine Seite zu ziehen und seinen ablehnenden Als La Harpes Tragödie Timoleon durchgefallen ist und nach seiner Ansicht mit Recht, die

Urteilen Beifall zu gewinnen.

erinnert er daran, daß sich der Dichter kurz vor der Auf-

führung verheiratet hat, was ihn zu der Bemerkung veranlaßt:

Une mauvaise

tragedie et an mariage, c'est faire deux sottises

coup sur coup.

der durchgefallenen Tragö-

die

^m^fe^

— Den Verfasser

Ducis, warnt er davor, mit Rücksicht auf seine

komme

rfex-

dures epreuves, et quand

ü ne

Frau weitere Stücke zu schreiben. pose pas sa 17.

So

femme ä de

enthält sein

des messes"

(1.

si

honnete

Urteil über die „Dissertation sur Thonoraire

September 57

S.

Bemerkung über den

fällige

Un

412 und Anm.

Titel,

obgleich

1

dazu) nur eine ab-

diese

wissenschaftliche

Arbeit nach eingehenderer Lektüre sicher sein Interesse geweckt

Ueber ein Gedicht „Les Elements", das er

spöttelt er,

indem er

hätte.

ebenfalls nicht gelesen,

ein lobendes Urteil des Baculard

d'Arnaud

zer-

pflückt (15, Februar 70 S. 464). 18.

Das

einzige Mal,

teuers wagt, der lich geschickt

69

&

271).

wo

er den Bericht eines Gesellschaftsaben-

ihm hinterbracht wurde,

zeigt er sich nicht sonder-

und auch nicht auf den Spuren der Wahrheit

(1.

Februar


-

-

20

meurt pas de faim, il ne fait que des tragedies qui puissent Heureusement, noiis n'avons point de jeune poete tragique en sueces, sans quoi il pourrait prendre fantaisie ä

reussir.

Mme

Ducis de se dedommager par

chutes du mari, die

— Zahlreich

Academie francaise und

sind die ironischen Angriffe auf

Academie francaise

fast

de quarante, mais de

eelui

Grimm

quarante millions et au delä, der

zeros qui sont ä l'Aeade-

les

nombre ne donnerait pas

mie, leur

sucees d'un amant des

ihre vielen bedeutungslosen Mit-

eompter tous

glieder. S'il fallait

les

besucht die Sitzungen

regelmäßig und bespricht

'

sie

meist recht ausführlich bis in Einzelheiten des gesellschaft-

Mit Interesse .verfolgt er die Neuwahlen und Aufnahmen der Neugewählten und berichtet eingehend über sie.'' Sie geben ihm stets von neuem Anlaß zu spöttischen lichen Bildes.

Akademie, die bei ihren Wahlen nicht literarischen Wert der Kandidaten entscheiden lasse,

Bemerkungen über d^en

sondern

die

erster Linie persönliche Beziehungen, Protektion,

in

Betracht ziehe.'" Grimm berichtet über verschiedene Wahlintriguen und Ränke, die ihn zu scharfen, oft ver-

Hofgunst

in

nichtenden Urteilen über die Akademie und ihre Mitglieder veranlassen.'' Ihm erscheint die Akademie partagee en deux

ou factions: le parti devot qui reunit aux prelats tous les academiciens mincement pourvus de merite et d'autant plus empresses ä faire leur com avec bassesse: et le parti phi-

partis

losophique, est

que

les

compose de tous

devots les

appellent

gens de

encyclopedique,

lettres qui

qui

pensent aver un

peu d'elevation et de hardiesse, et qui preferent Vindependance et une fortune bornee aux faveurs quon n'obtient qu'ä 19.

die

Die

Akademiewahlen und -Sitzungen

mengestellt bei

M.

I.

20. 15. 21.

1.

März

April 63 Juli

53

(S.

61 (S. 360).

„Correspondance ist

litteraire"

über

bequem und eingehend zusam-

Minckwitz „Beiträge zur Geschichte der franzö-

sischen Akademie" (Ztschr.

15.

der

Berichterstattung

(S.

f.

frz,

275) und

261);

1.

Sprache 1.

u. Lit.

Februar 72

Mai 54

(S.

354);

XL (S. 1.

49-102). 44S),

Sept. 55

(S.

87);


— ramper

force de

de

et

21

mentir^''

Daß

die Partei der Literaten

und Uneinigkeit trotz der zahlenmäßigen Mehrheit meist unterliegt und über sich bestimmen läßt, erscheint ihm als ein verhängnisvolles Charakteristikum infolge ihrer Machtlosigkeit

dieser „unnützen Institution".

dieser

Akademie

nicht

Er

selbstverständlich.

der

Schaffen

der Arbeit

danach wohl

ist

hält die Tätigkeit eines Literaten für

Dictionnaire,

und

denkt,

Zeitvergeudung. Die einzige Arbeit der Aka-

sie für eine leere

demie,

Daß Grimm von

sehr hoch

sei

Gebrauch

der

vollkommen der Worte

wertlos.'"

Das

den

ersten

solle

Schriftstellern der Nation überlassen bleiben, die die Autorität einer

Sprachakademie und eines akademischem Wörterhätten."' Humorvoll plaudert Grimm wenig geistreiche Beschäftigung der Pariser Gesell-

buchs nicht nötig über die

schaft, die sich darin ergehe, Wortspiele, Kalauer,

und besonders Charaden zu machen, und teilt

Rebusse

Tone Charade so-

in iironischem

er voller Stolz eine solche selbstgemachte

wie eine von der Hand seines Freundes Diderot

mit.'^

— Einen

Roman von einem

gewissen Lo-Looz tut er ab mit der kurzen und vielsagenden Kritik: Vous pleurerez sur Mirza, sur Astof, sur M. de Lo-Looz, sur vous, sur votre temps!^^ Die Reflexions hasardees d'iine femme ignorante werden durch

Bemerkung über den

eine spöttische

für

den Geist des In-

halts charakteristischen Titel kritisiert, eine unbedeutende

Ode

durch das lakonische Urteil: ,,Dwu'\ ode par an certain M. Feutry, triste

oder

Mai

22. 15.

bonnet de nuit, Dien! Ottelle Besprechung des Dramas UOrphelin an-

71 (S. 308)

Januar 62

23. 15. 24.

comme un

In äer

Es

scheint,

(S.

und ähnlich

c.

S.

ist,

daß

101).

25.

1.

Mai 70

(S.

12).

26.

1.

Februar 71

(S.

27. 15.

(S.

15-22).

19).

dadurch beeinflußt worden

1.

JuH 72

ob die SteUung Grimms gegen die Akademie

als

seiner hohen Verdienste bei den

Scherer,

15.

Februar 66

(S.

251). 487).

Freund Diderot

trotz

übergangen wurde

(vgl.

sein intimer

Wahlen

stets


22

-

von Longueil findet sich das Schicksal des Stückes folgendermaßen gekennzeichnet: // (Longueil) ta envoye ä Paris ä un de ses amis, qui Va montre ä Mole, qui Va lu aux Come-

glais'^

diens, qui l'ont Jone devant le public, qui

Die erVa siffle, Komödie Les deux Freres von Moissy verspottet er, indem er die Neigung des Verfassers für den Vokal o hervor-

folglose

hebt, der sich in sämtlichen det.

Personennamen des Stückes

fin-

Cette misere n'est pas sans consequence, eile a süre-

ment beaucoup contribue ä augmenter

la

cacophome du

styler

Geschmackloser wird der Scherz, wenn Grimm nach dem Tode des im Guadalquivir ertrunkenen Poinsinet le jeune, dessen Dummheit und feigen Charakter er häufig in Anekdoten verspottet hat, in einem Nekrolog noch einmal den ihm verhaßten Autor in seiner Lächerlichkeit vor Augen führt und

dem Toten

gelobt, niemals

im Gundarquivir zu ertrinken, vermeiden. — Bei

um

eine Begegnung mit seiner Seele zu dem Tode des Abbe Vatry, eines Lehrers der griechischen Sprache, dem im Alter ein Schlaganfah das Gedächtnis geraubt hatte, und der nur noch zwei Worte sprechen konnte, meinte Grimm spöttisch, daß das ein äußerst zusammengeschmoteenes Wörterbuch für einen Sprachlehrer sei. Ebenfalis uner-

wenn

wahrer Lust die rührselige Erzählung von der Barmherzigkeit und Wohltätigkeit der Tän^ freulich ist es,

Guimard

zerin Mlle

er mit

zerpflückt,

um

schließMch die körperlichen

bewunderten Künstlerin zu verspotten. Ein freundlicherer Zug ist es, wenn er die vielen Scherze

Eigenschaften der

und Witzeleien

viel

entrüstet zurückweist, die

sich bei der Hochzeitsfeier des

Dauphin

bare Brandkatastrophe ereignete. er für die

FamiUen der Beamten,

in

man

machte, als

Paris eine furcht-

Gteiche Teilnahme zeigt die

durch die Abschaffung Er

des Steuergerichtshofes ins Unglück gestürzt wurden.

28.

1.

Februar 69

29. 15. Augrust 68

(S. 258).

(S.

161).


stimmt nicht

23

in die spöttischen

Reden

ein, die

andere darüber

zu führen sich nicht entblödeten."''

Beißend scharf wird Grimms Spott, wenn er sich gezwungen sieht, die zahlreichen literarisch wie künstlerisch wertlosen Tragödien zu besprechen, die die Pariser Bühne überfluteten, die heute erschienen,

um

schon morgen wieder

zu verschwinden.^^ Bei stücken,

Grimm

den Besprechungen von interessanteren Theaterspeziell von Tragödien historischen Inhalts, gibt im aHgemeinen erst den zugrunde liegenden histori-

schen Stoff oder die Anekdote, eventuell auch noch andere Quellen.

.

Dann

schildert er den Inhalt des

Dramas, mitunter

Darauf läßt er eine Würdigung der wobei es ihm besonders auf Natürlichkeit

bis in alle Einzelheiten."'

Charaktere folgen,

und Einfachheit der Personen ankommt und auf eine folgerichtige Uebereinstimmung der Reden und Taten mit den Charakteren, aus denen sie fließen. Stellt Grimm Widersprüche in den Reden und Handlungen, Unvollkommenheiten in der Technik, in der Charakteristik, in der Führung der Handlung, dem Dialog, dem Stil fest, so macht er eingehende Vorschläge zur Besserung, und nicht selten erweitern sich diese Aenderungen zu einem ganz neuen Aufbau des Stoffes, dem man 30.

„Prendre

detestables sur etre

un

la

plume,

des

faire

vers,

ecrire

des

sujet si affligeant et si triste, ce n'est

mauvais poete, cest

etre

le

plaisanteries

pas seulement

dernier des hommes." (15.

Mai

71

S. 320).

31.

Ein

treffliches

Beispiel

„Cosroes" von Le Fevre

(1.

bietet

Sept.

67

Kritik

die

399).

S.

über die Tragödie

Mit spöttischen Be-

merkungen gibt er eine Charakteristik der Personen und eine angabe, die die äußeren Tatsachen aufführt.

Inhalts-

Das Ganze wirkt auf

ihn

wie ein Puppentheater, dessen seelenlose Gestalten handeln können,

wie es dem Autor

beliebt,

ohne Rücksicht auf konsequente Durch-

führung ihres Charakters und der daraus folgenden Taten. 32.

Gr. scheint für die Besprechung von Schauspielen von seinem

allgemeinen

Vgl

S.

1%

Grundsatze,

Inhaltsangaben

zu

vermeiden,

abzugehen.


24

mehr dramatische Kraft zusprechen muß als dem besprochenen Werk. Recht deutlich tritt dies in der Besprechung der Tragödie Guülaume Teil (1766) von Lemierre heroft

Hier macht er treffHche Vorschläge zur Aenderung ein

vor.""

Namen und

zelner

Handlung. Er stößt

einiger Teile der

an der stummen Rolle, die Lemierre

wodurch das Kind

teilt,

dem Sohne

überflüssig werde.

sich*

Teils zuer-

Er w^ünscht

die

Häuslichkeit Teils besser charakterisiert und hält es für würdiger,

wenn

im Drama nicht an der Verschwörung

sich Teil

beteihge.""

Werke

Auffallend sind die scharfen Kritiken über die

Bar

des

n V

n

H

b ac

1

h,

mit

dem Grimm

und gesellschaftlichen Verkehr gepflegt

lichen

anonym

erschienene

Gnade.

Er scheint

Werk

finden vor

seinen

freundschaft-

Dessen

hat.

Augen keine

gewußt zu haben, welcher Autor

nicht

steckt hinter jener manufacture etablie ä

Amsterdam dans

la

boutique du libraire Marc-Michel Rey, d'oü ü sort continuel-

lement une foule incroyable de livres contre la religion,^" In den Büchern findet er mxx un fatras de raisonnements com-

muns

et

de

Autor nur sei un komme bilieux un singe du patriarche de Ferney,

redites, deren

Qui veut faire

le plaisant,

qui veut imiter sa gaiete, ses plaisanteries, qui les pille quelquefois,

mais qui ne

falls

fait

Systeme

der Beurteilung de^

meme

jamais que des singeriesj"^ social (177 3

Bei

f ahnt Grimm eben-

nicht als den Verfasser, dessen reine Absichten er nicht

Reden jedoch

bezweifelt, dessen

auf ihn wie Kapuzinerpre-

digten wirken, seinen Freund Holbach.

Wer

so scharf tadeln kann, findet natürlich auch

Töne des Lobes und der voUen Bewunderung. Januar 67

33.

1.

34.

Die Bearbeitung des

später,

(S.

Stoffes,

„Teil" durchgeführt.

35. 15.

August 68

36. 15.

September 67

37.

193).

wie

ob auf ihn zurückgehend oder

iu Schillers

Januar 73

(S.

warme

Aus der Zahl

(S.

157). (S.

175).

426).

er sie vorschlägt, finden

nicht,

mag

wir

dahingestellt bleiben,


25

der Artikel, die hierher gehören, seien besonders hervorge-

hoben

die Besprechungen von Voltaires Herode et Mariamne {\72AY\ Brutus (1730)'^ Diderots Fils naturer und Pere de Famille''\ Sedaines Roi et Fermief\ Le Philosophe sans le

savoir (1765)'"^

La Gageure imprevue'\ Les Sabots

einigen Stücken Goldonis und von Geßners Idyllen.

Grimm

— Dem

dem Marquis de Croismare,

iangjährigen" Freunde,

met

(1678)^^

einen langen Nekrolog'^ der eine

digung dieses Weltmannes enthält

wid-

vornehme Wür-

Keine Ueberschätzung

und Lobhudelei, sondern eine freundschaftliche, sympathische all seinen Vorzügen und Fehlern. Ihm sind alle Schmeichelreden, speziell Schilderung der Persönlichkeit des Toten mit die

mnegyriques verhaßt, bekommt.

Academie fran^ Er bevorzugt eine einfache Darden Helden und den Autor in viel

die er so oft in der

caise zu hören

stellung der Tatsachen, die

höherem Maße ehren.

Zum Schluß seien hier als formeh interessante Artikel noch zwei besonders erwähnt. Das eine Mar spricht Grimm in

heiterem Plauderton über die recht unbedeutende Komödie

Laurette von Doyer de Gastet die aufgeführt und

durchgefallen

ist.

in

In

der Comedie-Francaise

Form

eines

längeren

Protokolls über ein erdichtetes Verhör schildert er däe Aufführung, den Autor, die Quellen, die unwahren Personen des

Stückes, die dürftige, unlogische Handlung und den durch eine alberne Entführungsszene hervorgerufenen Theaterskan-

38.

August

39.

April 63.

40.

März

41.

November

42.

Dezember

62.

43.

Dezember

65.

54.

57. 58.

44. Juni 68. 45.

November

46.

1.

September 72

47.

1.

Oktober 68

68. (S. 47).

(S.

187).


daL

Das zweite

philosopfuQüe, den

Mal*^ handelt es sich

Grimm am

Philosophengemeinde ale, butte

26

in

um

einen sermon

Neujahrstage 1770 vor einer

der grande synagogue de la rue Roy-

Saint-Roch, das heißt im Salon der

Form

gehalten haben wilk

In

terarische Ereignisse

und

Mme

Geoffrin,

einer Predigt bespricht er

li-

politische Fragen, die Abreise des

Abbe Gaiiani nach Rom, dessen nationalökonomisches Werk Dialogues sur le commerce des bles (1764), seine eigene Reise nach Deutschland. Grimm zeigt eine große Fertigkeit in der parodierenden Nachahmung des Predigttones, in der scherz-

Anwendung von

haften

Bibelzitaten, die

derben, oft sogar geschmacklosen Witzen Inhaltlich spiel'

und formell

ist

dieser

sermon

ihm Gelegenheit zu und Spaßen bieten. ein treffliches Bei-

jener Reden, die in den philosophischen Salons der da-

maligen Zeit zur Unterhaltung der antikirchlich gesinnten Gesellschaft gehalten

wurden.

Die geistreiche Art, über das literarische, gesellschaftliche, politische, soziafe

und künstlerische Leben

plaudern, über die Gedanken, die Werke, das

ben seiner Zeitgenossen zu referieren,

in

Paris zu

Tun und

Trei^

sie seiner scharfen, ge-

rechten und rücksichtslosen Kritik zu unterwerfen, wie sie

Grimm

in

den 20 Jahren seiner Redaktionstätigkeit geübt

hat,

macht an und für sich schon die Correspondance litteraire interessant und kulturhistorisch wertvoll. Anregender und für die Mit- und Nachwelt bedeutender sind aber jene zahlganze Korrespondenz hin verstreuten, eigenen Aeußerungen zu den verschiedensten Thematen, auf die reichen, durch die

sich sein kritisches Urteil erstreckt.

Nicht

allein,

daß

sie

sich schon in der

Correspondance zu selbständigen längeren Artikeln auswuchsen, wurden sie auch nicht selten Anlaß und Grundlage zu neuen Werken. Auch Goethe drückt an verschiedenen Stellen seiner

Briefe

Bewunderung

ten aus und gesteht 48.

1.

Januar 70

Grimm und seine literarischen Arbeidem ami des philosophes et des grands

für

(S.

414).


27

-

(so nennt er ibn*^) einen gewissen Einfluß auf seine eigene

Person

einem Brief an Knebel aus dem' Jahre ISIZ^"" nennt er die Correspondance litteraire „ein höchst bedeutendes

Werk,

zu.

In

ein reiches

Dokument

einer einzigen Zeit".

Wie

sehr

Goethe die Lektüre der Correspondance litteraire interessierte, ist auch aus seinen Tagebuchnotizen zu ersehetf^ aus denen hervorgeht, daß er sich mit ihr fast ununterbrochen

vom

Oktober 1812 beschäftigte.'' Am 13. Oktober 1812 erwähnt Goethe, daß er aus der Korrespondenz „die verneinenden und scheltenden Wörter" ausgezogen habe. Diese Zu10.-21.

sammenstellung findet sich unter dem Titel Urteilsworte fran1 der Zeitschrift Ueber

zösischer Kritiker ate Beitrag zu Heft

Kunst und Altertum,^^

einem anderen Beitrage unter dem-

In

selben Titel zu Heft 2 dieser Zeitschrift'' geht Goethe noch

einmal auf diese Zusammenstellung der lobenden und tadeln-

den Wörter ein und spricht bei dieser Gelegenheit über

und

sein

Werk

sehr anerkennende Worte.

Aus

Grimm

einer Stellte

scheint hervorzugehen, daß Goethe die Correspondance

litte-

raire nicht allein durch die Gunst des Herzogs von SachsenWeimar hatte einsehen können, sondern auch durch die anDanach könnte derer „hoher Gönner", wie er selbst sagt. Goethe die Korrespondenz schon vor 1775, vor seiner Ueber-

siedelung nach Zeit, ate

Weimar, gelesen haben,

Grimm

49. Vgl.

selbst

Goethes

An

Charlotte von Stein

(9.

Okt. 1781).

noch

(1.

Okt. 1781)

50.

Ebenda XXIII 113 An

51.

Goethes Werke,

52.

Es handelt

sich

Ausgabe der „Corresp. 53.

III.

wohl litt."

S.

144-146.

u.

1880,

IV Abtlg.

V

An

201

Bd.

V

198

Charlotte von Stein

C. v. Knebel (17. Okt. 1812).

Abtlg. („Tagebücher") Bd. IV S. 330

um von

Goethes Werke, Bd. 41

54 Ebenda

redigierte.

Weimar

Werke,

also vielleicht zu einer

^

ff.

die neu erschienene, erste gedruckte 1812. S.

121-124.


Grimms Stellung zu

Grimm

Philosophie, Religion und Moral

gehört zu den sogenannten „Philosophen", in

dfe-

dem Kampfe

für

ren engstem Kreise er

lebt

und denen

er in

Aufklärung gegen die Intoleranz der Kirche zur Seite

die

Der Philosophie

steht/

reux

effets

hommes

allein

schreibt

de cette lumiere douce

et

Grimm

zu die heu-

benigne qui a eclaire les

les a rendus dignes de nach der misere de ces temps tenebreux et barsuperstition et la sottise donnaient la loi aux hom-

en ces derniers temps, et qui

leur existence

bares oü la

mes

et maitrisaient l'esprit humain.'

kungen hätte sie

Solche günstigen Wir-

die Religion niemals hervorrufen können, weil

das Bestreben habe, die Gläubigen ihren

Dogmen

terwerfen und für ihre Entscheidungen bhnden 1.

der

Grimm

lich angegriffen

mit

ergreift lebhaft für sie Partei, als die

Komödie „Les Philosophes"

Hohn und

wurden

(1.

zu un-

Gehorsam zu Philosophen in

(1760) von Palissot als staatsgefähr-

Juni 60 S. 240).

Leidenschaftlich, oft auch

Spott geißeU er jene „groben Lügen", jene „grausamen

Verleumdungen", jene „ungerechten Verfolgungen", die die Fortschritte der Vernunft und Wahrheit hemmten. leitenden Kreisen, alle

am

Er bedauert, daß auch

in

den

Hofe, der Glaube Eingang gefunden habe, daß

Mißerfolge Frankreichs auf die zersetzenden Einflüsse der Philo-

sophie zurückzuführen seien.

Grimm

befürchten,

Der Erfolg der Komödie

Palissots läßt

daß die Barbarei und der Aberglaube ihre Rechte

wieder zur Geltung bringen würden. 2.

1.

Januar 55

(S.

460)

u.

1.

November 55

(S.

113).


~ verlangen.

29

Die Philosophie schreibe keine

Dogmen

vor und

erlasse keine Dekrete, könne also nicht knechten, sondern nur

aufklärend wirken.

Nach Grimms Meinung kann die Macht der Philosophie, und Wahrheit fest gegründet sei, durch

die auf Gerechtigkeit die

vereinten Anstrengungen von Fanatismus, Unwissenheit

und Barbarei nicht zerstört werden. Vor der aufklärenden Wirkung der Wahrheit müßten Vorurteil: und Ungerechtigkeit verschwinden, die Autorität verliere ihr Ansehen, und

Wahrheit und wahres Verdienst

die raison allein herrsche.

brächen sich durch die dichteste Finsternis der Beschränktheit Bahn, wenn ihnen im Anfang auch noch so viel Hindernisse entgegengestellt würden. Tant de grands hommes auxQuels Vhumanite doit tout,

meconnus ou negliges pendant un

moment que

temps, ont recouvre, du

le

flambeau de

la Philo-

sophie sest eleve, les droits qiiils avaient ä notre reconnais-

Ein solches Schicksal hätte Ba-

sance et ä nos hommages!

con, der restaurateur de la raison et

de

l'esprit philosophique,

zu erleiden gehabt, dessen Verdienste erst von Diderot erkannt worden seien und dessen Philosophie die Grundlage itr Encyclopedie geworden 3.

Das

Schicksal

sei.^

der

„Encyclopedie",

Aufklärung" und Wissenschaft des dienst seinem

Er

Interesse.

Freunde Diderot

18.

dieses

zufällt,

verfolgt

l'esprit

humain",

morables epoques de die Fehler

Grimm

mit lebhaftem

preist sie in verschiedenen Artikeln als „la gloire de la

nation et du siecle", als „la plus belle entreprise

ment de

Hauptwerkes der

Jahrhunderts, dessen erstes Ver-

und Lücken

als

et le

„une des plus grandes

la litterature".

nichts, die

An

plus beau monuet

des plus m^-

diesem Urteil ändern auch

ihm nicht entgehen,

die er aber

größten Teil den häßlichen Verfolgungen zuschreibt, denen das

zum

Werk

von Seiten seiner verständnislosen, intoleranten, aber machtvoUen Gegner ausgesetzt

sei.

Grimm

die

grüßt

Mit

um

so größerer Freude und Genugtuung be-

Förderung des Werkes unter den mißlichen Um-

ständen und bespricht oft recht eingehend die einzelnen Bände nach

ihrem Erscheinen.

Als die wertvollsten Artikel empfiehlt er

stets die


-.

Grimm

-

30

Feind jeder Vergewaltigung der Gedankenfreiheit, und so zieht er sehr scharf gegen die Ansicht zu Felde, daß die liherte d'ecrire gefährlich sei und ist

ein entschiedener

Gebrauch machten, schlechte Staatsbürger seien/ Der Vorwurf, die Philosophen seien die perturbatmrs de la chose publique, sei uralt und unberechtigt. Die Philosoalle,

die

von

ihr

phie habe nur geringen Einfluß auf die Sitten eines Volkes,

und dieser geringe Einfluß könne nur zum Guten ausschlagen. Eine gesunde Politik müßte die Philosophie eher ermutigen, Diese Fortschritte hätten nur ihre Fortschritte unterstützen. die zu fürchten, die ihre Herrschaft auf Urteilslosigkeit

und

Verblendung des Volkes gegründet haben, deren Macht infolgedessen diürch die Aufklärung schwer erschüttert werde. Das Gute und Nützliche, was die Philosophen schrieben, könne jede Regierung benutzen sans crainte de partager son credit ou de perdre de son autorite en cedant ä des remontrances.

Nie

sei eine

schweige denn

Herrschaft der Philosophen zu erwarten, geein Mißbrauch ihrer Macht zu befürchten.

Ruhm, Verdienst und

Erfolg

und deshalb

persönlich,

wohl möglich.

Grimm kann

Vereinigung derselben nicht

eine

Philosophen nicht erkennen, denn

Grimm

geschlossene Partei der sie

Mit Worten

von Diderot und d'Alembert.

jeden Schriftsteller

für

seien

sei eine

seien trop partages

tiefster

Empörung

Breton, der schließlich den Text der zehn letzten

Bände der „Encyänderte,

clopedie" eigenmächtig und ohne Wissen Diderots

Ausgabe

um

1.

Grimm

veröffentiichte.

alle

und

bespricht

die

ihm

so eine arg verstümmelte

bd

dieser Gelegenheit noch

Verfolgungen, denen das glorreiche

Werk

ausgesetzt war,

eigenen die Schändlichkeit dieser letzten Vergewaltigung durch den

Verleger vor 298;

strich

scheinenden Stellen

gefährlich

einmal

geißelt

die feige und hinterlistige Handlungsweise des Verlegers Le

15.

Augen zu

Sept 54

April 59

S. 96;

S.

15.

Juni 61

407;

15.

April 60

1.

S. 476.) Vgl. Hettner, 4.

führen.

1,

c.

(1.

Dez. 57

S.

S. 272.

(S. 420).

Jan. 71

224; 15.

S.

S.

457;

Mai 63

203; 15. S.

15.

Nov. 53

S.

Febr. 59 S, 80;

295; 15. Januar 66


.

, ,

_

.

3f

_

'

; ;

d'opinions et de vanite pour se reunir jamais en corps qui

puisse avoir unite d'esprit et de vues.^

Grimm

erkennt auch innerhalb der verschiedenen philoso-

phischen Richtungen keine Parteien an, deren einer er sich

Er

hätte anschHeßen' können. tor für sich

von seinem Standpunkte aus, den wir

Bald

nalistisch bezeichnen- werden.

Au-

kritisiert Jeden einzelnen

führt ihn sein

ratio-

al's

Denken

auf

die Seite Voltaires, bald auf die Rosseaus, bald auf die Did^rots,

d'AIemberts oder Buffons,

um

jedoch auch wieder deren

Theorien abzulehnen' und ihre Fehler aufzudecken. So bekennt er sich einmal® als einen der eifrigsten

um

gteich darauf an

Anhänger

Philosophie

dessen-

de

Voltaires,

Vhistoire die

schärfste Kritik zu üben.

Grimms Verstandes,

Wärme

Philosophie die

ist

die Philosophie des nüchternen

Lebensfragen ohne Begeisterung und

die

Sein kühles, den Leser leicht erkältendes,

beurteilt.'^

leidenschaftsloses Ueberdenken gibt diesem

Weltmann

eine

Feindi, und nicht ohne Grund wurde er im Kreise der Freunde, die die Macht

große Überlegenheit gegenüber Freund und seiner raison

kamen,

le

wohl erkannten

Grimms

Die Philosophie

gramm, keine keit,

genug

undi oft

t\x

spüren be-

tyran genannt. Theorien- zu.^

läßt keine Prinzipien, kein

Pro-

Praktische Uebung und Tätig-

objektive Betrachtung aller Erscheinungen sind für ihn

denen sich wahre wissenschaftliche Un-

die Grundpfeiler, auf

tersuchungen und Forschungen 5.

aliein

aufbauen könnten.

Das

Gr. versucht den Angriffen der Gegner die ernste Grundlage

wegzuziehen, indem er auf Voltaire, Montesquieu, Palissot und Freron hinweist, die, obgleich alle Literaten, doch

wohl kaum einer gemein-

samen Partei zugerechnet werden könnten.

ein

Mai 65

276).

6.

15.

7.

Charakteristisch

tragisches

sind seine

Rousseau

a L

(S.

ist

das abfällige Urteil des Weltmannes über

Liebesschicksal.

Worte

„Une

folie,

une

aventure

für ein Ereigfnis, das die Zeitgenossen

tief erregte.

Februar 55

(1.

Juni 70

(S. 485),

S. 44).

bizarre"

und besonders


höchste Ziel der Menschen

-

52

sei

das Streben nach

Erkennen des Wirkhchen.

lichen

'

Zu

dieser

dem

natür-

schweren Auf-

gabe gehörten vor allem Aufrichtigkeit und Redlichkeit, Eigenschaften,

die

jeden echten Philosophen und Forscher

aus-

zeichnen sollten.

Es gebe keine gefährliche oder schädhche Wahrheit, und deshalb brauchte man keine Wahrheiten vor den Menschen zu verheimlichen, selbst nicht die Wahrheiten,

Fragen der Religion bezögen. Im Gegenteil, jedes Verbergen des für wahr Erkannten verrate menschliche Schwäche, und diese auf die Gottheit zu übertragen, sei geradezu Gotteslästerung. sich auf die tiefsten

die

Das sei die

was

erste,

eine solche aufrichtige Philosophie lehre,

Erkenntnis der faihlesse und vanite de nos semhlables\

die Erkenntnis der

engen Grenzen des Menschengeistes,

die

allerdings nur wenigen bevorzugten Genies vorbehalten ge-

La sagesse et la vraie science resteront toujours en depöt chez un petit nombre de sages. Diese kleine auserwesen

sei.'''

wählte Schar tion,

sei nicht

getrennt diurch eine dilference de na-

noch durch die diversite des mceurs,

lieux, ni celle

des temps, sondern

monie ihres Denkens und Fühlens.

fest

ni la distance

des

geeint durch die Har-

Die großen Talente hätten

kein Vaterland, sie gehörten allen, die sie zu würdigen wüß-

Les philosophes appartiennent ä Vunivers

ten.

qu'ils eclai-

Bei Gelegenheit der Besprechung von Rousseaus Dis-

cours de Dijon,

dem

in

dieser nachzuweisen sucht, d^aß die

Künste und Wissenschaften eine Quelle der Verschlechterung der menschlichen Sitten geworden sind, diie

kommt Grimm

auf

Frage der Ueberlegenheit des Menschen gegenüber den 9.

Solche skeptischen Aeußerungen über die Fähigkeit des Men-

schen zu erkennen und zu beweisen finden sich des öfteren in der

„Correspondance". Vgl. im folgenden

Vgl.

10.

1.

11.

15.

Januar 56

Mai 58

im folgenden

(S.

(S.

S. 36.

149).

510);

S. 99-105.

1.

Oktober 65

(S.

378);

1.

JuU 65 (S.318).


~

anderen Lebewesen der Natur." übrigen

Wesen

«

33

Was

erhebe, das sei die

den Menschen über die ihm eigene Fähigkeit zu

denken.

Letat de la bete est constant et mmuable; Vetat de est, par sa natiire, siijet ä mille changements bons ou mauvais Qu'aiieune Philosophie n'est capable d'arreter.^^

Vhomme

Hält er so die Denkkraft für das Privileg des Menschen

und

für sein, erhabenstes Gut, so sieht

als er die Nachteile, die

doch auch keiner mehr ihr entstehen könn-

den Menschen aus

ten und zahlreich entstanden seien. Gerade sie sei die Quelle vieler Uebel, weif sie

nur zu leicht von

d'en

Menschen

in ge-

Weise mißbraucht werde."

fährlicher

Die Sucht der Philosophen, aus bloßen Wahrnehmungen und Vermutungen Systeme aufzubauen, die sie als Wahrhei-

dem

ten anerkannt wissen wollten, sei die größte Gefahr, die

Menschen von seiner Denkkraft her drohe. Die UnzulängHchkeit solcher philosophischen^ Systeme für die Fragen des praktischen Wissens nachzuweisen, ist stets Grimms heißestes Bemühen. Scharf wendet er sich gegen die dogmatichen Philosophen,^'* welche zu beweisen suchten la sagesse de la

Was

nicht

diffieiles,

wür-

Providence par tout ce qui favorise lern Systeme, 'n

d'eses System, hineinpasse, die

phenomenes

den einfach auf Rechnung der impenetrabilite de ses vues gesetzt. Diese Art, sich mit der Welt abzufinden, sei zwar sehr bequem, jedoch mit Hilfe von Systemen und Hypothesen

man nur äußerst selten zur Entdeckung der WahrUnter diesem Gesichtspunkt verurteilt er die philoso-

gelange heit.

phischen fons,

ja

Werke Rousseaus, selbst

scharfe Kritik.

die

Voltaire und

Und

naturgeschichtlichen Buf-

Diderot

trifft

hier

eine

recht

diese vier Autoren sind für ihn die

illu-

stren Schriftsteller seiner Zeit.

Die systematische Philosophie verweist Grimm in das Reich der Poesie, die nicht dasselbe Maß strengen Forschens 12.

Februar 54 (a 318).

15.

13. Vgrl. 14.

1.

15. 1.

im

folgfenden S. 40.

Januar 56

(S.

September 59

154); (S,

1.

136).

Februar 55

(S. 479),


:

-^

34

nach Wahrheit erfordere wie

dtie

~^

-

.

^„

eigentliche Philosophie.

Cha-

Besprechung von Robinets De la Nature,^^ dem er bei aller Anerkennung seines philbsophischen Geistes den goüt des systemes vorzuwerfen hat, sein Schluß Les gens ä systemes et ä hypotheses devraient toujours rakteristisch

ist

bei d>er

ecrire en vers.

Von einem großen Philosophen verlangt er, daß er sich von allem Systematisieren freihalte.'" Le vrai philosophe recueüle des

faits,

il

les approfondit,

il

transmet ä la con-

les

naissance et ä la meditation des hommes, mais d'autres la frivole gloire de les expliquer. für rien

Grimms Auffassung

Descartes'

ist

die Art,

il

laisse

ä

Charakteristisch

wie er sich mit den Theo-

auseinandersetzt.'^

bewundernde

Seine

vom Zweifel ausgezum unantastbaren Gesetz macht, nur das als wahr zu betrachten, was in der Idee des Gegenstandes seiner Betrachtung deutlich enthalten sei. Darum stimmt Grimm dem Grundsatze cogito, ergo sum zu, weil er auf klarer Wahrnehmung beruhe, aber alles weitere Forschen nach dem Wie des Denkens lehnt er ab, dia diese Erkenntnis dem Menschen

Zustimmung

erregt es, daß Descartes,

hend, es sich

verschlossen sei und alles Philosophieren über derartige un-

Dinge nur ein Träumen bleibe. Wenn Descartes werde ä la ctümere des idees innees, au roman des tourbillons und zu einer Reihe anderer Irrtümer und unhaltbarer Systeme und mit deren Hilfe schließlich zu der Idee von dem vollkommenen Wesen und seiner notwendigen Existenz, der Basis seiner ganzen Philosophie, komme, so sucht Grimm durch einige Gegenfragen der

erforschliche

trotz seines Prinzips geführt

praktischen Vernunft dieses Gedankengebäude umzustürzen.

Aus denselben Gründen macht er V o t a r e wegen seines Philosophe ignoranf' den Vorwurf der Inkonsequenz. Wie Descartes gehe Voltaire vom Zweifel an allen Systemen 1'

16.

15.

17. 1.

18. 15. 19. 1.

Februar 65 (a September 59 September 65 Juni 66

(S.

204). 137).

(S. 359).

(S. 51),

i


~

35

und Mutmaßungen aus, werde aber schließlich le phUosophe le plus positif, le plus engoue de chimeres et de systemes imaginaires, Grimm erhebt auch hier Einwände gegen die Annahme eines Etre supreme, die auf unerwiesenen und unerforschbaren Behauptungen beruhe. Vollends beherrsche die Liebe zu den Systemen und paradoxen Behauptungen Rousseau und führe ihn zu Voreingenommenheiten, die der wahren Philosophie zuwidter seien/^ Ihn treffe besonders der Vorwurf, daß er, um seine An-

phenomenes favorables benütze, bei Seite schiebe. Dadurch Bild, das der Wirklichkeit nicht im

sichten zu stützen, nur die diie

phenomenes

diffieiles

entstehe naturgemäß ein

geringsten

An

ähnele.

dagegen

dSe Tatsachen,

selbst geschaffen habe, glaube er mit

So habe

die

seine Erfindung

dem größten Vertrauern

sich seine Einbildungskraft eine Geschichte der Tiere

und der wilden Völker konstruiert, um seine Gedanken über die Gefahren der menschlichen Gesellschaft zu begünstigen.^* Grimm benutzt jede Gelegenheit, um die Sucht nach Systemen zu bekämpfen, die dazu führe, einzelne Beobachtungen, deren Richtigkeit durchaus nicht sei,

zu verallgemeinern.

immer unzweifelhaft

Die beschränkte Lebensdauer des

Menschen und, allgemeiner,

die kurze Geschichte der

Men-

schen lasse uns nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Be-

obachtungen sammeln, sodaß

man

diesen

kaum

unbeddngte

Wahrheit zusprechen könne. Deshalb macht er B u f f o n den Vorwurf, daß er in seiner Histoire naturelle'^'' einfache Konjekturen für erwiesene Wahrheiten ausgebe, denen nur allzu oft die Tatsachen widersprächen. Damit ist im großen und gan* zen Grimms Stellung zu Buffon charakterisiert. Er liest mit Interesse die Fortsetzungen der Histoire naturelle und beFebruar 59

20.

1.

21.

So gibt Rousseau auch nach Grimms Ansicht von der Stadt

(S.

76).

Genf nach eigener Phantasie nur

um

ein Bild, das der

Wahrheit widerspreche,

in seiner Vaterstadt Theateraufführungen

Februar 59 22. 15.

S.

75

ff.).

März 62

(S, 56).

zu verhindern.

(1.


-

36

Bände 4—11.'' Er bewundert den wohlvornehmen und erhabenen Stil Buffons, der seinem Werke einen eigenen hohen Wert gebe. Auch manchem philosophischen Gedianken kann er seine Anerkennung nicht versagen. Aufrichtige Bewunderung zollt er solchen bedeutenden, die Menschheit ehrenden und fördernden Schriften. Aber stets muß er Buffon die Liebe zum Systematisieren vorhalten und ihm die unfehlbare Sicherheit vorwerfen, die er Dingen gegenüber einnehme, die er sich selbst erst doirch seine Systeme geschaffen habe. Das widerspreche jedier Wissenschaftlichkeit, jedem philosophischen Geiste.'* Buffons Mitarbeiter Daubenton zeige sich dagegen als genauer und gewisspricht eingehend die

gepflegten,

senhafter Beobachter.

denselben

In

Bahnen bewegt

Traft e des sensations (1754)'^ des

sich

das Urteil über den

Abbe de Condillac.

Hier spricht Grimm die Forderung aus Que nos philosophes nattachassent point ä leur methode d'expliquer la maniere

dont se fönt nos sensations un plus haut degre de certitude

a reellement.

qu'elle n'en

Man

dürfe nicht eine Sache für er-

wiesen ausgeben, die nur einen gewissen Grad von

Wahr-

Gewiß, es koste den Menschen;

viel,

seine Unwissenheit zuzugeben, aber gerade das offene

Ge-

scheinlichkeit besitze.

ständnis des Nichtwissens sei das beste und' sicherste Krite-

rium

den wahrhaft weisen Menschen, dem es das höchste

für

Ziel sei,

wahr und gerecht zu

sein.'^

Das Verallgemeinern und Systematisieren auf Grund vager Vermutungen und einiger wiWkürlicher Beobachtungen berge die große Gefahr in sich, daß einzelne Menschen oder Gruppen im Vertrauen auf ihr sicheres Wissen sich über die 23.

56

(S.

1.

Oktober 53

301);

15.

285);

(S.

August 59

(S.

1.

November 55

131);

15.

(S.

März 62

112); (S.

1.

56);

November 1.

Juli

64

(S. 22).

24.

1.

tember 59 25.

1.

November 55 (S.

a

113);

1.

November 56

138); 15. Januar 61 (S. 342); 15.

Dezember 54

26. Vgl.

(S.

32

Amn.

(S. 9,

443),

(S.

März 62

304);

1.

(S. 56).

Sep-


~

37

anderen erhöben und durch ihre Intoleranz gegen alte Zweifter und Gegner für die gesamte Menschheit Schaden anrichteten. Eine dauernde Intoteranz habe mit der Vergewaltigung des Gewissens und der Ungerechtigkeit allen Aufrechten gegenüber einen geistigen Verfall der Menschen im Gefolge. will

Grimm

allerdmgs nicht behaupten, daß eine solche allgemeine

Dekadenz der Menschheit

tatsächlich eingetreten

sei.^^

Die

Ländern mit derselben Masse von Tugend, Genie und Größe ausgestattet, die Menschheit

sei in allen

Zeiten und in allen

allerdings verschiedenen, meist unbekannten Einflüssen unterlägen,

die verschieden

ausgenutzt würden und

darum

ver-

schiedene Resultate erzeugten. Er ist überzeugt, daß die Gegenwart mit ihren Talenten, ihrer Gesellschaft und ihren Unterhaltungen in ihrer Weise ebensoviel* wert sei wie die Vergangenheit.

Grimm ist ein Gegner des Pessimismus. Er macht den modernen Philosophen ihre Neigung zur Misanthropie zum Vorwurf.^^ S'il y a Quelques hommes malheureusement constitues, ü ne faut pas vouloir comprendre tout le gerne humain sous la malediction. Man könne sehr leicht und ohne Uebertreibung ein erschreckendes Bild der Leiden geben, denen das

menschliche Leben fortwährend, ausgesetzt de an der Existenz und die Hoffnung

sei,

wögen

aber die Freu-

die Schattensei-

Das Vertrauen auf eine bessere Zuden Menschen stets über gelegentliche Unbilden

ten voll und ganz auf. kunft solle

und schwere Prüfungen hinwegbringen. sei eine jener

Der Pessimismus

verhängnisvolten Folgen, die den Uebertreibun-

gen der dogmatischen Philosophen entsprossen

seien.^^

Wenn Rousseau dem systematischen Vergleich der Epochen des Menschengeschlechts mit den vier Abschnitten des menschlichen Lebens zuliebe das Glück der Kindheit auf den Zustand der Wilden übertrage, so findet Grimm die Idee des 27. 15.

April 63

28. 15. April 61 29.

Grimm

ist

(S.

259).

(S. 374).

durchaus nicht immer gleich entschieden in seiner

Stellungnahme gegen den Pessimismus.

Vgl. im folgenden S, 40.


38 Vergleichs an sich groß und schön, jedoch fehle ihr jede Begründung durch Tatsachen und damit jeder reelte Wert.^"" Was könne Rousseau vom Giück der Wilden der eigenen Erfahrung oder wahrheitsgetreuen Reiseberichten entnehmen,

was

Noch

seinen Ideen lebenswahren Inhalt geben könnte?

weniger leuchtet ihm die Richtigkeit des Vergleichs

ein,

den

Rousseau zwischen der Gegenwart und dem Greisenalter zieht. Weder das Greisenalter noch das Alter der Menschheit seien als ein lieber anzusehen. Gerade das Greisenalter sei von Verstand und Vernunft erhellt, da es von der EitelAuch das Menkeit und Anmaßung der Jugend befreit sei. schengeschlecht sei sich erst in seinem Alter der Güter be-

wußt geworden,

die es besitze,

wenn

es

auch gleichzeitig er-

kannt habe, was es im Vergleich mit seiner Jugend verloren habe.

Der gänzliche

Verfall'

der Menschheit werde eine

Um-

Vorzüge

ihrer

wälzung bewirken, die ihr ihre Jugend und Anfänge zurückgeben werde. Sehr

leicht sei es,

den Menschen

die

als die elendeste aller

Kreaturen darzustellen, stets im Widerspruch zu sich stets als

Beute seiner maßlosen Wünsche,

stets

selbst,

von SchwieDieses Nach-

ihm die Vernunft bereite. UnvoUkommenheit des Menschen hält Grimm für naturwidrig.'^ Man solle den Menschen sehen und nehmen, wie er ist, sich dem Willen der Natur unterwerfen und in dieser Unterwerfung das Glück finden, dessen der Mensch rigkeiten gequält, die

denken über

fähig

die

sei.

In der

Frage nach der Freiheit des menschhchen Wilu

Grimms Erklärungen etwas schwankend, jedoch entschieden mit den Jahren zum Determinismus hinneigend. Am 1. Dezember 54 (S. 443) erklärt sich Grimm gegen den sind

lens

Beweis von der Freiheit des Willens, den Condillac in seiTratte sur la liberte gegeben zu haben glaube. Der Umstand, daß wir abwägen und wählen, beweise nicht, daß wir frei sind, sondern daß es so aussehe, als ob wir frei sind..

nem

30. 15.

JuH 55

31. 15. Juli

56

(S. 57), (S.

258).


— Andererseits

Grimm

ist

39

der Meinung, daß Fontenelle in sei-

nem

Tratte sur la liberte (1743), der ihm bandschriftlicli vor-

lag,

den Beweis für die Unfreiheit des Willens nicht erbracht

Er

habe.

Frage nach der Willensfreiheit

hält die

bar, weil sie

einem strikten Beweise unzugängHch

für unlössei.

Aus

seinen Ausführungen geht aber immerhin hervor, daß er der

Annahme der Bestimmtheit des Willens zuneigt. Diese Neigung zum Determinismus spricht sich noch entschiedener aus in einer Stelle der Correspondance litteraire vom 1. Februar 55 (S. 482);

wo

er erklärt,

gebunden

sommes

daß unsere Handlungen nicht

freier

Wahrnehmungen und Urteile, die durchaus Dans nos actions les plus indifferentes nous

seien als unsere seien.

toujours necessairement determines au parti que nous

prenons, par unmotif quel

qu'il sott:

on

rigoureusement pour en etre convaincu.

na

qu'ä s'examiner

Und! ähnlich etwas

am

1. September 56 (S. 276). Or, on fera si Von veut beaux raisonnements, les sopHsmes les plus specieux pour prouver la liberte de Vhomme; mais independamment des arguments graves qu'une Philosophie eclairee leur oppose,

später

les plus

si

Von veut

etre

de bonne

foi, je

crois que

chacun peut se con-

vaincre, par le sentiment intime qui est en lui et par le souvenir

conserve de ses actions, que sa conduite a toujours ete

qu'il

le resultat

nees par

necessaire de differentes modifications occasion-

le

concours des circonstances, et

veritablement dispose de

So

un

na

jamais

instant,""^

ergibt sich auf ethischem Gebiete eine Philosophie des

und des

Instinktes

de

lui

qu'il

la nature gilt

Gefühiles.

ihm

Als oberstes Gesetz seines code

die Liebe, jene fruchtbare Quelle des

Glückes und der Lust.^^ ähnlichem Geiste bewegt sich

32. In

67

Grimms

Urteil

am

15.

Sept.

(S. 414).

33.

Gr. hält es deshalb für einen Fehler, daß Kirche und Staat

durch unlösbare Bande die Liebe

in Fesseln legten

habensten Gefühl des Menschen das Werkzeug ten.

nellen

und aus dem

seines Unglücks

er-

mach-

Hier klingt die uralte und ewig neue Klage über die konventio-

Ehen heraus,

in

denen jede Liebe vergewaltigt werde und dem


Wie

alle diese

40

Ansichten

Grimms

rungsphilosophen verweisen; so

ihn unter die Aufklä-

ihn auch sein Glaube

stellt

an die Perfektibilität des Menschen zu ihnen,

Correspondance verleiht.

La

litteraire

ßerfectibilite

dem

er in der

nicht selten energischen Ausdruck est la marque caracteristiqm qtd

l'homme d'avec la bete^''' Das Tier behalte den Grad der Vervollkommnung bei, den ihm die Natur bestimmt habe, der Mensch dagegen könne sich vervollkommnen. Die Geschichte der Menschheit zeige beständig große Umwälzungen, nach denen sie bald erstarke und ihren Wohlstand- vermehre, bald auch abnehme und verfalle. L'homme seul par

distingue

pour eprouver les differences les plus sensibles et pour passer par des changements successifs et continuels, suivant lesquels il peut ou approcher de la perfection que son espece comporte, ou s'en eloigner jusquä se degrasa nature est

fait

Allerdings erscheint es

der.^^

Vervollkommnungsmöglichkeit

Grimm für die

zweifelhaft, ob diese

Menschheit ein Glück

und einen Vorzug bedeute. Ihre Geschichte scheint ihm im Gegenteil zu zeigen, wie diese Gabe eher verhängnisvoll als nützMch geworden sei, während die Tiere wenigstens den Vorteil hätten, stets ihre Pflicht zu erfüllen, wenn sie der Natur gehorchten, und also nie entarten könnten.

Trotz der größ-

werde der Mensch nie den Zustand der höchsten Vollkommenheit erreichen, sein Los sei es, stets danach zu streben. An ihrer Erfüllung aber werde ihn die Macht des bhnden und vorschnellen Vorurteils hindern, dessen Herrschaft sich wohl vermindern, aber nie völlig beten Anstrengungen

siegen lasse.

Diese

pessimistisch

stehen im Widerspruch

klingenden

als

Grimm

56

Vgl. hierzu 15.

34. 15. Juli 55 (S. 55). 35. 15.

Februar 55

spricht Sätze aus, die den

wolle er sein Verhältnis zur

von dem er allerdings nicht ausdrücklich S. 259.)

(S.

Grimms

zu anderen, teils ungefähr gleichzei-

Ehrgeiz und Interesse weiche.

Eindruck erwecken,

Aeußerungen-

Dezember 65

Vgl auch

m).

Mme

dTpinay,

spricht, rechtfertigen. (15. Juli (S. 453). ^

S. 33.


~

Aeußerungen

tigen, teils späteren

nach denen

teraire,

41

die

er

in

der Correspondance

lit\

optimistische Auffassung seiner

aufklärerischen Freunde und Zeitgenossen

Er

teilt.^^

hofft

mit ihnen auf einen zukünftigen Sieg der gesunden Vernunft. //

est impossible

Que

la saine raison

ne

sott ecoutee

ä

la fin,

et que tant d'excellents ecrits en faveur de la cause du gerne hamain ne prevalent enfin sur les efforts d'un petit nombre d'ambitieux en soutane et en surplis Qui ont fonde leur empire sur notre betise. Die Wirkungen dieser Umwälzung werde allerdings die gegenwärtige Generation nicht mehr ge-

nießen, jedoch bleibe ihr der Trost, daß sie das

künftigen vorbereitet habe, indem sie die

Glück der zu-

Fundamente der

Tyrannei untergraben habe. Das Hauptverdienst dem defenseur des droits de rhu-

geistlichen

hieran gebühre Voltaire,

Grimm

manite.

hegt den tröstenden Gedanken

que

tonte

l'Europe s'achemine vers une epoque oü les droits de l'humanite seront

mieux connus

Ja, er fühlt

et reposeront sur leur propre force.^^ schon die ersten Anzeichen dieser Besserung.^^

(komme de

müsse es merken que l'Europe s'achemine sensiblement vers un etat d'ameJeder gescheite Mensch

lioration

genie)

il serait impossible de pressentir ni les ä moins que quelque catastrophe physique

dont

ni le terme,

ne nous remette dans notre etat primitif

bite

36. Vgl. S. 37; 15. Sept.

Mai 67

37. 15.

67

effets

et su-

et sauvage!'''

(S. 421).

(S. 318).

November 67

38.

1.

39.

Grimm mag

es

(S. 467).

entsprechend seiner kühlen, zweifelnden Art

wohl manchmal schwer geworden

sein,

die

Hoffnung auf einen dau-

ernden Fortschritt des Menschengeschlechts aufrechtzuerhalten. S,

32 u. 33.

Andererseits bewegt ihn doch der Wunsch, das

schengeschlecht

möge

sich

(Vgl.

Me»

vervollkommnen und einer besseren Zukunft

entgegengehen, und daraus ergibt sich die optimistische Formulierung seiner

Gedanken wie

1767.

Aus

in

den oben angeführten Stellen aus

Jahre

der „Correspondance litt^raire" läßt sich nicht mit Be-

stimmtheit nachweisen, daß jüng^erer

dem

Grimm

sich

von optimistischen Ansichten

Jahre in späteren zu einer pessimistischen Auffassung ent^

.^k


-

42

Angesichts des wechselnden Geschicks und der häufigen Umwälzungen, von denen die Geschichte der Menschheit berichte,

Grimm

warnt

davor, eine Nation absolut über die

Zu

and'ere zu setzen.*"*

leicht verfalle der

Mensch

in

den

Irr-

tum, eine Nation, die zeitlich oder örtlich von ihm getrennt sei, als die

bessere anzusehen, weil

Einrichtungen,

man

ihre verhängnisvollen

Mißbräuche und Fehler entweder überhaupt

nicht kenne oder

doch wenigstens unter ihnen nicht zu leiden

Zu allen Zeiten und bei allen Völkern habe es gute Gesetze und empfehtenswerte Gebräuche, aber auch abergläubische Ideen und Gewohnheiten, Ungerechtigkeiten und Unglück gegeben. Le peuple est partout peuple."'^ Der Charakter einer Nation sei überhaupt zu schwer festzustellen und zu habe.

da er sich

beurteilen,

in

Manche der

wickelt habe.

der Natur

Stellen, die

d'er

Sprache, der Regie-

schwarzseherisch lauten, erklä-

ren sich, wie ich glaube, aus vorübergehender

Stimmung des journa-

Als man bei der 200. Wiederkehr der Bartho-

listischen Schriftstellers.

lomäusnacht dieses denkwürdige Ereignis mit Schweigen übergeht,

Grimm

ist

darüber so verstimmt, daß er an merkliche Fortschritte der

Menschheit nicht glauben wiU.

(1. Sept.

72 S. 50.)

„Que nous sommes

encore loin de cette reformation salutaire de nos mceurs, oü

les rejouis-

sances publiques d*une nation auront pour objet la commemoration des

grandes actions de ses ancetres,

et

leurs forfaits publics seront ex-

pies par des jours solennels d'humiliation, qui inspirent ä la nation une juste horreur

pour

les

crimes dont ses annales sont souillees!"

sonders die geringe Meinung, die Gr. von für die Menschheit hegt, verleitet ihn

dem Segen

Be-

des Christentunfö

manchmal zu Aeußerungen

einer

pessimistischen Anschauung von dem Werte der modernen Zeit und

der Möglichkeit des Fortschritts der Menschheit S.

45;

S. 389).

1.

Januar 55

S.

460;

AprU 63

15.

S.

Diderot Oeuvres VII 451 Anm.

41. 15.

15.

September 63

260;

wohl dem Jahre

Immerhin muß man

Stellung in der Frage des Pessimismus schwankt. 1.

im folgenden

Die trüben Aeußerungen, die Morf anführt (Hettner,

S. 437), gehören einer späteren Zeit an,

40.

(vgl.

Juli

68

(S.

115).

September 66

(S.

115).

6.

1772.

Aufl.

Vgl.

sagen, daß Gr.'s


_ rung, der Sitten

43

und Gebräuche und der Künste äußere, zu deren Studium

richtiger Erkenntnis ein tiefgehendes ausgedehntes

nötig

Die Charaktere der Nationen erschienen heute

sei.""'

alter-

durch den herrschenden Geist der großen Weitstädte,

diings

den Geschmack an Reisen und an der Literatur und durch den Handel ausgeglichen, aber dennoch sei in dem Charakter jeder einzelnen Nation eine gewisse Originalität zu erkennen.

Die Alten seien durch ihre Gesetze, Sitten und Religion cha-

Modernen seien es durch den esprit du theden goüt des romans, den ton des societes, die petits contes, die bons mots und- die expressions proverbiales/'^ rakterisiert, die ätre,

Grimms Altertumsstudien haben Antike entstehen lassen,

für die

in

ihm

in

eine

Vorliebe

deren Gesetzen, Sitten,

Gebräuchen, Religion, Schauspielen und Festen er Vorzüge vor der neueren Zeit erkennt/* Hier stimmt er einmal' Rousseau bei, der in den Considerations sur le gouvernement de 42.

15.

hält Gr.

März

67

für dieser

(S. 261).

Aufgabe

-- Nicht einmal Montesquieu und Mably

Er

fähig.

erachtet ihre Untersuchungen

über die Geschichte der Römer und Griechen nicht als wissenschaftliche

Forschungen, da ihnen das

All die unzähligen Einflüsse, die

beitrügen, blieben der

nachträgliche

Studium

tiefe

fehle. (15.

Dez. 66

S. 187.)

zum Glücke oder Unglücke eines Volkes

Nachwelt ewig verborgen, und deshalb seien

Untersuchungen über die Ursachen des Verfalls eines •

Volkes nur leere Hirngespinste, die allerdings genial sein könnten, sie

von einem Montesquieu stammten.

daß er schon bis zu

Ende

als Achtzehnjähriger das

Gr.

betont

es

wenn

ausdrücklich,

Buch Montesquieus von Anfang

für falsch erkannt habe, als er eben

im Begriffe gewesen,

unter der Leitung des Leipziger Philologen Ernesti in das Studium der alten Schriftsteller (15.

Dezember 66

und de^ römischen Altertümer S.

188.}

(„Je

dans Tetude des anciens auteurs direction

tiefer

einzudringen.

commengais alors a devenir protond et

des antiquites romaines, sous la

du professeur Ernesti de Leipsick, un des plus savants hom-

mes de TEurope.") 43.

Hier erkennen

wir Gedanken,

von

denen

Schaffung der „Correspondance litteraire" ausging. 44.

Februar 73

(S,

179).

Grimm

bei

der


44

Pologne (1772) einen Vergleich zwischeni den Institutionen der alten und denen der neuen Staaten anstellt, der zugunsten der Antike ausfällt. Grimm erscheint der Streit um die Antike und die Moderne, der damals Gegenstand zahlreicher Streitschriften war, lächerlich."'

Die Menschen hätten entschieden Fortschritte gemacht auf den Gebieten derjenigen

Wissenschaften, die von genauen Beobachtungen mehrerer

dem

Jahrhunderte und

Aber

hingen.

Dingen, die

in allen

und des Geistes fielen, worden. Für alle, die ben, hat

Grimm

Fontenelle,

La

Entdeckungen ab-

Zufalle plötzlicher. in

das Gebiet des Genies

Menschen nicht fähiger geModerne Partei ergriffen ha-

seien die für die

deshalb eine recht abfällige Kritik, so für

Motte, Terrasson, wenngleich er auch ihre

Verdienste anerkennt.

Vollends scharf werden seine Bemer-

kungen, wenn er durch Tagesereignisse, die seiner Vernunft zuwiderlaufen, verärgert .

für ihn

ist.

Dann

synonyme Wörter, denn

ennement

les

sind antique

hommes

ni hypocrites, ni sots, ni fripons,

rti

und sage

n'ont ete anciimposteurs."''

Skeptisch lautet auch sein Urteil über die Ergebnisse der

Die Unvollkommenheit des Menschen lasse ihn nur das erkennen, was klar zu Tage trete und mit den

Naturforschung.

Sinnen wahrnehmbar

dem Menschen

Die Mysterien der Natur blieben

sei.

verschlossen.*^

Wohl könne man

äußere Tat-

sachen beobachten, Konjekturen darüber anstellen und Mut-

maßungen darauf aufbauen, aber dadurch seien und würden die Gesetze und Triebfedern der Welt nicht erforscht. Jedes Eindringen in die Geheimnisse der Natur vermittelst der Systeme und der Spekulation sei für den nüchternen Verstandesmenschen ein reines Phantasieren, das unter der Hand eines genialen Schriftstelters Schönheiten bieten könne, die

Grimms

ausgeprägter Geschmack mit Freuden genießt. Aber Wissen sei das nicht zu nennen, weil ihm die begründete Wahrheit fehle. Charakteristisch: ist die Kritik, die Grimm ein

45. 15.

Dezember 54

46. 15.

August 65

47. 15.

März 62

(S.

455).

(S. 347).

(S. 56).

Vgl

S. 41

Anm.

39.


bei

--

'

'

der Besprechung von

45

^

'

^ ^

Rousseaus

^

Lettres ä d'Alem-

bert (1758) über dessen Philosophieren äußert, und die seine SteMlung zu dem Genfer Philosophen kennzeichnet. Des ar-

guments specieux, une foule de raisonnements captieux, de tart et de fartifiee, joints ä um eloquence male, simple et touchante, feront de lui un adversaire tres-redoutable pour tout ce qu'il attaquera;mais au milieude V enehantement et de la magie de son coloris, il ne vous persuadera pas, parce qu'tt ny a que la verite qui persuade,^^ Sein zusammenfassendes Urteil über Rousseau wie über alle geistreichen systematischen und dogmatischen Philosophen lautet: cela est tres-beau et tres-faux'' Auch gegenüber der Religion und' den Religionen

Grimm in hohem Maße skeptisch. Der Mensch ist Meinung nach nicht imstande, das Undurchdringliche, das Unergründliche, das Göttliche zu erkennen, noch weniger, es durch Dogmen zu lehren. Daraus erklärt sich die Stellung,

zeigt sich

seiner

die

Grimm

der christlichen Kirche gegenüber einnimmt.

erziehe, sagt er, die

Menschen

in

Sie

beschränkten Vorurteilen,

um

ohne Schwierigkeit eine unbegrenzte Macht über sie ausüben zu können. Ihre Organe, die Priester, hätten sich ein eitles, gefährliches Selbstgefühl angeeignet, das in der Menschgroße Verheerungen angerichtet habe. Er sieht in der Einführung des Christentums den Beginn eines Verfalls der

heit

La ndssance de la religion ehredecadence de la saine Philosophie, Le moment oü Von voit la foi etablie par toute VEurope est celui de la barbarie la plus complete de tous ses peuples.^"^ Die Religion sei eine Sache des Gefühls, des Glaubens und nicht des Wissens, also nicht geeignet, die Menschen abendländischen Völker.'^ tienne est Vepoque

de

la

einem aufgeklärten und klugen Volke, also erst nach einer verständigen^ Erziehung, könne die Religion die Ouelte der Tugenden werden. Daß dieses noch nicht aufzuklären.

48.

1.

Nur

bei

Dezember 58

(S. 54).

49. Vgl. Gr.*s Stellung 50. Vgl. S. 41

51.

1.

Anm.

Januar 55

zu Rousseau

39.

(S. 460).

S.

114

Anm.

66.


46

--''il-f

'

'

'

'

erreicht

sei, sei

daraus ersichtlich, daß trotz großer Anstren-

gungen und Bemühungen, und obwohl' es an bedeutenden Männern nicht gefehlt habe, sich die modernen Völker noch nicbts von der Größe und Erhabenheit in Wort und Tat er-

worben

hätten, die die Alten auszeichneten.^^

La

necessite

de suhordonner tont aux maximes d'une religion enthoiisiaste fait disparaitre toiis les gratids principes, a extermine la

a

Philosophie pendant des siecles, et s'oppose depuis sa renaissance, de toutes ses forces, ä ses progres,^^

Der Geist des EvangeMums

sei nicht

Prinzipien einer guten Regierung, da die

vereinbar mit den

von ihm gelehrten

Tugenden, die Demut, der Glaube, die Hoffnung, die Kasteiung nicht für das irdische Leben geschaffen seien. Das Evangelium und seine Lehren seien für Enthusiasten bestimmt

gewesen, die sieb

freiwillig allen

Forderungen ihrer Religion

Als solche hätte sie überall geduldet werden können, ohne daß von ihr eine Gefahr zu befürchten gewesen wäre. Durch den Ehrgeiz ihrer Priester jedoch sei die christliche Religion, obgleich^ ihr eigener Stifter zu ihrer

unterworfen hätten.

Grundlage

die

Demut, das Leiden,

die

Armut,

die

Vergebung

bestimmt habe, zur hochmütigsten, verwegensten-, unversöbn-

und

licbsten

intolerantesten^

von

allen

geworden.

Durch

die

Herrschaft der Geistlichen, die ihre Macht auf der Dummheit dtes Volkes gegründet hätten, sei eine allgemeine Degradation der Geister entstanden, eine Folge jenes verhängnisvoflen, gleichmäßigen Erziehungssystems, das wohl dazu geeignet

gewesen

sei, ein

Volk von Mönchen, aber nicht von Männern

zu schaffen."

Sogar der christlichen Nächstenliebe weiß Grimm nachzusagen, daß sie manche Schäden im Gefolge habe.'^ Sie zu sei nicht eine Ouelle wahtrer Wohltätigkeit, sondern führe einem Ziele, das direkt staatsgefährlich werden könne. Ab52. 15.

April 63

53. 15.

September 63

54.

15.

April 63

55. 1. Juni

63

(S. 260).

(S. 389).

(S. 263).

(S. 303).


.,..,.,,.

47

-

' '

'

'

M

gesehen von den vielen Mißbräuchen, welche die katholische Kirche dulde,

um

unter

dem Decknamen

der Nächstenliebe

ungeheure Reichtümer und Macht in ihre Hände zu bekommeni, seien es besonders jene

frommen Gründungen und

reli-

giösen Anstalten, von denen die größte Gefahr zu erwarten

und

sei,

die

trotzdem bei der Naivität und Leichtgläubigkeit

des Volkes in der größten Achtung ständen.

Grimm

Einrichtungen läßt

die

Als nützlüche

Waisen- und Findelhäuser und

allenfallis

noch die Invalidenhäuser gelten, obgleich er es

ber sähe,

wenn man

in

Freiheit bei

lie-

Invaliden die Unterstützung des Staates

ihren

Angehörigen genießen

ließe.

Andere

Anstalten der öffentlichen Wohltätigkeit, die nur dazu bei-

im Volke Gefallen an Verschwendung und NichtsAbneigung gegen Ehe und häusliche Sorgen zu nähren und dadurch ein geordnetes Staatsleben zu untergraben, solle trügen, tuerei,

man

niederreißen.

Grimm

glaubt ein besseres Mittel zu sehen,

die Bedürftigen zu unterstützen, ein Mittel, das erst die sozi-

alen Bestrebungen der neueren Zeit wieder

ben:

man

gebe den

Armen

aufgenommen haund Gele-

reichlich Beschäftigung

genheit, sich selbst ihren Lebensunterhalt zu verdienen, da-

mit

sie

vor allem eine geistige Freiheit genießen können.

Die katholische Kirche, die vor keinem Mittel zurückscheue,

um

ihre

Macht durchzusetzen,

aller geistigen Freiheit.

sei die

Grimm bekämpft

alle

ärgste Feindin

Einrichtungen

d'er Tradition am meisten geheiDie Sorbonne und die von ihr vertretenen Anschauungen von Paradies und Holte verspottet er bei Gelegenheit

dieser Kirche, selbst die von

ligten.

der Besprechung von Marmontels

Roman

Betisaire (1767Y^

den die Kirche für gefährlich hielt und die Sorbonne^ dieses Corps le plus meprisable du royaume, verfolgte. Wenngleich

Grimm vom muß, so

künstlerischen Standpunkt den

Roman

ablehnen

den Verfasser Partei im Kampfe gegen die kirchliche Behörde, cet illustre corps, mi-partie de sots et de fripons. Die Verbannungvder Jesuiten aus Frankergreift er

doch

für

56. 15. (S. 419).

April 67

(S.

289); 15. Juni 67 (S, 337); 15. September 67


^8

-

reich im Jahre 1762'" bedeutet für

zur Herrschaft der Vernunft. sellschaft sieht er aber nicht

und ähnlichen Taten,

die

'

'

Grimm

einen Fortschritt

Das Verderbhche dieser Gein dem Attentat auf den König

das Parlament zu seinem Beschlüsse

veranlaßten, sondern in ihrem maßlosen Ehrgeiz und ihrem

Verfolgungsinn.

-^ Eine man

glückliche Zukunft stehe nur dann zu erwarten,

Der Glaube

sem eines anderen sein dürfe. für

wenn

allgemein anerkenne, daß niemand Herr über das Gewiseines

den Staat nicht das geringste Interesse,

sei

Bürgers habe vielmehr eine

Privatsache. Erfülle der Staatsbürger als solcher der menschlichen Gesellschaft gegenüber seine Pflichten, so

Anrecht auf den Schutz der

Gesetze."''

Daß

ein

habe er ein Herrscher

und ihren Anhängern besonGnadenbezeugungen und Begünstigungen zukommen häk Grimm für sehr natürlich, da eine vollkommene

seine eigene Religion bevorzuge

dere lasse,

Unparteilichkeit

Aber

alle

außerhalb

der

Kraft

des

Menscheni hege.

Staatsbürger müßten Sicherheit der Person und des

Besitzes verlangen können, gleichgültig

welchem Glauben

sie

huldigten.

Immer wieder führt Grimm mit scharfen Worten den Kampf gegen die kirchliche und priesterliche Intoleranz, der an sich nicht intolerante christliche Religion gegenüberstellt.'' Deshalb m^üsse der Kampf weniger gegen das Christentum als gegen das Priestertum geführt werden, dessen er die

\nsehen erst verloren genen werae, wenn ueiii Volke eine vernünftige Erziehung zuteil werde, und bisweilen glaubt er Erfolge zu sehen, die ihn auf eine bessere Zukunft hoffen lassen. /; est impossible que cette reclamation continuelle ^de ravocat du ^enre humain (Voltaire) ne remporte, du moins

aupres de la generation suivante, sur les crisi d'm clerge superstitieux et fanatique,'^ Die heftigen Angriffe auf kirch57. 15.

April 62

58. 15.

März 63

59. 15. April

60.

L

Juni 68

56

(S. 72).

(S.

291) und 15.

(S. 212).

(S. 94),

März

56

(S. 193).

Vgl. S. 6S.


liehe

49

Mißbräuche erscheinen ihm

Erscheinung des

Revolution voraussehen

den Revolution

sei

als

eine charakteristische

Jahrhunderts, die eine unvermeidliche

18.

ließen.^^

Frankreich.

Der Herd dieser befreienSie werde gegenüber den

vorhergehenden den Vorteil haben, unblutig zu verlaufen. Das Feuer aber glimme auch in anderen Ländern und flamme auch dort schon seit einigen Jahren lebhaft auf.^' Tüchtige Vorkämpfer für die Toleranz seien die Refor-

matoren gewesen, welche die geistige Macht der Priester bekämpft und dadurch die Grundsätze einer gesunden Philosoinsbesondere die Forderung der völligen Gewissensund Glaubensfreiheit verkündet hätten. Den Protestanten phie,

fehle der

Hochmutsdünkel' der unfehlbaren Erkenntnis, der die

katholische Geistlichkeit zu so unzähliigen Abscheulichkeiten

Grimm

verleitet habe.

der Behauptung

tritt

Suards,

des

Redaktors des Journal etranger, daß die Reformation infolge des vielen Blutvergießens der Menschheit

mehr geschadet

La multitude

est plus eclairee,

als genützt habe, entgegen.^^

plus sage, plus heureuse dans un pays Protestant que dans

un pays catholique. Speziell in der Erziehung des Volkes erden protestantischen Ländern große Fortschritte

blickt er in

gegenüber den katholischen.^* Januar 68

61.

1.

62.

Wenn Grimm

Umwälzung,

falls

aufsteigen sollten

(S.

13).

andererseits

(1.

Januar 70

S.

432) die glückliche

im Süden und im Westen noch einmal dunkle Wolken und der Aberglaube

sich verdichten soHte, aus

dem

Osten und Norden erwartet, wenn er ebenda die Befürchtung ausspricht, Frankreich sei

im schnellen Sinken, während

die östlichen

nördlichen Völker einem Aufstieg entgegengingen, so kann

man

und

diesen

Widerspruch aus einer Verstimmung Grimms und aus seinem Wunsche erklären, den Herrschern dieser Völker, insbesondere der Kaiserin tharina, etwas Schmeichelhaftes

als

Mai 62

63.

1.

64.

Man

Ka-

zu sagen.

(S. 83).

kann wohl manche von Grimms Aeußerungen dieser Art

Kompliment

für seine meist protestantischen

Immerhin geht doch aus allem hervor, daß

er

Abonnenten

dem

auffassen.

protestantischen Be-


— Doch

50

ihm auch der Protestantismus zu konventionell,

ist

zu wenig auf wahrer Erkenntnis aufgebaut, als daß er selbst

ihm angehören könnte.'' der Natur und sucht

Er bekennt sich zur reinen Religion

Entwicklung auf natürlichem ohne Wunder zu erklären. Mit Hilfe der Elemente,

Wege

alle

durch ihre verschiedenen Kombinationen und die verschiedenen Einflüsse, die auf sie einwirkten, entstehe alles

und werde wiederum sondern

terie,

Es gebe keine

alles zerstört.'®

Materie lebe und wirke. Freilich

alle

tote

ist

Ma-

es auch

ihm nicht möglich, Schöpfung und Entwicklung in ihrem Geschehen deutlich zu erkennen, und er scheut sich nicht, sein Nichtwissen einzugestehen.

Schöpfer der Welt

ist für

Grimm

allein die

Natur, nicht

vollkommenstes Wesen, das niemand wahrneh-

ein höchstes,

meni könne und dessen Existenz nur durch Systeme und Dog-

men

behauptet werde, die wiederum auf

Wahrscheinlichkeiten,

Er verwirft taire

darum

die

nicht

Annahme

aber

einer intelligence supreme, die Vol-

als Schöpferin des

Universums fordern zu müs-

sen glaubte, weil die Welt ein gewaltiges alle

übrigen

Werke

Mutmaßungen und

auf Wahrheiten beruhten.

Werk

sei,

das wie

einen Werkmeister erheische.

Einen unwiderlegbaren Beweis für die Existenz Gottes kenntnis den

Vorzug vor dem katholischen

gibt.

Es

zeigt sich hier

wie auf anderen Gebieten eine Nachwirkung von Grimma Abstammung

und Erziehung.

Er war bekanntlich der Sohn

eines protestantischen

Pfarrers. 65.

1.

August 67

66. Gr's

(S. 381).

Ueberzeugung erinnert an

die atomistische

Philosophie

des Demokrit und seiner Nachfolger und weist auf moderne Entwicklungstheorien.

Man

darf Gr. nachrühmen, daß er auf

dem Gebiete

der

Naturwissenschaften über Kenntnisse verfügt, die ihn in den Stand setzen,

selbst die naturwissenschaftlichen

Anschauungen eines Buffon

und Bazin zu bekämpfen und zu widerlegen.

(1.

Aug.

67. S. 381).

Hierin zeigt sich wohl der große Einfluß Diderots auf seinen Freund, der besonders in der Lehre von der belebten Materie klar zu Tage (Vgl. Hettner,

1.

c.

S.

312

ff.)

tritt.


-

51

^

würde Grimm dari-n sehen, daß alle Menischen einem gemeinsamen und der Menschheit nützlichem Ziel zustrebten und

Dann gäbe das den Menscheni Erreichbare.^^

keine Arbeit diesem Ziele entgegengesetzt wäre."'

Grenze mehr

es keine

für

Eine einheitliche, gewaltige Arbeit aller Glieder der Mensch-

würde unfehlbar

heit

schließen

auf

Mühsal und Arbeit,

viele

die

nicht direkt entgegen, so

gend

eine

leitende

höchste Intelligenz

Die Wirklichkeit zeige jedochi- unzählig

lassen.

dem

allgemeinen Nutzen,

wenn

doch wenigstens nicht vorteilbrin-

sei.

Entgegen der Meinung Voltaires befürchtet Grimm keine Demoralisierung für den Fall', daß sich die Annahme des

supreme

]^tre

Er sucht Voltaires An-

als unhaltbar erweise.

daß der Gottesglaube ein für die Menschen und besonders für die Fürsten nützliches und notwensicht zu widerlegen,

diges

Fand

sei.''

Die Geschichte der heidnischen und christ-

Mark Aurel und

eines Ludwig XL, sind ihm Feweise diafür, daß Moral und Gerechtigkeit von der Religion und speziell dem Glauben an die Existenz Gottes unabhängig seien. Wohl erkennt er, daß die Furcht vor den Göttern und die damit verbundenen religiösen und abergläubischen Zeremonien dazu beigetragen hätten, wilde Völker zu zähmen und zu zivihsieren, und achtet daher Moses, Numa, lichen Könige, eines

Mahomed,

Diderot

die

Aberglaubens

in

einem Artikel

als geniale

verurteilt,

Deshalb mögen

schen Horden.

als

Förderer des

Führer solcher barbari-

religiöse Einrichtungen

Zeremonien dazu dienen, eine unerzogene Masse zu

und

diszipli-

nieren, solange es ihr an tieferem Verständnis für die Sitt-

August

1.

68.

Auch im praktischen Leben würden

sicht

67.

57. (S. 384).

gewaltige Leistungen ergeben.

„II

sich

dann nach Gr's An-

reussirait

ä la longue a se

rendre maitre des Clements, a changer les climats, ä demolif les montagnes, ä creuser des canaux, ä etabUr des Communications entre tous les fleuves, ä la

rendre

le

chemin

d'ici

route de Paris ä Lyon." 69. Vgl.

im folgenden

S.

54,

ä la Chine par terre aussi facile que


Kchkeit gebreche.

Ein

^

5^

zivilisiertes

Volk aber gebrauche

sie

nicht;°

Einen praktischen in

Wert

für

das Leben vermag

Grimm

der Religion nicht zu sehen, da sie kein bien necessaire ä

la conservation

de

Er unterscheidet zwischen

la societe sei/^

der Moral einer Religion und den Sitten eines Volkes, von

denen die erstere sich rein auf das Jenseits beziehe und darum allem irdischen Leben fremd und abgewandt des älteren Mirabeau, daß alle

sichit

Religion schrieben. Feinde der öffentlichen

der

Subordination

Grimm

unter

das

ner eines Kultus seien les

Ordnung und

hommes

je-

wären,

tritt

die entschiedensten

Geg-

Staatsregiment

Gerade

scharf entgegen.

Der An-

sei.

welche gegen die

die,

les plus respectables

par

leurs principes et par leurs mceurs, les personnages les plus

graves de VEtat, par Venergie de leur äme, par

la

sagesse de

leur conduite.

Das wahre Fundament

der praktischen Moral und Ge-

rechtigkeit sei die Gleichheit des Menschenischicksals

Unsicherheit seines

Das

Gltücks.'^^

und

die

eigene persönliche Inter-

esse zwinge den Menschen, die Sittengesetze zu beobachten. Nul ne peut lutter seul contre tous: voilä la source de toutes

ms

vertus; voilä la veritable sanction des lois sociales et 70.

Einen g^ewissen Wert für die Künste will Gr. der Religion und

besonders der christlichen Religion nicht absprechen. durch, daß sie

Menschen

in fesselnder

und der Dichtung wertvoUe 71.

1.

Dezember 57

Diese habe da-

Lebenslage zeige, der Malerei

Stoffe geliefert.

(S, 448).

Gr. erkennt allerdings einen gewissen

Einfluß des Mythologischen einer Religion auf den Geist und Charakter einer

Nation an: „Une mythologie remplie de charme

donnera ä un peuple des images et

riantes,

et

de po6sie

des spectacles pleins de goüt

de noblesse; une mythologie qui imprime ä Theroisme un caractere de

divinit^ entretiendra

de Pesprit

et

dans un peuple

la

grandeur des

du courage; une mythologie basse

notre orgueil ä souffrir, pour

Tamour de Dieu

et

et

idees, T^l^vation

ignoble qui mettra

pour notre

salut, Tavi-

lissement, Pignominie, la servitude, aura ä la longue les plus sinistres

influences sur Pesprit des peuples." 72. 15.

Oktober 67

(S.

451).


-

-

53

poUtiques conformes au genie de

Da

Vhomme.

diese Bezie-

hungen gleichen Schicksals und gleicher Lebensbedingung zwischen Menschen und Tieren nicht beständen, gelte hier auch ein anderes moralisches Empfinden/'

im Belieben der Menschen, sen,

die

Tugend zu

Es

das Laster zu achten oder zu verachten.

des Moralgebäudes

sei

stehe nicht

lieben oder zu has-

Die Basis

der natürliche Zwang, gerecht und

tugendhaft zu sein.

Die Macht durch

Le

die

sittlicher Gefühle werde in dem Menschen Achtung vor der autorite paternelle geweckt.'*

des familles, Vamour

lien

filial,

la tendresse paternelle,

V attachement domestique,

le respect qu'on porte au chef et Vamour, la honte, la justice de celm-ci envers tout ce qui est soumis ä son autorite, les droits de la

au pere de

famille,

parente respectes, Vinteret

ceux qui

commun de

la famille

animant tous

composent: voilä ce qui forme les mceurs publiques Von dem Gedeihen und Wohlstände der einzelnen Familien hänge das Glück und Wohlergehen des Staates ab, la

d'une nation.

der auch nichts anderes als eine große Familie

sei.""

Eingehend beschäftigt sich Grimm daher mit Fragen der Erziehung.'' Er verlangt eine aufs praktische Leben zielende Erziehung zur Tugend und Rechtschaffenheit, die sich auf Beispiele des täglichen

Lebens zu stützen

hat.

Er

verwirft Unterweisungen in den Prinzipien der Religion, Er-

klärungen ihrer 73.

Dogmen und

Mysterien.

Diesen Kontrast zeigt Gr. an

dem wohlgelungenen

der Jagd auf ein edles, unschuldiges Tier, die essantes Schauspiel

und Vergnügen

biete,

Bei solchen Unter-

dem Menschen

während

Beispiel ein inter-

die Verfolgung einer

Mutter mit ihren Kindern durch eine Hundemeute entgegengesetzte Gefühle auslösen würde. 74.

1.

75.

Es

Juni 63 (S. 301). ist

bemerkenswert, daß Gr. eine so hohe Anschauung von

der Familie hat, daß er sie als Grundlage alles staatlichen Lebens betrachtet,

obwohl

er selbst sich nie hat entschließen können, eine^Familie

zu begründen. Vgl. 76. 15.

S.

39

Februar 55

Anm.

33.

(S. 492).


54

man

Weisungen habe beschäftigt,

wofür

durch habe

man

die Kinder bisher nur mit

ihr

Abstraktem

Verständnis nicht ausreiche, und da-

genommen.

ihnen von vornherein die Lust zum Studium Bevor man zu ihnen von der Liebe zu Gott

spreche, solle

man

Es müsse dem

ihnen die Liebe zu den Menschen predigen.

Menschen überlassen bleiben, den Weg Da Moral und Religion voneinander unabhängig seien, da man ein tugendhafter Mensch und guter Staatsbürger sein könne,'' auch ohne Christ zu sein, während andererseits zahlreiche Christen in dem törichten Glauben lebten, daß es ihnen ihre äußere Frömmigkeit reifen

zur Religion selbst zu finden.

de se dispenser de toutes les vertus et de mettre de vaines et indifferentes pratiques ä la place des devoirs les plus importants et les plus sacres, so verlangt Grimm, daß gestatte,

der Erzieher nicht damit beginne, den Kindern den Katechisder Religion in die Hand zu geben, sondern sie erst le

mus

catechisme de thumanite et

le catechisme de la societe lehre.'' Erziehungsmethode in 15 Paragraphen zudenen er die Rechte und Pflichten der Menschheit

Grimm

stellt

seine

sammen, in und der Gesellschaft sowie

die Gesetze lehrt.'' Eine solche welthche Erziehung, die den Fortschritt der Wissenschaft sich zunutze machen müsse, dürfe natürhch

den Händen von Geistlichen,

nicht in

Geistlichen liegen.''

speziell

katholischen

Un

des plus cruels fleaux dont une nation nisse efre affligee,cest sans contredit de voir Veducation de la jeunesse entre les mains de moines avilis par une servitude d'esprit cent fois plus outrageante

du

Der

Corps.

blicken, die die

pour Vhonneur que

celle

klösterliche Geist verschließe sich den

Aus-

Wissenschaft gewähre, und

gerichet, Aufklärung

und Wissen von

sei stets

dieser

darauf

Welt zu ver-

bannen. In

protestantischen Ländern,

77. Vgl.

S.

78. Vgl. S.

79. 15.

80.

1.

51.

52

Anm.

Februar 55

März 62

(S.

71. (S. 496).

50).

in

denen

die

Erziehung


— nicht in den

55

Priester liege, verwende

Händen der

man

weit

größere Sorgfalt auf sie, und der Erfolg zeige sich denn auch Besonders in dem größeren Wohlstande dieser Staaten. Preußen unter der klugen und glücklichen Regierung Friedrichs

Grimm

ist für

II.

Gedankenfreiheit zutage

sei.

in

dem

der Vorteil: der

Hier gebe es eine Erziehung,

trete.

dem Wesen des Volkes und des

Art und

die der

gepaßt

das Land,

Hier hätten die Grundsätze der Liebe

Staates an-

zum

Vater-

Ehre und des Heldenmuts Geltung. Grimm beschäftigt sich auch mit Unterricbtsfragen und

lande, der

stellt

mehrmals Unterrichtspläne auf, die uns fast modern Das Konkrete, das für das praktische Leben Ver-

anmuten.

Gegenstand des Unterrichts sein."' Das Studium der alten Sprachen solle durchaus nicht aufgegeben, vielmehr gleich in der frühesten Jugend getrieben werden, wo der Mensch am mühelosesten aufnehme. Aber dieses Studium solle nicht Selbstzweck sein, sondern zur Kenntnis der antiken Literatur, des antiken Lebens und Geistes wertbare solle

in

erster Linie

damit der zu Unterrichtende aus dieser Kenntnis Dazu seien Lehrer

führen,

heraus Gewinn für die Gegenwart ziehe.

und Geschmack erhabenen klassischen Kunstwerke be-

erforderlich, die tiefes Verständnis der Antike

und Gefühl

für

die

säßen.''

Metaphysik und Logik, wie sie die mönchischen Schulen trieben, schaltet Grimm ganz aus. Erstere eigne sich überhaupt nur für das reifere Alter, und letztere solle auf praktischem

Wege

durch vernünftige Uebungen der Geistesfähig-

keiten gelehrt werden, da ein theoretischer Unterricht in der

Logik nur eignet

Papageien

und

Pedanten hervorzubringen ge-

sei.

Eine Hauptforderung Mai 62

80)

und

aller

81.

1.

82.

Daß Grimm von einem

(S.

1.

Juli

Aufklärer, der sich 64

(S. 23).

Unterricht in den lebenden Sprachen

nicht spricht, dürfte leicht verständlich sein,

das Französische damals noch ratur

allein die

und der Gesellschaft war.

Grimm

wenn man

bedenkt, daß

Sprache der Politik, der Lite-


56

und mit der Natur und die Uebung in Handfertigkeiten (l'etude de la nature et des Bei solchen Uebungen werde auch der arts mecaniques). Körper mehr zu seinem Rechte kommen. Pflege des Körpers anschließt, ist die Beschäftigung in

sei

wesentlicher Teil einer vernünftigen Erziehung.

ein

est hors

de doute que

la vigueur et Vagilite

du corps

et

//

de

ses organes ont une influence considerdble sur les facultes de

räme.

Wunsch

Sein steter

Unterrichts in

gen dans

ist

es,

daß mit Ausnahme des alle anderen Uebun-

Grammatik und Sprachen dans

les lieux püblics,

les

promenades, dans

les

champs, dans les ateliers getrieben würden. Wenn Rousseau in den Considerations sur le gouvernement de Pologne^^ auf den hohen Wert der körperhchen

Wohl

Uebungen der Jugend

für

das

Menschheit

so

empfiehlt

hinweist,

Gedanken

diesen

des Staates und der

Grimm

allen Jugenderziehern.

nachdrücklich

Le goüt des exer-

cices corporels detourne d'une oisivete dangereuse, des plaisirs

effemines et du luxe de Vesprit: cest surtout ä cause de

täme

quil faut exercer le corps. 'In

Einzelheiten

Rousseaus, wie er

Grimm wohl mit Ansichten und besonders natürlich im Emile

stimmt

sie hier

Im allgemeinen jedoch hat der nüchVerstandesmensch Grimm, dessen Erziehungsmethode

(1762)'* äußert, überein.

lerne

auf der Kenntnis der menschlichen Gesellschaft und des prak-

Lebens aufgebaut ist, für die poesievollere Ausgestaltung dieser romanhaften Erziehung wenig Verständnis. Wer v.ie Rousseau die Rückkehr zum Naturzustand predige und die Gesellschaft für konventionell und naturwidrig erkläre, wer sich so über alle Realitäten hinwegsetze und einem geistder kann nach reichen, aber unwahren Systeme folge, tischen

Grimms Ansicht keine für die menschliche Gesellschaft brauchbaren Mitglieder erziehen. Er hält es für durchaus unzweckmäßig, fern von den Menschen die aufwachsen zu lassen, 83.

Februar 73

(S, 181).

62

(S. 99);

84. 15. Juni 1.

September 62

(S, 148).

1.

JuU 62

(S.

109);

15.

Juli

62

(S.

121);


welche bestimmt seien,

in

-

57

der menschlichen Gesellschaft ihr

Leben zu verbringen und ihren Platz zu behaupten. Eine besondere Bedeutung legt Grimm entsprechend dem Standpunkte seiner Zeit der Prinzenerziehung bei, die ausschlaggebend

für das Gliück der Völker

Er, der selbst

sei.

an der Erziehung der Erbprinzen von Sachsen-Gotha und

Hessen-Darmstadt

Seine erste Forderung

erben

war,

beteiligt

Ratschläge zu geben, die

man

ist die,

in aller Oeffentlichkeit

ist

auch hier im Stande,

als vortrefflich

daß

die

vor sich gehe, da die Völker ein be-

sonderes Interesse daran hätten zu wissen, ihr Schicksal in

bezeichnen kann.

Erziehung von Thron-

Zukunft hegen

in

wessen Händen

Bei der

werde.^*^

Wahl

dfes

Erziehers dürfe nur Ehrenhaftigkeit und persönliches Ver-

Um

Vorzüge und Schwächen seines Volkes kennen zu lernen, müsse der junge Prinz möglichst vom Hofe entfernt werden. Nur so könne er Liebe und Achtung für Menschen jedes Standes und jedes Ranges gewinnen. Frühzeitig müsse er daran gewöhnt werden, daß seine hohen Pflichten viele Opfer von ihm verlangen, und

dienst entscheidend sein.

es sei

die

Aufgabe des Erziehers, den Geschmack und die Leidendem Prinzen von Natur gegeben seien, für die

schaften, die

Allgemeinheit vorteilhaft zu die

man

Auch

entwickeln.

die

Moral,

ihn zu lehren habe, sei nichts anderes als la probite,

la vertu, ce principe divin

developpe par

grave dans

la sagesse, perfectionne

le

cceur de

par

(komme,

la societe, prin-

cipe qui a existe avant tonte religion, et qui ne perira qu'avec la nature

humaine.

Das wahre Elementarbuch

der Erziehung solle für den

Fürsten die Geschichte mit ihren Beispielen zeige,

sein.''

Diese

daß diejenigen Prinzen die besten Fürsten geworden

seien, die nicht auf

dem Thron

oder doch wenigstens nicht

Thron geboren seien, da die Verdann zu großen Taten gezwungen hätten. Da

auf einem allzu sicheren hältnisse sie

es unmöglich 85. 15. 86,

1.

sei,

einen Prinzen in völliger Unkenntnis über

November 55 Juli 67

(S. 123).

(S- 351).


58

seinen Stand und seine Rechte zu erziehen,

das Idealste

hält,

so solle

man

was Grimm

für

durch Beispiele und Uebung

ihm die Bedeutung seiner Pflichten und der ihm auferlegten Bürde nahebringen. Auf praktischem Wege solle man auch die Fehler des jungen Prinzen korrigieren, indem man ihm Gelegenheiten verschaffe, seine Mängel und ihre Folgen selbst zu erkennen.

Auch von der Erziehung

der Fürsten wünscht

Grimm

die

Priester gänzlich ausgeschlossen' zu seheni, die so leicht ei-

gennützige Ziele verfolgten.

Die geistliche Erziehung, die

kein Gefühl der Größe, des Patriotismus und des

Ruhmes

verhängnisvolle Folgen

gezeitigt.

aufkommen lasse, habe viele Es ^erscheint Grimm deshalb nicht verwunderhch, daß die großen Männer seit zwei Jahrhunderten aus dem protestantischen Norden gekommen seien.^' Als nachahmenswertes Beispiel für alle Fürsten, das bessere und dauerndere Wirkung als alle Lehren haben werde, führt Grimm den Charakter und die ruhmreichen Taten Friedrichs des Großen an.^^ 87. 15. April 63 (S. 264). 88.

Es

ist

schon im vorhergehenden

(S. 10)

gesagt worden, daß Gr's

Lobeserhebungen aus geschäftlichen Rücksichten die Farben etwas stark auftragen, jedoch ist nicht zu verkennen, daß auch wahre Sympathie mit

dem

aufgeklärten Herrscher, der denen, die

um

ihrer

Meinungen

willen

verfolgt wurden, Schutz und Zuflucht war, unserem Autor die Feder führte.


IV

Grimms Stellung zur Geschichtswissenschaft und zu politischen und sozialen Fragen

In der Correspondance litteraire nehmen die Besprechungen von geschichtlichen Werken und Schriften, die sich mit

den Fragen der Politik, der Gesetzgebung, des Handels, des Wirtschafts- und sozialen Lebens beschäftigen, einen breiten

Raum

ein.

Die Bedeutung dieser Fragen und der

schaftlich geführte Streit

um

oft leiden-

sie charakterisieren die zweite

Hälfte des 18. Jahrhunderts, an deren

Ende

die große

Um-

wälzung des politischen und gesellschaftlichen Lebens Frankreichs steht. Die Correspondance litteraire gibt uns in den 20 Jahren, in denen Grimm die Redaktion leitet, ein getreues Spiegelbild dieser inneren

Bewegung. Interessant sind auch Bemerkungen, die den Stempel der eigenen Ansicht des Verfassers tragen und über die Kritik des

hier die allgemeinen

Einzelnen hinausgehen.

Besondere Anerkennung muß man Grimm diafür zuteil werden lassen, daß er vor den fürstlichen Abonnenten mit der größten Offenheit diese gefährlichen

Grimm

Themen

bespricht.

bedauert,^ daß den Fürsten meist die

Wahrheit

verschlossen bleibe und daß sie sie von der Lüge und Schmeichielei

so wenig unterscheiden lernten.

Ihm

sind jene höfi-

schen Kriecher verhaßt, welche die wichtigen Fragen der Geschichte und Politik nur in der Absicht behandelten, der 1.

15.

Januar 71 (^239).


-

60

-

Persönlichkeit ihres Herrschers oder seiner

Ahnen KompH-

mente zu machen und seine Eitelkeit zu ihrem Vorteil auszunützen. So oft ihm derartige Fälle übertriebener Ergebenheit begegnen, geißelt er

sie

dem

mit

schärfsten Spott/

Mustergültig in Bezug auf Wahrheitsliebe in der Be-

trachtung der Politik, und Geschichte Altertum.

Die

alten

Historiker,

Grimm

erscheint

Thucydides,

das

Polybius,

Plutarch, Sallust, Livius und Tacitus, seien vorbildlich und

nachahmenswert, da gleich,

die

sie,

Philosophen und Staatsmänner zu-

Geschichte der Menschen, der Handlungen und

umso

Sitten studiert hätten, denen sie

vermochten, als

ung kannten."

sie

gerechter zu werden

das öffentliche Leben aus eigner Anschau-

Sie hätten selbst an den Staatsgeschäften

teil-

genommen, von Liebe zum Vaterlande erfüllt, vom Freiheitsgeiste ihres Volkes durchglüht, während die modernen Historiker, abgeschlossen

vom

Staatsleben, als Pedanten und

gelehrte Schwätzer über die Tatsachen diskutierten und sie

zu

Romanen verarbeiteten, ohne sie mitzuerleben. Das erste große Ziel der Geschichtsforschung

müsse eine objektive Darstellung der reinen Wahrheit sein. müsse deshalb die Berichte aller Zeugen und alle vorhandenen Zeugnisse einander gegenüberstellen und aus ihnen die Leidenschaften, die Unzuverlässigkeit, das Vorurteil- und Sie

den Irrtum nach Möglichkeit ausschalten,

um

die

einwand-

Nur so ergäben sich die Ereignisse, welche die Form der Erde und das Geschick der Völker verändert hätten, in ihrer wahren Gestalt; nur so

freien,

2.

nackten Tatsachen zu erhalten.

Gr. übt eine harte Kritik an einer unwürdigen, schmeichle-

rischen Beschreibung des Einzugs der französischen Königin in La

Fert^-sous-Jouarre im Jahre 1765, deren Verfasser er als „empoisonneur public" bestraft wissen möchte.

„Si vous trouvez un pays

oü un homme

qui ecrit de telles bassesses soit traite en criminel de lese-majeste et con-

amende honorable devant

damn^ ä

faire

honorer

les fastes, dites

Sept.

que ce pays

l'hotel

de

est habite

68 S.185), 3- 15.

Mai 54

(S.

355) und

1.

Mai 55

ville

dont

il

a ose des-

par des hommes."

(S. 19).

(15.


M man

gelange

durch

zu einer Erkenntnis jener Persönlichkeiten, die

Tugenden oder wenigstens durch Aufmerksamkeit oder die Huldigungen

ihr Genie, ihre

Eigenart

die

der

Einem ernsten und erhabenen Genie

Menschheit verdienten.

müsse

ihre

dann vorbehalten sein, hieraus die große Geschichte der Sitten und Charaktere, der Künste und Arbeiten des es

menschlichen Geistes zu schreiben.

Von diesem Standpunkte aus stoire

de Charles

werk, weil es ter

XU

in seiner

des Helden

betrachtet

Vo

(1731) des

1

1

a

1

Grimm

r e* als ein

die Hi-

Meister-

maniere legere et hardie den CharakPunkten trefflich kennzeichne, wenn

in allen

Im

auch einige Tatsachen

entstellt

allgemeinen jedoch

auch dieser größte Zeitgenosse seiner

ist

oder direkt falsch seien.

Ansicht nach nicht zur Geschichtsschreibung geeignet. echter Historiker

was aber

müsse

alten Fehler Voltaires ausschlössen, nämlich

die

sa negligence, sa hardiesse,

Ein

jedem Sujet anpassen können,

sich

peu de soin

le

qu'il

prend, ou Virn-

de finir et de perfectionner ses ouvrages. Voltaire verkenne auch den hohen Wert der Detailschilde-

possibilite

il

est

rung für die Erkenntnis der Kultur, der Sitten und Gebräuche einer Zeit. fen, die

Seine gesunde Satire

sei

vielmehr dazu geschaf-

Geschichte der Dummheiten des Menschengeistes zu

schreiben, also eine Kirchengeschichte, die an sottises

humaines überreich

monaments des

sei.

Dieselben Fehler wirft er ihm besonders bei der Bespre-

chung der Annales de V Empire (1754)' und der Histoire de Vempire de Russie (1760)^ vor, die er beide als Geschichts-

werke nicht hoch einschätzt und weit hinter die Werke der Autoren zurückstellt, je suis tonjours d'avis que M. de Voltaire na point de vocation pour ecrire Vhistoire, ist

antiken

sein endgültiges Urteil.''

Dasselbe Urteil 4.

15.

Mai 54

(S. 358).

5.

1.

März 54

(S. 324).

6.

1.

u. 15.

7. 15.

Grimm auch

fällt

und

November 60

November 60

1.

(S.

Mai 55

308

(S. 310),

über dasjenige

Werk

(S. 20).

u, 310); 15.

Mai 63

(S. 288).


dem

Voltaires, das seit 1769 unter et Vesprit

Werk

des nations bekannt

für eins der

Titel Essai sur les

ist/

Und doch

Von

und Schwä-

einzelnen' Fehlern

Grimm

der Darstellung der Geschehnisse sieht

in

moeurs

hält er dieses

bedeutendsten nicht nur Voltaires, sondern

der gesamten Literatur.

chen

62

gern

ab und erblickt das unschätzbare und unsterbliche Verdienst dieses

wiesen

Werkes sei,

darin,

man

wie

flambeau de

daß hier zum ersten Male der

Weg

ge-

dem Celeste Grimm erwartet

Geschichte studieren und mit

la Philosophie erleuchten solle.^

von diesem Werke, das dazu beitrage, die Herrschaft der Vernunft auszudehnen, in ganz besonderem Maße heilsame

Wirkungen zum Vorteile der Menschheit, gründung eines

in

gegen die

Be-

und eines droit

moins rigoureux,^^ Grimm nimmt Volzahlreichen Angriffe von Seiten seiner Gegner

des gens plus exact taire

die endliche

esprit d'humanite universel et

Schutz, besonders dagegen, daß er die Einzelheiten zu sehr

vernachlässige und sich nur auf die großen Züge beschränke.

M. de Voltaire a tres-bien

fait

de ne point entrer dans tous ces

ennuyeux dont les historiens ordinaires sont Gerade m den großzügigen Ueberblicken sieht

details froids et si

er

prodiguesJ^^

den großen Schriftsteller.

Und

doch hat auch

Grimm ihm

einen schweren Vorwurf

zu machen wegen der Ungerechtigkeit, die Voltaire seiner

Meinung nach in der Beurteilung Homers und der Antike an den Tag legt. ^' Zu solchen jugements temeraires könne ihn Auch den Vorwurf nur seine Unkenntnis der Antike führen.

kann Grimm Voltaire nicht ersparen, daß

und ernste Werk benutzt,

um

Mai 55

Dieses

8.

„Essai

1.

(S.

19).

Werk war

sur Thistoire universelle" erschienen.

schichte der Veröffentlichung des Voltaireschen 9.

10.

15. 1.

August 54 April 57

11. Vgl.

12.

15.

er das bedeutende

gelegentlich gegen Schriftsteller 1754 unter

dem

Werkes

s.

Hettner

S. 215.

(S. 394).

(S. 362).

Grimms

gegenteilige Ansicht S. 61.

Februar 57

(S.

348) und

1.

Juni 57

Titel

Näheres über die Ge*

(S. 376).

Vgl. S. 99,


— wie

La Beaumelle,

de

-^

63

La Motte und auch Rousseau

Ausfälle

zu machen. In

Grimm

dem

dem Abbe M ig not, kann zum Historiker erkennen " Ge-

Neffen Voltaires,

ebenfalls kein Talent

rade die spanische Geschichte, mit der er sich beschäftigt

und Persönlichkeiten,

habe, biete viele Ereignisse

die einen

sehr fruchtbaren Stoff gäben. Mignot verstehe jedoch nicht, die

Verbindung zwischen Ursachen und Wirkungen herzustellen, sowohl die Umrisse der Ereignisse als auch die Züge

er zeichne

Aus seinen Werken spreche

der Personen falsch.

die

Unerfah-

Behandlung von Staatsangelegenheiten, der chamodernen Historiker. In Ermangelung guter Geschichtswerke begrüßt Grimm

renheit in der

rakteristische Fehler der

die

Elements

habe."

d'histoire,

wie

sie der

Sie ließen wenigstens

Raum

Abbe

M

für die

i

li

o

1

t

geschaffen

Entwicklungsdar-

stellung der Hauptereignisse interessanter Epochen."^^

Als das bedeutendste scheinen

Grimm

die

Memoirenwerk

Memoires der

die er als ein in seiner Art einziges

das Muster für vor

aWem

die pikante

Erzählung und ihre oder zu tadeln,

in

Mme de St aal (1755),^^ Werk

Memoirenschreiber

alle

und doch

seiner Zeit er-

bezeichnet und als

hinstellt.

Grimm

lobt

dezente, anmutige Art ihrer

feine Schilderungsgabe, die,

ohne zu loben

wenigen Strichen treffend zu zeichnen und Mit ihren klaren Beobachtun-

zu charakterisieren verstehe.

gen und klugen, wahren Gedanken seien diese Memoiren von großer Nützlichkeit für alJe Leute destines ä vivre dans le

monde.

Eine Frage, mit der sich

Grimm

viel beschäftigt, ist die

13.

1.

Januar 66

14.

1.

Oktober 67

15.

Ein praktisches Beispiel für die Art seiner Geschichtsbetrach-

(S. 460). (S.

442) und Januar 73

(S.

160).

tung bietet Gr.s interessante Studie über die historische Entwicklung

und die Konstitution der Schweiz,

in

der sich seine volle Bewunde-

rung für die charaktervollen Befreier der Schweiz und ihre klugen Gesetzgeber ausspricht. 16.

15.

August 55

(1.

(S,

August 54 73).

S. 381).


^

64

-^

nach den Vorzügen oder Nachteilen der verschiedenen Regierungsformen. Die einzige gute Regierungsform ist

Schweizer Kantonsregierungen, weil sie dem antiken republikanischen Staate am nächsten kämen, der ihm Es sei dabei nicht entscheidend, ob als Ideal vorschwebt."' für ihn die der

eine

Regierung monarchisch, aristokratisch oder demokra-

wenn

im

tisch sei.

Sie entspricht seinen Forderungen,

Stande

die Fähigkeiten der Staatsbürger, ihre wirtschaft-

liche

ist,

Stellung

und Vermögenslage

festzustellen,

um

sie

darauf

aufbauend das Anrecht eines jeden auf Glück und Wohler-

gehen zu befriedigen. Solche väterliche Fürsorge des Staates für jeden einzelnen Untertanen werde in einem großen Staat illusorisch, und so

zu dem Schluß, daß es unmöglich sei, daß Ausdehnung wirklich gut regiert werde. großer ein Staat von Das Verderben aller Staaten beginne mit der Sucht, ihre

kommt Grimm

Macht auszudehnen,

sei es

durch Krieg und Verträge,

sei es

Die Neigung zur Eroberung und Vermehrung der Macht gebäre in der Regel den Despotismus, der die Bedrückung des Volkes und den Verlust der Freiheit zur Folge

durch Handel.

habe. Dies führe entweder zur völligen Anarchie oder zu einer

Umwälzung,

die

dem Volke

die Freiheit zurückgebe.'^

Einen großen Vorteil, den eine kleine Republik gegenüber einer Monarchie habe, sieht Grimm darin, daß die Regierung

durch das Volk einen etwaigen Mißgriff leicht wieder gut machen werde, während die Regierung, die in der Hand einiger Minister ruhe, mit dem häufigen Wechsel des Ministeriums zu oft

auch die Grundsätze der Regierung wechsele." 17. 1. 18.

August 54

(S.

Auch

386).

Im Gegensatz zu bedeutenden

Zeitgenossen, die die englische

Regierung und Verfassung bewunderten,

ist

Gr. davon überzeugt, daß

v^egen das britische Reich demselben Schicksal verfallen v^rerde und seines Sirebens nach

Macht und Reichtum mit raschen

Despotismus entgegengehe.

dieses Geschick nicht zu befürchten, sondern fortbestehen. 19.

L Oktober 56

Schritten

dem

Ein kleines Land wie die Schweiz habe

(S. 289).

werde

in aUer Freiheit


^

65

._

glaubten die Minister nicht selten, das Ansehen des Thrones

zu kompromittieren, vozierten,

und

oft

wenn

sie ein

genug setzten

verhängnisvolles Edikt re-

sie ihre

Ehre darin, de sou-

jusquä leurs sottises. Die Geschichte Frankreichs biete ihm gerade hierfür viele Beispiele von schlagender Beweis-

tenir

kraft.

Grimm

weiß aber sehr wohl, daß auch eine republikani-

sche Regierung ihre Schwächen und Gefahren habe und daß andrerseits sich eine absolute Monarchie als äußerst wohltu-

end erweisen könne, wenn der Herrscher gerecht, umsichtig, aufgeklärt, wohlwollend sei und den Staat und sein Volk liebe.""

Leider zeige die Geschichte aller Völker nur selten

solche Fürsten.

Diese Gedanken bringen

Grimm

zu der Erkenntnis, daß es

keine absolut beste Regierungsform gebe."^ Jedes Volk verlange diejenige Regierungsform,

die

seinem Geist und Charakter

entspreche. Les lois d'un peuple libre ne sauraient convenir

ä des esclaves,

et

jamais

le

joug de la servitude ne pourra

s'appesantir sur une nation fiere et genereuse.^^

Die politische Freiheit eines Landes hänge nun wieder

von seiner geographischen Lage

ab.

Sie sei in einem ebenen

Lande, dessen Grenzen jedes natürlichen Schutzes entbehrten,

undenkbar.

Lhomme de

la plaine

ne saurait avoir

le

cou-

de l'homme de la montagne, la sauvagerie et la fierte de l'insulaire. Ihm fehle ce cou roide et inflexible qui ne peut recevoir le joug. Desrage, le nerf, la force d'esprit et de corps

20. 15.

März 58

21. 15.

September 56

22.

(S. 487). (S.

282).

Gr. charakterisiert als Beispiel die Verfassung Schwedens und

den Zustand Polens. eingehenden

Die schwedische Verfassung

Ueberlegung nach

mannigfachen

sei

das Resultat einer

Mißgeschicken.

Des-

halb passe die kluge, gerechte und edelmütige Regierung hervorragend

zum' Charakter des Volkes, in dem der Bauernstand geachtet

und gehört werde,

„cette

als der vierte

partie precieuse

Stand

d'une nation qui

nourrit et defend la patrie" (vgl. S. 74). In

Polen dagegen

sei

eine

freie

Regierung unmöglich, da das


66

halb erscheint

Grimm Rousseaus Unternehmen,

den Polen,

einem von Natur aus unfreien Volke, einen republikanischen Kodex und Geist zu geben, als ein Hirngespinst. Das Werk des Genfer Philosophen über den Plan einer polnischen Verfassung hält er für den Zeitvertreib eines müßigen Philoso-

phen qui emploie son de gouvernement in

Anbetracht

loisir

vom

der

ä esquisser des lois et une forme Als solches sei es

quelque Utopie.

erklärt sich mit

dem Stande

senschaft seiner Zeit wenig zufrieden. es ihr an den zahlreichen en,

um

und der

Vergnügen zu lesen."

kraftvollen Beredsamkeit mit

Grimm

klugen Gedanken

zahlreichen

der politischen

Wis-

Sie leiste wenig, weil

Beobachtungen

fehle, die nötig sei-

Ursachen und Wirkungen bestimmen zu können. Die

Probleme der Politik mente, die

in

ihr

seien zu kompliziert, die Ele-

wirkten, zu verschieden undi größtenteils

unbekannt, und deshalb die Resultate meist willkürlich. Die

mangelnde Kenntnis der Grundbedingungen eines politischen Systems, die Außerachtlassung der Sitten und des Charakters eines Volkes machten die unzähligen Broschüren über politische,

wenn

soziale

sie hier

und ökonomische Fragen wertlos,

und

selbst

dort nützliche Ratschläge enthielten. Sol-

che Schriften seien gewöhnlich nur leeres Geschwätz über billige

Land

Gemeinplätze."

trotz

manchen äußeren Glanzes

stets

unfrei

und abhängig gewe-

sen sei und auch bleiben werde. (Januar 73 S. 129). Lage

und Ver-

fassung Polens brächten es mit sich, daß es weder die Sitten noch einen

Charakter habe, die sich mit der Freiheit vertrügen.

und Hörige

die Nation in Edelleute

geteilt

Von

jeher

sei

gewesen, was ihr niemals

republikanische Tugenden hätte geben können. 23.

Leider spricht sich Gr. über den Wert und die Bedeutung des

„Contrat social" nächst

deshalb

(1762) nicht,

das Buch

weil

Frankreich nicht zu haben

sei.

nicht

Er

selbst wolle jedoch

sorgsam gelesen habe.

(15.

in

Holland

gedruckt

Nach Aussagen anderer

nen Kombinationen noch kühner

„Emüe".

Zu-

Rousseaus nirgends ausführlicher aus.

als

der

schon

darüber nicht April 61,

S. 374.)

in

sei es in sei-

hinreichend

urteilen,

und

kühne

bevor er es

Mit genau densel-


den

In

Grimm

Fragen

der

die Mitarbeit des

-

67

gierung, alle Vorschläge zu beachten,

nung zu erfahren.^^ nungen ergebe sich

Verwaltung wünscht

öffentlichen'

Er

ganzen Volkes.

um

rät jeder

Re-

die nützlichste Mei-

Aus dem Aufeinanderprallen der Meidie

Wahrheit.

Die sicherste Wirkung einer guten, heilsamen Regie-

Grimm

rung sieht

dtem

in

Zuwachs der

Es

Bevölkerung.'^''

deshalb ihre Aufgabe, eine große Betätigungsmöglichkei-t

sei

zu schaffen, ein richtiges Verhältnis zwischen der Bevölke-

und den Subsistenzmitteln anzustreben, damit die dem Elend preisgegeben würden und schließlich zur Auswanderung gezwungen seien. Sollte sich trotzdem ein Mangel an Erwerbsmöglichkeiten einstelrungszahl*

untersten Schichten nicht

len,

sodaß

um

des Lebensunterhaltes willen viele Untertanen

Grimm

das Land verlassen müßten, so hält es werfliches

Mittel',

für ein ver-

Auswanderung mit Gesetzen und

sich dieser

Strafen entgegenzustellen." ben Worten spricht er von dem Buche seine

ist

das et (1.

in

Aeußerung am

Werk

plat,

Mai

sei

„obscur

et

1.

Juli

62

am

(S.

1.

Juni 62

116).

Man

und ähnlich berichtet,

embarrass^ dans ses principes, souvent

souvent hardi, eleve

et

63, S. 284) versichert

admirable".

futile

Wieder ein Jahr später

Gr. von neuem, dieses Buch noch nicht

den Händen gehabt zu haben, obgleich es sehr

haben

(S. 91),

habe ihm

leicht

und

billig

zu

Einige Stücke, die er daraus habe lesen hören, erscheinen

sei.

ihm ausgezeichnet.

In diesen habe Rousseau die Geistlichen mit un-

glaublicher Freiheit und Wahrheit angegriffen.

de ferrailler avec ceux qui attaquent ses sant et piquant dans ses reponses".

darin ihren

Grund haben, daß

Berits,

„C*est son vrai genre il

est toujours interes-

SolUen diese Ausflüchte

Grimms

er in Verlegenheit war, vor seinen

Abon-

nenten über das Buch zu reden? 24. 15.

Januar 69

(S. 254).

25.

1.

November 67

26.

1.

Oktober 66

27.

Diesem Grundsatze, die Vermehrung der Bevölkerung zu be-

(S.

(S.

462). 132).

günstigen, stehe naturgemäß der Zölibat der katholischen GeisÜichen

entgegen, und so erklärt sich auch aus politischen Gründen, ganz abge-


— An Grimm heute

Spitze

die

die

68

seiner

politischen

Forderung der Toleranz.

selbstverständliche

dem

bürger vor

wissensfreiheit

Forderungen stellt Er verlangt die uns

Gleichberechtigung aller

Gericht, er fordert

und Schutz

für

von den

Gese

t

Staatsz e n

Ge-

jeden Untertan, gleichgültig

welcher Religion, welchen Standes oder welcher politischen Meinung er sei.'' England, wo die politischen Vorurteile

bedeutend zurückgedrängt seien, sei darin um ein halbes Jahrhundert voraus, obgleich es sonst eine Ueberlegenheit über Frankreich nach Grimms Ansicht nicht besitzt.

Grimm auch

in

verlangt für den Protestantismus Anerkennung

katholischen Ländern.''

Die Rechtlosigkeit der Pro-

testanten in Frankreich empört ihn.

Er

tritt

mit Eifer für die

unschuldig Verurteilten ein und wendet sich zornig gegen die furchtbare Ungerechtigkeit, die darin

liege,

daß protestan-

Ehen von dem Gesetze nicht anerkannt würden, wenn nicht die Weihe eines katholischen Priesters empfangen

tische sie

hätten.

Gelegentlich eines skandalösen Prozesses gegen eine ehrbare Protestantin, die ein Opfer dieser unmenschlichen

Rechtsprechung geworden sei, macht Grimm Voltaire bitVorwürfe, daß er nicht nur dem Rechte nicht beigestanden habe, sondern sogar als niedriger Lobredner des Ge-

tere

richtshofes aufgetreten

Der

alte,

sei, er, der defenseur de Vhumanite. ruhmreiche Verteidiger der Familie Calas habe in

einer so bedeutenden Angelegenheit versagt, er sei plötzlich

von auffallender Feigheit befallen (d'une singuliere lächete, d'une vusillanimite impardonnable).^^ sehen von den religiösen,

Grimms

feindliche Stellung zu der Geistlich-

keit.

28. 15.

März 56

29. 15.

Oktober 72

(S.

SO).

30. 15.

Oktober 72

(S.

81).

(S. 191).

Vgl. S. 48.

Daß

trotz der

Rechtlosigkeit der

Protestanten das Volk eine Verfolgung der Schutzlosen nicht stütze

und ihre

hilflose

unter-

Lage nicht ausbeute, rechnet Gr. der Recht-

schaffenheit des französischen

Publikums hoch

an.


Großes

Interesse

Gesetzgebung äußert einmal den

60

Grimm

zeigt

und

Wunsch,

Staatsrecht zu schreiben.""

~

die

für

um

französische

Rechtsprechung.

Er

Abhandlung über das Die Ausführung dieser Absicht starke Inanspruchnahme durch die selbst eine

machte ihm allerdings seine Correspondance unmöglich. So benutzte jede Gelegenheit,

die

er

denn wenigstens

auf die Fehler der bestehenden Gesetze

hinzuweisen und Reformvorschläge zu machen oder solche

Vorschläge anderer zu unterstützen.

Grimm

hebt besonders zwei Uebelstände der französi-

Wohl

schen Gesetzgebung hervor, die das in

des Volkes und

Der

eine Mißstand, liege

der großen Anzahl veralteter Gesetze.

Gesetze ließen sich

das Glück des Staates bedrohten."^

nicht für die Ewigkeit geben, sondern nur für eine begrenzte,

allerdings unbestimmbare Frist.

Es

sei

deshalb die Aufgabe der

Staatsmänner, den Ablauf dieser Frist rechtzeitig zu erkennen und nutzlosen Ballast über Bord zu werfen.

Ein großer

Staat müsse danach trachten, die Gesetze nach Möglichkeit

zu vereinfachen.

Es

solle der

grands ressorts d'un Etat

Grundsatz gelten: ce sont

qu'il s'agit

les

de regier avec genie.^^

Einzelheiten solle der Staat getrost den einzelnen Bürgern zur

Entscheidung überlassen. gewöhnlich nur legierter, nicht

alles

Gesetze über Einzelheiten dienten

dem Privatinteresse einiger weniger dem Volkswohl im allgemeinen. Die

zu regeln, sei das schädlichste Element in der franzö-

sischen Gesetzgebung.

Sie habe einen bürokratischen Geist

im Gefolge, der sehr zu bedauern Der zweite Fehler liege tiefer, dier

Privi-

Sucht,

Gesetzgebung zurück.

sei.

er

gehe auf den Ursprung

Frankreich habe wie die meisten

Völker Europas, ja wie sogar schon Griechenland und in ihren

Rom

Anfängen, den argen Fehler begangen, seine Gesetze

nicht aus

dem

Charakter, den Sitten und Bedürfnissen seiner

Bevölkerung abzuleiten und ihnen gemäß auszugestalten, son31. 15. 32.

1.

Oktober 67 Oktober 55

33. 15. Juli

65

(S. 454). (S. 98).

(S. 323).


-

70

dern habe das Gesetzbuch eines Volkes, dessen Prinzipien, Sitten,

Charakter, Gebräuche und Regierungsform anders-

gewesen seien, seiner Gesetzgebung und Rechtsprechung zugrunde gelegt. Als die Grundsätze des Gewohnheitsrechts des Feudalismus nicht mehr genügten, als zwischen Adel und Bauernschaft sich das Bürgertum entwikartig

und eine neue Ordnung verlangte, habe man die römischen Gesetze übernommen, und durch den Widerstreit

kelte

dieser Gesetze mit

ropa

sei

den Sitten

Frankreich wie

in

ein Labyrinth entstanden, in

dem

in

ganz Eu-

sich die Recht-

sprechung verliere, in dem das Vermögen der Bürger zur Beute der Schikane werde, aus dem niemand einen Ausweg kenne und in dem selbst die Gewandtesten nur einige der ge-

wundenen Wege wüßten.^* Die Notwendigkeit einer Reform der Gesetzgebung und der

Gerichtsverwaltung kann nach

Mensch

aufgeklärter

leugnen.

Grimms Meinung

keifl

Zu diesem Zwecke müßten

Charakter, Sitten und Bedürfnisse des eigenen Volkes erst

eingehend studiert werden, damit ihnen die Gesetze angepaßt werden könnten.

-

Die Gesetze selbst seien klar und

präzise abzufassen und auf eine möglichst geringe Zahl zu

beschränken, damit das Volk sei es

sie

kennen könne.

Vielleicht

ratsam, die Angelegenheiten der Privatpersonen über-

haupt nicht

zum Gegenstande

der Gesetzgebung zu machen,

sondern derartige Streitigkeiten gemäß

dem gesunden Men-

Versammlung

von einer rechtschaffener Männer aburteilen zu

schenverstand

und Sie würden

tugendhafter

lassen.

mit größerer Billigkeit entscheiden als jeder Jurist.

Diese

Methode sei jedoch bei großen Völkern nicht durchzuführen. Für noch schlimmer als die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts

setzbuch.'*

erklärt

Grimm

England

sei

das bestehende

um

Strafge-

einen bedeutenden Schritt

voraus mit der Abschaffung der Folter, mit der Einführung gesetzlicher Verteidigungsmittel und von Gerichtshöfen, die 34.

1.

35. 1.

Otober 64

August 65

(S. 79). (S. 331).


-

71

aus einer Anzahl von Männern aus

dem

Kreise des Ange-

klagten zusammengesetzt seien. Die Menschlichkeit und' Milde,

das Verständnis für das Leben und seine Schicksalsschläge, welche

Art Geschworenengericht

diese

Grimms ungeteilten Werk des B e c c a r

Grimm

diert

Beifall. i

für eine

a^^

Mit

garantiere,

finden

dem epochemachenden

im wesentlichen einverstanden,

plä-

Milderung der allzu schweren Strafen.

Diese könnten eher schädlich als nutzbringend wirken, denn plus les chätiments sont cruels, plus les crimes sont atroces.

Vor

Dingen seien

allen

sei eine

die Fol'terstrafen abzuchaffen, dafür

Stufenfolge der Strafen

gemäß

der Schwere des Ver-

brechens einzuführen. Angesichts der furchtbaren Justizmorde seiner

fordert

Zeit

Blut übergegangen

Grimm, was uns heute ist:

in

Fleisch und

tout code criminel d'un peuple qui ne

veut pas passer pour cruel et barbare doit avoir pour

Premiere

et incontestable qu'il

Que vingt coupables echappent ä

la rigueur

poser un seul innocent ä en devenir

Besonderer Schutz

maxime

vaut mieiix, dans l'incertitude,

sei nötig

de

la loi

que

d' ex-

la victime.^'^

gegen Verleumder.

Wenn

Tugend und

die guten Taten einen ehrbaren Menschen Verleumdungen sicherten, müsse das Vertrauen zu Gericht und Gerechtigkeit verloren und alle öffentliche Ord-nung zugrunde gehen. Ein wichtiges Mittel, dieses Vertrauen zu stärken und Ungerechtigkeiten zu verhindern, sieht die

nicht gegen

Grimm

der Oeffentlichkeit des Strafprozeßverfahrens.'^

in

Interessant

Bedeutung 36.

ist

auch Grimms Stellung

zuschreibt.^^

Grimm

tritt

„Dei Ddiiü e deUe Pene" (1764)

Uebersetzung des Abbe MoreUet 37. 15.

Januar 63

1.

April 70

39.

1.

November 66

mit der die Gegner

auf die Seite derjenigen,

(1.

August

und

(1.

Dezember

Die Strenge und Ungerechtigkeit,

65, S. 422).

(S. 507).

(S.

154).

der Legitimität

spätgeborener

Aerzte Louis, Bouvart und Astruc vorgehen, stoßen

Ihm

65, S. 329)

(S. 208).

38.

herein ab.

der Frage der

in

des naissances tardives, der er eine große soziale

legitimite

Kinder

wie

Grimm von

sagt die nach seiner Ansicht auf ernsteren

die

vorn-

Gründen


-

72

die in der Entsclieidung dieser

Frage einen humaneren und

weitherzigen Standpunkt eimnehmen.

Auch

handelspolitische Grundsätze

äußert

unser Autor an manchen Stellen der Correspondance

Er schreibt

raire.

dem

es Buffon's Histoire naturelle

litte-

(1749

ff.),

und der Encyclopedie (1751-80)

Esprit des lois (1748)

daß sie die Veranlassung dazu gegeben hätten, volkswirtschaftliche Fragen vor der Oeffentals größtes Verdienst zu,

lichkeit aufzurollen.*^

An

der Spitze seiner Betrachtungen steht die Forderung

Was Mode

der Freiheit des' Handels.

Publikums erblühen

und Geschmack des

habe Daseinsrecht erworben und

ließe,

bedürfe keiner staatlichen Befürwortung oder Beschränkung.

Weder Bevorzugungen noch Prämiierungen noch Monopole seien dem Staatswohle förderlich, aber auch hindernde Gesetze sollten vermieden werden, damit in freiem

Wettbewerb

das Gute und Nützliche den Sieg erringe und der Menschheit

zum

Vorteil gereiche.

In dieser Forderung geht er so Ausübung des Handwerks verlangt,

stungsfähigkeit

des

einzelnen

weit, bei

daß er eine

freie

der allein die Lei-

entscheiden

Er

solle.

hat

schwere Bedenken gegen die strengen Gesetze der Zünfte, die eine lange, kostspielige Lehrzeit vorschrieben und dadurch die

Erlangung

des Meisterprivilegs

vom Gelde

abhängig

machten. Eine Gefahr für Frankreich sieht blühen der Industrie, die Kräfte der besten

kreis locke. fentliche

Er

die,

Grimm

gegen die Kaufleute,

Wohl im Munde

führten, deren

in ihren

die stets

1.

41.

15.

April 54

März 55

lag,

mehr

(S, 340). (S. 507).

zu,

öf-

Sie bewiesen als

beruhende Verteidigung der Legitimität, die vornehmlich

40.

Banndas

Gedanken jedoch

GeM und Gewinn gerichtet seien.*' Großmut und Vaterländsliebe nur so lange,

nur auf

den des Arztes Petit

dem Auf-

unterstützt durch die Regierung,

Untertanen immer mehr

eifert

in

diese sich in

den Hän-


— mit

73

ihrem Privatinteresse vereinen

ließen.

weit davon entfernt, Geist und Sinn zur

sondern concentre toutes

les

Ihr

Beruf

sei

Tugend zu erheben,

facultes de

Vhomme dans un

cercle etroit de petites idees, lui fait meconnaitre tont autre interet que celui

de

l'argent, et

degenere tres-souvent en une Dem Aufblühen dieses

avidite qui ne connait plus de bornes.

daß die Liebe zur Tugend, das für gute Taten und die Belobigung Streben nach öffentlicher Standes schreibt er es

zu,

Furcht vor öffentlicher Bestrafung für schlechte geschwun-

den

seien.

Eine energische Adel, sich ja nicht

Warnung richtet Grimm daher an den dem Handel zu widmen. In ihm ver-

in solchem Maße, daß mit seinem Untergange auch die Nation zugrunde gehen würde. Handel und Ehre sind für Grimm unvereinbar, und da der

körpere sich der Geist der Nation

Handel nicht der Unterstützung bedürfe, um zu blühen, will er lieber, daß der Adel dafür Sorge trage, daß das seinem Charakter eigene, werde.

Er

will;

Ständen geordnet Rechte besitze.

stark

ausgeprägte

Ehrgefühl

gefördert

deshalb eine Gesellschaft, die deutlich nach sei,

deren jeder seine Pflichten und seine

Oberste Pflicht des Adel's

Schutze des Vaterlandes und auch

solle es sein,

dem Schutze

dem

des Handels

zu dienen, nicht aber selbst materiellen Gewinn zu erstreben.

Grimm

verspricht

sich von

einer

blühenden Industrie

Er kann daß Gold und Silber einem Lande Macht und Ansehen brächten. La vraie richesse d'un Etat consiste dans nicht einmal einen materiellen Nutzen für den Staat. nicht glauben,

une grande abondance d'hommes, wiederholt er bei dieser Gelegenheit. Stelle sich ein Mangel an Menischen ein, so gehe der Staat trotz allen Goldes und Silbers zugrunde. Der

Land zu bevölkern, er sei im Gegenteil erst dann von Wert, wenn eine große Bevölkerungszahi schon vorhanden sei. Dann sei er allerdings eine Es sei ein Uebelstand, daß Quelle der Subsistenzmittel. Handel

sei

aber kein Mittel, ein

Handel und Industrie in den Städten angenehmere, leichtere und oft auch lohnendere Berufe schüfen, als sie das Landleben biete, und daß diese Gelegenheit die Menschen von den


-

-

74

Feldern und von der Landwirtschaft zu jenen einträglicheren Berufen fortzöge.

für

Die Pflege der Landwirtschaft hält Grimm aber gerade das grundlegende Element eines blühenden und dauer-

haften WohiSiandes des Landes.*'

Von diesen Grundanschauungen aus ist es zu verstehen, daß er sich fortwährend für eine Begünstigung der LandwirtschaiT, besonders für die Abschaffung der unerträglichen Steuern einsetzt, die auf den Bauern lasteten.

Er

tritt

ener-

gisch ein für die Unabhängigkeit der Bauern von den Steuer-

einnehmern, den intendants, den subdelegues und commis, für die

Aufhebung der Monopole und der

Privilegien.

Er sucht

die Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, die sich aus der

der Gunst und

lichkeit,

dem Haß

Begehr-

der Steuereinnehmer er-

Entmutigung, Entvölkerung und Müßiggang seien

klärten.

ihre verderblichen Folgen.

Die einzige gesunde, gerechte und vernünftige Steuer die imposition des terres.

sei

Die Einrichtung des allgemeinen

Katasters, die der König befohlen habe,

wäre nach Grimms

Ansicht das einzige Mittel, eine gerechte Besteuerung herbeizuführen. lassen,

Sie

werde

sich jedoch nicht wirklich durchführen

solange sich die Geistlichkeit und der privilegierte

Adel dieser Steuer widersetzten. Bei kluger Verteilung könne auch eine Steuer auf Lebensmittel gerechte und günstige Wir-

kungen erzielen, doch dürfe sie sich nur auf Lebensmittel, die den Luxus befriedigten, nicht auf den notwendigen Bedarf des täglichen Lebens erstrecken, damit man jener commis nicht bedürfe, die in den Wohnungen herumschnüffelten und die häusliche Freiheit arg gefährdeten.

Grimm kämpft

heftig

gegen die economistes politiques,

jene Vereinigung von Landwirten, die er als eine Art Sekte 42. Vgl.

S.

65

et

commerce. Ce

n^est

de cultivateur ne

au commerce."

Anm.

22.

„C'est

donc

lagriculture

qu'un

sage songera ä encourager, avant que de songer au

prince eclaire

que lor^que

suffit

le

pays

est trop

peuple

et

plus ä la subsistance de tous, qu

que il

le

faut

metier

songer


— mit

75

-

eigenem Kultus, eigenen Zeremonien, eigener Sprache

und eigenen Mysterien verspottet.*' WoM* erkennt er an, daß sie von den besten Absichten geleitet seien, aber was sie an Ideen böten, verlaufe sich in gedankenloses Reden und Prinzipien ohne Inhalt, in des lieux communs emvhatiquement etales et souvent exageres au delä

Diesen Theoretikern fehle Erfahrung

de ses veritables bornes. in der praktischen Land-

wirtschaft, daher ihre systematischen, lächerlichen Uebertrei-

bungen

alter,

aligemein bekannter Regeln/*

Einen noch größeren Vorwurf macht unser Autor dieser „Sekte" daraus, daß

Feindin aller schönen Künste, aller

sie

Wissenschaft und Literatur bestelle, betrachte sie als

Damit

bürger.

sei.

Jeden, der nicht den Acker

unnützen, ja fast gefährlichen Staats-

lege sie eine Geistesarmut

dünkel an den Tag, die

und einen Eigen-

einem aufgeklärten Leser aufrich^ tiges Mitleid erwecken mußten. Es sei zu bedauern, diaß das Publikum ihre Werke nicht lese, um sich selbst von der Verin

kehrtheit ihrer Ansichten zu überzeugen.*^

Grimm

verharrt

bei

seiner

Meinung,

trotzdem

sein

Freund Diderot ein erheblich günstigeres Urteil über die Schule der Oekonomisten fällt, den Freimut ihrer Werke anerkennt und sie Anreger zur Aufklärung in Handel, Landwirtschaft, Gesetzgebung und Politik nennt, wenngleich auch er zugeben muß, daß sich Unwissenheit und Geschwätzigkeit bei ihnen zeige.*® Grimm betont in einer ausführlichen Erwiderung*^ noch energischer

seine gegnerische Stellung zu

den

„ökonomistischen Schwätzern" wie Quesnay, Mirabeau, La Riviere, Beaudeau, Roubaud, Dupont, die in ihrer Unaufge-

Oktober 67

43.

1.

44.

Die Sprache

dunkel, sie

(S.

in

431

u.

434) und vgl. S.

den Schriften dieser Schule verurteilt

mache aus der Landwirtschaft

d'institution divine".

7.

Er bezeichnet

sie

Grimm

als

eine „science mystique et

deshalb als die »Sorbonne der

Landwirtschaft^ die den wahren Fortschritt der Landwirtschaft hemme,

wie ihr Vorbild den Fortschritt der Philosophie behindere. 45.

1.

46.

15.

47.

1.

Januar 70

(S. 440).

November 69 Januar 70

(S.

373)

(S. 420).

u. vgl. S. 7.


76

dem Lande

große Scharen beschränkter Geister auf

klärtheit

und

in

der

Menschheit* preist

Als ,Retter

der Stadt zu ihrer Partei gezogen hätten.

Galiani

Grimm

ihnen gegenüber den

mit seinen Dialogues sur le

Werk hat auf gemacht und muß seiner

Abbe

commerce des

bles

(1764).*^ Dieses

ihn einen sehr starken Ein-

druck

Ansicht nach auch

Leser reges Interesse erwecken.

dem

jedem An Gedankengröße und Bein

Die künst-

deutung

stellt er

lerische,

unterhaltsame und gleichzeitig belehrende Form, die

es

dem

es

Esprit des lois

gleich'.

Verfasser gestatte, mit einem, heiteren Tone

tiefe

Sachkenntnis zu verbinden, mache es zu einem Meisterwerke.

Daß

in

einem so aufgeklärten Jahrhunderte,

in

dem Män-

ner wie Voltaire, Montesquieu, Buffon, Diderot Genie, Ge-

schmack, Klarheit

und Vernunft verbinden,

die

der

Sekte

economistes politiques überhaupt eine Rolle spielen könne,

vermag

sich

Grimm

nur aus

immer Menschen

es eben

ils

erklären, daß

gebe, die sich zu irgend einer Partei

zusammenschließen müßten. plus se faire moines,

dem Umstände zu Dans

les

pays oü

ils

ne peuvent

se fönt quakers, ou methodistes, ou

a fait son temps, ou philosophiques, ou litteraires. Die Mission dieser Oekonomisten sei so wenig gerechtfertigt, daß sie kaum einen dauernden Erfolg haben

herrnhuter, et dans les

pays oü

la religion

ils se reunissent en confreries politiques,

werde.*'

Nachdem ken

sich

Grimm

direi

Jahre hindurch mit den

Wer-

der Oekonomisten lebhaft beschäftigt hat, folgt plötzHch,

zwei Jahre bevor er die Leitung der Korrespondenz niederlegt, ein kurzer und bündiger Verzicht auf jede weitere Be-

sprechung ökonomischer Schriften. economiques,

et je

veux que

le

J'ai

renonce aux vanites

diable m'emporte si Von

m'y

rattrape.^''

noch übrig, Grimms Stellung zu einzelnen Fragen des öffentlichen Lebens, die zu seiner Zeit erörtert wur-

Es

bleibt

48. 1.

49.

Januar 70

15.

50. 15.

(S.

Februar 68

Mai

423

u. 439).

(S. 38).

71 (S. 319).


_

^

77

Luxus,

Er spricht über den

den, darzulegen.

seine Gefah-

ren für die Gesamtheit und über die Frage, wie er zu verhüten

Er kennzeichnet den Luxus

sei.

als einen etat

de maladie qui

tend ä la destruction da corps politique, parce

tend ne-

Qu'il

cessairement ä la diminution du nombre des habitants, et les

diminue en

effet

tous les jours.

onereux ä leurs peres,

et tient

.

Le luxe rend

.

dans

le celibat

une

les enfants

infinite

de

gens qui aiment mieux vivre commodement et seuls que d'avoir une famille qui les reduirait au simple necessaire!'^

Aber der Luxus lasse sich mit Gewalt weder aufhalten noch verhindern, da er sich unabhängig vom Willen des Volkes mit einer gewissen Notwendigkeit einstelle." Am wenigstens seien die Aufwandgesetze, die lois somptuaires, dazu

Luxus auszurotten. Sie seien der Unbeständigund dem Wechsel aller menschlichem Dinge zu sehr unterworfen, denn ce que le pere regardait comme superflu de-

geeignet, den keit

vient une ckose necessaire pour le

fils,

qui se cree d'autres

superfluites qui degenerent bientöt en besoins.

So

führten

solche Gesetze zur Willkür C2x Feaniten und zu Ungerechtigkeiten. Was den Gesetzen hier nicht gehngen könne, könne wohl eine vernünftige Erziehung erreichen, welche Einfachheit der Sitten, des Lebens und der Gewohnheiten er-

strebe.

Der Kampf gegen Unsitten, sen

tadelt,^'

reißt

Grimm

die er

an seinen Zeitgenos-

zuweilen zu harten Urteilen über

den Charakter des französischen Volkes 55

hin.

51.

1.

Juli

52.

1.

Oktober 55

53.

Er geißelt die Haltung des Pariser Publikums,

(S. 48). (S. 103).

haften Schauspielern der

„Comedie Fran^aise"

einem gewissen Dubois zusammen spielen

als es

verlangt,

sollten,

der

von ehren-

daß

sie

wegen

Schurkereien aus ihrem Verbände ausgeschlossen worden war. April 65 rung, die

S. 256.)

(15.

Ebenso verstimmt ihn die übertriebene Begeiste-

vom Publikum dem Debüt

der

MUe

Raucourt entgegenge-

bracht werde und die einer besseren Sache würdig 139.)

mit

seiner

sei.

(Januar 73

S.


"

_

78

kennt den beweglichen, unbeständigen Charakter

Grimm

der Franzosen, die mit Eifer alles begännen

und

nicht die

Ausdauer hätten, eine Entwickelung mit demselben Interesse abzuwarten. Deshalb spricht er ihnen das Talent ab, Kolo-

und

nien zu gründen

Grimm

stellt

erfolgreich auszubauen

sich der

Mode

seiner Zeit entgegen, die

Frauen gering zu schätzen und von ihnen schlecht zu sprechen. Buffons und Rousseaus Lehren, die die Inferiorität der Frau dem Manne gegenüber als von Natur gegeben und

Dauer bestimmt beweisen wollen, entbehren nach Grimms Ansicht jeder ernsten Grundlage. Alte Fehler und Schwächen der Frauen seien nur das Werk der Männer, der für

die

Gesellschaft undi besonders einer schlecht verstandenen Er-

den religiösen Häusern, in denen sie erzogen würden, kämen ihre wahren Gefühle nicht zur Entwicklung, werde ihnen nicht die Welt mit ihren Forderungen gezeigt, würden Persönlichkeit und Charakter nicht genügend gebilziehung.

In

Aber wenn sich auch Grimm von einer guten und vernünftigen Erziehung der Frau viel verspricht, so denkt er doch noch nicht an eine ernste Mitarbeit der Frau zum Wohle det.

der Menschheit.''

Die Vorwürfe, die

Grimm

wiederholt der französischen

Gesellschaft und der französischen Nation macht, kann man wohl kaum als Ausfluß einer franzosenfeindlichen Gesinnung

Scherer dem Deutschen Grimm unterlitteraire ist im Gegenteil voll Correspondance schiebt.'' Die von Aeußerungen, die das Schöne und Große, das Gute und ansehen, wie sie

Lobenswerte, das die Franzosen geleistet haben, mit Wärme Er verteidigt die Franzosen gegen unberechanerkennen. 54.

1.

55. 15.

Juli

68

Juni 56

(S.

114).

(S. 238).

Als ein Zeichen einer wenig franzosenfreundlichen Gesinnung Deutschland, könnte man den Artikel ansehen, der seine Reise durch 70 S. 425 Januar (l. die nordischen Staaten schildert, 56.

Oesterreich und u. 432.)

Wie

sich Gr.'s scharfe Urteile gegen Frankreich

und

seine Lob-

Artikel erpreisungen der östlichen und nördlichen Länder in diesem klären, darüber vgl. S. 49

Anm.

62.


_

Vorwürfe.'*'

tigte

70

~-

der Verbindung des natürlich heiteren

In

Charakters mit einer großen Lebhaftigkeit, die es gestatte, für die

Grimm

entgegengesetztesten Dinge

in Eifer

zu geraten, sieht

Quelle der Ueberlegenheit, die diese Nation

die

Europa vor den anderen

stets

gehabt habe.

Rebute

meme

remontrer incontinent ailleurs avec la

ici,

in

de se

confiance, et de

savoir se tirer du plus grand abattement par un effort du plus

grand enthousiasme: tel a toujours ete le caractere des Der Einfluß der philosophischen Bildung scheine

FrariQüis!'^

den

allerdings

französischen

Zeitgenossen einen ruhigeren Charakter geben zu wollen, der die sachliche Beschäftigung mit ernsten, nützlichen Dingen wie der Nationalökonomie,

dem Handel, dem

der Landwirtschaft,

öffentlichen Recht

und

den Regierungsprinzipien bevorzuge. Als das Publikum der Komödie Sedaines

Sans

le

savoir (1765) Beifall spendet,

schmack große Komphmente.

On

Le Philosophe

machtGrimm seinem Gene

lui

montre jamais

la

simplicite et la verite sans qu'il en reconnaisse le c härme et le prixJ^^

Einen eigenartigen und für

Grimms

objektive Beobach-

tung bezeichnenden Standpunkt nimmt er

Salonlebens

des französischen

ein."*"

in

der Beurteilung

Er, der selbst die

Verbindung von Literat und Weltmann verkörpert, der Mittelpunkt

einflußreichen

eines

Hauptstadt war,®^ die

literarischen

hohem Maße

in

geistige

selbst

Salons

und

der

gesell-

schaftliche Interessen pflegten, glaubt nicht an die so oft ge-

rühmten Vorteile Mai 68

57. 15. 58.

1.

dies

(S. 83).

Oktober 67

59. 15.

April 66

60. 15.

Mai 67

61.

Grimm

Mme

Nach in

'Verkehrs zwischen Literaten und Welt-

(S. 429).

(S. 23).

(S. 314).

Aeußerungen

seinen eigenen

den Salons der

Mme

Necker verkehrt, aus denen er

berichtet. (Vgl. Hettner,

1.

c.

(1.

Januar 70,

S.

Geoffrin, der Mlle de Lespinasse

S.

284

in der ff.)

438) hat

und der

Neujahrsrede einige Details

Andere Salons erwähnt Gr.

in


^

80

~ Das Genie

wie ihn der Salon mit sich brachte.

leuten,

ver-

da es von Natur solitaire et sauvage sei. Es verliere von seinem originellen Charakter durch die fortwährende Berührung mit den Durchschnittsmenschen. geude hier nur seine

Zeit,

Unter der unausgesetzten Zerstreuung undi

dem großen

Zeit-

verlust habe die Wissenschaft zu leiden, der keine wertvollen

umfassenden Werke mehr, sondern nur kurze, unvollkom-

mene Broschüren gewidmet

würden.^'

Je ausgeprägter der

de societe sei, um so seltener werde der esvrit de genie dem Leben eines Landes und seinem Spiegelbilde der Literatur erst Wesen und Bedeutung gebe.'^

esprit sein, in

dter

daß ungefähr 50 Jahre später Mme de Stael in ihrem Buche De VAllemagne (1810-13) diesen selben Gedanken einen noch schärferen Ausdruck ver-

Es

ist

reizvoll zu sehen,

Sie hält ihren Landsleuten die starken, individualisti-

lieh.

schen Persönlichkeiten Deutschlands vor, die sich mit sich selbst beschäftigen, statt ihre Zeit in den Salons zu ver-

schwenden.

Wenn Grimm

diese Ideen soviel früher äußert, zu einer

Deutschland erst zu literarischer Arbeit erweckt wurde, so ist das neben anderen ein schlagender Beweis für den feinfühlenden, kritischen Sinn dieses Philbsophen des

Zeit, in der

praktischen Verstandes. der „Correspondance litferaire" nicht, weder die seiner Freunde Helvetius

und Holbach,

d'Epinay, in

70

(S.

dem

denen er aus- und einging, noch den der

er gewissermaßen der Hausherr war.

15) spricht Gr.

im Hause der statue.

in

Mme

— Am

1.

Mme Mai

von einer Zusammenkunft von 17 Philosophen

Necker zum Zweck der Errichtung einer Voltaire-

Dieser Versammlung hat Gr. selbst beigewohnt, wie aus der

Aufzählung der Tischgäste, die er 62. In seiner

gibt, hervorgeht.

Abneigung gegen

die Salons erkennt

man

eine Wir-

kung des deutschen Charakters und der deutschen Bildung Grimms,

dem

die Oberflächlichkeit

dem Verkehr

in

und

Eitelkeit,

das tändelnde Wesen, das von

den Salons nicht zu trennen war, zuwider war.

Vgl. S. 112. Oa.

1.

August 53

(S.

268)

u.

1.

Juni 55 (S. 33).


Grimms Stellung zu Kunst und Literatur a

Allgemeine Theorien Auch

Grimm

dem

auf

Diebildende Kunst

Gebiete der Literatur und der Künste lehnt

Er glaubt, die gemacht zu haben, daß meist derjenige über die Theorie einer Kunst schreibe, der sich in ihr erfolglos versucht habe. Der trage dann alle möglichen Regeln und Vorschriften zusammen.* Solche theoretischen Werke über die alle

Theorie und Systematisierung ab.

üble Erfahrung

schönen Künste seien geredet werde,

La

um

völlig nutzlos.

Je

mehr über

die

Künste

so weniger würden sie praktisch gepflegt.

nation qui a le plus de livres et de methodes sur la pein-

iure, la

mustque, ragriculture, a aussi les plus mauvais pein-

mauvais musiciens et les plus mauvais cultivaDie Kunst werde nur durch praktische Ausübung gefördert. Grimm ruft dem artistes-auteurs gleichsam zu:

tres, les plus

tears.

Bilde Künstler, rede nicht!

So tritt Grimm unbefangen ohne jedes System, ohne jede Methode an die Kunstwerke heran. Indem er sie auf sich 1.

Gr. exemplifiziert mit Cailhava d'Estandoux, einem zeitgenös-

sischen Komödienschreiber, der nach mehreren DurchfäUen auf der Pariser

Bühne

niedergelegft 1.

Juil72(S.

in

dem „Art de

habe, 11).

la

Comedie" seine „reichen" Erfahrungen

deren Wertlosigkeit aber leicht zu ermessen

sei.


— wirken

läßt, ihre

82

Vorzüge, ihre Mängel erkennt und studiert,

gelangt auch er zu einer Poetik, aber zu einer solchen, die für

die

Bildung des Geschmacks des Publikums bestimmt

ist.

In

diesem Sinne hätten auch der Abbe du Bos, Diderot,

Horaz und

Boileau,

Aristoteles

ihre

Poetiken geschrieben,

von großer NützMchkeit seien, sondern auch Werke von eigenem künstlerischen Wert darstellten. die deshalb nicht nur

und schöne Aufgabe sei es de rendre le peuple sensible aux beautes des modeles que les grands hommes de toüs les gern es Im ont präsentes J" Dies setze bei dem Autor vor allem einen ausgesuchten Geschmack, ausgedehnte und vieteeitige Kenntnisse, Genauigkeit und Scharfsinn voraus. Ihre große

Diese Eigenschaften vermißt

m nem

n

t

e

den er

1,

Grimm

als geistvollen

Talent für polemische

stöße gegen den guten

beispielsweise bei

Mar-

Menschen mit ausgesproche-

Werke

sehr

schätzt,,

Geschmack ihm jedoch

dessen

ein

Ver-

genügender

Anlaß scheinen, seine Poetik abzulehnen. Die einzige Poetik für den Dichter wie für den Künstler

müsse

die

Macht seines Genies

sein.

Das Genie

spotte aller

Vorschriften der Kritik, alter Regeln und Methoden, es folge der ivresse de la passion et de Venthousiasme, seine Führer seien die göttliche

Eingebung und

So hätten

Drang.

Prinzipien zu

ein innerer, unbezwinglicher

Sujets, die den elementarsten poetischen

widerstreben

schienen,

deren Behandlung

a

sinnloses Unternehmen bezeichnet werden

geradezu als müßte, ihre Meister gefunden, unter deren Händen sie zu Kunstwerken höchsten Ranges geworden seien. Fehle diese

priori

Autor mit klarem Verstände jederzeit Herr des Gegenstandes und werde nicht notwendig von ihm geführt, dann sei niemals ein Kunstwerk zu erwarten,

göttliche Eingebung, sei der

sondern nur ein gekünsteltes.^

Dementsprechend glaubt Grimm nicht wie viele seiner Zeitgenossen, daß die vergangenen Jahrhunderte alles erschöpfend bebandelt hätten und daß nun die Sujets fehlten, 2.

L

3.

15.

September 63

Mai 70

(S. 375).

(S. 21).


83

vielmehr daß es fehle an den auteurs qui possedent Vart et

de les traiter. Einem wahren Genie werde es nie an einem Stoffe fehlen, und ebenso werde für eine geniale

le talent

Behandlung

Thema

ein

undankbar

nie

Dagegen

sein.

ver-

sagten unter der Feder eines talent- und seelenlosen Verse-

machers

selbst die glücklichsten Stoffe.*'

Charakteristisch

den

für

skizzenhafte, so doch

im

vollen^

Geschmack Grimms, ist die, wenn auch nur

feinen

seinen scharfsinnigen Kunstverstand

Bewußtsein mehrfach'' vorge-

brachte Unterscheidung der einzelnen Kunstarten hinsichtlich der ihnen zu Gebote stehenden Stoffe und Mittel.^ Diese Gedanken von der Abgrenzung der bildenden und Redekünste finden wir später, 1766, wieder als die Grundlage des „Lao-

Lessing s."

koon"

Als ein Symptom geistigen Verfalls sieht es Gr. an, daß die

4.

Literaten so oft zu Neubearbeitungen älterer literarischer

Zuflucht nehmen.

armut,

Herz

Er

Voltaire

als

protestiert

den jungen Dichtern solche Bearbeitungen ans

und ihnen dazu noch an der eigenen, recht unglücklichen

legt

Umarbeitung der „Sophonisbe" des Mairet

Wie

sucht.

ein

ohne jede Aenderung aufbewahrt blieben

geben

daß

er,

ihren Fehlern

all

zu

Beispiel

moderner Literarhistoriker verlangt

ein

Denkmäler der Literatur und Kunst mit heiten

Denkmäler

gegen die Förderung der Geistes-

die

und Schön-

als interessante

Zeu-

gen der verschiedenen Epochen der Künste und ihres Fortschrittes. Juli 61 (S. 429); 15.

April 54

Februar 55

5.

1.

6.

Aehnliche Gedanken über die Grenzen der Künste und der

von

jeder

Diderot

ihnen

eigenen

(S. 345); 1.

Darstenungsmöglichkeit

in der „Lettre sur les

sourds

et

(S. 486).

schon

1754

muets" ausgesprochen.

Gr.,

hatte

der selbstverständlich diese Abhandlung Diderots kannte, bringt zwar keine darüber hinausgehenden AufsteUungen, prüft aber die Geltung

Gedankens für sämtliche Künste und

dieses

erläutert ihn

durch

tref-

fende Beispiele. 7.

Es

sei

hier

verstattet,

darauf

hinzuweisen,

daß die beiden

geistvoUen Pfarrerssöhne, die, in deutschem Sinne erzogen, von antiker

sind,

und moderner, das heißt französischer Kultur stark beeinflußt in

ihren

kunstkritischen

Ansichten

zahlreiche

Parallelen

auf-


-~

Les

arts, bien

loin

84

de ne point connaitre des

sont circonscrits dans des bornes

que

!

etroites et si

si

les enfants pourraient les assigner.

würd'en nicht durch den

Zweck

limites,

connues

Diese engen Grenzen

der Künste bestimmt, denn

danach, die Natur nachzuahmen, wohl aber

sie alle strebten

durch die Mittel, deren sie sich zu diesem Zweck bedienten

und

die grundverschieden seien.®

Diese Mittel wiesen auch

den Künsten verschiedene Stufen der Echtheit der Natur'

nachahmung ment

Le sculpteur ment moins que

an.

moins que

peintre

le

poete;

le

Dabei zeige sich die seltsame Tatsache, daß,

le plus.

Lüge

Kunst von der Natur entfernt

je

weiter die

je

vager und hypothetischer ihre

die

Macht

le peintre, le

musicien est celui de tous qui

ihrer

einer

Mittel- seien,

Wirkungen auf unsere Seele

um sei.

sei,

so stärker //

est aise

au statuaire de nous toucher et de nous etonner, au peintre de nous emouvoir, au poete de nous embraser et de mettre notre äme en desordre, au musicien de porter ce desordre jusqu'ä la frenesie et jusqu'au delire.

Die Kunst also, die der

menschlichen Einbildungskraft den größtten Spielraum lasse, könne der größten Wirkungen sicher sein. Hierauf beruht für Grimm die ungeheure Macht der Musik über den Menschen. Je unbestimmter, schwanktender die Mittel einer Kunst-

um so unbestimmbarer werden naturgemäß ihre Wirkungen sein, und um so weniger werden sich für sie feste Regeln aufstellen lassem. Tout est prononce et Stahle dans les preceptes et dans le goüt de la sculpture; tout est indetermine et vague dans les preceptes et dans le art sind, meint unser Autor,

goüt de le

la

musique,

milieu entre ces

et la peinture et la poesie tiennent

deux extremes.

encore

Für die Bildhauerkunst

weisen und doch wiederum Gegensätze zeigen, die deutlich die Ein-

wirkung des Milieus auf ihre Gedanken bezeugen.

Lessing

hatte

keine Gelegenheit, die „Correspondance litteraire" kennen zu lernen,

dagegen hat er Diderots einschlägige Schriften gekannt, sodaß seine

men

vielfache

Uebereinstimmung mit Gr. wohl aus der gemeinsa-

Quelle erklären mag. 8.

1.

sich

Juli 61

(S.

429).


-

85

-

könne der Geschmack und das Schönheitsgefühl in musterDie gültigen Vorbildern für alle Zeiten bewahrt bleiben.'

Musik kenne keine solchen Modelle, das Genie tauche hier plötzlich auf, schaffe etwas Großes und Erhabenes, könne jedoch keine Vorschriften für den vrai et grand gout dieser Kunst hinterlassen. Jede Kunst zeige ihren eigenen Geist und darum auch ihre Grenzen, die das Genie stets einhalten müsse, um UeberDas Genie werde griffe in eine andere Art zu vermeiden.

von seinem göttlichen Instinkte geleitet, der es innerhalb der Grenzen zu freier Entwicklung und zu unaufallerdings

hörlichem Neuschaffen

treibe.^^

Die Unkenntnis der Unterschiede zwischen poetischen und malerischen Objekten, die viele Maler an den Tag legten, veranteßt Grimm, des öfteren auf Einzelheiten dieser Unterschiede einzugehen.''

Die Fabelstoffe mit ihren wunderbaren

das Reich, der epischen Poesie, der Malerei wirke das Wunderbare, das nur äußerst

Geschehnissen weist er

denn

in

selten

und nur

geeignet

sei,

genialen Bearbeitungen zur Darstellung

in

kalt

in

und

lächerlich.

Auf der Bühne mache es Le merveilleux nap-

sogar stets einen kindischen Eindruck.

de droit Qu'au poete epique Qui peint pour notre Der Dramatiker und der Maler bildeten für imagination. das Auge, nicht für die Phantasie, folglich müßten ihre Ob-

partient

jekte die Vorbilder in der Natur haben, dürften aber nicht der

unwirklichen Phantasie entnommen sein.

Dabei habe der

Dramatiker den Vorzug, daß er wenigstens das Wunderbare, das Schrecken- und Furchterregende benutzen könne, das 9.

10.

Man Es

denke an den Laokoon. ist

Genie sich über

offenbar diese.

Grimms

Ansicht,

daß das wahrhaft große

Grenzen und Unterschiede hinwegsetzen könne

und auch aus einem Objekt, das an

sich

für

seine

Kunst weniger

geeignet scheine, ein voUendetes Kunstwerk schaffen werde, daß aber die

minderen Geister solche Unterschiede nicht außer Acht lassen

dürften. 11.

Vgl. S. 82 u. S. 86. 15.

April 54

(S.

345).


— sein

der Seele und im Schicksal seiner Helden ruhe, während

— dieser — nur die ruhigen Bilder der Wirk-

der Maler, auch der Dekorationsmaler,

Grimm

eine große Rolle

lichkeit darstellen

spielt bei

könne/^

Trotz der großen Verschiedenheiten der einzelnen Künste erkennt

meinsam fes

und

Grimm doch

gelten.

einige Regeln an, die für sie alle ge-

Zu ihnen gehörten

die Einfachheit des Stof-

Handlung/^

Alles Komplizierte zer-

die Einheit der

streue und verwirre, errege, höchstens Erstaunen, also nur

und Erhabenheit aber erund rührten, lösten dauernde Gefühle aus. Nichts schwäche die Eindrücke der Kunstwerke mehr ab als Episoden und Detailschilderungen, die von dem Hauptgegenstand abein Augenblicksgefühl; Einfachheit griffen

Wenn Homer

lenkten.

oder Raphael diesen Grundsatz

in ih-

ren Meisterwerken außer Acht gelassen hätten, so seien

sie

eben ihrem Genie, ihrer göttlichen Eingebung gefolgt, hätten

dadurch Anlaß zu jenen verderblichen Regeln und gegeben, denen sich minderwertige Nachahmer

jedoch

Theorien

blindlings

und sklavisch unterworfen hätten.

leider nur die

Auf diese seien

äußeren Kunstgriffe der großen Meister, nicht

aber ihr Genie übergegangen, sodaß ihre Erzeugnisse nur kalte

und schlechte Kopien

seien.

Grimms Einzelbesprechungen

erstrecken sich auf

Werke

aller Künste.^*

12.

Gr. führt als Beispiel des Gegensatzes von Poesie und Malerei

die heidnische

und

die christliche Religion an.

Die erstere mit ihren

„fantomes d'imagination", die der Mensch nicht kenne, enthalte poetische

die

Stoffe,

andere dagegen

sei

malerisch,

Gelegenheit böten „d'exprimer les passions et

de Päme,

pour

le

feu et Tenthousiasme des

ainsi dire, 15.

14.

Wenn

(S.

(1.

ihre

Sujets

grands mouvements

moments oü

au -dessus d'eux -memes."

Dezember 56

13.

les

weil

les

hommes

Februar 55

sont,

S. 486.)

317).

Scherer ihm Verständnis und Geschmack für Bildhauerei

und Malerei absprechen führungen dieses Urteil

will,

als

so hoffe

ich,

daß die folgenden Aus-

zu scharf erweisen werden.

dings unmöglich, die Besprechungen, die

Grimm

Es

ist aller-

einzelnen künstle-


8?

Nichts

Grimm

ist

verhaßter als das servile Nachahmen,

das geistlose Kopieren alter Meisterwerke und antiker Vorbilder.

In der

Architektur

modernen

seiner Zeit

macht

er die peinliche Erfahrung, daß das Aeußere eines Gebäudes nach den antiken Bauten kopiert werde, und daß dann das Innere und der gan2^e Charakter diesem Aeußeren recht wenig

Und doch

entspreche oder oft sogar widerspreche/'

sei es

Gebäude außen Bestimmung trage.

di^ erste Forderung der Architektur, daß jedes

und innen deutlich den Charakter seiner Es sei deshalb unkünstlerisch und geschmacklos, einer christlichen Kirche die äußere und innere Form des griechischen Tempels zu geben. In einem feinsinnigen und tief durchdachten Artikel sucht Grimm den Bau des antiken Tempels aus der Eigenart der religiösen Anschauung und des Kultus zu erklären, die von dem Christentum grundverschieden sei.

Das Christentum bedeute zunächst

nicht einen neuen

Kult

oder eine neue Religion, sondern eine neue Ordnung der Ideen

Ausgehend von einer demokratischen Organisaeiner theokratischen Aristokratie geworden, deren Behörde sich aus der Geistlichkeit gebildet und nach staatlichem Muster organisiert habe. Diese habe zu ihrem Zwecke keine antiken Tempel gebraucht, sondern Gebäude nach Art der basiliques, oü la justice se rendait au peuple. Diese Gedanken kämen in den gothischen Bauten

und

Sitten.

tion seines bald zu

zum Ausdruck.

Dazu kämen noch

die

Aenderungen der

Lehre, des Kultus und der Zeremonien, die das Christentum

durchzumachen gehabt habe. Allen diesen Forderungen müsse eine moderne Kirche genügen, und schon rein äußerHch müsse sie den Geist des modernen Christentums verkörpern. Betrachtet

Grimm

in

als die Lehrmeisterin für

scheint

ihm

die antike

rischen

Werken

geben.

Nur

zuteil

der

alle

Bildhauerei

Malerei

werden

die

Antike

folgenden Jahrhunderte, so er-

läßt,

bei

weitem

nicht so ent-

hier bis ins Einzelne wiederzu-

seine allgemeinen Ansichten über Architektur, Bildhauerei,

Malerei und über die mimische Kunst sollen hier dargestellt werden. 15.

1.

November 64

(S.

102).


^ wickelt, soweit er

--

88

nach den wenigen

bei

fundenen Bildern zu urteilen vermag/'

Herculaneum aufgeAllgemeines wagt er

Ma-

allerdings nach so geringen Zeugnissen über die antike

zu sagen, denn leicht wäre es möglich, daß die gu-

lerei nicht

Werke untergegangen und nur seien. Diese Annahme scheinen ihm

die schlechten erhalten

ten

die antiken Schriftsteller

mit ihren Lobpreisungen der zeitgenössischen Malerei zu unterstützen. Ce n'est pas le goüt, c' est Je hasard qui conserve. Jedenfalls scheinen

ihm

die Alten keine rechtem Ideen

von der

Theorie der Perspektive und der Praxis ihrer Regeln gehabt zu haben, die sonst selbst bei schlechten Gemälden

Spuren hinterlassen hätten. Dafür sei ihr Augenmerk auf das Erhabene des Ausdrucks, jene maniere gründe et fiardie gedie vom Altertum unzertrennlich und richtet gewesen, selbst in seinen schlechtesten

Dieselben

an den modernen siert

recht

gegen

Fehler

Schöpfungen -zu bemerken die

Perspektive

rügt

Theater dekoratione n.''

scharf die Unnatürlichkeit der

sei..

Grimm Er

Szenerie

kriti-

gele-

der Aufführung einer Pantomime des Servandoni. Er verlangt von einer guten Dekoration, daß sie nicht fortwährend' ans Theater, an Leinwand und Kulisse erinnere, genitliich

da

sie

sonst für ein Jahrmarktstheater geeignet

sei.

Das

alte

carre ä peu pres regulier, das von einer Leinwand im Hintergrunde und von KuHssen an den Seiten gebildet werde,

gerade gut genug für Kinder. Allerdings lasse sich vieles auf der Bühne nur sehr schwer darstellen, doch müsse man von dem Genie des Dekorateurs verlangen, daß er den günstigsten und interessantesten Moment wähle und nur das

sei

zum Gegenstand

seiner

Handlung darstellbar 16.

17. 1. 18.

April 55

An dem

(S.

(S.

einer

406).

13).

praktischen Beispiel einer belagerten Stadt erläutert

Gr. das szenische Bild, wie es das eine

Mal jedoch

was an

sei.*^

September 54

15.

Darstellung mache,

natürlich wirken werde,

gänzende Phantasie der Zuschauer

Mal

unnatürlich, das andere

indem er sich dabei auf

stützt.

die er-


— Grimms Kritik Jedes Debüt,

89

erstreckt sich auch auf die Schauspielkunst.

an der Comedie-Franccdse, an der Co-

sei es

medie-Italienne oder auf der Opernbühne, bespricht er und

sogar sehr eingehend, ebenso die Abschiedsvorvon Schauspielern, Sängern und Tänzern. Der

mitunter stellungen

Bühnenwerkes

Kritik des

gefügt, speziell in Fällen,

wohl ganz

allein

dem

ist

eine solche der Darstellung bei-

wo

der Erfolg in erster Linie oder

vortrefflichen Spiel zuzuschreiben

Die Urteile zeigen im ganzen

ein

ist.

großes Verständnis für die

Forderungen der Bühnentechnik und einen feinen Geschmack für

die

szenische Wiedergabe -der mannigfaltigen Situatio-

nen, der tragischen

und der komischen.

sich auch

Es finden

die noch heute Gegenstand leb-

Bemerkungen,

prinzipielle

hafter Diskussionen sind, sofern sie nicht zu allgemein gül-

und anerkannten Grundsätzen geworden daneben einige verfehlte Kritiken zu finden sind,

tigen

folg

Daß

sind.

die der Er-

oder Mißerfolg nicht bestätigte und die manchmal zur

Berichtigung

zwangen,'^

ist

wohl

und

selbstverständlich

entschuldbar.

Grimm

verlangt von einem Schauspieler Schönheit und

Grazie der Gestalt und der Formen

Gewiß könne auch

Stimme.'''

Häßlichkeit das Talent, die

und

eine

trotz

gelegentlich

Wärme

machtvolle äußerer

und Echtheit des Aus-

drucks das Publikum fortreißen, wie es das

Spiel'

der Mlle

Sainval und des M. Monveli von der Comedie Francaise beweise, jedoch im allgemeinen bleibe stets der letzte Schluß:

une

belle voix,

une

le talent

ne

les

agreable et noble, sont des conditions

figiire

remplacent quelquefois

si essentielles qu'elles

Eine andere wichtige Frage behandelt längeren

Anmerkung zu einem

ons sur une brochure glais"^ in

dem

19. Vgl. S.

16

le talent, et

que

remplace jamais.

intitulee

Grimm

Artikel Diderots

,Gamck, ou

les

in

einer

Observati-

Acteurs an-

dieser die Theorie aufstellt, daß der Schau-

Anm.

12.

20.

1.

Oktober 72

21.

1.

November 70

(S.

69).

(S.

156).


Spieler

nie

sich

selbst

-

00

geben, nie seinen eigenen Gefühlen

und Empfindungen folgen dürfe, wenn er große Wirkungen erzielen wolle, daß er vielmehr die Rolle studieren und völlig beherrschen, die Empfindungen durch äußere Mittel auszudrücken suchen solle/^ Grimm tritt dieser Ansicht voll-

kommen

bei

Er

tigen.

Grundsatz,

und sucht

sie

überträgt

auf

der bei allen

durch weitere Belege zu bekräfdenselben

Schauspielkunst

die

Nachahmungskünsten

gelte,

daß

nämlich nicht das Wahre, nicht das getreue Bild der Natur den Menschen bei den Kunstwerken entzücke, sondern gerade

mensonge approchant de

le

Die Sensibilität

sible.

sei

pres pos-

la verite le plus

für den großen Schauspieler be-

deutungslos, ja nicht einmal wünschenswert, dafür aber sei

angeborenes Talent und ein eifriges Studium der Natur und der darzustellenden Vorbilder um so wichtiger. Zur Vervollkommnung und Verfeinerung der Kunst sei vor allem eine sittenstrenge Erziehung der Schauspieler und

ein

damit verbunden eine

bessere

soziale Stellung

zu

erstre-

Solange der Schauspielerberuf nur von sittenlosen, ungebildeten Leuten ausgeübt werde, solange une creatme,

ben.''

qui ne sait faire chez eile que la

chargee de representer en public nete ou d'une

fille

de mauvaise

le röle

femme du monde, avec

vie,

sera

ou d*une femme hon-

le

maintien,

le ton, la

noblesse de manieres que donnent Veducation et Vusage et l'habitude de la bonne compagnie, so lange könne auch die wahre Komödie, die doch das getreue Spiegelfacilite et la

werden.

bild der Sitten sein solle, nicht gut dargestellt

im einzelnen sein mögen, so sind sie von geringer Bedeutung im Verhältnis zu den bahnbrechenden Ansichten Grimms über die Musik.''

So

interessant alle diese Urteile

22. Diese Theorie hatte Diderot schon 1769 in seiner Abhandlung „Le reve de Dalembert" angedeutet und später ausführlich erörtert in

der Abhandlung „Le Paradoxe sur 23. 15. 24.

Januar 71

Gr.s

(1753), ihr

kleine

le

comedien" (1773).

(S. 235).

Satire

„Le

petit

Prophete

de

Boehmischbroda"

ungeheurer Erfolg und das Aufsehen, das

sie in

der gan-


Grimm cher

-

91

allen

Urteilen

Gegner der französischen

Musik.**^

Oper,

zeigt

sich

in

leidenschaftli-

als

Die

französische

Werwas zum guten Geschmack gehöre. Sie strotze von Unnatürlichkeit wegen des einförmigen Schemas, das ihr zugrunde liege. Maximen und Sentenzen, Madrigal auf Madrigal folgend, das Ganze zeitweilig durch den unvermeidlichen Tanz unterbrochen, das ist ken

wie

sie

Rameau und

verträten, verbanne

Monsigny

später

in ihren

alles,

Grimm von der franzöDa außerdem das Wort nach der

das charakteristische Bild, welches

Oper entwirft. Musik gemacht werde,

sischen

sei der

Dichter gezwungen, nur „ly-

rische Worte'' zu verwenden, die gewöhnlich sinnlos seien.

Deshalb fehle Inhalt, die

in

Entwicklung, kurz

wenn

halten müsse,

sinken

Opern der Dialog, der

allen französischen alles,

was

Bühnenstück ent-

ein

es nicht zur Abgeschmacktheit herab-

solle.

Das Unnatürlichste

Vermischung von Gesang und Tanz, die eine lebhafte Handlung unterbinden müsse. Tanz und Gesang seien zwei verschiedene Arten von Nachahmungskünsten, die man nicht miteinander vermischen

Lart qui imite

dürfe.

de

rien

commun avec

die

sei

nature par la danse ne doit avoir

la

celui qui imite

par

chant.

le

zen gebildeten Welt erregte, zeigen uns deutlich die führende Rolle unseres Korrespondenten sische

und die

dem

in

Musik.

italienische

lebhaften

Kampfe um

Kampf

Dieser

die

Besprechungen der Opern, der komischen Opern und der durch

Grimm

deutlich wieder.

lebhaften Anteil

64

S.

~

keiten

wie der über den

Ballette

Obwohl Gr. an diesem Streite so

nahm, bezeichnet er sich ein anderes Mal

43) mit Entschiedenheit als

franzö-

spiegelt sich in den

Gegner

aller

(1.

August

literarischen Streitig-

Wert der antiken und modernen Kunst,

über die italienische und die französische Musik, über die Vorzüge

Tassos und Ariosts, Corneilles und Racines. schaftlich

Partei

ergreift

und

für

seine

Er, der selbst leiden-

Ansicht kämpft, hält solche

Erörterungen für „disputes frivoles" und „niaiseries", die auf eine

Erschöpfung der künstlerischen Zeugungskraft schließen 25.

1.

September 57

(S.

407).

ließen.


92

Für

ein

Ohr

feines

unerträglich erscheint

Grimm

der

fortwährende Gesang, der die französische Oper vom Beginn bis zum Schluß durchziehe. Dieser enmyeux pMn-chant appele musique fratiQaise erzeuge eine ermüdende Monotonie und widerspreche allen natürlichen Gesetzen. Das Lied sei ein

Ausdruck der Leidenschaft, dürfe also auch nur in solchen Momenten verwandt werden. Den Uebergang zu diesen Liedern müsse das Rezitativ bilden, das heißt eine musikalischrhytmische Deklamation, damit

man

nicht in ein gewaltsa-

mes Ueberspringen vom Sprechen zum Singen zu

verfallen

brauche. Die französische Musik kenne diese Unterscheidung

von Rezitativ und Gesang nicht. Bei ihr werde entweder algesungen wie in der Oper oder abwechselnd gesprochen und gesungen wie in der komischen Oper.

les

So hat Grimm

Oper

viele

Gründe,

zu bekämpfen, die ihren

Wert

die

alte

komische

allein in sottises, allu-

sions obscenes ou satiriques, sales equivoques gesehen habe,

deren Dialoge

Gassenhauern und Couplets ohne MusikbeHierher gehöre auch das Genre der parodies, welches gegen den gesunden Menschenverstand und den guten Geschmack sündige. Die Phrasen und der Sinn des Textes ständen meist in Widerspruch oder seien in

gleitung bestanden hätten.

wenigstens ohne jede Beziehung zu dem Ausdruck der Musik. Solche Artep seien nur so lange beliebt, als das Publi-

kum

für

Musik kein Verständnis habe. Je lauter das Geschrei sei, um so größer sei der Erfolg gewe-

der Sänger gewesen sen.

Grimm

bedauert

es,

daß begabte Männer wie Colle

Talent an solche barbarischen

Werke verschwendet

ihr

hätten

und so nur einer schlechten Sache dienten. Den Hauptgrund dafür, daß die Texte der komischen Opern so stilwidrig seien, sieht Grimm in dem Umstand, daß wie bei der Oper die Dichter gezwungen seien, ihre Verse nach den Melodien zu reimen, welche die Komponisten lieferten.^® Die Vernunft gebiete es, daß umgekehrt erst der Text 26. 15.

März

71

(S.

270).


-^

geschrieben und dieser dann bei

den Italienern üblich

erzielt

werden, die bei

wunderung

errege.

-

93

in

sei.

Musik gesetzt werde, wie es Nur so könne eine Harmonie

Metastasio

Grimm

rechnet es

hohes Verdienst an, daß er die

alte

unsere höchste Be-

Sedaine

als sehr

Mode geechte Komö-

Art aus der

bracht habe durch seine Musikkomödien, die

dien nach italienischem Muster mit Dialog, Witz, Inhalt und

Entwicklung

seien,

denen

leider der rechte

Komponist

fehle.

Angesichts des geringen Verständnisses Monsignys für Musik

und Komposition bedauert es Grimm, daß gerade diesem

Künstler die Aufgabe der Komposition dieser Meisterwerke zufalle.

Voller Ironie spricht

ten Opern, die auf sique

dem Theater

der

der Verehrung der al-

Academie royale de müwürden par les

nicht gesungen, sondern geschrieen

aboyeurs le

Grimm von

Er nennt dieses Theater direkt wo man brauche des

et les glapissantes.

theätre de braillards et de criards,

pownons comme des

soufflets

de forge pour aequerir

la re-

Pütation de chanter avec goüt et avec succes^

Und während

die

Franzosen dissertent sans

fin

sur ce

pas trouve encore le secret de rendre leur musique supportdble ä la partie la plus preeieuse de la nation, machten die ItaHener ihre Musik und errängen den Beifall

süjet et riont

der zivilisierten Nationen.

So wesen

schllecht

seien,

auch die ersten italienischen bouffons gesich in der Pariser

die

Oper gezeigt

hätten,

hatten sie doch nach der Ansicht unseres Kritikers den Vor27.

Mit Schadenfreude

verfolgt Gr. die vergeblichen Anstrengun-

gen der Pariser Oper, welche die verbanne,

um

italienische

Musik aus ihrem Hause

so die gefährliche Rivalin der Musik meines LuUi und

Rameau zurückzuschlagen,

v^^elche

später die fortschreitenden Erfolge

der Italiener in Frankreich durch das Verbot des „Concert des amateurs" zu

hemmen

suchte und sich dann, als das Verbot durch die

Intervention hoher Persönlichkeiten aufgehoben

wurde, mit der Un-

terdrückung des harmlosen und unbedeutenden „Concert des abonnes*^

begnügen mußte.

(1.

Februar 72

S.

443.)


_

!

daß

zug,

sie

mit

ihrer

94

komischem, heiteren Musik überall

wurden und Erfolge erzielten, bedeutende Wirkungen zuzuschreiben seien.^®

vorbildlich

hätten sie das Vaudeville aus jenes Genre, das

Zum

sei.

anderen hätten

sie

Zum

dem Opera-Cornique

dem Geschmack und den

zwei

denen

ersten verjagt,

Sitten zuwider

dazu beigetragen, den Wider-

willen des Publlikums gegen die schwerfällige Monotonie der

französischen Oper gliaubt konstatieren

zu

und

erregen

zu

Grimm

steigern.

zu können, daß seitdem die alten fran-

zösischen Opern erfolglos gespielt werden, wenngleich eine

Aenderung im Geschmack noch nicht lebhaft genug hervorgetreten

sei.

Der Hauptanteil an dieser Umwälzung des Geschmacks fällt nach Grimms Meinung Duni zu, dessen Werke zeigten, wie der Text in Musik gesetzt werden müsse, ohne daß durch die Musik die französische Prosodie verletzt werde.'* Er sei deshalb der eigentliche Schöpfer der Musik in Frankreich,

wo

bisher ein bedauerlicher Mangel an musikalischem

wo

Verständnis bestanden habe,

Gesanges auf

kalischen)

der

sich der

Ausdruck des musi-

lautes Schreien oder leises

Stimme beschränkte.

Dämpfen

Leider würden jedoch die Fort-

Musik durch den noch immer üblichen Uebergang Dialog zum Gesang und umgekehrt gehemmt, den auch die Erfolge Dunis nicht hätten beseitigen schritte der

vom gewöhnlichen können.

Als Schüler Dunis helfe auch sik

durch erfolgreiche

sicheren Siege.

Werke

Grimm

Ph H i

do

r

der neuen

Mu-

zu einem zwar langsamen, aber

erkennt erst allmählich das Verdienst

Philidors an, hält ihn jedoch schließlich für einen der besten

Komponisten, über den er nur den Gretry zu stellen wagt.^® bei

Dieser G r 6 1 r y, ein noch junger Künstler, erregt gleich seinem Anfang als Opernkomponist die Bewunderung unAugust 61

28. 15.

29.

1.

Februar 65

30. 15. 1.

März 66

Sept.

(491);

(S.

(S.

59 (143); 1.

456). 189). 15.

Aug. 61

Aug. 68 (145);

1.

(457);

15.

Sept 68 (165

Dez. 61 u. 166),

(501);


Er

seres Kritikers.^'

lobt

-^

95

an ihm die berückende Reinheit

sei-

nes Stiles, die glückliche Verbindung von Geschmack und Gelehrtheit.

In seiner

vom hohen

drückt,

mutigen

bis zu

Musik seien

Tragischen

alle

bis

Charakterarten ausge-

zum Komischen, vom An-

den Feinheiten eines ruhigen, leidenschaftslo-

sen Dialogs. Gretry werde jetzt den Anfang machen, das so arg

Grimm

vernachlässigte Gehör der Franzosen zu verfeinern.

und wünscht, daß der junge Künstler sich noch des öfteren nach Italien begeben werde, um sich dort zu erfrischen und mit neuen Gedanken zu füllen, wozu ihm Paris keine Ge-

hofft

legenheit biete.^'

Bei der Besprechung der Oper (1766) von

Grimm

Monsigny,^'

die alle

La Reine de Golconde Hoffnungen täuscht, die

Umwäteung

auf diesen Künstler für die

der französi-

schen Oper gesetzt hat, präzisiert Grimm die prinzipiellen Unterschiede zwischen der französischen und der italienischen

Das Wesentlichste

Musik.

eines guten

Musikwerkes

sei

das

Rezitativ, eine declamation notee et parlee, bei der die infle-

xions du discours stark markiert sein müßten.

Ohne

dieses

Rezitativ gebe es keine Handlung, keinen Dialog, keine Szene,

keine Ruhe, keinen Reiz, keinen musikalischen Effekt.

französischen Oper fehle dies schwerfälligen,

schleppenden,

Nachahmung des monotonen

alles, hier

höre

man

In der

nur einen

Gesang,

langweilenden

eine

plain-chant der Kirche. Der Cha-

rakter der französischen chanson und des couplet verbiete es,

Handlung zu

sie in die

stellen, sie

könnten höchstens

sodische Erzählungen eingeflochten werden.

Art

als epi-

Ganz anderer

Ausdruck eines Gefühles, einer musikalischen Idee, ener Leidenschaft in einem ergreifenden Moment diene. Ebenso unnatürlich und widersinnig. sei die italienische aria, die als

September 68

31.

1

32.

Eine amüsante Anekdote, die Gr.

(S.

165).

zeigt seine Vertrautheit mit Gretry

und

eitel

441.) 33. 15.

Mai 66

(S.

38).

ist

gleichzeitig den

den dieser geniale Komponist auf sein Urteil S.

genug

legte.

(1.

mitzuteilen,

hohen Wert, Februar 72


^

^

Q6

Anwendung der Chöre in den französischen Opern, wo durch einstudierte und auswendig gelfernte Verse nicht nur Gefühlsäußerungen desVolkes wiedergeben, sondern auch in sei die

sie

Handlung eingreifen sollten. Die Chöre der Alten, die zur Rechtfertigung herangezogen würdien, hätten eine andere Aufgabe gehabt, sie hätten fungiert als un personmge moraliste

die

Vactem et le spectateur, Charge d'inspide bons sentiments moraux resultant du fond

et intermediaire entre

rer ä celui-ci

du

sujet,

Grimm Episode in

in

verlangt, daß der

solchen

Tanz

ebenfalls nur als eine

Momenten der Handlung verwandt werde,

denen er auch in der Wirklichkeit eintreten könne.

Eine

ihm im B a 1 1 e t zu.'* Dieses Genre stehe jedoch noch auf sehr niedriger Stufe. Die französischen Ballets lassen sich nach Grimms Ansicht auf ein sehr flaches Schema zurückführen und unterscheiden sich eigentlich nur durch die wechselnde Bekleidung der Tänzer. Es fehlten die Corneille und Racine des Ballets. Le poeme danse est susceptible de tous les caracteres; toutes les parties ungleich bedeutendere Rolle falle

d'un

drame

bien ordonne, Vexposition, Vintrigue, et le de-

noüment, sont egalement indispensables dans ce gerne dlmitation,^^ Das Tanzdrama müsse allerdings in Handlungen und Bewegungen, nicht in Ueberlegen, Beraten, Monologisieren

Neben den Dichter gehöre ein Musiker, der nicht Menuetts, rigodons und contredanses aufeinander folgen lasse, sondern es verstehe, zu geben une suite de tableaux les plus touchants, les plus pathetiques, les plus terribles oder une suite de saillies les plus originales et les plus heureuses. Fortwährender Tanz sei ebenso unerträglich wie fortwährender Gesang. Der Tanz solle ebenfalls nur für dien oder Dialogisieren bestehen.

leidenschaftlich erregten

ähnlich

dem

Moment

vorbehalten sein, sonst sei "

Rezitativ der Oper eine Gangart zu pflegen, die

rhythmisch nach

dem Takt

der Musik markiert sein müsse.

Die Tanzkunst müsse mit allem Ernst gepflegt und auf die ihr

zukommende Höhe gebracht 34. 15.

August 61

35. 15.

August 61

(S.

(S.

werdien.'^

451).

453).


g?

-

b

Die schöne Literatur Zahlreich treten uns in der Correspondance litteraire die Klagen über die Unfruchtbarkeit der scliönen Literatur, be-

sonders d€r Dramatik, und über die vielen schlechten und wertlosen Produktionen entgegen.*

Mit der Sterilität gehe

Hand

guten Geschmacks, der sich

in der

bemerkbar mache.

in

Hand

der Verfall des

französischem Gesellschaft

Diesen Verfall führt

Grimm

auf die wahl-

Bücher zurück, Müßiggang und Langeweile hätten die Menschen in jene Salons getrieben, die für die einzelne Persönlichkeit in mancher Hinsicht verderblich

lose Lektüre der schlechten

und nur um in diesen Gesellschaften über alles mitreden und alles kritisieren zu können, würde alles, Erhabenes und Niedriges, gelesen.' Das einzige Mittel^ den Geschmack zu heben, sei die Beschränkung der Lektüre auf wewige hervorragende Werke, Nur wessen Geschmack geschlechten festigt sei, der möge auch die minderwertigen und geworden

seien,'

die sie Erzeugnisse lesen, da die nützlichen und guten Dinge, zeigten. Leserauge zweifellos enthielten, sich nur dem geübten

Nach Grimms Ansicht hat 36.

ßert er

die

Erfindung

der Buch-

und Fachleuten äuAngesichts der Unkenntnis von Publikum 54 S. 314), eine Abhandselbst einmal den Wunsch (1. Januar

Entwicklung und Vervollkommlung über den Tanz, seine historische die Zeit dazu doch erscheint ihm im Augenblick

nung zu schreiben, nicht günstig. 1.

15.

(S. 76); 1.

66

Januar 56

August 63

(S. 103); 15. 2.

(S.

(S. 354); 15.

Februar 67

Vgl. S. 79,

156);

1.

61

1.

435);

, 15.

., . 62 Apnl ao

(S. 156);

1.

September

(S.

Dezember 64

(S. 243);

.

Juli

Januar 69

(S. 228).

Onmm

so de critique« erscheint genug Stoff MoUfere würde darin charakteristisch, daß er glaubt, ein finden. (1. Februar 56 Sittenkomödie eine für einen Sittenroman oder 3.

S,

Diese „fureur d'esprit

162).

et


98

druckerkunst die unbedeutenderen Geister dazu geführt, aus

Gewerbe zu machen, weil der Druck

der SchriftsteUerei ein

Werke ohne

ihnen ermöglichte, ihre öffentlichen/

raturgattung

So

es

Schwierigkeit zu ver-

Bücher jeder Litedem Existenzbedürfnis des Autors

seien unzählige schlechte

aus

rein

Chez nous

heraus entstanden.

la carriere

des lettres est de-

celle de tous les gens imtiles.

venue

Die gewohnheitsmäßige Lektüre bringe als natürhche Folge die Vernichtung der Originalität der Autoren mit sich. Die berufsmäßige Vielschreiberei erfinde bald methodes, Patrons, tours de metier, sodaß das Buchschreiben eine Handarbeitskunst werde, bei der Wärme, Gedanken und Genie selbstverständJich nicht zu erwarten seien. seien für ein großes

Wenn

Allgemeinheiten.

Solche Bücher

Publikum bestimmt und deshalb einmal wirklich geniale

tauchten, tue sie die große

nenden Urteil ab: cest

Menge gewöhnlich mit

dommage qu'il n'y

voller

Werke aufdem bezeich-

ait point

de methode

dans cet ouvrage. Geniale

Werke

aber ließen sich nach Regeln ebensowenig

beurteilen wie anfertigen.

forderiichen Urteil,

Nur wenige Menschen,

die

den er-

Geschmack besäßen, bestimmten das endgültige Le vrai goüt

das allgemein und feststehend werde.

est aussi rare que le genie.

Grimm

beobachtet mit Bedauern, daß die Antike nicht genug studiert werde. Diese Vernachlässigung

mehr eifrig mache sich in der Unwissenheit der modernen jungen Autoren Gerade

fühlbar.

die

große Zahl

der französischen Ueber-

ihm ein Beweis für den Verfall der Kenntnis der antiken Sprachen und, des antiken Wesens. Selbst den talentiertesten unter den jungen Dichtern, wie La Harpe, kann Grimm den schweren Vorwurf nicht ersparen,

setzungen antiker Autoren

ist

von Selbstvertrauen und Anmaßung Müßiggange lebten,statt durch ernste Studien und daß

sie,

beseelt,

dem

eifrige Arbeit

ihr Talent zu fördern.

Für 4.

Grimm

15.

bleibt

November 59

das Altertum Quelle und Vorbild (S.

153).

alles


-~

~

99

und künstlerischen Lebens. Er widerspricht der im Essai sur Vhistoire universelle dazu neige, der Moderne den Vorzug vor der Antike zu geben, den Orlando furioso über die Odyssee, T^ssos Jerusalem über die IMas zu stellen.' Abgesehen von der Ueberlegenheit

dichterischen

Voltaire energisch,

Homers

der Schilderung des Erhabenen und der Einfachheit

in

der Sitten, sieht er

ihm

in

und das Muster

die Quelle

aller

Mit Genugtuung stellt Grimm später' Frankreich der Geschmack an guter Literatur die

epischen Dichtungen. fest,

daß

in

Oberhand gewonnen habe und daß de La Motte-Houdard et consorts

die pauvretes spirituelles in

Vergessenheit geraten

seien.

Ueber die zeitgenössische nichtfranzösischeLiteratur Erörterungen anzustellen, hat Grimm nur

Aus

Aufgabe.''

das ja auch außerhalb seiner wenigen Stellen, an denen er über

und es

selten Gelegenheit,

den

liegt

deutscheWerke spricht'

(es handelt sich meist

zösische Uebersetzungen), geht jedoch

um

fran-

daß er mit

hervor,

und Verständnis dem allmählichen Aufblühen des geistigen Lebens in seinem Heimatlande entgegensieht, daß er ihm voller Stolz sogar eine ruhmreiche Zukunft prophezeit. Interesse

Eine geringe Rolle hat bis zu seiner Zeit 5. 6.

15. 15.

Februar 57

(S. 348).

Oktober 67

7.

Vgl. S, 32

8.

Grimm

Anm.

(S.

e s s

i

n g in

61

460).

11.

bespricht von deutschen Autoren und Wterken außer

den im Text angeführten: in

Vgl. S.

L

Klopstocks

der Uebersetzung des

wegen der Unnatürlichkeit und Dialog ablehnt.

Abbe Roman in Sitten,

Tragödie „Der Tod Adams" (15.

Okt. 62

S.

175),

die er

Handlungen, Charakter, Sprache

Ferner hat er Klopstocks „Messias" im Original

zu lesen versucht, aber nicht verstanden. keinen Erfolg hatte, erklärt sich

Grimm

Daß

dieses

Werk

in Paris

aus der allzu großen Ver-

schiedenheit des Geschmacks in den beiden Ländern. (15. Januar 69 S. 235.)

Am

Erfolge,

den

1.

Dezember 64

(S.

L e s s n g s „Miss

^ufföhrung in Paris

i

hatte,

141) berichtet Gr.

von dem großen

Sara Sampson" bei einer. Privat-

der er selbst nicht beig^ewohnt hat.


TOO

Frankreich gespielt, und doch erkennt er aus den Fabeln, von denen er aus Anlaß der französischen Uebersetzung^ spricht,^ einen Autor, der Geist, Genie und Erfindungsgabe besitze.. In

den nachfolgenden Dissertationen spürt er einen hervorragenden Kritiker. Grimm wirft allerdings der Sprache noch eine gewisse Pedanterie er

dem

und scholastische Schwere

Einfluß der Wolfschen Metaphysik zuschreibt,

überzeugt, daß Lessing Geist

um

werde,

metaphysische

vor, die ist

aber

und Geschmack genug besitzen Spitzfindigkeiten

entbehren

zu

können. ist Grimm von den Idyllen Gessners, den vortrefflichen Uebersetzungen Hubers und Meisters als auch im Original einen so tiefen Eindruck in Frankreich gemacht hätten, daß in Paris plötzlich die deutsche

Begeisterter

sowohl

die

in

Poesie auf den Schild' gehoben worden sei und sogar die deutsche Sprache eifrig und mit gutem Erfolge gelernt werde/"

Grimm kann

sich nicht

genug

tun, die zarte Schönheit,

den

reinen Geschmack, die feine Charakteristik dieser Idyllen zu

Er

loben.

ist

erstaunt über le gerne de la langue allemande,

bien propre assurement ä la poesie et ä Veloquence entre des

mains

habiles.

Er

fühlt,

daß

sie

die wesentlichsten Eigen-

schaften für die Sprache der Poesie besitze, einen großen Reich-

tum, eine Leichtigkeit sich anzupassen, die der des Griechischen gleichkomme, eine Inversionsfähigkeit, die dem Italienischen nicht nachstehe.

wenn

Grimm

hat die feste Zuversicht, daß,

dem Großen vergönnt sein werde, im Schöße des Friedens zu regieren, er Künste und Philosophie zur Reife bringen werde, und sein Zeitalter der deutschen Sprache die Geschmeidigkeit und Anmut geben werde, die ihr noch fehlten. es Friedrich

Eine Hoffnung,

die,

wie wir

alle

wissen, schön aufgegangen

ist."

(S.

9.

1.

Dezember 64

(S.

10.

1.

Januar 62

11); ähnlich 15. Febr.

(S.

140).

64

(S.

454) u. Febr. 73

195), 11.

An

einer anderen Stelle

dings gerade

dem Kriege

(1.

Aug. 64

S.

43) schreibt Gr. aUer-

die Kraft zu, den Charakter zu stärken, der


— Mit Genugtuung

101

Grimm

stellt

gelegentlich fest, daß

man

Frankreich einzusehen beginne, daß Genie und Geist, die man früher allein gepachtet zu haben glaubte, auch im Ausin

lände zu finden seien und nicht zuletzt in Deutschland unter

Grimm

den Dichtern und Musikern/'

Gluck

hat nur einmal Ge-

erwähnen, und dort lehnt er ihn sonderbarerweise mit wenigen Worten ab. Aber es soll ihm unvergessien bleiben, daß er gleich beim ersten Auftreten

legenheit,"'

flüchtig zu

Mozart

des jungen

in

Paris" das Talent des noch nicht

Siebenjährigen erkannte, sich für ihn begeisterte, ihm als väterlicher

Freund lange

Zeit mit

seinen schon erworbenen

Rat und Tat zur Seite stand und

Ruhm

der Pariser Gesellschaft

in

noch fester begründen half/^ für

Wie die deutsche Literatur kommt auch die englische Grimm nur insoweit in Betracht, als sie zu französischen

Uebersetzungen und Bearbeitungen Anlaß gab/^ Kunst und den Künstlern Anregung zu geben, schöpferische Kräfte zu

wecken und machtvoUe Werke hervorzurufen, sodaß er den Krieg,

obowhl

er seine wirtschaftlichen Folgen fürchtet, für die Künste eher

herbeisehnt, 12.

1.

13.

15.

Januar 66

64

Juli

(S. 466).

(S.

35).

Dezember 63

14. 1.

66

(S.

410).

15.

15.

16.

Gr. spricht von folgenden englischen Autoren und Werken:

Juli

(S.

81).

Mrs. Brooke „Histoire de Julie Mandeville", (15.

Aug. 64

S.

übers,

Bouchard

v.

56).

Henry Brooke „Gustave Wasa", tragedie anglaise

(15.

März 66

S. 501).

Burke „Recherches philosophiques sur Torigine des idees que nous avons du beau 65

du sublime", übers,

et

v.

Abb€ Desfrangais

(15.

März

S. 237).

Fielding „Amelie",

drews'

(1.

„Tom

Aug. 53

Jones", „Charlotte Summers", „Joseph

Fielding „Histoire de Jonathan Wild le Grand", übers,

März 63

S.

An-

S. 266). v.

Picquet

(1.

246).

Sara Fielding „Ophelie", übers,

v.

Mme

Beloi (15. April 63

S.

272).


Die englische

^

102

Poesie

mit ihrer düsteren Melancholie,

Garrick „Le Mariage clandestin", Komödie, übers, 68

(15. Juli

S.

Goldsmith „Le Vicaire de Wakefield"

Hawkesworth „Almoran 63

65

S.

S.

Mai 67

(1.

Hamet", übers,

S. 309).

Abbe Prevost

v.

Eidous

v.

Okt.

v.

Abbe Le Blanc

August 54

(15.

„Dissertation sur la regle du goüt"

60

(1. ...ug.

265

S.

u. 15.

Aug.

S. 271).

S.

174;

15.

Nov. 59

59

S.

15. Jan.

S.

Humes und

152;

1.

(15.

v.

Joueur", Tragödie, übers, die Bearbeitung des

S. 175); vgl.

Mai 68

S.

S.

245;

1.

s.

Jan. 60

April 65 S.252;

1.

69.

Milton „Le Paradis perdu", übers,

Moore „Le

seiner Schriften

März 63

Charlotte Lennox „Henriette", übers,

Monod

G.

v.

(15. Juli

Louis Racine

Abbe de

v.

60

S. 263).

Aug. 55

(15.

S. 79).

Loirelle (15. Okt. 62

Dramas durch Saurin im „Beverley"

74).

Ueber

kleine englische Theaterstücke, übers, v. Patu (15.

Pope

„Lettre d^Heloise ä Abelard",

übers,

v.

Mai 56

Colardeau

S. 229).

Mai 58

(1.

508).

Pope „La Priere

universelle", übers, v.

Le Franc

56

(15. Jan.

S.

161;

1.

Aug. 58

S.

24

Robertson „Histoire de TEcosse", übers,

v.

u.

15.

Mai 60

(15.

Richardson „Hist. du Chevalier Grandisson", übers,

S.

(15.

392).

„Discours politiques", übers,

Eine eingehendere Würdigung

S.

(15. Juli

393).

Hume 60

et

Aventures de M. Laville", übers,

Hill „Les

Hume

Riccoboni

342).

S.

John

Mme

v.

133).

v.

S. 238).

Abbe Prevost

Jan. 62 S, 23),

de La Chapelle

(15.

März 64

473).

Robertson „Hist. du regne de Tempereur Charles-Quint", übers,

Suard

Adam

(1.

April 71

S.

Smith „Theorie des sentiments moraux", übers,

Dez. 64

143; 15.

S.

März 65

Young „Les Colardeau

v.

Eidous

(1.

S. 236).

Smollett „Les Aventures de Roderic

de Puisieux

v.

291).

Random", übers,

v.

Hernandez

u.

(15. Sept. 61 S. 472).

Nuits", übers, (15.

Mai 70

S.

v.

Le Tourneur

30 und

1.

(15.

Mörz 69

Juni 70 S. 43).

S.

313) und


wie

sie

1Ö3

-

zum Ausdruck kommt, Er zählt zwar den Young selbst

Young's Nuits^' (1741)

in

findet nicht

Grimms

Beifall.

zu den größten Engländern des Jahrhunderts und prophezeit

von ihm, er werde mit der englichen Literatur fortleben. Er liebe aber die Art dieser Dichtung wenig und finde daher an Young's Gedicht, obgleich es in seiner Gattung hervorragend sei

und

viele Schönheiten,

Bau

namentlich im

der Verse, ent-

Ihm behage das gerne sombre vagen Bildern des Schmerzes und der

halte, nicht sehr viel Gefallen.

das sich

nicht,

in

Trauer bewege, ohne den echten und einfachen Ausdruch Schmerzes zu geben.

Mehr Gnade finden vor den Augen unseres englischen

Romane. Von Interesse

de.^:

Kritikers die

auch schon der einem fingierten

ist hier,

Form wegen,

ein Artikel, in

Gespräch mit

einer Marquise die Ueberlegenheit der englischen

dem Grimm

in

Romane gegenüber den französischen hervorhebt/^ Richardo'n's sentimentale Romane Pamela (1740) und Harlowe (1749) sind ihm charakteristisch

Ciarisse

für

die

Fähigkeit der englischen Autoren, den Leser auf die verschie-

denste Art zu bewegen und leidenschaftlich zu interessieren,

indem

sie

bald furchtbare Erschütterungen hervorriefen, bald

An F i e 1 d i n g s Romanen, besonders an der Amelie, bewundert er die Echtheit und NaTränen verursachten.

milide

türlichkeit der Personen, die

'

man

in

französischen

Romanen

und Theaterstücken stets mit einer entstellenden Schminke übertünche, in der Meinung sie zu verschönern. Diese Ueberlegenheit der englischen Romane sucht Grimm an einem Vergleich der freien französischen Bearbeitung der Amelie durch

Mme

Riccoboni mit

dem

Die natürliche

Original zu zeigen.

Konversation der englischen Romanpersonen findet er selbst nicht bei einem Rousseau.

Dieselbe Natürlichkeit und Wahrheit des Empfindens, die Uebereinstimmung des Redens, Handelns und Fühlens mit dem 17.

15.

Vgl. S. 8 18.

März 69

Anm.

15.

(S.

313); 15.

18.

Februar 63

(S. 226).

Mai 70

(S.

30);

1.

Juni 70

(S.

47).


-

-

104

i

Charakter der Personen bewundert er auch in den e n g

sehen Bühnenstücke n/® besonders Drama, das damals mit

in

;

1 i

-

dem bürgerlichen

und Moore in England in Blüte stand.'^ Allerdings erscheint ihm die Unregelmäßigkeit und Unordnung im Bau dieser Dramen eher tadelnswert. Ungefähr das gleiche Urteil

fälilt

Lillo

Grimm

über die Shakespearesche Tra-

gödie.'^

Was

e n s c h e L t e r a t u r anlangt, so finden t a Correspondance litteraire wenig kritische Besprechungen von ihr angehörigen Werken/^ Mehrfach äußert Grimm seine Bewunderung der italienischen Sprache ^^ Er sich

die

1 i

i

i

der

in

hält sie für diejenige Sprache, die unter allen lebenden ain

wenigsten Fehler aufweise, die sich

am

leichtesten allen Gat-

tungen und Charakteren anpasse, für alle Schönheiten den angemessenen Ausdruck finde, kurz das natürliche Idiom der Poesie, Musik, Beredsamkeit, der Geschichte und der Vernunft

Entgegen den Behauptungen des Abb6 Prevost sucht

sei.'*

la

Sept. 65 (S. 370).

15.

20. Vgl.

im folgenden

21. Vgl. S. 125 22.

Eingehendere

123

Anm.

u. S.

139.

S.

Anm. 96

Kritiken

89.

folgenden

sind

italienischen

Werken

gewidmet:

(UAssembl^ de

Algarotti „II Congresso di Citera" V.

MUe Menon

(15. Juli

58

a

Cyth^re), übers.

18).

Barth. Marechal „Asseta", comedie italienne (15. Febr. 57 S. 352). Becx:aria „Dei S.

Delitti

e delle Pene" (1.

Aug. 65

422; 15. Nov. 69 S. 371; Febr. 73 S. 205),

Guarini

„II

Forteguerri „Ricciardetto", übers,

S.

Vgl

S. 71.

pastor fido" (15. Dez. 59 S. 172).

Boccaccio „Le D^cam^ron", Edition fran^aise

Pergolese

329; I.Dez. 65

S.

v.

(1.

Dumouriez

„La Serva padrona", übers,

v.

Mai (1.

61 S. 402).

Aug, 64

Baurans

(15.

S. 40).

Sept.

408),

Benedetto Varchi „Histoire des r^volutions de Florence", übers,

Requier 23. 15. 24. „.

54

.

(15.

März 65

Januar 55 .

on

v.

S. 239).

(S. 468).

voit bien vite

que

la

langue italienne est In seule des


-

i

Grimm

-

105

zu beweisen, daß das Italienische neben der Milde und

und Kraft besitze, also sehr wohl gemouvements de Väme Ausdruck zu verDen Beweis liefern ihm die einfachen, energischen und

Zartheit auch Energie eignet sei, den grands leihen.

höchst poetischen Verse eines Tasso, Ariost und Metastasio.

Dies führt uns zu über die

dem

Urteil,

das

Grimm im

französische Sprache

Dichtung und Prosadarstellung

allgemeinen

und ihren Wert

für

und zu den Ratschlägen, die er den Dichtern für die Behandlung der Sprache gibt. Er betont ausdrücklich, daß man bei der Beurteilung einer Sprache oder bei einem Vergleich mit anderen Idiomen nur den Geist und den Bau derselben in Betracht ziehen dürfe. Er warnt vor fällt,

Verwechslung der Sprache mit der Gestalt, die sie unter der Feder der Autoren annehme. Während es dem Genie gelinge, die Hindernisse zu überwinden, die ihm die Natur seiner Sprache entgegenstelle, kämen bei den Schriftstellern und Dichtern niederen Ranges die natürHchen Fehler und Schöneiner

heiten unmittelbar

zum Ausdruck. Und da

zeige es sich, daß

Flachheit im Französischen den geschmackvollen Leser abstoße, während in einer faden DarsteHung in italienischer Spruche die schöne Harmonie der Sprache noch die Lektüre

erträglich

mache.

Grimm

gibt also der italienischen

Vorzug vor der französischen. tief

begründet

ist,

Daß

Sprache unbedingt den ihm

diese Vorliebe bei

zeigt ein interessanter Vergleich der romani-

schen Sprachen (Französisch, Provenzalisch,

Grimm

Italienisch),^''

den

anstellt.

langues Vivantes qui n'ait aucun d^faut essentiel, qu*elle se plie sans peine ä tous les caracteres que qu'elle est susceptible

de

la po^sie,

(15.

de

la

de toutes

rhomme

de genie voudra

les beaut^s,

lui

donner,

qu'eUe est Tidiome naturel

musique, de T^loquence, de Thistoire

et

de

la raison.**

Jan. 55 S. 473.) 25. 15.

November 54

provenzalischen

Mondonville.

(S.

Schäferspiels

Man

429) bei Gelegenheit der Aufführung des

„Daphnis

wird hier

ein

et

Alcimadure" (1754)

wenig an die

erste

von

Zusammenstel^


^

106

Grimm

Mit Offenheit verficht

Ansicht,

seine

daß das

Französische weder für die Musik noch für die Poesie besonders geeignet

sei.

sur la musique

diese

falt,

Er bedauert, daß Rousseau in der Lettre Frage nicht mit der genügenden Sorg-

Klarheit und den genügenden Details, sondern mit einer

Er hätte dann sicher niemand beleidigt und die ganze Welt überzeugt. Comment une langue timide qui ne se permet presque point d'inversions, qui marche toujours d'un pas egal et uniforme, pourrait-elle convenir ä ces cerveaux deregles que nous appelons poetes et musiciens? Befremdend wirkt es, daß Grimm die Attribute gewissen Verstimmtheit behandelt habe.

clarte, precision, energie, die stets als

höchste Eigenschaften

der französischen Sprache nachgerühmt werden, den französischen Autoren, Gelehrten und Philosophen als Verdienst zuschreibt,

der Sprache aber abspricht, deren Charakter von

So brauchten denn die französischen Meister der Feder weit mehr Genie und Talent, um ihre Natur aus zu schwerfällig

sei.

Sprache erfolgreich zu behandeln, weil

sie

erst

unzählige

Schwierigkeiten zu überwinden hätten, und es müsse

größere Bewunderung erregen, daß

zu

hohem Ruhm gebracht

in Italien

hätten.

um

so

ihrer so viele seien, die es

Es

sei

weniger erstaunhch,

einen Tasso und Ariost zu finden, als es überraschend

daß Frankreich Autoren wie Corneille und Racine besitze.'^ Auch das Provenzalische, das zwischen diesen beiden Idiomen stehe, sei wegen seiner schärfer ausgeprägten Prosodie

sei,

Musik und Poesie geeigneter als das Französische. Dieses sei wegen mancher Eigentümlichkeiten seiner Lautbüd'ung klangvoller und angenehmer als das Französische. Mit seiner Einfachheit, seiner Anmut und seiner Natürlichkeit

für

Patois

dem

nähere sich das Provenzalische sehr stark

Italenischen.^^

lung und Charakterisierung der romanischen Sprachen erinnert, die

Dante

in

seinem Traktat „De vulgari eloquentia"

26. 15.

27.

wagt

es

November 54

Im Vertrauen Grimm,

auf

(S.

die

10)

vornimmt.

hätte,

seiner

Verschwiegenheit

die gefährliche Frage,

gewonnen oder verloren

(I.

432).

wenn

ob

einst

die

Abonnenten

französische Nation

unter

Heinrich

IV.

die


107

Das Französische erscheint Grimm auch für Uebersetzungen weniger geeignet, weil sein methodischer und wenig veränderungsfähiger Schritt, seine strenge Regelmäßigkeit es nie

dem

Geiste des Originals fügbar

machen

könne.^'^

Deshalb sind

seiner Ansicht nach die meisten französischen Uebersetzungen hinter

dem

Original zurückgeblieben.

Einige hätten wohl neue

Schönheiten gebracht, aber nicht die Schönheiten, die die Phy-

siognomie des Originals ausmachten.""

wegen der Geschmeidigkeit

Die Italiener könnten

ihrer Sprache, die eine Anpassungs-

fähigkeit an die verschiedensten Charaktere besitze, viel eher gute

Zudem währende

glaubt

und Ausdrücke

Uebersetzungen Hefern.

Grimm,

einen beständigen Verfall, eine fort-

der Sprache feststellen zu Er erkennt, daß das Schicksal einer Sprache durch Volksmasse (la populace) bestimmt werde, und bedauert,

Verschlechterung

müssen.^^ die

daß die Bemühungen der großen Dichter und Philosophen gegen die Barbarei des Volkes nutzlos seien, das die Sprache

immer mehr

in Regellosigkeit verfallen lasse."'

Er erachtet es deshalb als eine der vohrnehmsten Aufgaben der Schriftsteller, ihrer Sprache und dem Stile ihrer

Werke eine sorgsame Pflege angedeihen zu lassen. Nur wenn Form und Inhalt sich harmonisch zusammenschlössen, könne ein Ganzes erstehen, das der Nachwelt zum Ruhme des Autors erhalten bleiben werde."^ Sprache der südlichen Provinzen die Nationalsprache Frankreichs ge-

worden wäre, unter diesen Gesichtspunkten dahin zu beantworten, daß Frankreich dabei gewonnen 28. 15. 29.

Grimm

An in

August 68 der

(S.

hätte.

149).

guten Lukrezübersetzung des

de La Orange

zeigt

einem speziellen Falle Schönheiten der französischen Be-

arbeitung, die sich aber mit denen des Originals keineswegs deckten. (15.

August 68 30. 15. 31.

S.

151.)

Dezember 54

Grimm

verspricht

(S.

452).

sich

am

rung durch den Einfluß der „Academie 32.

wenigsten

eine

Sprach Verbesse-

frangaise". Vgl. S. 20.

Gr. hält Buffons Antrittsrede in der „Academie fran^aise" über


— Daher räumt Grimm scher

Werke

man muß

nimmt, und

Es

er für

den

seinen Besprechungen literari-

in

der Kritik des Stiles einen bedeutenden Platz ein.

Zahlreich sind die Stellen,

Sprache.

108

der

er stilistische Korrekturen vor-

zum Schaden

nicht

Mme du Bocage

vorschlägt,"' auf die

Rüge einer unfranzösischen Wendung des Abbe V o und auf die Zitate aus einem Romane des. C r e b i

i

1 1

die die Eintönigkeit der Sätze, die

Wendungen, kurz den Jargon

Grimm

legen sollen."' er

in

Mme B e

1

1

,

Armut

an"

s e

on

no f

n'*

i 1

s,

Ausdrücken und

inlisible dieses Schriftstellers

be-

unterläßt es nie, Nachlässigkeiten, die

Uebersetzungen

üebersetzung der

der

nur hingewiesen auf die Aenderungen, die

sei hier

Stil'

wo

gestehen,

Er

hervorzuheben.

findet,

Histoire d' Angleterre

Hume

des

weil sie mehrere Fehler enthalte

tadelt

und

die

durch

beispiels-

weise polished mit polish verwechsle und durch polonais wiedergebe.'^

E d

u s

i

,

Er polemisiert scharf gegen einen gewissen

der zahlreiche Uebersetzungen aus

angefertigt hat,

die

alle

dem

Englischen

einem eigenen unfranzösischen

in

Idiom, der langue eidous geschrieben seien, und weist

ihm

An der Tazitusübersetzung des Abbe de LaBletterie hat Grimm viele widersinnige Stellen

schwere Fehler nach."^

zu beanstanden, wobei er eine gute Kenntnis des Lateinischen

und der römischen Staatsaltertümer

Grimms

Kritik

Kleinigkeiten, die

erstreckt

Stil für

zeigt.'^

bis

auf

die

geringsten

dem Geschmack an einem schönen Werke

Abbruch tun könnten. den

sich

Selbst Interpunktions-

und Druckfehler

das glänzende Vorbild eines solchen Werkes, denn die be-

herzigenswerten, großzügigen Lehren fänden sich hier in die eines meisterhaften Stils gekleidet. 33.

November 64

1.

34. 15.

35.

1.

36. 1. 37.

1.

38. 15.

November 68 April 65

53 S. 275.)

113).

(S.

Dezember 68

(1. Sept.

(S.

(S.

216). 207).

(S. 253).

Dezember 66

(S.

September 68

183)

(S.

und

174).

1.

Mai 67

(S. 308).

Form


-

--

109

erscheinen ihm nicht zu gering, um sich über sie auszulassen.** Er hat wohl selbst bisweilen die Empfindung, daß er Nichtigkeiten aufbauscht,*"" und warnt deshalb davor, derartige Beobachtungen für Lappalien und Kleinigkeitskrämerei zu halten, Cest par ces nuances imperceptibles que la corruption du goüt commence. Von der Nachlässigkeit zur groben Geschmacklosigkeit sei nur ein kleiner Schritt.

Diese Kritik des Stiles macht selbst vor Voltaires

Werken

Recht interessant sind die Korrekturen, die Grimm der Tragödie Socrate vornimmt, deren Ausdrücke nicht

nicht Halt. in

mit der sonstigen Sorgfalt gewählt und mitunter sogar wenig

vornehm des

Ebenso rügt

seien.*^

öfteren

er in

Im ganzen aber

schlechten Ton.

Stil als mustergültig^

den späteren Tragödien

Schwäche des

gewisse

eine

Voltaire

lobt

ist für

und den

Stiles

er gerade Voltaires

ihn der Beschützer des

guten Geschmacks gegen die vielen Versuche eines Fontenelle

und La Motte, jenen

alten sprachlichen

und

gesellschaft-

zum Leben gewagt habe, der Ruhmestaten Racines

lichen Affektiertheiten des Preziösentums wieder •zu

verhelfen, die Moliere als erster zu verspotten

und die überwunden zu haben eine und Boileaus sei. Grimm selbst bekämpft jede Geziertheit bei den Autoren. Obgleich ihm der Stil des La H a r p e im allgemeinen sehr gefällt,

nimmt

er

doch keinen Anstand, die Häufung der Anti-

thesen zu rügen.** Je ne puis souffrir ces periodes arrangees ä 39. sie

Grimm

verspottet die „^loquence des points et des tirets",

Arnaud

Baculard d'

pflege, die

„En 50 pages, Timprimerie (15. Juli

der

67

S. 375).

Komödie

la

wie

den Leser kalt lasse und abstoße.

mieux fournie doit se trouver 6puis6e."

— Ein anderes Mal rügt Gr. den nachlässigen Druck

„Le Philosophe sans

le

savoir" des S e d a

i

ne

,

tadelt

die vielen Druckfehler, die falsche Interpunktion, die Inkorrektheit des Stiles (15.

April 66

S. 23).

4a Vgl. auch seine Bemerkungen zu Chabanon*s „Eloge de M. Rameau" (1. Dez. 64 S. 138). 41. 1.

August 59

42.

September 67

1.

(S. 128). (S. 411).


^

^

110

Quatre epingles oü chaque phrase est contre-balancee par une

du

autre

meme poids, oü

il

ya

tont juste autant

de crainte d'un

cote que d'esperance de V autre, et oü les mots jouent sans

cesse contre des mots.

Wir

wollen uns nun den einzelnen Literaturgattungen zu-

wenden und

in

Linie die allgemeineren

erster

Grimms über sie zusammenstellen. Grimm lehnt es gelegentlich ab,

sich mit den zeitgenössi-

französischen Journalen

schen sie

Äußerungen

zu beschäftigen, da

meist vor derselben oder doch w^enigstens einer ähnlichen

Aufgabe ständen, wie

er sie sich selbst gestellt habe.*^

finden sich zahlreiche Stellen,

wo

Dennoch

er sich zu diesen äußert.

Die

meisten Journalisten und vor allem Freron tadelt er wegen ihrer unaufrichtigen, parteiischen Kritik, die ein falsches Bild

von dem Stande der Kunst und Literatur

in

Frankreich ent-

stehen lasse und nur dazu beitrage, das wahre Genie zu ent-

Er verlangt

mutigen."

und

abhängigkeit

Meinung

dem

damit die

Mitarbeiter

Unihre

äußern dürften, ohne Gefahr zu laufen, sich und

frei

Werk

das

für eine gute Zeitschrift völlige

Preßfreiheit,

Verfolgungen auszusetzen.

Journale aber, die unter

Protektorate der Regierung ständen, wie die Gazette de

France und

vom Abbe d'Arnaud und Suard

die

geleitete

Gazette litteraire de VEurope, seien schon von vornherein unfrei und ließen deshalb nicht viel erwarten.*^ Die Gazette

de France

ihn la plus insipide, la plus impolie et la plus

ist für

correctement ecrite de toutes les gazettes.^^

daß sich Zeitschriften, die über dem Durchschnittsniveau ständen wie die Gazette litteraire de r Europe und das Journal etranger, nicht halten können, die

Grimm

ihrem

Plane

43. 15.

44.

bedauert

1.

es,

gemäß

keine

November 69

Mai 57

(S. 369).

(S. 369);

45. 15.

Juni 63

46. 15.

Januar 69

(S.

Schmähungen gegen berühmte

15.

317). (S. 251).

Juni 63

(S. 317).


— Männer brächten

-

111

Doch gerade

diese verlangten die Leser

pour Vamusement de leur mäligrdte.^'

Große Erwartungen hat Grimm

einst

in

das Journal

etranger gesetzt, das er selbst mitbegründen half, zu dtem er

Vorrede

und das er anfangs selbst gibt, da er sich der Aufgabe nicht gewachsen glaubt, die Leitung an Toussaint ab und wünscht, daß in seinen Händen die Ausführung dtes großen Projektes nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen möge.*^ Er sieht jedoch seine Hoffnungen getäuscht. Weder Toussaint noch Prevost bringen das Journal auf die Höhe, die Grimm sich von diesem eine glänzende leitete.

schrieb*^

Er

Werke erträumt

Als

hat.^"

Frörons übergehen

die Leitung

er

die

in

Hände

das Schicksal dieser Zeit-

sieht, ist für ihn

Le Journal etanger

est predestine ä itre abandonne et ä errer.^"^ Für den Roman scheint Grimm im allgemeinen keine große Vorliebe gehabt zu haben. Sehr bald gewöhnt er sich daran, da die Produktion quantitativ sehr groß, qualitativ sehr gering sei, nur noch die Titel der einzelnen Werke anzuführen, und fügt oft nur ein paar kurze, ablehnende Bemerkungen schrift besiegelt:

hinzu,

es sich zuweilen nicht der

d'a

Mühe

verlohne, diese Er-

zeugnisse zu lesen, geschweige denn über sie des längeren zu urteilen."

Januar 69

47. 15.

49.

Mai 54

1.

(S.

September 55

51.

1.

52.

Es

scheint,

336

S.

ff.

352).

November 54

50. 15.

kann,

(S. 251).

Tourneux, Bd. XVI

48.

als

(S. 437). (S.

88).

ob man Grimm den Vorwurf nicht ersparen

daß er manches Werk, über das er immerhin Bemerkungen

macht, nicht wirklich gelesen hat. Vgl. 15. Okt. 55 (S. 109); 190);

1.

September 56

61 (S. 442); (S.

183);

(S.

479);

1.

15. 1.

(S.

1.

August 63 Februar 67

Januar 68

Februar 56

280

(S.

(S.

u,

281);

354);

(S.

16);

243); 15.

1.

1.

(S.

169);

Mai 66 1.

1.

März 56

November 58 (S. 34);

Mai 67

(S.

(S.

188

u.

(S. 46); 15. Juli 1.

Dezember 66

310);

1.

Nov. 67

Sept. 72 (S.66); Febr, 73 (S. 206).


Grimm

-

112

beklagt es sehr, daß

man

in

Frankreich den roman

domestique nicht kenne und auch nicht kennen könne, jenes Genre, das vor allen anderen geeignet sei, den Mertschien das

und Unsi-tten, ihrer Vorzüge und Fehler einfacher und wahrer Weise vor Augen zu halten,^^ Diesetl Mangel führt Grimm auf das Fehlen origineller Persönlich-

Spiegelbild ihrer Sitten in

keiten in der französischen GeseMschaft

nationaler Sitten

zurück,

und ausgesprochen

den Schriftstellern Stoff

die

für

Romane geben und

ihnen Farbe und Charakter verleihen Er macht das nivellierende französische Salonleben

könnten.

dafür verantwortHch,^* das jede Individualität, jede Origina-

Anders verhalte es

Htät der Charaktere verwischt habe.''

England,

in

wo

sich

die Gesellschaft den Autoren Modelle in Hülle

und Fülle biete. Daher seien die englischen Romane, wenn sie auch manche Schwächen zeigten, doch erhebliich höher zu stellen als die französischen.'^*

Grimm

diesem Urteil macht

In

PreV

schwankend.

Mar

In den

auch seine Kenntnis der

Romane nicht Romanen des Abb6 Prevost vermißt er

und

s t'schen

i

v a u x'schen

und Charaktere, die

die Schilderung nationaler Sitten

allsein

Färbung zu geben vermögen. Er fühlt sich geneigt, sie mit der wenig sittenschildernden Tragödie zu vergleichen.'^^ Ueber Marivaux fälilt Grimm in Bausch und Bogen das Urteil: Mari53. 1.

August 53

54. .Vgl. S.

80 Anm. 62.

Die einzigen Originale, die man

55.

lene an sich .

,

(S. 267).

schon farblosen,

,

,

^

^..

-«opfe»

267

.

und

,

noch ,

*

*.

.

finde, seien ,

,

x

./....

„petites-maitresses", mit deren ;

u

.^

.

„roman domestique"

Diese seien denn auch in den Werken des

Hamilton

.

..

.

charaktervollen, abgeschmackten

.

Cr^billon

zur Genüge geschildert

(1,

er-

fils

August 53

u. 268).

56. Vgl. S. 103 u. 104 u. 15. Febr. 57.

,

. rÄnkrelclt

sich der Stoff des französischen

und des Grafen S.

"1

P-

.

„ijetits-maitres"

.,^

Schilderuno^

in

"• ^i^enifif **

"

,

,

und uninteressanten ^

,,

,

,

67

(S. 243).

Gr. findet keine Gelegenheit, eingehender von Pr^vosfs eigenen

Werken zu

sprechen.

„Manon

53

(S.

15.

Februar 62

268).

(S.

Er erwähnt

sie

nur kurz und allgemein

mn

1.

Aug.

Lescaut" (1733) wir4 kyrz und ohne Kritik

47) ervirähnt

am


— ms

-

113

mais quand il est mauvais:"^ Marianne (1731-44) und Le Paysan parvenu (1735-36), auf die er aus Anlaß des Todes Marivaiix' (1763) kurz zurückblickt, finden nicht seinen vaiix liest dejä

trop siipportable c/iiand

il

est bon;

c'est bien pis

Ihnen fehle es zwar nicht an Geist und mitunter auch

Beifall.

nicht an Wahrheit,

mauvais

et

souvent

doch

sei

das ganze Genre d*un goüt bien

Grimm spricht seine Verwunderung dem Einflüsse dieser wenig bedeutenden

faiix:'''

darüber aus, daß unter

Romane Marivaux' Richardson, Fielding und andere Engländer ihre hervorragenden Werke geschaffen habend Dieses den Franzosen gegenüber doch sehr kurzund voreingenommen. Diese Voreingenommenheit führt Grimm zu einem charakteristischen Widerspruch. Er, der nicht müde wird, denl

Urteil erscheint siditig

Künstler die

Nachahmung

der Natur zu predigen,®^ und stets

eine Darstellung des wirklichen

Lebens verlangt, kommt bei dem Droschkenkutscher

der stark realistischen Szene zwischen

Mme

und

Dutour aus der Marianne zu dem Urteil:

rendu

n'est mieiix

So

tablef^ in

d' apres nature, et

verteidigt er den

Realismus

rien

d'un goüt plus detesin

der Theorie,

um

ihn

der Praxis zu verurteilen.

Die schlüpfrigen

Mode

Romane und

Novellen, die zu jener Zeit

Grimm.

Er läßt sie nur gellten, wenn sie Meister der Erzählungskunst wie den erfindungsreichen und sind, verwirft

Hamilton

und den feinen Menschen»schilderer Creb n zu Verfassern haben. Crebillon's Le Sopha (1745) nennt er ein Meisterwerk, das man immer von neuem

heiteren i

1

1

Juni 65

58.

1.

59.

15.

60

„S'il

(S. 291).

Februar 63 est vrai

de Richardson

et

(S. 236).

que ses romans ont

un mauvais original a

fait faire

S. 236).

61. Vgl. S. 117,

62.

1.

ete les

modeles des romans

de Fielding, on peut dire que, pour la premi^re

August 53

(S. 269).

fois,

des copies admirables." (15* Februar 63


'

— lesen

Des

könne."'

Schriftstellerei

114

alternden

ab."*'

Eine längere Besprechung widmet

Heloise

Rousseaus/'

(1761)

pornographisdie

Crebillon

lehnt er entschieden^

Er

Grimm

Nouvelle

der

an

findet

dem Werk

wenig Lobenswertes, tadelt die absurde Fabel, den Mangel; an Planmäßigkeit und die Armsehgkeit der Ausführung. Das

Werk

emphatischen Stiles sehr

Rousseau ihm überhaupt als Schriftsteller eigen seien. Er sei ein Sophist, der die Paradoxe Hebe und diese mit einer Beredsamkeit vortrage, die zwar Bewunderung errege, aber weder überzeuge noch rühre. Paradox sei auch die Art, wie die Personen handelten. Ihr Verhalten täusche in jedem AugenbHcke die Erwartung des Lesers. Daraus ergäben sich Unwahrscheinlichkeiten und Unmöglichkeiten. Vor ahem vermißt Grimm an Rousseau die sublimite de genie et de goüt. An Einzelheiten der Darstellung, die er sei trotz seines

flach.

zeige in dieser Literaturgattung die Mängel, die

aus dem Roman herausgreift, sucht er das Fehlen des Geschmacks zu beweisen. Genie verrate in dem Roman höchstens ein Gedanke, (es handelt sich um den Traum der Julie während ihrer Krankheit), den Rousseau jedoch durch seine Darstellung zum Teil verdorben habe. Ein anderes Mal sei ihm wohl auch ein fruchtbarer Gedanke aufgeblitzt, er habe ihn aber nicht zu benutzen verstanden.^ 54

63.

1.

64.

1.

November 68

65.

1.

Februar 61

66.

Dieses schroffe Urteil, das

Werk was

Juli

fällt, ist

(S. 372).

206).

Grimm

über Rousseau und sein

charakteristisch für den Gegensatz dieser beiden

ihre natürliche

betrifft.

(S.

(S. 342).

Veranlagung und ihre Lebens- und Weltanschauung

So hart Grimms Kritik auch

Bemühen, gerecht zu

sein

und

ist,

so sieht

sein Urteil sachlich

man doch

sprechung einer unter dem

Namen

J.-J.

Besprechung des Romans

Rousseau"

Er

Bei der Be-

des marquis de Ximenes gehenden,

aber Voltaire zugeschriebenen Broschüre „Lettres sur

ou Aloisia de

stets sein

zu begründen.

vermeidet jede persönliche Verunglimpfung Rousseaus.

loise

Männer,

(1.

Februar 61

Nouvelle

)Ie-

S. 347), die er

der

la

selbst anschließt, tadelt er diese Veröffentlichung


^

^

115

Von Voltaires Romanen

Grimm

bespricht

der Cor-

in

und ihren Verfasser Voltaire sehr wegen der häßlichen persönlichen Anzüglichkeiten, die sie enthalte, und die eher geeignet seien, ihrem

dem Angegriffenen den Unwillen

Verfasser als

ziehen.

Grimms

Anm.

14

32—35,

S.

5,

immer

Sie scheint mir

Seiten

Tätigkeit ergibt sich aus den Ausführungen auf

seiner^ literarischen S.

des Publikums zuzu-

und den verschiedenen

Stellung zu Rousseau

37,

43—45,

56,

die gleiche zu

65,

sein.

103,

119.

114,

106,

Immer erkennt Grimm

Rousseaus Begabung, Schwung, Beredsamkeit und die lyrischen Schönheiten seines Stiles an,

tritt

aber seinen Theorien und Grundsätzen

— Am

auf allen Gebieten entgegen.

Grimm

Oktober 1766

15.

(S.

fast

142) spricht

von seinem Bruche mit Rousseau, dessen Not-

ausführlich

wendigkeit er seinen Lesern klarzulegen sucht.

Man muß

gestehen,

daß Grimm, den die Verschwiegenheit der „Correspondance" zu Schmä-

hungen

verleiten

hätte

man auch über den Bruch er

selbst

Wie

können, ehrlich und ehrenhaft handelt. selbst urteilen

und mit gutem Recht,

möge, er

dieser Zeit

seit

hat,

das versichert

der

Persönlichkeit

Rousseaus nie etwas Uebles nachgesagt, weder zu seinen Freunden

Er bedauert, daß Rousseau

noch zu seinen Feinden. gleichen Weise

ihm gegenüber

sich

benommen

nicht in

der

habe, will sich jedoch

auch (Jurch die schwersten Verleumdungen nicht von seinem Grund-

Er beklagt

satze abbringen lassen.

die unglückliche

Natur Rousseaus,

der sich mit den besten Freunden und selbst mit seinen Wohltätern ohne

Grund und undankbarerweise immer wieder entzweie und persönlichen Streit

Anschauungen

Grimm 59

15.

April 59

über den „Emile" Jan.

65

S.

(s.

u.

Februar 73

die er zu hebt,

S. 178).

bemängeln

wie wir es

rinegalite finden.

parmi

S.

in

les

le

Sehr

streng,

aber sachlich Dez. 58

S. 54;

über die „Nouvelle Heloise"

über die „Lettres ecrites de

schließlich

stets

la

hat,

spricht 1.

(s.

Febr. oben),

montagne"

besonders ausführlich über die

gouvernement de Pologne" (Januar 73

Im

einen

habe, sobald diese nicht seine

les spectacles" (1.

100),

S. 56),

176) und

„Considerations sur

hätten.

geteilt

über die „Lettres sur

S. 75;

(15.

vom Zaun gebrochen

S.

127

wesentlichen sind es überall dieselben Fehler,

aber auch dieselben Vorzüge, die er hervor-

Grimms hommes"

Was immer Grimm

Kritik über Rousseaus

„Discours sur

(15. Juli 55 S. 53) in der Hauptsache

aus Rousseaus Leben berichtet, zeugt wohl


— respondance {1767)!'^

den

nur

Candide

Werke

Beid'e

production

cette

serieuse.

ny

II

und

(1759)""

den Ingenu

hält er für keine literarisch sehr ernst

zu nehmenden Schöpfungeni direkt:

-

116

a dans

Von dem

ersten

Roman

sagt er

ne soutiendrait pas une critique Candide ni ordonnance, ni plan, ni

sagesse, ni de ces coups de pinceaux heureux qu'on rencontre dans quelques romans anglais de meme gerne; vous y trouverez en revanche hemcoup de ehoses de mauvais goüt, d'autres de mauvais ton, des polissonneries et des ordures qui n'ont Point ce voile de gaze qui les rend supportables.

Jedoch wie

Werken

allen

bei

und

seine Fröhlichkeit

Voltaires

Der

Candide

Voltaires

sehr unterfein-

Werke

einmal die Chronologie der

Vergessenheit geraten

in

Jugendwerk,

Werkes

könnte von einem späteren,

wenn

fühligen Kritiker,

hier

Leichtigkeit, die zahlreichen! satirischen

Ausfälle und Geistesblitze die Lektüre des

haltend

machten auch

sehr wohl als ein

sollte,

coup d'essai dans ce genre angesehen

als ein

werden/^ Nicht

günstiger

Ce roman nest pas eher

le

Grimms

dem Ingenu, chef-d'oeuvre de M. de Voltaire, mais

ist

von großer Anteilnahme

dem

Unterschied in

Verhalten

über

Urteil

'

von gehässiger Gesinnung.

als

Grimms Rousseau gegenüber vor und

nach dem Bruche von 1757 läßt sich in der „Correspondance nicht nachv^^eisen (vgl. dazu Hettner,

Man

Ein

1.

c.

431

S.

litteraire"

u. 505).

Grimm vorwerfen, daß er absichtlich und aus Gesinnung den Ruhm Rousseaus herabsetzen wollte, wenn

darf auf keinen Fall

niedriger er seine

Werke so

und

sogar Genie und Erfolg absprach.

oft

scharf kritisierte, ihnen keine Ewigkeitswerte

Größe Rousseaus

nicht erkannt,

Grimm

beimaß

hat tatsächlich die

weil er in Charakter, Bildung und

Weltanschauung von ihm zu grundverschieden war. Vgl. „Annales de Societe 67.

1.

68. 1. .

69.

Rousseau"

J.-J.

M^rz 59

(S.

September 67

Nach

der

II

1906

S.

89

85). (S.

409)

u.

15.

Vervollkommnung

Werken zu

urteilen,

Entstehung

die

la

ff!

September 67 des

wäre nach Gr*s Meinung

folgende:

„Candide"

„Babouc", „Zadig" (1747),

„Memnon"

(S.

Geschmacks

(1759),

(1750).

417). in

Voltaires

die Reihenfolge ihrer

„Scarmentado"

(1756),


//

est plein

illustre.

II

sa plume.

de

traits qiii rappellent la

est

amüsant

An dem

et

agreäble

Werken

die in seinen

maniere de cet

comme

74jährigeni Autor

gaiete, cette gräce, ce feu, ce lite,

~

117

charme

ecrlvaiti

tont ce qui sort de

bewundert et cette

Grimm

cette

prodigieuse faci-

stets wiederkehrten!

und

die das

schlechteste von ihnen noch ausreichen' ließen, pour faire de la

reputation ä an

homme.

Abneigung verrät Grimm gegen die Poesie seiner Zeit, die mit kühlem Verstand'e nach festen Kunstregeln, meist sogar fabrikmäßig um des Verdienstes wüten gemacht werde/^ Die Poesie sei aber kein metier de cabinet, das man zwischen Büchern am Schreibtisch treiben könne, sie müsse Eine

tiefe

vielmehr aus Natur und Phantasie geboren werden. Regelhafte, Gekünstelte, wie es

zum

Beispiel' in

Alles

den Oden zum

Ausdruck komme, sei nicht mit der großen Kunst vereinbar, die in Freiheit und Ungezwungenheit die Natur nachbilden solle;^

Recht ungehalten

ist

Grimm

über die jungen Dichter, die

poetereauxp die sich nicht dazu entschließen könnten, die großen Vorbilder der Antike eingehend zu studieren, bevor sie selbst ans Werk gingen. Ihm ist diese unfähige, unwissende prend

de jeunes poetes zuwider. Cela ne sait rien, cela riaprien, cela ne veut pas etudier les modeles de Vanti-

quite,

cela veut courir les spectacles, les cercles, les pro-

votiere

menades,

et puis chanter.

seien, seien

Colardeau

den Versbau zeigten. cette

Ils

Die einzigen^ die auszunehmen und'

La H a r p

e,^^

die Talent für

ont quelque idee de Vharmonie, de

douceur de versification qui dispose insensiblement Väme

ä une douce

et tendre melancolie, de cette poesie imitative qui, ne suis quel Prestige secret, etablit une liaison entre teile Sensation de Väme et tel choix de mots ou teile suite de sons. Grimm bedauert, daß das Publikum im allgemeinen so

par

je

70. 15. 71.

Januar 64

(S. 435).

In diesen Gedanken

treten

uns jene Forderungen entgegen,

denen die Epoche der Romantik ErfüUung bringen 72. 15.

Dezember 65

73. 15.

Mai 70

(S. 448).

(S. 30).

sollte.

,


118

wenig Neigung zur Poesie empfinde.

Er kann

sich nicht der

Ansicht anschließen, daß die philosophischen Interessen mit ihrer

Nüchternheit und Vernunftmäßigkeit diese Abneigung

Er glaubt vielmehr, daß große Dichter Publikum das wieder für ihre Werke begeistern könnten und daß es nur an solchen wahren Dichtern mangele. Die Griechen, die Römer und in seiner Zeit die Engländer, bei denen Dichter und Denker nebeneinander gelebt und gewirkt hätten, wo ein Newton, ein Shaftesbury und ein Locke den großen Dichtern durchaus nicht im Wege gewesen seien, sind hervorgerufen hätten/' jederzeit

'

Grimm historische Beweise für seine Auff asung. Grimm wendet sich gegen laszive Dichtungen, den guten und gesunden Geschmack verstoßen.'^ die Zügellosigkeit eines poetischen

Werkes

die

gegen

Wenn

aber

der Begeisterung

oder einer tolten Laune des Autors entspringe, wie er es in den Versen eines C o 1 e spürt, so ist er nicht Phihster genug, 1

um der

Dichtkunst eine Spießbürgermoral anhängen zu wollen. Für ihn besteht die Tugend aus höheren Werten als nur aus et pedantique d'une morde alamkönnte doch nicht einen Anakreon

einem langage emphatique biquee et ernstere.

Man

oder einen Horaz und ihre etwas losen Dichtungen als unsittlich

verdammen.

Wie in der Lyrik, so spricht sich auch in der Epik Grimm gegen altes Schablonenhafte, nach fertigen Regeln Gemachte aus.'^ In dem Epos des Homer sieht er eigentlich das einzige originelle epische Gedicht.

Alle anderen

von der

Aeneis bis zur Henriade (1723) seien nur Nachahmungen hinsichtlich des Systems und des Charakters der Dichtung. Selbst

den er als poetisches Genie ersten Ranges schätzt, habe Die Modernen in dieser Beziehung den Homer nur kopiert. hätten ihn nur noch serviler nachgeahmt.'^ Virgil,

74. 15. 75.

1.

76. 15. 77.

September 64 Februar 63

(S. 73).

(S.

Dezember 56

217).

(S.

319)

u. S. 117.

Die einzigen originelleren Ependichter seien Tasso und Ariost


— In

welchem Maße

bildungen der

daß

ebe

man es

Ilias

für die

119

— Dichtungen Nach-

fast alle epischen

und der Odyssee Gattung

ein

seien,

gehe daraus hervor,

Rezept aufstellen könnte.

auch kein einziges Werk,

das nicht einen

Kampf,

Da die

Erzählung einer höchst gefahrvollen Reise, einen Abstieg in die Unterwelt, Weissagungen und Prophezeiungen enthalte.

Darüber habe sich auch Boileau mit vielem Geist lustig gemacht, indem er in seinem komischen Epos Le Lutrin die ernsten und gewichtigen Formen des großen Epos auf einen belanglosen, heiteren Stoff angewandt habe.

Gegenüber allen Vorwürfen, die die Modernen Homer zu machen geneigt seien, bewundert Grimm die vortreffliche Schilderung der einfachen und reinen Sitten der Antike in der Ilias, die dem Werke Macht und' Farbe verleihe, die ergreife die Sitten jetzt nicht mehr leicht verAutoren, Voltaire nicht ausmodernen ständlich seien.'' Die genommen, hätten die eigenartigen Sitten außer Acht gelassen-, die gerade ihre Helden und deren Umgebung charakterisierten, ihnen Fleisch und Blut und Leben geben sollten. So entstehe naturgemäß die beklagenswerte Monotonie, das Leblose, Re-

und rühre,

selbst

wenn

Werken, und das sei der schwerste Vorwurf, den man einem Kunstwerke machen könne."^^ Das lebhafteste Interesse erweckt in Grimm das Theater, das ernste sowohl als auch das komische. Er ist der

gelhafte in ihren

Ueberzeugung, daß das Theater eine moralische BildüngsGegen Rousseau, der das Theater wegen, seiner anstalt ist. Gemeingefährlichkeit verboten wissen möchte, verteidigt und unterstützt

kraft ihrer

Grimm

Voltaires Ansicht, der mit

Systeme der „magie" und „sorcellerie" und Milton kraft

des Systemes des „merveiUeux" (15. April 64 78. 15. 79. In

Nachdruck dem

April 64 diesen

(S.

S. 483).

483).

Bemerkungen Grimms finden wir einen WiderhaU

des langen Streites der Meinungen über den Vorzug der antiken oder der modernen Poesie, der die literarischen Kreise Frankreichs in zwei Parieien spaltete.

Gr. gehörte seiner deutschen

Abstammung und

seiner

Vorbildung gemäß zu der Partei, die der antiken Dichtung den Vorrang einräumte, zu den „Anciens".


— Schauspiel erzieherische

120

Momente

zuspricht.'"

Sei das Sujet

werde es auch ehrbare Gefühle in den Zuhörern auslösen!, und solche gemeinsamen Empfindungen machten im Gegensatz zur einsamen Lektüre die Menschen zu Freunden, wirkten also im guten Sinne. Ils ont hat le vice, aime la vertu, pleure de concert, developpe les uns ä cöte des richtig gewählt, so

untres ce qu'il

Das

y u de bon

antike

et

de juste duns

Erziehung des Volkes gedient, ein

religiöser

le

Drama habe diesem Zwecke sei eine

Akt zur Unterweisung

coeur humuin. der moralischen

pohtische Einrichtung, für

die

ganze Nation

gewesen.

Die moderne Tragödie

sei

allerdings herabgesunken zu

einer Unterhaltungsangelegenheit für eine coterie purticuUere

de gens du monde, de gens d'arts et de lettres, de personnes des deux sexes ä qui leur rung ou leur fortune a permis de cultiver leur esprit.^' So sei sie der Zeitvertreib für Müßiggänger geworden und habe damit von ihrer hohen^ Würde und

Bedeutung verloren. Schon rein äußerHch

sieht er einen Verfall jenes einst so

glorreichen Institutes der Comedie-Franfaise, der er infolge

der Intriguen und Zänkereien der Schauspieler und Schauspielerinnen

und der Autorität der messieurs les Premiers genFeindseligla chambre den Ruin prophezeit."""

tilhommes de keiten

und Interessen einzelner hätten

hier über alles zu ent-

scheiden, sodaß die Autoren schließlich nur noch die Opfer der

caprices

du foyer geworden

seien.

Während

zotige Plattheiten

minderwertiger Autoren durch irgend welche,

oft

wenig vor-

nehme Beziehungen zum Theater angenommen und würden, lehne

man

gespielt

bessere Stücke aus klieinlichen Gründen,

wohl gar aus Streitigkeiten über die Rollenbesetzung ab. Wenn PubÜkum dann aber, durch einen gesunden Geschmack geleitet, die anderen Theater bevorzuge, so setzten die Comediens francais wieder alle Hebel in Bewegung, um ihre Prividas

80. 15. Juli

60

(S. 262).

Januar 65

81.

1.

82.

Januar 73

(S.

(S.

170).

174).


— und

legien zu erweitern

die

121

Konkurrenten durch nichtswürdige

dem Felde zu schtegen. Grimm daher beim Theater im

Mittelchen aus

Mit Entschiedenheit

verlangt

Interesse der litera-

rischen Bestrebungen Aufhebung aller Vorrechte

und einen

anständigen Wettbewerb.

freien,

Dem

Publikum der Comedie-Franfaise kann er den Vorwurf nicht ersparen, daß seine Urteilsfähigkeit geschwunden sei."" Qu'un poete fasse dire ä son personnage les choses les plus absurdes et les plus deplacees,

il

est sür d'etre applaudi

son couplet par quelques lieux eommuns, ou par quelques maximes ä tour epigrammatique. Es werde garnicht nachgeprüft, ob diese epigrammatische Schlußwen-

pourvu quil

finisse

dung mit dem Charakter der Person,

ihrer Situation

und ihrem

Eine solche Kritiklosigkeit unterstütze den plat bavardage, während die genialeren Züge, die wegen ihrer Originahtät Ueberlegung und Verständnis voraus-

Interesse

vereinbar

sei.

setzten, mit Ungerechtigkeit

bedacht und verbannt würden. Lustspiel gehtten. Die

Darunter habe besonders das echte Komödie, die die

Menschen mit den ihnen anhaftenden

Tugenden und Lastern, Leidenschaften und Verirrungen zeigen sollte, um aufklärend und bessernd zu wirken, sei durch ein falsches Moralgefühl von der Bühne verbannt.'* Sittliichkeitsschnüffelei aber sei hier

anderen Künsten, es

wahr

ebensowenig angebracht wie bei den an, daß das Dargestellte

käme nur darauf

sei.

Die Bühnenwerke, die als Ersatz für die wahre Komödie gespielt würden, zeigten deuthch die Verflachung des Theaters. Grimm bedauert deshalb den Erfolg einer Feerie von

S

a

i

n

t

-

F

i

X

,''

weil er zweifellos zu

Nachahmungen Anlaß

Dieses Genre erscheint Grimm völlig wertlos. Es gehöre aherdings viel weniger dichterische Intelligenz dazu, ungereimte Feen- und Zauberkunststücke aneinanderzureihen, als nötig sei pour imaginer une suite d'evenements vraisem-

geben werde.

April 61

(S. 161).

83.

1.

84.

L Aprü

54

(S. 335).

85. 15. Juni

55

(S. 40),


122

blables et bien combines, et poiir developper le jeu des carac-

teres qui sont

Wenig

mis en

action.

und

literarischen

Grimm den Proverbes

Wert

künstlerischen

zu, jenen dramatisierten

spricht

Sprichwörtern

und Aussprüchen bekannter Persönlichkeiten, die sehr in Mode waren. Sie könnten allenfalls dazu dienee, die Gesellschaften zu unterhalten und zu belustigen, wenn die Schauspieler sie mit geistreichen Improvisationen vortrügen. fehle vor altem der echte Künstler,

besonders

flach,

Vorwurf

treffe

Diesen Stücken

daher wirkten

sie

ihrem Aufbau und ihrer Lösung.

in

auch

C

a

r

mon

t

e

1

1

e

,

der

meist Dieser

in in seinen^

Pro-

verbes dramatiques (1769) die Muster solcher kleiner Lust-

gegeben habe.'' Seine Charaktere und sein Dialog zwar lebenswahr, und die Lächerlichkeiten und menschlichen Schwächen seien von ihm gut beobachtet, aber ihm fehle der poetische Schwung, sie reizvoll und fesselnd wieder-

spiele

seien

zugeben.

Die viece ä Farce,

Nachahmung

intrigue, jene

Grimm

ist

noch einen m.oralischen Zweck,

heit

der italienischen

zuwider, denn sie enthalte weder eine

Wahr-

weder Sitten noch und na-

stelle

charakterisierende Eigenschaften noch einen wahren türlichen Verlauf der Begebenheiten dar."'

mardgance d'un fripon de valet dont

la betise est

Tout roule sur

la

et sur la duperie des maitres

ordinairement hors de tonte vraisemblance.

Allerdings könnten solche Stücke unter der

Hand

eines geist-

und amüsanten; Autors der Zerstreuung und Erheiterung des Publikums dienen, und wenn ein Meister wie Mohere sie mit seinem Geist erfülle, könnte wohl die Kraft der Komik alte Fehter und Schwächen des Genres überwinden. Von den Zeitgenossen besitze die erforderlichen' Eigenschaften reichen, originellen

am

meisten der Italiener

dem Cailhava

Go

1

don

d'Estandoux, den

i

,

sie fehlten

Grimm

aber völlig

mit jenem nicht

in

ParaWelle zu stellen wagt.

Die 86.

ital'ienischeKomödie,

1.

87. 15,

März

71 (S. 262).

April 69

(S. 329).

die nichts

anderes

sei


123

canevas sur lequel ort brode differentes seines de faree, nach Grimms Ansicht kein geeignetes Vorbild für die französische."" Viel mehr verspricht er sich für die Ausgestaltung als ein

ist

wenn eine glückliche Kombination der französischen Ordnung und Regelmäßigkeit mit der Wahrhaftigkeit der

dieser,

englischen Komödie

verwirkHcht werden könnte/^

Aus der französischen Komödie

sieht er leider alle

Wahrheit

und Natürlichkeit verbannt, weil diejenigen, die durch die Enthüllung des Wahren den Verlust ihres Ansehens und ihrer Macht zu befürchten hätten, zu einflußreich seien. Eine sitten-

würde sich der Wahrheit nicht widersetzen."'' Das Wesentliche, was die w a h r e K o m ö d e darstellen

starke Nation

i

solle,

seien le viee, la vertu, le bien, le mal, le bonheur, le mal-

heur, la läehete, la fourberie, la bassesse, les caracteres avec leiir noirceur, les passions avec tonte lenr frenesie, les moeurs avec tonte lenr energie et tonte leiir depravation, les prejnges avec tous lenrs mensonges, kurz die durch alle

tonte

Zeiten unveränderliche Natur der Menschen."' Molieres große

Werke Les Precienses

ridicnles (1659),

UAvare

(1668), Tar-

Les Femmes savantes (1672), erscheinen Grimm darum als geniale Schöpfungen, weil in ihnen Charaktere und Sitten mit Genauigkeit und Wahrheit geschildert seien, soweit es das Genre seiner Stücke zugelassen habe,, das wie die italienische Farce, auf die es zurückgehe, der lebenswahren

tuffe (1669),

Gestaltung im Grunde zuwider der Zeit gerichtete Satire 88.

15.

Juni 59

89.

15.

September 65

90.

Gr.

liere

ist

(S.

sei.

Oimm

nennt es

le ridicüle

(S.

370); vgl. S.

104.

überzeugt, daß vor einem aufgeklärteren Volke ein

können

119).

den Charakter des Tartuffe hätte

gestalten

Die gegen Schwächen

viel

Mo-

mehr verschärfen und aus-

als vor einer Nation, die die

Tugend

ihrer Kinder auf

der Unkenntnis der Geschlechter und ihrer natürlichen Bestimmung

gründen zu müssen glaube.

Grimm

sieht in der

Verheimlichung der

sexuellen Wahrheiten eine Quelle der Sittenlosigkeit für

und eine Gefahr

das geistige und soziale Leben der Gesellschaft seiner 91. 15. Juli

60

(S. 262).

Zeit.

,


124

zwar eine glückliche Beigabe, treffe aber nur vorübergehende Erscheinungen und habe deshalb nicht den gleichem, dauerndem Wert. sei

Wenn

nun aber die kleinen Geister bemühten, die Kunst Molieres nachzuahmen, so verfielen sie stets aus Mißsich

verständnis findet

Grimm

in

Ein Beispiel

Uebertreibungen."'

lächerliche

in

der bei den zeitgenössischen Dramatikern

gebräuchlichen Einführung der Person durch voraufgegangene Charakterschilderungen, die geschmacklos seien und sehr oft ein

Bild gäben,

zu

dem

die

nachfolgende Handlung nicht

Moliere habe seine Personen nicht auf diese Weise Wenn er es gelegentlich doch

stimme.

zu charakterisieren brauchen.-

mit der künstlerischem Absicht geschehen, die betreffende Person in einem bisher unbekannten Lichte zu zeigen. Soviel' künstlerische Oekonomie besäßem aber seine

getan habe, so

sei es

Nachfolger auf der französischem Bühne meist

nicht.""

Von

den vielen Autoren, deren Bühnenerzeugnisse er zu besprechen 92.

1.

September 54

(S.

401)

In

dem mangelnden

Molieres Kunst glaubt Gr. auch den Grund 100.

Verständnis für

für die klägliche Feier des

Todestages dieses Meisters der französischen Komödie suchen zu

müssen (Februar 73

S. 183).

An

diesem Tage hätte die „Comedie-Fran-

gaise" zwei besonders schlechte Stücke

von unbekannten Autoren

auf-

„L'apotheose de Moliere eüt du etre Pouvrage des premiers

geführt.

ecrivains de la nation."

wie man

viel

mehr den

Grimms Plan hätte gezeigt, Klang von Molieres Namen in seinem

Ein Festspiel nach eitlen

Lande verehre als sein Genie, wie aller Kultus, der mit ihm getrieben werde, nur Gegenstand nationaler

Eitelkeit, nicht

des Geschmackes und der Dankbarkeit

sei.

Er

aber eine Huldigung hätte das

dadurch be-

weisen wollen, daß er Moliere als unbekannten Dichter hätte auftreten und lassen, dem von Seiten der Schauspieler, der Zensur, der Höflinge nicht zuletzt des

Publikums

alle

Widerwärtigkeiten zustießen, denen die

wenigen talentvollen Autoren der Zeit ausgesetzt seien. Dann hätte und als sich dieser unbekannte, mißhandelte Dichter zu erkennen geben nützliche Lehre auseinandersetzen müssen,

daß man große Männer nach

der inneren Ueberzeugung, nicht aber allein auf

Ruhmes ehren 93.

Grund

ihres erworbenen

solle.

Grimm

verglicht die modernen Autoren recht sinnvoll mit jenen


125

kaum

hat, läßt er

und

einen' gelten-,

meisten der Stücke,

die

deren Aufführung er beiwohnt, lehnt er mit mehr oder weniger Entschiedenheit

ab.'*

Mehr Neigung

zeigt

Grimm

dem Genre

Hier findet er an

als

wenn auch

die Dichter, die sich

hätten, wie

Des

See,

res

gewesen

dem

und'

o uch

und

e s

N

immer der Aufgabe,

nicht

gewachsen Schärfe

t

comedie larmoyante,^'' solchem wenig auszusetzen, auf diesem Gebiete betätigt

für die

seien.

i

ve

1:

1

e

d

e

L

a

s -

die sie sich gestellt hätten,

Er

widerspricht

mit

dramaturgischen- Glaubensbekenntnis

findet

C h' a u

einiger

Voltai-

Aeußerungen, die der Verfasser des

die

Uenfant prodigiie (1736) und der Nanine (1749) gegen die richtet, geradezu unangemessen. Die comedie larmoyante entspricht nach Grimms Ansicht vollkommen dem Leben, in dem sich auch Ernstes und Heiteres mischten. Dies hätten die genannten Dichter und Voltaire selbst wohl empfunden, und deshalb hätten sie versucht, diese Mischung in ihre Lustspiele hineinzutragen. Aber da es ihnen an dem wahren Talent gefehlt habe, so hätten sie statt wahrer

comedie larnioyante

Komödien Romane gemacht, indem

sie die

Ereignisse erdich-

und Szenen aus dem Stoff und den Charakteren der Personen herzuleiten. Grimm hätte selbst dagegen nichts einzuwenden, daß eine Komödie tragisch teten, statt die Situationen

ende,

wenn

Handlung auf natürliche Weise zu einem

die

solchen Schlüsse führe.^^ primitiven Malern, die aus

dem

unsicheren Gefühl der nicht genügenden

Verständlichkeit heraus unter die Figuren ihre Bedeutung schrieben. 94. vgl. S. 23.

95.

1.

April 54

(S. 332).

96. Gr. hat sich

auch über die Frage, die damals von Dichtern und

Kritikern viel erörtert wurde, ausgelassen,

ob

die

Mischung von Tra-

gischem und Komischem, die besonders für Shakespeare charakteristisch ist,

in der

Tragödie ebenso wie in der Komödie zu billigen

Wirklichkeit zeige stets den Uebergang lichen

eine

und umgekehrt.

Während

die

vom

Pathetischen

Die

sei.

zum

Lächer-

hochstehenden Persönlichkeiten

vornehme Sprache sprächen, besonders wenn es

sich

um

ernste


— Griniiiis

über

Urteil

126

Sedaines

Lustspiele, die durch

die vortreffliche Sittenschilderung einen ernsteren

erhalten hätten, ohne in Deklamation zu verfaHen,

Charakter ist

deshalb

Anerkennung und Lob. In allen Kritiken hebt er die Natürlichkeit und Einfachheit dieses Lustspieldichters, seine voller

glücklichen

seine

Einfälle,

scherzhaften

Situationen,

seine

komische Kraft und Originalität hervor. Die Feinheit seines Witzes, seines Geistes und seiner Sprache bringe es mit sich, daß seine Werke bei den ersten Aufführungen befremdeten, nach einigen Wiederholungen jedoch zündeten und die größten

Er scheut

Erfolge erzielten."'

Philosophe sans

sich nicht, den Verfasser des

den er für ein Meisterwerk und das Muster einer wahren Komödie hält, der Gageure imprevue (1768)'' und des Deserteur (1769)^'° in eine Reihe savoir

le

(176v5),^^

Seine packenden Schilderungen und die Wirkungen seiner einfachen, wahren und energischen Worte erinnern Grimm an das Genie Shakespeares. Seine Symphatie für Sedaine läßt unseren für stiHstische Fehler sonst so empfindlichen Kritiker die Schwächen entschuldigen. mit Moliere zu stellen. nachhaltigen

Angelegenheiten oder große Ereignisse handle, redeten die niederen

Personen zu gleicher Zeit eine völlig andere Sprache, die durch den Gegensatz zu jener komisch wirke.

Die französische Tragödie habe

gerade durch ihre Einförmigkeit in

Ton und Farbe Leben und Natür-

Jedoch hält er es mit dem guten Geschmack nicht

lichkeit verbannt.

für vereinbar,

daß der Dichter oder der Maler nun

alle

komischen Be-

gleiterscheinungen einer tragischen Szene zeige. Hier habe der KünsÜer

nach seinem Geschmack das richtige je

größer,

je

genialer er

sei,

Maß

zu wählen, und

desto besser werde es

je origineller,

ihm gelingen, das

Tragische und das Komische zu einem natürlichen, lebenswahren und

geschmackvoUen Ganzen zu verschmelzen. 97.

Es

ist

schon früher gesagt worden

(vgl.

S.

93),

daß Gr.

es

Sedaine als großes Verdienst zuschreibt, durch seine kleinen Musik-

komödien

die alte

Form

98.

1.

November

99.

1.

u.

100. 15.

15.

März

der komischen Oper verdrängt zu haben.

u. 15.

Juni 68 u. 1.

Dezember 65 89

u.

April 69

(S.

(S.

(S.

402

107).

307

u. 314).

u. 438).


127

Beziehung

die der Dichter in dieser

muß, nicht grundlos seinen wirren

und

hat,

sogar gegen seine Gegner, die ihm, wie

er verteidigt ihn

Grimm und

Stil*

zugeben

selbst

die zahlreichen

schlechten Verse vorwerfen.

Als den hervorragendsten unter den französischen

großem Nachdruck

tikern seiner Zeit, den er mit als

Muster

und von dem

hinstellt,

allen

Dramaanderen

Umwälzung und Er-

er eine

Grimm man eine

neuerung der französischen Bühne erwartet, betrachtet

Freund Diderot.

seinen

wahre Menschen auf

Werken spüre dem Leben schaffe und

In seinen

dramatische Kunst, die nach

Bühne

die

seien nicht Strohpuppen, sondern

lebens-

Selbst die Diener

bringe.

Menschen aus Fleisch und

Er rühmt seinen Dramen im Gegensatz zu den übrigen Dramatikern nach: Großzügigkeit des Aufbaues, verwickelte und doch sich klar entwickelnde Handlung,'''' die auf genauer Blut.

Beobachtung und Kenntnis der ihn umgebenden Menschheit beruhe, treffende Sittenschilderung, Reichtum der Gedanken

und

Grimm

eine ausgezeichnete Sprache.

überschätzt die dra-

matische Kunst seines Freundes Diderot, wie Lessing überschätzt w^orden

Wenn

ist.

er

seinem Mitarbeiter gegenüber sich nicht ganz scheute er sich andererseits doch nicht, über

auch von

sie

auch

vielleicht

fühlte, so

frei

manche

Seiten

der Diderotschen Dichtung seinen Tadel auszusprechen."^ „une machine grande

101.

beUe, compliquee et claire" (15. Nov. 58

et

S. 47).

102. z. B.

Wenn

15.

März

61

(S.

358

auch das Lob, das

u. 359).

Grimm

Diderot spendet, mitunter den

Eindruck gezwungener Uebertriebenheit macht, so zeugen doch viele

Aeußerungen von aufrichtiger Bewunderung-

seiner

(15. Juli

62

S.

54

S.

133).

380;

1.

November 55

wandtschaft der beiden Männer. in

alle

erweist,

S. 117; 15.

Diese Freundschaft liegt

tief

für

Januar 59

den Freund. S.

69;

1.

Aug.

begründet in der Geistesver-

Grimm, der

sich mit seinem Bestreben,

Gebiete des Menschengeistes einzudringen, als Encyklopädist

muß

sich

naturgemäß hingezogen fühlen zu dem Manne, dessen

Vielseitigkeit er uns so oft

zu rühmen weiß.

(1.

Okt. 63 S. 395).

Mit

Diderot verbindet ihn die gleiche Weltanschauung, der religiöse Skep-


~-

128

Neue Aufgaben für die französische Bühne erkennt Grimm seiner Meinung nach neuen und fruchtbaren Gedanken Diderots, zum Gegenstand seiner Dramen nicht vorzugsweise von

dem

einen Einzelcharakter,

stellungen zu machen/''

sondern Typen für gewisse LebensHieraus werden sich nach Grimms

Ansicht drei neue Arten für die französische Bühne ergeben. Hrstens die den zeitgenössischen Sitten angepaßte terenz

a n

s c

Komödie,

h e

deren Muster er im Pere de faZweitens das genre plus serieux et plus pathetique, das NiveHe de La Chaussee einzuführen versucht i

i

mille (1758)''' sieht.

habe, das aber erst im Fils mturel (1757)''' Diderots zu wirk-

lichem Leben erweckt worden eine Reihe

sei

und

von vortrefflichen Sujets

das

für

Grimm

Grimm von

tragedie domestique, deren Muster

selbst

Drittens die

vorschlägt.'"'

Diderot

er-

107

wartet und erbittet.'" .

tizismus,

die naturwissenschaftliche Grundrichtung' alles Philosophierens,

Abneigung gegen die überlebte klassische französische Tragödie und Komödie und schließlich der gemeinsame Kampf für das bürgerliche Drama. Besonders stark hat auf Grimm der Materialismus Diderots

die

eingewirkt (vgl.

S.

50

Anm.

Aber ihm

66).

der Enthusiasmus Di-

fehlt

derots, der ihn mit Vertrauen in die Zukunft sehen läßt,

Skeptiker

Grimm

anzuerkennen geneigt nicht

103.

est

ist

Daß Grimm

sich

Meinung auch Diderot gegenüber zu

ver-

(15.

scheut, seine eigene

treten, ist

Januar 57

S.

327

ff).

sehen im vorhergehenden gesagt worden

„Son

id€Q:

une idee riche 104. 15.

während der

den Fortschritt der Menschheit eher zu leugnen als

(vgl.

S.

6—7).

de traiter les conditions preferablement aux caracteres et feconde."

Nov. 58

(S. 47);

1.

November 58

(15.

März

S. 48).

61 (S. 353); 15.

März

61 (S. 358).

106.

März 57 (S. 354); 15. November 58 (S.

107.

Dieses Muster der „tragMie domestique" oder „tragedie bour-

105.

geoise"

1.

ist

15.

November 58

(S. 48).

48).

Diderot der Nachwelt schuldig geblieben.

ihm nur Entwürfe solcher Stücke Aufführung gekommen sind den Plan zu einem solchen

vor,

(vgl. Hettner,

Drama „Le

und bedauert, daß Diderot es

zur Vollendung oder

die nie 1.

c. S.

Es liegen von

331).

Grimm erwähnt

Sherif"

(1.

Dezember 69

nicht vollendet.

Ueberhaupt sind die

S.

393)


129

Die Frage, ob die tragedie domestique^'''' berechtigt

sei,

ge-

hörte zu denen, die die Geister des 18. Jahrhunderts stark beschäftigte und zu einer Hterarischen Fehde Anlaß gab/*'^ Nach den voraufgehenden Ausführungen wird es klar sein, daß

Grimm hofft,

dieses bürgerliche

für

Drama

Stellung nimmt.

Er

daß es sich unter den Händen eines großen Dichters zu

einem vollen Ersatz

für

das große

Drama

der Alten entwickeln

werde, für das die moderne Zeit die Eignung nicht mehr besitze.^'^

Les malheurs

nous causent des

et les catastrophes

impressions d'aiitant plus fortes que notre condition est moins eloignee de celle des personnes qiion nous montre.

Dieses

Beispiele dieses damals viel umstrittenen bürgerlichen Trauerspiels in

Frankreich nicht sehr zahlreich.

wo

dem

Lillo mit

war

Einflußreicher

es

England,

in

„M^erchant of London" (1731) schon 10 Jahre vor

dem

Erscheinen von Richardsons „Pamela" der Bühne diese Dichtungsart eröffnete

und

Moore und

Er fand

mit einem Schlage populär machte.

sie

in

nur ein Stück von Moore „The Gamester"

in

Grimm

Cumberland fruchtbare Nachfolger.

Edward

bespricht

Okt. 62 S. 175), das

(15.

Diderot übersetzt habe, ohne es zu veröffentlichen, und das dann drei

vom Abbe

Jahre später setzt

worden

Er

sei.

einzelnen Personen

de Loirelle unter

dem

Titel

„Le Joueur" über-

spricht sich über das englische Stück

desselben

rühmend aus und

und

die

hält

es des Beifalls

die

Bezeichnungen

für würdig. 108.

Grimm

äußert

simplement ,tragedie^ critiques bourgeois

larmoyante, (15.

Mai 68 109.

im

18.

et

sich

gelegentiich

coin, qui ont aussi invente le terme de

qui ont ecrit sur Pune et sur Pautre de grandes pauvret^s."

Die Entstehung und Entwicklung des bürgerlichen Dramas

und der

Streit der

Meinungen über

zum Drama eingehend 1,

September 61

charakterisiert.

(S. 461).

diese Dichtungsart

Gaiffe in

en France au XVIIIe siecle", Paris 1910.

110.

comedie

S. 74.)

Jhrhdt.

Stellung

„II fallait dire tout

mauvaise epithete de ,bourgeoise' aux

et laisser la

du

sind zusammenfassend dargestellt von F.

Drame

gegen

und „comedie larmoyante".

„tragedie bourgeoise"

Hier

dem Werke „Le ist

auch Grimm«


~

130

Genre hätten allerdings die Alten nicht pflegen können, weil das große, offene antike Theater wichtigere Stoffe verlangt habe als der kleine geschlossene Saal des modernen Theaters mit der verhältnismäßig geringen Zuhörerschar, die darum den Individuen des Stückes näher stehe und für ihre persönund häuslichen Schicksale größeres Interesse habe, so-

lichen

bald sie ihresgleichen seien. Grimm vermißt zu seinem Bedauern im zeitgenössischen Frankreich die Charaktere, die

den Dramatikern als Modelle für Personen solcher bürgerTragödien dienen könnten/''

licher

in

Das Urteil' Grimms über das eigentliche Trauerspiel Frankreich wird durch seine etwas einseitige Vorliebe für

die antike Tragödie beeinträchtigt, die er schlechthin als „die^* Tragödie betrachtet und neben der andere Erzeugnisse keine Gnade vor seinem Auge finden. Alle modernen Tragödien

sind für ihn nur Nachahmungen der Alten und zwar schlechte Nachahmungen. Hart klingt sein Urteil über die französische Tragödie, oü le bon sens et la vraisemblance sont constamment sacrifies, oü la futilite tient Heu de genie, ou le mauvais

goüt etoüffe

la simplicite et le naturel,

ridicule sont

ä

la pluce

Den Grund

le

merveilleux et

le

du sublime^^^

für die Unnatürlichkeiten

den guten Geschmack sieht

Grimm

in

und Verstöße gegen

der blinden Nachah-

mung

der antiken Tragödie, die zu üblen Folgen führen müsse, da das antike Theater von der modernen Bühne grundverschieden sei.''' Die Ereignisse, die Motive der Handlungen, diese selbst, die Reden, alles das sei in der zeitgenössischen Tragödie nur noch ein System von Konventionen, das nirgends

der Natur zu finden

sei, darum auch nicht ergreifen könne. Auch für die Tragödie verlangt Grimm von den Dichtern wieder und immer wieder Studium und Nachahmung der Na-

in

tur.'''

erster

In "

111. Vgl. S.

112. 15. 113. Vgl.

114

15.

Linie

empfiehll

^

112.

November 62

(S.

oben.

Mai 56 (a

229).

186).

er

die

Behandlung

ge-


131

b e r Stoffe, weil' in der Geschichte alle menschlichen Züge und Charaktere zu finden seien. Sehr zum Schaden der Kunst habe Voltaire für den Dichter die Freiheit verlangt, den Gegenstand seiner Dichtung frei zu erfinden. Die

s c

h

i

c

h

1

1

c

i

Schwierigkeit liege nicht allein darin, selbst den kleinsten Zü-

gen Farbe und Kraft zu geben, woran es solchen sujets d'invention meist fehle, sondern vor allem darin, die Personen selbst zu schaffen.^'^

Die Geschichte berichte von Handlungen, die aus einer

Mischung von Vernunft und prejuge (Wahn) hervorgegangen seien, und gerade das mache sie dazu geeignet, der Kunst und besonders- der dramatischen Kunst als Vorbild zu dienen."^^® Die Vernunft allein sei beschaulich, untätig, kalt und führe nicht zu Handilungen, die die

Achtung

Cest

Menschheit erweckten.

le

coiüeur et de Vinteret ä la raison.

undi

Bewunderung der

prejuge qui donne de la

Der

Wahn

sei die

Ursache

der großen Leiden der Menschheit, aber auch die Ursache der großen Taten.

Diese Macht des

Fatalität Religion, in

Wahns

seine hohe Bedeutung, welches

jedem

Dogma

gebe auch d'em

Grimm

in

der jeder

Kult, in jeder Sekte, ja selbst in jeder Phi-

losophie hervortreten sieht, weil es durch die natürliche Vorliebe

des Menschen für das Wunderbare begünstigt werde.^''

An

115.

von L

e

F

einem typischen Beispiel, der Tragödie „Cosroes" (1767)

e v r e

,

zeigt

Grimm, wie wenig

die

Autoren das Geheimnis

Gottes besäßen, wahre Menschen zu gestalten. Durch eine genaue Chader

rakterisük

wie

Personen,

sie

sich

nach

Grimms Meinung

der

Dichter vorgestellt haben mag, und durch eine eingehende Inhaltsan-

gabe des Stückes, die hat, sucht er

in

zeigt,

wie der Dichter

sie in

der Tat behandelt

nachzuweisen, wie schlecht Le Fevre diesen. Charakteren

Handlung, Situation, Fühlen, Denken und Reden gerecht geworden

Was

sei.

hier für

Handlungen geschähen, was

für

Geheimnisse enthüllt

würden, stehe im schärfsten Widerspruch zu jeder Wahrscheinlichkeit

und übersteige das 399.)

Vgl. S. 23

Maß

Anm.

der regsten Phantasien.

31.

116.

1.

Dezember 60

117.

1.

September 56

(S. 322). (S.

274).

(1.

September 67

S.


— Nichts

Schrecken, Erbarmen, kurz

wecken,

als der

Bewunderung,

Erstaunen,

geeigneter,

sei

132

Furcht,

Erregungen der Seele zu

alle

er-

Glaube an das dem einzelnen Menschen von Wesen unabwendbar vorgeschriebene Ver-

übermenschlichen

Ou'y a-t'il en effet de plus effrayant que le dogme Qui nous apprend qu'un etre sensible, ne pour le bonheur et la vertu, peut etre entraine dans le crime contre sa volonte, et se souiller, par ignorance, des forfaits les plus horribles? Schon der Gedanke allein, daß eine barbarische Gottheit den Menschen zum Opfer ihrer Rache auswählen könnte, ohne daß er

hängnis.

Rache verdient habe, errege Furcht und Schrecken.

ihre

Die

alten Tragiker hätten diese Quelle des wahrhaft Erschütternden sehr gut gekannt, und daraus erkläre sich die starke Erre-

gung, die noch heute von ihren Werken ausgehe, jenen Denkmälern" furchtbarer und unvermeidlicher Lebensschicksale.

Grimm

Macht

konstatiert mit Genugtuung, daß Voltaire die

seiner Tragödie

und in Wirkungen zu erneuern

dieser antiken Kunstlehre erkannt habe

Semiramis

(1748)''' ihre

suche.

In denjenigen französischen Tragödien, deren Stoff der Geschichte entnommen sei, stellt Grimm mit Bedauern einen

Mangel an Beobachtung der örtlichen und zeitlichen Verhältnisse fest. Die Dichter würden meist den Sitten des Landes, gein dem sie ihre Stücke spielen ließen, dem Geiste und der schichtHchen Stellung des Volkes, das

LaHa

sie darstellen wollten,

p e s Timoleon (1764)''' und Voltaires Les Scythes (1766)"" machten hiervon keine Ausnahme, obgleich diese Autoren die übrigen Zeitgenossen in

zu wenig gerecht.

Selbst

r

Der geschichtliche Hinter-

der Tragödie weit überflügelten.

grund

unmotiviert

diese

noch

könnten. 118.

1.

119. 15. 120.

67

so wenig beachtet, die Personen seien so inner-

unwahr und ohne natürliches Leben, die Handlungen und so wenig folgerichtig, daß weder

lich

so

sei hier

(S.

1.

223);

jene In

das

den

Scythes

September 56

August 64

1.

49)

(S.

sollte

erregen

Zuschauers

beispielsweise

ein

bar-

277).

(S.

(S.

November 66

des

Interesse

und

1.

Septeber 64

(S.

59).

163); 15. Januar 67 (S. 207);

April 67 (a 267).

t.

Februar


— barisches

Volk

und Ursprünglichkeit

Einiachheit

seiner

in

~

133

müsse man nach allem, was in der Tragödie gesprochen und getan würde, auf ein Volk schHeßen, an dem Kultur und Luxus ihre deutlichen Spuren zurückgelasdargestellt werden, jedoch

sen hätten/'^

Von dem Grundfehler rakterschilderung spricht

der mangelhaften Sitten- und Cha-

Grimm

auch die beiden Koryphäen

Racine

der französischen Tragödie,

und

Corne

i 1 1

Racine habe aus der Antike geschöpft, aber

frei/""

nicht

e,

alle ihre

Empfindungen habe er nach französischer Art gekleidet, allerdings mit großem Geschmack und mit Anmut, jedoch ohne cette beaute simple et male qui fait le caractere du genie. Und nun erst Corneille. Ihm widmet Grimm eine sehr eingehende Kritik, die gesunden Geschmack und künstlerischen Sinn zeigt.'"" Er billigt die- Kritik, die Voltaire in dem seiner Ausgabe der Werke Corneilles beigefügten Kommentar an dem Schöpfer der klassischen französischen Tragödie übt. Er findet sie nicht zu streng, sondern eher reserviert und nachsichtig. Sie werde nur dann etwas schärfer und härter, wenn ihn der Mangel an Geschmack, an Wahrheit und Feinheit zu sehr abstoße. Doch dann folge dem harten Worte stets ein Lob, das den für Corneille eingenommenen Leser versöhnen solle. Nie aber bemerkt unser Kritiker eine versteckte Absicht,

Ruhm

den

des alten Autors zu vermindern oder sein

Genie herabzusetzen.'** 121.

(1764)

Hier

sei

Juli

(15.

auf

64

die

interessante

Kritik

über

„Triumvirs"

die

32) hingewiesen, als deren Autor

S.

Grimm

sowenig wie die übrigen Zeitgenossen Voltaire vermutet. es

mit einem jungen Anfänger zu tun zu haben,

Fehler Talent zuzusprechen tragischer

Stil

sei,

Geiste und Charakter ihrer Zeit und Sitten 122.

1.

123. 15. 124.

November

Mai 64

Grimm

61

(S.

(S.

Er trotz

glaubt, vieler

weil sich in der Tragödie ein echt

und vor allem die

zeige

dem

eben-

dargestellten

gemäß

Römer dem

sprächen.

476).

499).

verteidigt

Voltaire

ausdrücklich

gegen die gehässi-

gen Vorwürfe, die ihm aus Anlaß der oben erwähnten Ausgabe und


134

Viel schärfer als Voltaire geht

Grimm

selbst mit Corneille

Er vermißt an ihm die dramatische Begabung. Die Dürre seines Herzens veranlasse ihn, aus dem Verstände ins Gericht.

zu schöpfen, das Gefühl also durch das raisonnemevt zu erset-

Dazu komme der

zen.

verderbliche Einfluß der spanischen

Literatur mit ihrer Deklamation und ihrer

unwahren Emphase.

Seinen Personen fehle stets das Natürhche.

Sie führten be-

ständig Sentenzen im Munde, statt zu empfinden und zu han-

Leidenschaften und Liebe seien bei ihnen nicht die Fol-

deln.

gen innerster seelischer Vorgänge, sondern un resultat de raU sonnements et de lieux communs. Damit schwinde alle Wahr-

Leben aus seinen Tragödien,

heit, alles

geworden

seien.

Grimm

die leider

tonangebend

findet bei Corneille nur recht gerin-

ges Verständnis für die Charakterisierung und Behandlung der

Personen seiner Stücke, Sitten ihrer Zeit.

für ihre Sprache, für

Seine

Römer

und Reden des Rittertums,

Prinzipien

den Ton und die

böten nichts anderes als die

haften generosite und jactance, die

romandem römischen Cha-

seien voll jener

jnit

rakter nichts zu tun hätten.

Grimm schließlich an der von Corneilles Werken zweifeln. // peut venir un temps et un peuple auquel le grand Corneille ne paraitra propre qu'ä en imposer ä des enfants. Mais en attendant, chut! Die schweren Fehler lassen

Unsterblichkeit

Daß

die klassische

Tragödie des

17.

Jahrhunderts zur

Fessel für das ganze folgende Jahrhundert geworden

kennen wir mit Grimm. des

Voll Verdruß konstatiert

Kommentars zu den Werken

Corneilles

dem

unterschöben

Ruhmgier.

kleinliche

Gegner Neid,

Nach Grimms Ansicht

ist

genommen

Eitelkeit,

Voltaire

daß

mehr

sind.

Zweck anzuerken-

Voltaire die schwere Arbeit auf sich

ihm

er-

die

gemacht worden

Anstatt die hochherzige Gesinnung und den edlen nen, aus

er,

ist,

als

Eifersucht

habe,

und

jedem anderen

das Recht der Kritik gegenüber Corneilles Werken einzuräumen, und es sei

wohl zu

billigen,

daß

er

neben den Schönheiten auch die nicht

unerheblichen Fehler hervorhebe und sie mit denen Racines vergleiche,

da

jene

hätten,

beiden

Rivalen

nicht

nur im Leben miteinander gerungen

sondern auch noch in der Nachwelt den Kampf fortsetzten.


135

modernen französischen Tragödien Tradition den Beifall des

Pubhkums

in

einer

Art geheiligter

fänden, sobald sich in ih-

nen servile Nachahmungen der großen Vorbilder der Corneille und Racine zeigten.^"^ Die schematische, schablonenhafte Behandlung der Trauerspiele seiner Zeit charakterisiert er in

Danach

zept.

die Schauspieler,

einem satirischen Re-

Tragödie ein Theaterstück,

sei eine

nachdem

sie sich

maitres, die sich nach der Gewohnheit auf der breit

in

dem

sich

durch die Schar der petits-

machten, hindurchgedrängt hätten,

in

Bühne

selbst

irgend einer lächer-

lichen Kleidung, die der darzustellenden Persönlichkeit wider-

Bühne

spreche, auf der

klamation Rollen

aufpflanzten, in Geste, Haltung

und De-

Natürliche entsteUten, stets außerhalb ihrer

alles

zum Pubhkum

redeten,

wo

die dargestellten histori-

schen Persönhchkeiten entgegen ihrem Geist und ihren Sitten sprächen, die Zeit nutzlos mit Geschwätz und Moralisieren, mit Gemeinplätzen und deplazierten raisonnements ausfüllten

und

stets

dann verschwänden, wenn

man von

ihnen ein Han-

deln erwarte.

Die wesentlichen Bestandteile einer französischen Tragödie stellt er ein

anderes Mal spöttisch so zusammen: un tyran

mechant Que la gale, des conspirations, des emprisonnements, des soulevements, des empoisonnements, des repii-

plus

diations, de fausses imputations, le tont termine par le coup de poignard que recoit eelui qui veut le donner, suivant ledernier goüt et la mode la plus nouvelle, et comme ü arrive tous

dans le monde: aar ort sait que cet assassinat par escamotage est la chose du monde la plus naturelle.^^^

les jours

Einen charakteristischen Unterschied zwischen den modernen faiseurs de tragedie und den echtem Tragikern des Altertums erblickt

Grimm

darin,

daß jene

stets außerhalb ihres

und ihn daher willkürHch zu dem einen oder dem anderen Ziele führen könnten, während diese sich von

Stoffes ständen

125. 15. 126.

1.

Januar 56

Februar 66

(S. (S.

157).

484).


— dem gegebenen

136

Einem Sophokles und

Stoffe leiten ließen.

Euripides wäre es unmöglich gewesen, einer Tragödie

dem Verlangen ben. S a u r n

je

nach

des Publikums verschiedene Lösungen zu geaber habe es fertig gebracht, für sein Drama

i

Beverley (1767) einen doppelten Schluß, einen tragischen und einen heiteren, versöhnenden, zu dichten/"

Grimm kann

sich des Eindrucks nicht erwehren,

daß die

französische Tragödie zu einem Marionettenspiel herabgesun-

ken

Le

Colardeau,^'^

sei/''

Marmontel, La

Blanc,'^'

Harpe/''^'

de Belloy''' und Lemierre,"' diese Säulen, auf denen der Ruhm des französischen Theaters ruhe, wie er ironisch sagt, sie alle

machten

ihre Figuren nach Schema und Schablone, ließen sie handeln und sprechen ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit,

um

ohne sich

Charakteristik, Sittenschilderung und

Viel anerkennender 127.

Januar 71

1.

128. 15. 129.

72

S.

465;

66

Aprü

Warwick

131.

Timoleon (15.

1.

August 65

S.

72

(15.

S.

November 63

(1.

340;

(15.

1.

S.

49;

März 70 133.

Idom^nee (15.

1.

480;

S.

59

Vergy 1.

Hypermnestre (15.

März 66

Februar S.

58

S.

Caliste

482);

S.

S.

403;

Mai (1.

(15.

1.

Zelmire

201;

1.

S.

S.

59);

März 70 (1.

S.

416);

Pharamond

Gustave Wasa

April 65

März 70

(15.

März

S. 470).

Juni 62 S. 92);

480);

Le

242; 15. April 65

S.

Gaston

et

Bayard

71 S. 302).

Oktober 58

64

Dezember 63

1.

S. 356);

88); S.

März

S. 492).

September 64

September 65

März

256); GabrieUe de

(15.

Mai 72

1.

500); Melanie (15. Februar 70 S. 458;

132. Titus

März

15.

Juni 63 S. 310); Les Druides (15.

Siege de Calais (15. Februar 65 S.

480;

S.

479;

S.

August 64

(15.

194).

318).

'S.

Manco Capac

130.

(S.

März 58

(1.

Dezember 60

(1.

auch Grimms Urteil über den Tra-

ist

226).

(S.

Dezember 62

Astarbe

le-

kümmern.

bensvolle Gestaltung zu

S. 37);

Teree (I.Juni 61

März 64

S. 412);

458);

Barneveit

499); Artaxerce (1. September 66 S. 103);

GuiUaume

Teil (1. Januar 67 S. 193);

S.

450;

1.

La Veuve du Malabar

(15.

S.

August 70

S. 100).


~ giker

Voltaire

--

137

Herode

Mariamne, Brutus, Semiramis, L'Orphelin de La Chine und Tancrede seien zwar nicht nur die besten Stücke Voltaires, sondern überhaupt die besten Tragödien des Jahrhunderts, wie eben ihr Autor die Zeitgenossen an Genie, Darstellungsgabe, an Kraft des Ausnicht.^'*

et

drucks und Geistesgröße überrage.

Werke

Diese

Schilderung der Charaktere und Sitten,

böten in der

der Einfachheit

in

und Kraft der Sprache sogar hervorragende Schönheiten, aber sie atmeten doch in der Führung der Handlung, in der Anwendung kindlicher Mittel für die Intriguen zu sehr den Geist der

modernen Tragödie, jenen Geist äußeren Glanzes, äußerer Ef134. Vgl.

Grimm

Grimms

Kritik über die „Scythes"

132

S.

(s.

u.

133).

bespricht folgende Tragödien Voltaires:

Herode 63

S.

et

Mariamne

April 63

(1.

S.

Adelaide Duguesclin (1734) 367;

1.

November 65

Zulime (1740)

(15. Juli 61

L'Orphelin de

la S.

Socrate (1759)

Tancrede (1760)

1.

Saül

April 64 et

Juli

(15.

S.

S.

418).

13).

277).

S.

S. 435). (1.

September 55

S.

82; 15. Sep-

November

August 59

1.

S.

281;

1.

S.

128).

Oktober 60

S.

292;

61 S. 485;

Mai 63

1.

S.

279;

479).

Les Scythes (1766)

(1.

(1.

(15.

64

279).

S.

S. 32;

November 66

Februar 67

Les Pelopides (1772)

Mai 63

(15. Juli (1.

Les Guebres (1769)

Sophonisbe (1770)

120;

S.

300).

S.

(15. S.

59

September 60

Le Triumvirat (1764)

1.

Januar 62

15.

Sept. 65

15.

November 65

89). (1.

Davide (1763)

S. 207;

Juni 53 S. 256;

397; 15.

S. 3;

Chine (1755)

Oktober 60

Olympie (1761)

S.

September 56

(1.

Oreste (1750)

tember 55

256).

(15.

Januar 62

(1.

Semiramis (1748)

15.

397; 15. Sept.

S.

383).

Brutus (1730)

S.

August 54

(1724) (15.

S.

223;

1.

Mai 70

Les Lois de Minos (1772)

15.

S.

S. 210).

Januar 67

267).

S. 387),

S. 25).

Januar 72 (1.

Januar 67

163;

April 67

Dezember 69

(1.

15.

S.

S. 411).

Mfti 72 S. 492;

15.

Juni 72 S, 508).


138

fekthascherei, wie er seit Corneille

und Racine in dem franzöDrama herrsche. In allen Tragödien Voltaires verGrimm jene tragische Macht, jene furchtbaren und doch

sischen

mißt

natürlichen, durch innere Notwendigkeit entstandenen

Wir-

kungen, die das antike Theater hervorrufe.

Es fehle ce soufile de vie qui anime tont, la force vivifiante de r komme de genie. Er zweifelt nicht, daß Voltaire das Genie besitze, gleiche Wirkungen zu erzielen, bedauert aber, daß er nicht den Mut habe, es mit Energie zur Geltung zu bringen und die Fesseln der kon-

ventionellen Tragödie abzustreifen/''

Hätte Voltaire wenig-

dem Tancrede seine dramatische Karriere beendet, so wäre er stets über dem Durchschnittsniveau des zeitgenössischen Dramas gebheben/'' Die nachfolgenden Tragödien: stens mit

Olympie, Les Scythes, Les Guebres, Sophonisbe, Les Pelopides und Les Lois de Minos, seien seiner wenig würdig, sie zeig-

Wenn

ten die Erschöpfung des alternden Phil'osophen.

dem Publikum

Fürst der Dichter es wage, licher, natürlicher

statt

dieser

wahrschein-

Handlungen Albernheiten, Kindereien, Ta-

schenspielerkünste zu bieten, so erblickt

Grimm

darin'ein deut-

daß die dramatische Kunst in Frankreich noch der Wiege Hege und daß nur geringe Hoffnung bestehe, sie

liches Zeichen, in

männlichen Toga zu sehen/'"

einst in der

135.

Gr.

scheut sich auch

Voltaire gegenüber

zu Aenderungen im Bau der Handlung, Charaktere zu machen. (Vgl. la

Chine";

15.

Oktober 60

S.

1.

in der

Septemeber 55

301

zum

und

15.

nicht,

Vorschläge

Wahl der Personen und S.

86

„Tancrede";

zum

15.

„Orphelin de

Januar 62

S.

15

zu „Zulime",) 136. 15.

Mai 70

(S.

26)

72

(S.

510).

137. 15. Juni

Urteil über ihn

kurz zu resümieren

Eindrücke, die Gr. von

Juni 72

Grimms

(S.

ist

und

sein

Die

keine leichte Aufgabe.

dem größten Zeitgenossen

schieden und ändern oft sein Urteil.

509).

Stellung zu Voltaire

erhält, sind

Dazu kommt noch

zu ver-

die große

Mannigfaltigkeit der literarischen Tätigkeit und die Produktivität Voltaires.

Gr. nimmt w^eder für noch gegen ihn eine feste Stellung.

Er

Femey

fern

kannte ihn persönlich auch zu wenig, da der Philosoph von

von Paris und der enzyklopädischen Welt

lebte.

Die Kritik

ist

daher


139

-

Ein letztes sicheres Merkmal des Verfalls des französi-

schen Theaters

sei schließlich die

Mode,

die Stoffe der

Tragö-

dien ungeachtet der verschiedenen Bedingungen beider

dem

nen

übernommen,

Sujets informes et atroces

eines so genialen

Dichters wie

Büh-

So würden

englischen Theater zu entlehnen/'^

die unter der

Shakespeare

die

Feder

Meister-

werke geworden seien, aber mit dem Stoff übernehme man nicht das Genie des Autors. Abgesehen davon, daß man

nachahmen könne, würde

seine Stücke nicht ebenbürtig

es

auch nicht für den Charakter der französischen Tragödie pas-

Da diese nur der Unterhaltung diene ohne jeden morahschen Zweck, so wirkten die siijets atroces et horribles in den

sen.

geschmacklosen Kopien wie eine nutzlose Anhäufung von schrecklichen Ereignissen, die abstießen, aber nicht erbauten/^®

Die einzige nützliche Tragödie seiner

an seine Geschichte mahne, oft

dem AugenbHckseindruck

lobt unser

Autor Voltaire

Beifall spendet

er mit seiner

und

es aufzuklären i:rd vor künfti-

unterworfen.

Nach Scherers Ansicht

dem Maße, wie ihm

in

Man muß

huldigt.

Meinung

um

nie hinter

die Oeffentlichkeit

aber doch wohl anerkennen, daß

dem Berge

hält,

sondern

mitunter sogar recht strenge Kritik an Voltaire übt. 41, 61,

142,

83

143.)

Anm.

4,

Er konnte

ihm den Geschmack mißte,

und

dies

109,

99,

ist

115,

116,

119,

für ihn keine volle

am

125,

offene

(Vgl. S. 31, 33, 34,

Sympathie haben, da er an

Altertum und die klassische Vorbildung ver-

vornehmlich der Grund, weshalb er den Dichter

und hohe Anerkennung

zollt er

Voltaire, der der

Vernunft die

vernichten sucht.

Doch auch

S.

elfte

131, 132, 133, 137, 141,

und Tragiker Voltaire verhältnismäßig schroff ablehnt.

bleiben (vgl.

das Volk

Zeit, die

68).

So

Viel

Beifall

nur dem Philosophen und Aufklärer

Wege zu ebnen und

hier sieht er ihn auf

die Intoleranz zu

halbem Wege stehen

denn Grimms Urteil über Voltaire

ist

stets

schwankend zwischen Bewunderung, Tadel und Ablehnung.

August 72

138.

1.

139.

Eine

(S.

Betrachtung

25).

über

die

Aufführung von

„Romeo und

Julia", der Gr. im Londoner Covent-Garden-Theater beigewohnt hat,

Germane genug

ist,

um

gen und genießen zu können.

(1.

August 72

zeigt,

daß

er

Shakespeare im Original würdiS,

27.)


140 gern Unglück zu bewahren, die sich also

Grimm

antiken Theater nähere, sieht

Hennuyer (1772) von Mercier/*^ das nisse der

in

in

diesem Sinne dem dem Drama Jean

die furchtbaren Ereig-

Bartholomäusnacht ins Gedächtnis

der Verfasser an dichterischer

rufe.

Obgleich

Begabung mit einem Corneille

und Racine nicht zu vergleichen sei, sei ein derartiges Stück doch wertvoller als toutes les fanfaronnades espagnoles des

Romains de

und

Corneille

tont le

ramage harmonieux

et fran-

cais des Grecs Allein in

de Racine, dieser Richtung

liegt

nach Grimms Ansicht die

Möglichkeit der Gesundung des französischen Theaters. Erst

dann lasse

sich eine

Hebung des Schauspiels

erhoffen,

wenn

das Theater wieder werde une ecole publique de mceurs et une des plus importantes institutions du gouvernement wie in der

Wenn

Antike.

erst wieder große, erhabene

natürlicher Motivierung dargestellt,

wenn

Handlungen

sie nicht

in

mit kleinen

werden würden, die zu Unwahrscheinlichkeiten Anlaß gäben, dann könnte auch die Tragödie

Liebesintriguen vermengt

in

ihrem alten und wahrhaften Glänze wieder auferstehen. Eine solche echte Tragödie dürfe auch nicht

geengt

sein,

wenigstens nicht

in

in

das Versmaß des

Verse

ein-

Alexan-

driners, das abgesehen von einzelnen glücklichenVersen^ die Natürlichkeit und Macht der Rede oder des Dialogs und damit die Wirkungen unterbinde. Le vers francais sera toujours un langage trop apprete, trop arrondi pour convenir ä la Poesie dramatique,^"^

Der Gebrauch des Alexandriners habe

die

Dichter nur zu häufig zu ecarts epiques, propos allonges et symetrises, zu überflüssigen Tiraden verleitet und dadurch

dazu beigetragen, Einfachheit, Natürlichkeit und Energie

vom

französischen Theater zu verbannen.

Für

die

Tragödie

sei ein

Versmaß

erforderhch, welches

die Natürlichkeit, die Bündigkeit und Geschmeidigkeit der na-

140.

141.

1.

September 72

1.

April 64

(S.

(S.

477).

54).


— ttirlichen

rung

-

141

Rede so gut wie möglich bewahre/*'

erfülle

das

jambische Versmaß,

die antiken Dichter sehr

Verse sieht

Grimm

Diese Forde-

dessen Vorteile

Im jambischen Rede verLüge der Nachahmung,

wohl gekannt hätten.

alle Vorteile

der gebundenen

einigt, die Wahrheit der Natur und die ohne die verhängnisvollen Nachteile des Alexandriners. Dieser sei zu hochtrabend für die ruhigen Momente, zu schwerfällig für die erregten. Er führe zu einer Poesie der schmükkenden Beiwörter, zu einem gleichmäßigen rhythmischen Gange, der einem lebenswahren Dialog nicht aufkommen- lasse. Die

natürlichen Akzent-e fehlten selbst den Versen Racines, denen

an Schönheit und Harmonie bisher keine gleichgekommen

und wirkungsvoller Shakespeare bediene.'*^

en. Viel natürlicher

sen sich

Das Französische

besitze

leider

sei

sei-

das Versmaß, des-

keinen

dramatischen

Vers, weil es nur auf die Zahl der Silben achte, nicht auf Akzent

und Quantität, und deshalb

Mögliche, die französischen schreiben.'**

Grimm

hält es

Grimm

Tragödien

setzt daher große

für

in

das einzig

Prosa

zu

Hoffnungen auf die

Prosatragödie, die Sedaine angekündigt hat, und er rät, ihr ruhig und ohne Vorurteil entgegenzusehen, nicht aber von

vorne herein von

das Ende aller Kunst zu befürchten, wie schweren und ungerechten Anklagen gegen

ihr

es Voltaire in den

sein Jahrhundert getan habe.'*'

Bei

dieser

Grimm auch, nachdem Werke entstanden sind. Er daß La Harpe dem Alexandriner viel Kraft

Anschauung

bleibt

einige wertvollere dramatische

erkennt wohl an, und Einfachheit zu geben) verstanden habe, aber er beobachtet es auch hier, daß der Vers die große Wirkung töte, weil er den Autor zu unnötigen, abschwächenden. Zusätzen zwinge.'*^ Selbst die besten 142.

1.

Januar 65

143.

1.

Januar 65

französischen Stücke seien nur epische, (S.

172).

(S.

173).

144. 15.

September 67

(S.

145. 15.

November 70

(S.

146. 15.

Februar 70

415). 163).

(S. 460).


-

-

142

Grimm

aber keine dramatische Poesie.

widersteht

es,

eine

Truppe von Räubern oder barbarischen, von blindem Fanatismus beseelten Hirten eine Sprache voller Harmonie und Grazie sprechen zu hören, deren Gewähltheit, Reinheit und Vornehmheit ein

langem

seit

kultiviertes

Volk voraussetze.

Rauheit der Sitten verlange Rauheit der Sprache, also etwas Wildes,

Ungepflegtes.

natürhchen

Dieser

Forderung

sei

Mahomet ebensowenig nachgekommen wie

Voltaire in seinem

anderen Autoren, die ähnliche Stoffe behandelt hätten.

die

Blicken wir auf die wesentlichen Ideen zurück, die

Grimm

über die Künste und die schöne Literatur im Laufe seiner

zwanzigjährigen Tätigkeit

in

der

Correspondance

litteraire

niedergelegt hat, so sehen wir aus allem deutlich hervortre-

wie er die Kunst nicht

ten,

wie er

sie

eingestellt Mittell

zu

um

ihrer selbst willen betrachtet,

vielmehr in das Gesamtleben der Menschheit hin-

wissen

Ueberall

will.

dem großen Zweck,

ist

sie

ihm ein wertvolles

die Menschheit über sich selbst,

über ihr äußeres und inneres Schicksal, über ihre Macht und

Freuden und ihre Leiden aufzuklären und zu einer Vervollkommnung des Geistes zu führen, wie sie ihm ihre

in

Schwäche,

ihre

der Antike als nächstliegendes Ideal vorschwebt.

So erklären

sich die fortwährenden Hinweise auf

Altertum, speziell das griechische, mit Studienzeit vertraut

derne Geist, mit in

neuer

ist,

dem

Gestalt

dem

er

seit

mound sie

so erklärt sich aber auch der

er die Ideen der Antike belebt

die

in

Gegenwart

einzupassen

sucht.

Alle seine kritischen, reformatorischen Pläne für Kunst

wenn wir

Literatur,

harmonisch

in

ung zu entwerfen uns

Von 147.

ein,

das wir von seiner Weltanschau-

bemühten."^*^

seiner Zeit erwartet er eine

An

und

einmal so nennen wollen, fügen sich

sie

das Bild

das

seiner

Förderung der Mensch-

diesem Gesamtbilde können auch Widersprüche in einzel-

nen Fragen nichts ändern,

die

wir hier und da haben aufweisen


— wenn

143

Macht der Kirche zu beseitigen oder wenigstens zu beschränken, der es durch eine intolerante Ausnutzung der christlichen Lehre gelungen sei^ in den Menschen das Gefühl für geistige, soziale und politische Freiheit zu unterjochen, jede Regung dieser Freiheit im Keime zu ersticken und mit der ihr zu Gebote stehenden heit erst dann,

es ihr gelinge, die

Gewalt zu verfolgen. Einige Siege der Aufklärung über die religiöse und poli-

sche Intoleranz, die Auflösung der Jesuitengesellschaft, die

Sühne

für die

schaftliche

Justizmorde an

Kampf

Cahs und

Sirven, der leiden-

der Aufklärungsphilösophie gegen das Re-

giment des Vorurteils unter der starken Führung Voltaires,

den

er

den glorreichen Wohltäter der Menschheit nennt,

das läßt

Grimm

in

die eine glückhche

die

all

Hoffnung auf eine Zukunft erwachen,

Umwälzung

der Toleranz bringen werde.

aller

Dinge und eine Herrschaft

Daß

diese

Umwälzung

so wild

und blutig verlaufen würde, hat er allerdings nicht vorausgesehen, denn

ihm schwebte es

vor, auf friedlichem

We^e

durch

eine vernünftige Erziehung eine vorurteilslose, durch ein starkes,

natürliches Sittlichkeits-

und Gerechtigkeitsgefühl ge-

festigte Generation heranzubilden.

Die Mterarische Kritik Grimms, deren Richtlinien Vorurkünstlerischer Geschmack, Liebe zum Natürund Abneigung gegen alles Gekünstelte sind, hat sich zum größten Teil als von dauerndem Wert erwiesen und ist sehr häufig durch die Nachwelt bestätigt worden. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, daß Grimm auch recht arg daneben gegriffen hat/*^ Er hat Rousseaus Größe nicht erkannt,"' er überschätzt den Dramatiker Diderot,""^"" er geht mit Marivaux' Romanen und Komödien zu scharf und unge-

teilslosigkeit,

lichen

müssen und

die sich aus der journalistischen Arbeitsweise

aus seiner vielseitigen Beschäftigung 148. Vgl. S. 16.

149. Vgl. S. 114. 150. Vgl. S. 127

Anm. ff.

66.

leicht erklären.

Grimms und

(Vgl. S. 16.)


144

recht ins Gericht/^' er prophezeit endlich die dauernde dra-

matische Unfähigkeit Beaumarchais'/"'

Ohne Grimm überschätzen zu

wolteni, aller seiner

Schwä-

chen und Fehler bewußt, glauben wir sagen zu können, daß wir es mit einem ganzen Manne, einer sympathischem Persönlichkeit zu tun haben, die es verdient, den führenden

Au-

toren seiner Zeit an die Seite gesteht zu werden, wie ihn diese selbst auch bleibt,

als

gleichwertig anerkannten.

Zu bedauern

daß der talentvolle Kritiker nicht den inneren Beruf zu

einer größeren, abgeschlossenen Arbeit in sich fühlte, daß er

vielmehr seine gehaltvoUen Gedanken über die umfangreiche

Korrespondenz hin zerstreute.

Der hohe Wert

dieser geistreichen

Gedanken

liegt

weni-

ger in der Originalität, obgleich eine solche nicht geleugnet

werden kanni '^' sches,

als

vielmehr darin, daß

abgerundetes

Bild

des

sie ein charakteristi-

Aufklärertums

der

zweiten

Hälfte des 18. Jahrhunderts geben, das in Fragen der Welt-

anschauung, des sozialen und literarischen Lebens

in

vielen

Punkten Aehnlichkeiten mit dem voraufgegangenen himdert und auch mit der Gegenwart aufweis*.

16.

Jahr-

151. Vgl. S.

112

ff.

152. Vgl. S. 17. 153.

Wir haben schon

originellen Gedanken, die

des öfteren darauf hingewiesen, daß manche

Grimm von

und Gegnern scheiden, ihren Grund in seiner

deutschen Bildung haben.

in

seinen französischen Freunden seiner deutschen Geburt

und


VI

Die „Correspondance litteraire" unter Meister

Wie

Grimm im Anfang

schon eingangs erwähnt, war

des

Jahres 1773 auf längere Zeit von Paris abwesend, und deshalb übertrug er für diese Zeit die Leitung seiner Blätter einer Per-

son seiner Bekanntschaft, die bis zu seiner Rückkehr die Korrespondenz redigieren sollte. Grimm kehrte jedoch zu seinem

Unternehmen nicht mehr zurück, und so ging es ganz in die Hände des Zürichers Jakob Heinrich Meister über/ Noch nicht 29jährig, also fast im selben- Alter wie einst Grimm, übernimmt Meister mit dem März 1773 die Redaktion der Correspondance

litteraire,

die

er

bis

die

in

Tage der Revolution hinein, bis zum Mai 1793, leitete. Dann wurde er wegen' seiner Beziehungen zu dem ausländischen Höfeni

dem

Pariser Nationalkonvente verdächtig

und mußte fliehen. 1794 nahm er von Zürich aus die Korrespondenz wieder auf, indem er Pariser Zeitschriften benutzte und sich von S u a r d Berichte aus Paris schicken 1.

Am

6.

August 1744

in

Bückeburg geboren,

trat

Meister schon

früh durch aufklärerische Schriften hervor, die den Geist der Enzy-

klopädisten

atmeten.

Wegen wurde

principes religieux"

einer

freien

drohung schv^erer Gefängnisstrafe am bannt.

Er begab

sich nach Paris,

bekannt gemacht wurde. Kopist angenommen. 1773, aufgehoben. Stael ä

Schrift

„De Torigine des

er als Atheist verschrieen 21.

v^^o

er durch Diderot mit

Von diesem wurde Das Züricher

und unter An-

Juni 1769 aus Zürich ver-

Urteil

wurde

später,

am

Vgl. Usteri u. Ritter „Lettres inedites de

Henri Meister", Paris 1903

S.

2

ff.

Grimm

er bald als Sekretär 3.

und Okt.

Mme

de


— Daß man

ließ.

unter

sich

kaum

nicht

viel

versprechen kann,

und der bei Tourneux abdritten Epoche^ der Korrespon-

Beweises,

eines

Beginn

gedruckte

von einer Pariser Chronik aus Zürich

Umständen

derartigen

bedarf

146

dieser

denz zeigt ihre Bedeutungslosigkeit und den Verfall des Unternehmens.^

Wir vermisist keineswegs vollständig. Nummern vom April 1777, vom ganzen Jahre 1791, vom Januar bis Mai, vom August, September und Dezember 1792 und vom April 1793. Die letzten großen Lücken erklären Meisters Arbeit

sen die

durch Meisters Reise nach London.

sich

Nummern nicht

des Jahres 1792 und 93 sind

von seiner Hand.

November

Die meisten

zum

Die vorhandenen größten Teile auch

Artikel' der

Monate Ok-

und November 92 sind mit einem Sternchen versehen, weisen also wohl auf fremde Redaktoren. tober und

Und

83, Juli

schließlich scheinen die letzten

Nummern vom

Januar,

Februar, März und Mai 1793 ebenfalls nicht von ihm redigiert

zu sein, da

sie

nur trockene Inhaltsangaben revolutionärer

Stücke enthalten.

Von den Mitarbeitern Meisters wieder

Diderot

ist

vor allem

zu nennen, der noch einige Artikel für die

Correspondance schreibt und auch einige Manuskripte dem um sie bei Gelegenheit zur Unterhaltung

Redaktor überläßt,

der Abonnenten beizulegen.

Jedoch

die Zahl der Beiträge

ist

Es fehlen zum Beispiel die vielen und regelmäßigen Besprechungen der Pariser Kunstausstellungen, die er für Grimm geliefert hatte. Auch Diderots ganz erheblich vermindert.

die Mitarbeiterschaft der seit

Mme

1773 auf wenige Artikel.

gemachten Franklin,

Mitarbeitern

Mme Dumoley

E p n a y beschränkt sich Dafür treten unter den namhaft

jetzt

d

'

Pitra,

i

Girbal,

Carmontelle,

hervor, derem Beiträge eine längere

Besprechung nicht verlohnen.

Am

26. Juli

1773 schreibt Meister einen Brief an Gess-

2.

Tourneux, Bd. XVI

3.

In der Folge

behandelt.

S.

209-46.

wird hier nur der zweite Abschnitt von 1773-93


147

ner,*

dem

in

er

ihm

daß

mitteilt,

der Führung der

er mit

Correspondance beauftragt sei und gern neue Abonnenten werben möchte. Er verlange von ihnen strengste Diskretion und als Entgelt mindestens 25 louis jährlich. Er wolle in seinen Berichten alles besprechen, was zu allgemeinen Ueberblicken über die Fortschritte der Sitten und der Bildung führen könne. Man solle nicht auf die gefährlichen politischen Nachrichten rechnen. Politisches werde er nur sparsam bringen und nur soweit es mit der Aufklärung zusammenhänge. Er wolle sich nicht mit der Regierung schlecht stellen, die ihm Schutz gewährt habe. Meister beschränkt sich im allgemeinen darauf, den Inhalt eines Werkes wiederzugeben, über seinen Erfolg und seine Aufnahme im Publikum zu referieren und die verschiedenen

Um

Ansichten darüber darzulegen.

ein recht

genaues Bild

der Neuerscheinungen zu geben und ihren Charakter seinen

Lesern vorzuführen,

großen

Teil,

um

zitiert er

nicht zu

wörtlich lange Stellen, die einen

sagen den größten, einnehmen. Nur

selten äußert er sein eigenes Urteil,

dem

Schärfe der Grimmschen Kritik fehlt beteiligt,

nimmt nur

Berichterstatter

selten

auf jeden Fall die

Er

ist

nie persönlich

Partei, ist ein völlig objektiver

und darum

vielleicht

besser

geeignet,

ein

von seiner Zeit zu geben, aber dafür auch weniger

Bild

interessant und reizvoll.

In

diesem Sinne sind wohl auch die

II. in einem Briefe an Grimm vom 20. September 1775 zu verstehend M, Meister n'est pas M. Grimm; il est plus serieux et le talent du developpement est plus faible en lui, und noch deutlicher in dem Briefe vom

Worte der Kaiserin Katharina

16. Mai 1778: Je vous ai dit mille fois et je vous repete encore que votre successeur litteraire n'est pas vous; je n'apprends

rien lä,

il

n'y a point lä de

morgue

qui dresse

le

goüt

et

Vesprit, cette evidence sans preuves qui fait taire la contra-

diction

meme.

Meister

ist

mehr belehrend

„Revue

d'histoire litteraire*'

4.

S.

5.

Toumeux, Bd. XVI

S. 211,

Er gibt klar und Themas, aber man ver-

als anregend».

deutlich ein Bild des angeschlagenen

XIV 1\%


148

mißt jene eigenen Gedanken, die den Stoff weiter ausspinnen und zu weiteren Ueberlegungen anregen.' Mitunter gesteht er

sogar selbst

um

daß ihm die nötigen Kenntnisse

ein,

Werk

dieses oder jenes

fehlen,

Nachprüfung zu unterziehen/ Ganz an Bedeutung verlieren aus diesem Grunde seine einer

Berichte über die Gemäldeausstellungen,^ die er gern einer geübteren Hand, wahrscheinlich Diderot, überlassen hätte/ Seine centons, wie er sie selbst nennt, sind nur Referate über die

verschiedenen Schriften, die über die Ausstellungen erschienen

Er verzichtet ausdrücklich auf eine selbstständige Kriund will vielmehr einen treuen Bericht des allgemeinen Ur-

sind. tik

teils

geben.

Nur

selten

nimmt

Meister persönlich Stellung zu dem zu

besprechenden Werken; seine Kritik

jedoch stets von groEr läßt sich von dem Grundsatze Diderots leiten, daß man auch bei Minderwertigem nach dem Guten und Kostbaren suchen und nicht auf die Jagd nach Fehlern gehen solle. In diesem Sinne gibt er am ßer,

manchmal

ist

allzu großer Höflichkeit.

Schlüsse des Jahres 1775 eine Uebersicht® über die

literari-

Er kommt zu dem Schlüsse, daß von einem Verfall des Geschmacks und der Sitten nicht die Rede sein könne, solange sich nach Ablauf eines Jahres eine so statthche Anzahl guter Neuerscheinungen schen und künstlerischen Schöpfungen des Jahres.

konstatieren lasse.

Meisters Absicht

und Nörglern 6.

unverkennbar

ist

wirksam

Meister versteht es

die,

entgegenzutreten.""^

z.

den Pessimisten

Ihm sind

jene

B. vortrefflich, die Arbeit Montaignes,

den Inhalt und die Ideen seiner „Essais" zu charakterisieren und ihn in seine Zeit einzureihen, jedoch er

begnügt sich mit dieser Schilde-

rung. (April 74 S. 419.) 7.

So entschuldigt

er

sich,

die

astronomischen Studien Baillys

aus Mangel an Verständnis nicht bewerten zu können. (Nov. 75

Er

gibt eine Schilderung der in 8.

Februar 74

9.

Dezember 75

10.

(S.

September 80

349).

(S. (S.

165).

437).

dem Buche

S. 153.)

entwickelten Gedanken.


-^

'

^

'

'

149

--

,

i

frondeurs eternels du mauvais goüt du siede verhaßt, die beständig über den Verfall des Volkes und der Menschheit jam-

mern/^ Die Artikel,

in

demgemäß

recht

wunderung

für die

denen er sein voltes Lob ausspricht, sind

Bemerkenswert ist seine BePläne, Reden und Schriften des Finanz-

zahlreich.

ministers Necker, dessen Schicksal er mit lebhafter Anteil-

nahme

verfolgt

und dessen Gegnern

er mit aller Schärfe seine

Mißbilligung ausspricht. Heftige, tadelnde Urteile

von Meister sind sehr

dem

Eine scharfe Kritik übt er beispielsweise an

selten.

Portrait de

Mme de Geoffrin von Morellet,'" die Jedoch nach der Anmerkung des Herausgebers der Correspondance auf persönlichen Gründen beruht und ungerecht zu sein scheint. Meisters Stärke liegt sicher darin, die Persönlichkeiten

großer Männer zu charakterisieren,

sie mit ihren Fehlern und Vorzügen zu schildern, ihren Werdegang zu beschreiben, die Entwicklung ihrer Ideen zu verfolgen und zu begründen und

ihr

Verdienst für die Mit- und Nachwelt darzulegen.

Es

sei

uns hier gestattet, auf einige interessante Nekrologe hinzuweisen.

Sympathisch wirkt der warme, herzliche Ton, der durch den Nekrolog für den Schauspieler L e K a n geht,'" in dem Meister den letzten großen Künstler der Comedie-Francaise scheiden sieht. Er führt die Persönlichkeit des Schauspielers mit ihren inneren Vorzügen und ihrer äußeren Mißgestalt treffend vor Augen und schildert sein hervorragendes Talent, i

durch das er die körperlichen Fehler besiegte.

Von 11.

prächtiger Rhetorik

Artikel Klagen über den

Geschmacks, über die Urteilsunfähigkeit des Publikums

und über das S.

der Nachruf, den Meister

Dennoch klingen auch durch Meisters

VerfaU des

82

ist

Niveau der Pariser Gesellschaft. (Oktober

tiefe geistige

200 und Januar 74

12.

Oktober 77

(S. 9).

13.

Februar 78

(S.

S.

49).

340.)


150

Mai 1778 verstorbenen Voltaire widmet/* Er trauert tief und aufrichtig um den Tod dieses Großen, mit dem ihm der Ruhm des Jahrhunderts dahinzugehen scheint. Er gibt ein würdiges, klares Bild von dem Leben und Wirken Voltaires, von seinen großen Verdiensten um diie Menschheit und den Menschengeist. Er hält den Gegnern Voltaires das Unnütze des Verbotes der kirchlichen Bestattung vor, welches gerade das Gegenteil von dem bewirken werde, was es beabsichtige, und die Verehrung für diesen Wohltäter der Menschheit, den Märtyrer seiner Ueberzeugung ins Unge-

dem am

30.

messene steigern werde. Ihm bleibt der Trost, daß die unvergänglichen Schöpfungen Voltaires, die Umwälzung der Sitten und der Denkweise, die Aufklärung der Menschen und die Vernichtung der kirchlichen und politischen Vorurteile, weder durch Schikanen zu zerstören noch zu leugnen seien. Angesichts der Tatsache, daß es den Journalisten ausdrücklich verboten war, über Voltaires Tod zu sprechen,'^ wird

man

Meisters

Dem am

Wagemut 3. Juli

in

diesem Artikel anerkennen müssen.

Rousseau

1778 verstorbenen

er eigenthch keinen Nekrolog.

In

einem Artikel,

in

widmet

dem

er

den

Tod anzeigt,"" bespricht er nur die verschiedenen Ansichten zu der Frage, ob der Genfer Philosoph eines natürhchen oder freiwilligen Todes gestorben

sei.

Die Psyche dieses

Sonderlings, seine unglückliche Melancholie in den letzten Jah-

Wahnvorstellung der Verfolgung durch eine mächtige Liga, zu der auch Grimm und Diderot gehören sollten, und die krankhafte Empfindsamkeit, in allen Taten seiner

ren, seine stete

Mitmenschen Intriguen gegen seine Person und seine Werke zu wittern, rechtfertigen für Meister die

Annahme

eines Selbst-

mordes.

einem Brief über Rousseau an einen deutschen Für-

In sten,

den er der Korrespondenz

14.

Juni 78

15.

Tourneux, Bd. XII

16. Juli 17.

78

(S.

(S.

beilegt,'' verfolgt

108).

130).

Juni 76 (S. 283).

S.

112

Anm.

1.

Meister ein-


151

gehend die Entwicklung der Ideen des Philosophen, das Wachsen seines Ruhmes. Er sucht die isolierte Stellung und die Verdienste des Genfers zu begründen.

Er stößt sich wie

Grimm

an den falschen Prinzipien und Systemen Rousseaus, aber er verzeiht sie

ihm wegen der

vielen Wahrheiten.

Er anerkennt

und seine edle Moral. Die Theorie des ersten Discours, daß Wissenschaft und Literatur den Menschen nur schädlich seien, erachtet Meister für widerseine hinreißende Beredsamkeit

sinnig.

In der

Behandlung dieses Themas

ist

Rousseau seiner

Ansicht nach nicht philosophisch, sondern nur als ein Sonder-

vorgegangen und hat damit sein Ziel erreicht, aufzufallen und berühmt zu werden. Der Discours sur tinegalite sei eine conversation d'un sauvage qui amuse les hommes Polices en ling

leur disant des injures bizarres,

La Nouvelle Heloise

er-

ihm wegen der zahlreichen Schwächen und Unwahrscheinlichkeiten als un mmvais roman et un livre mediocre, oü il y a de beaux traits, Wahre Beredsamkeit und Philosophie findet Meister in dem Erziehungsroman Emile, der, scheint

wenngleich der Erziehungsplan nur eine grobe Uebertreibung sei,

ne.

doch zum Vorteil der Menschheit ausgenutzt werden kön-

Rousseau

d'etre regarde

ist

für ihn

comme

un

komme de

genie qui merite

plus ingenieux des sopUstes et

le

le

plus eloquent des rheteurs.

Die posthum erschienenen Confessions,^^ deren hervorragende Bilder und Schilderungen Meister bewundert, betrachtet er als eine nützliche

Unterweisung

in

der Kunst, sich selbst

zu betrachten und bis zu den verborgensten Triebfedern des eignen Betragens und der eignen Taten vorzudringen. sucht aus Rousseaus eigner Schilderung seinen

zu verstehen und vor allem seine Schwächen Seiner Ansicht nach schrieb Rousseau dieses sönlichen Anklage faire croire le

Er

Charakter

zu begreifen.

Buch

der per-

und Rechtfertigung in der Hoffnung de

mal quil

dirait

des autres

jugerait ä propos de dire de lui-meme.

comme

celui qu'il

Empörend

findet

Meister die Verleumdungen und ungerechten Anschuldigun-

la

Juli 82 (S.

160)

und November 89

(S. 542).


152

gen, die Rousseau gegen seine früheren Freunde und; gerichtet hat.

wähnt, sucht

d'Epinay zu erklären/^

D kurz

i

d

e r

Gönner

Den Bruch mit Grimm, den er nur kurz erer aus dem Verhältnis beider Männer zu Mme 1

Tod

s

ohne

mitgeteilt

30. Juli

1784

— wird

Würdigung

eine

seiner

zunächst nur Verdieriste.^^

Meister gedenkt nur des großen Interesses Diderots für die

Correspondance

und seiner Mitarbeiterschaft. Erst widmet er dem Verstorbenen einen geistvollen und formvollendeten Nachruf A la memoire de Diderot^^ litteraire

ein paar Jahre später

in

dem

er

die Vielseitigkeit dieses Philosophen hervorhebt,

dessen Arbeit mehr

Ausdruck

komme

Nekrolog, der

in

als in

den Werken anderer versteckt zum eigenen umfassenden Werken. Der

der Illustrierung der enzyklopädischen Bil-

in

dung und des Gedankenreichtums Diderots in nicht reduzierbarer Kürze gehalten ist, atmet eine große Bewunderung des

umfassenden,

altes

erfassenden

Geistes,

nur eins vorzuwerfen hat, seinen Atheismus.

bekümmert Meister der Unglaube

dem

Meister

Im allgemeinen

seiner Zeit nicht,

den er

vielmehr als gesunde Reaktion gegen das Joch des Aber-

glaubens betrachtet.

Diderot habe aber im Kampfe gegen den

Gottesglauben eine kostbare Zeit verschwendet, die er besser hätte

verwenden können zum Vorteil der Kunst und der

Wissenschaft.

Zudem habe

dieser

WidiernatürUches, seinem innersten gehabt, da ihn die Natur

Im folgenden ste sich die

soll

zum

Kampf für Diderot etwas Wesen Entgegengesetztes

Dichter bestimmt habe.

welchem Geiunter Meisters Redak-

kurz dargetan werden,

Correspondance

litteraire

in

tion bewegt.

Es berührt sympathisch, daß Meister keine Verteidigung

seines

ihm befreundeten Vorgängers unternimmt und daß auch Grimm

selbst

19.

diese Gelegenheit nicht benutzt,

um

sich ins rechte Licht zu stellen

den Verleumdungen entgegenzutreten. 20.

August 84

21.

November 86

(S.

18). (S.

460).

(Vgl. S. 114 u. 115.)

und


153

Meisters Ideen zu den Fragen der

Weltanschauung Meister gehört weniger zur Partei der Philosophen als

Er ist weniger Parteimann. Wohl verteidigt er die Aufklärung gegen die Angriffe der kirchlichen Gegner, aber

Grimm.

er erkennt

an

auch Schattenseiten.

ihr

rend plus eclaires

moins

et

La

heiireux, plus

Philosophie noiis

humains

et

moins

Sie zerstöre neben schädlichen Vorurteilen auch

sensibles^'

mache nüchtern. Sie sei der unbedingt förderlich und schade den schönen Kün-

nützliche Illusionen, kühle ab,

Moral nicht sten

und der

Literatur.^^

Die Intoleranz, die Meister bekämpft, sieht er nicht nur bei

den kirchlichen Parteien, sondern auch in der eglise philo-

sophique^''

Verhaßt

ist

Meister vor allem die nüchterne Verstandes-

zum

philosophie mit ihren Zweifeln und ihrer Neigung

mismus,

die das erste Glücksgefühl des

sance de notre

anerkennt den großen

er

Pessi-

la jouis-

unterdrücke und das Leben verachten

etre,

Jedoch

lehre/"'

Menschen, Anteil^

der Philoso-

Erhöhung der Menschenwürde und an dem Ausder ständischen Unterschiede. Ate Vorkämpfer dieser

phie an der gleich

22.

August 74

23.

Grimm würde

(S.

465).

einen solchen ungünstigen Einfluß der Philo-

sophie auf Kunst und Literatur nicht zugegeben haben. 24. Juni

25.

84

Ausdruck der tion sagt:

sa

(S.

Mme

„Que

frivolite

541).

(S.

Januar 74

Vgl. S. 118.

345)

Meister stimmt in diesem Sinne

je regrette sa franchise, sa loyaute, sa gaiete et

qu^elle

dem

de Gonzague zu, die von der französischen Na-

a

abandonnee pour

meme

une philosophie adolescente

qui ne va point au bonheur et qui les empeche de rire!" (April 90 S.

Meister bemerkt hierzu in einer Anmerkung: heureuse!"

6.)

„Expression vraiment


154

Umwälzung

glücklichen sozialen

^ verehrt er

Voltaire,

der

bekämpft und der öffentlichen Meinung eine

alle Vorurteile

unabhängige Herrschaft verschafft habe.^®

freie,

Die Erfolge der Aufklärung lassen ihn mit Zuversicht an Großes Zutrauen

einen Fortschritt der Menschheit glauben.""

hat er zu seinem Jahrhundert, das in vielem, besonders in der

Wahrung und Förderung

der Menschheitsrechte die vergan-

gene Zeit übertroffen habe."® Meister kann deshalb die Ansicht Rousseaus, daß mit der

Einführung staatlicher Einrichtungen die Menschen in Ver-

Gerade die GesellMenschen und vermehre seine Kräfte. Für seine Zeit erscheint es ihm klar Que c'est ä perfectionner par tous les moyens possibles la societe oii

derbtheit geraten seien, nicht billigen.""

schaft entwickle die Fähigkeiten des

le sort

nous a

fait

naitre que doivent tendre nos vceux et nos

travaux. In eine

Reihe mit den Aufklärern

daß der Mensch la

ihn seine Ansicht,

de se perfectionner, la perfectibilite Der Mensch erscheint ihm von allen Organismen als

besitze.''

la faculte

la plus ingenieuse, la plus compliquee, la plus

combinaison

parfaite,

stellt

mais par lä

meme

aussi la plus lente ä se former, la

Die ideale Vollkommenheit sieht er in einer allgemeinen, gleichmäßigen Entfaltung aller Kräfte und Fähigkeiten, zu der es allerdings gewöhnlich nicht komme.

plus subtile et la plus freie.

Die Vollkommenheit müsse deshalb unerreichbar bleiben, weil sie das Ende aller Aufwärtsentwickelung sei und einen Verfall

im Gefolge haben würde."' 26.

März 78

27.

November 87

darin,

daß es

auf der

— Einen unbedingten Fortschritt sieht M. die Affaire des Chevalier de

La Barre

öffentlich da;rzustellen.

28.

Januar 87

29.

Oktober 85

(S.

30. Juni

76

(S.

31. Juni

74

(S.

parvenu,

(S. 155).

jetzt erlaubt sei,

Bühne

il

68).

(S.

525).

(S. 237).

279).

447)

;— „Aussitot

qu'il (l'esprit

parait dans la necessit^ de dechoir."

de rhomme) y

est


155

Meister warnt daher vor einer törichten Uebertreibung des Fortschritts, den die Menschheit bisher gemacht habe und

den

überhaupt machen könne, und

sie

tritt

Vervohkomm-

der

Condorcet in der Academie francaise vorgetragen hat, scharf engegen.^' Nach seiner Meinung ist der Kreis menschlicher Kenntnis durch unverrückbare Grenzen von jeder Ausdehnung abgeschlossen. Montaignes Philosophie erscheint ihm als die Summe alles menschlichen Wissens und aller Wissensmöglichkeiten, als der Keim zu allen folgenden philosophischen Systemen, zu Descartes sowohl wie zu Gassendi, Rousseau, Hume, Shaftesnungstheorie, die der Marquis de

bury, Helvetius, Diderot.""

Bei allen fänden sich dieselben be-

kannten Tatsachen, nur seien sie stets persönlich aufgefaßt und schüfen so neue Gesichtspunkte. Eine Entwicklung aber

ist

für

ansJ"" ist,

Und wenn

Le

Meister vorhanden.

genre humain est moins enfant quil ne

l'etait

ü y a deux

rrülle

Meister auch kein entschiedener Optimist

so steht er doch keineswegs der Entwicklung der Mensch-

heit pessimistisch gegenüber.

Besonders wichtig

für eine günstige

Fortentwicklung der

Menschheit

ist seiner Meinung nach eine verständige, die menschHchen Fähigkeiten in natürlicher Weise fördernde Erziehung. Wie Grimm ist ihm jene weitabgewandte Erziehung durch Priester und Mönche verhaßt, die mit ihrer transzendentalem Welt- und Lebensanschauung die Freude am Leben und an der Welt nicht aufkommen ließen und jeder wissenschaftlichen Forschung feindlich gegenüberständiea^' Die moderne weltliche Erziehung müsse danach streben de

32.

Februar 82

tracht ziehen,

genommen war, würdigen

(S. 85).

Bei seiner Entgegnung

muß man

in Be-

daß Meister schon im voraus gegen den Akademiker

Wahlmanöver

der

philosophischen

habe. 33.

Mai 74

34.

April 73

(S. 436).

(S.

35. Juli 75 (S.

226).

100);

ein-

Feind Neckers, seine Wahl einem höchst un-

der, ein

November 73

(S. 316).

Partei

zu

verdanken


— former des corps sains l'esprit et la

156

et

avant de surcharger

robustes,

memoire d'etudes

Rousseaus größtes Menschheit sieht er wie

arides.^^

und dauerndes Verdienst um die Grimm darin, daß sein Emile die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Erziehung gelenkt und einen allgemeinen, günstigen Einfluß auf seine Zeit gehabt habe."' Meister ist davon überEpoche

zeugt, daß dieser

viele nützliche Erziehungsinstitute

und interessante pädagogische Werke ihre Entstehung verdanken werden ein Glaube, den die moderne Erziehungs-

methode

in

Wie

vollem Umfange bestätigt hat. Aufklärer seiner Zeit

alle

und Freiheit des Gewissens gegen

tritt

die

er ein für

Humanität

übermütige Gewalt der

Kirche und die intolerante Priesterschaft.'' Viel wichtiger erscheint ihm die völhge Vernichtung der verhängnisvollen und barbarischen Macht der Kirche, die sich über die gesetzliche

und der Schrecken der Menschheit

Autorität erhebe

sei,

als

Aufhebung des Jesuitenordens, der unleugbar viel zum Wissens beigetragen und sich durch nützliche Unternehmungen um die Zivilisation verdient gemacht habe.

die

Fortschritt des

Meister

ist ein

Gegner des

Zölibats.''

Que de crimes

crets pourrait empecher, quel bienfait ä Vespece

se-

hwnaine pour-

ordonnerdt ä tant d'hommes de jouir et pour eux et pour leur patrie d'un droit que la nature et le bien public ne cesseront de reclamer en leur faveur! Die Reformation erscheint Meister durchaus nicht rait faire le prince qui

als ein Fortschritt zur Besserung, zur Toleranz, zur Vervoll-

kommnung 36.

dernen,

der Menschheit.

Sie

habe

mit

ihrem

harten

Ein nachahmenwertes Vorbild für die Ausführung dieser mo-

gesunden

Ideen

erbUckt

Meister in

der

Gründung

einiger

russischer Lehrinstitute durch Katharina IL, die mit ihrer Einrich-

tung körperlicher Uebungen und Spiele an die besten heroischen Zeiten

Roms

Griechenlands und 37. Juli

79

erinnerten. (Juli 75 S. 98

273).

(S.

38.

Januar 78

39.

Oktober 83

(S.

44).

(S. 389).

ff.)


— Kampfe eher siert

157

--

Er sympathi-

Nachteile als Nutzen gebracht/"

mit Voltaire und den Humanisten, die den religiösen Des-

potismus dadurch untergraben hätten, daß

sie die

der kirchlichen Tyrannei aufgedeckt

keiten

Lächerlich-

und so mehr

und Irrtümer zerstört hätten als die Reformatoren. Ihm erscheint die Reformation voller Inkonsequenzen. Seiner Meinung nach hat Luther die alten Vorurteile nur durch neue ersetzt und, indem er die Intoleranz der Kirche bekämpfte, selbst intolerant die Anerkennung seiner Ansichten und Leh-

Vorurteile

ren gefordert.*^

den Fragen der

In

Po

1

i

t i

k,

ausgenommen

die

Handels-

und Finanzpolitik, hat seiner Ansicht nach die Neuzeit der Antike gegenüber so gut wie gar keine Fortschritte gemacht.*' Dies rühre daher, daß sich die Politik nach deo Sitten und Bedürfnissen einer Nation richten müsse, und daß sich deshalb von einer allgemeinen Wissenschaft der Politik nicht

sprechen

lasse.

Die Wünsche und Bedürfnisse des Volkes

verlangten stets neue Quellen zur Vermehrung des Reichtums.

Die Hauptquelle des Reichtums

ist für

Meister der Acker-

durch eine gesunde Entwicklung des Handels und der Industrie fruchtbar gemacht werden könne.

bau, der jedoch

erst

Deshalb verlangt er im Gegensatz zu

und

Unterstützung

Begünstigung

Grimm

des

eine staatliche

Handels und der

Industrie.*'

Geradezu begeistert stem,

dem

schreiben 40. Juli 41. ein,

der

ist

Meister von Neckers Finanzsy-

der Fortschritt in der

sei.

76

Er

Finanzpolitik

lobt die Einrichtung der lokalen

(S. 290).

Meisters Urteil stimmt im allgemeinen mit

dem

zuzu-

Verwaltung,"

dem Grimms

über-

Protestantismus und der Reformation auch den Vorwurf

der Inkonsequenz nicht ersparen kann, die erst gegen

Dogma,

Intole-

ranz und kirchliche Macht kämpfte und schließlich in dieselben Fehler verfiel.

42.

(Vgl. S. 49 u. 50.)

September 73

43. Vgl. S. 44.

72

(S. 290).

ff.

September 77

(S.

530).


-^

158

-

i !

die eine gerechtere Steuerverwaltung garantiere als die zentrale

Verwaltung.

Große Sympathie

zeigt Meister für die

Regierungsform

der Monarchie, der der einzelne Untertan einen Teil seiner

Macht und

Freiheit opfern müsse,

seine Person,

sein

um

von der Gesamtheit

Hab und Gut Schutz

für

Ce

zu erhalten.

qiion a du se proposer d'äbord en se reunissant avec ses sembläbles, c'est d'assurer son repos et sa propriete, en sacrifiant

au besoin de

la

pour garantir ce repos

reunion de toutes les forces en et cette propriete le

sa liberte personnelle'"

Im

Interesse

commun

moins possible de Ge-

der staathchen

meinschaft hält er die Beschränkung der persönlichen Freiheit und vor allem der Preßfreiheit für unbedingt notwendig.*^ Alle Schriften

und Werke müßten deshalb der Zensur

klugen und aufgeklärten Gerichtshofes unterworfen

eines

sein.

Demokratie hat Meister recht wenig übrig. Durch die geistige Anarchie seiner Zeit ängstlich geworden, verspotunerzogenen Masse. tet er die Herrschaft der ungebildeten, Er verhöhnt die „glückverheißenden" demokratischen Zustände, wie sie sich im club des francs amis de la Constitution fänden, wo der Prinz von Hessen zwischen seinem Schneider und seinem Schuhmacher sitze.'' Apres ce rare bonheur, que Für

die

desirer encore?

Mit Bedauern verfolgt Meister die

Umwälzung

der Sit-

Am

verderb-

ten und des Geistes der französischen Nation.

ihm der Einfluß Englands. Langlomanie menacent egalement la galanterie effrayants progres et ses des Francais, leur esprit de societe, lern goüt pour la toilette'^ Durch die weitere Nachahmung der englischen Sitten werde lichsten erscheint

schheßlich der für den französischen Nationalgeist charakteristische esprit

45. Juni

89

de societe vernichtet. (S.

46.

Januax 75

47.

Oktober 90

48.

Mai 86

475).

(S. 4);

(S.

(S. 359).

Dezember 73

103).

(S. 330).


159

b

Meisters Ideen zur Kunst und Literatur seinen künstlerischen und literarischen

Meister hat in Ideen)

me

cite

nous!"^ ist

wie

Grimm

eine große Vorliebe für die Antike.

Qu-on

une idee, une vue que les anciens riaient pas eue avant Die griechische Antike, von deren Geist er beseelt ist,

ihm in bezug auf ihren Geschmack ein unerreichbares VorEr sieht in Griechenland die Heimat des Genies und der

bild.^^

Schönheit.

Seine Meisterwerke seien für

alle

Nationen leuch-

tende und unvergängHche Vorbilder.

lern

Er empfiehlt den großen tragischen* Dichtern, den Maund Bildhauern, den Stoff ihrer Werke und das Kostüm

der Antike zu entnehmen."' In der

Geschichtsschreibung

sind ihm die an-

tiken Historiker, Thukydides, Livius, Tacitus unerreichbare

Vorbilder.

Gegenüber dem Abbe de Mably hebt

auch Voltaires Verdienste

um

die

er jedoch

Geschichtswissenschaft

hervor, der, obgleich er kein vollkommener Historiker

sei,

doch Geschichtswerke geschrieben habe, die sich durch gute Kenntnisse, eine gesunde Philosophie und würdige Menschlichkeit auszeichneten.

M u s i k in den gemacht habe, seitdem ihre Prinzipien durch hervorragende theoretische Werke, namentlich durch den Traite de musique von Bemetzrieder vertieft worden seien."' Er anerkennt den Einfluß der italienischen' Schauspieter und Komponisten, die die Umwälzung in der Musik veranlaßt hätten.'' Diese Bewegung, die schließlich alle naMeister bewundert die Fortschritte, die die

letzten Jahrzehnten

49. Juli 73 (S. 263). 50.

Mai 75

(S. 68).

51. Juni 75 (S. 87). 52.

November 76

53.

Februar 89

(S.

367).

(S. 387).


160

tionalen Vorurteile niedergeschlagen und den bouffons Italiens

nach zwei vergeblichen Versuchen dauernden Erfolg gebracht habe, betrachtet er als einen entschiedenen Fortschritt.^*

Meister

Form

der

Oper

seiner Beurteilung der französischen

ist in

Grimm. Er

nicht so scharf wie

erkennt ihr sogar hinsichtlich

der Dichtung eine Ueberlegenheit vor der italieni-

schen Oper

Diese

zu.^^

Form verdankt

seiner Ansicht

nach

Oper der Toison d'or des Pierre Corneille. Ainsi c'est encore au pere du Theätre-Francais que Von doit Vunion si difficüe d'une action dramatique ä la pompe des decorations, des chceurs et des danses, qui, perfectionnee chaque jour, a fait de notre Opera le plus beaii spectacle de l'univers.^^

die französische

Als augiebige Quelle für Opernstoffe erachtet Meister das

Reich der Feenmärchen, die reichere und passendere Sujets böten als Geschichte oder Mythologie."'

cisement

le

caractere de merveüleux

celui qui prete le plus

s'y developper

avec

Meister hält wie

ä cette espece le

le

La

feerie offre pre-

plus propre ä l'opera,

d'illusion, et celui qui peut

plus d'eclat,

Grimm den

mende Kunst. Der Tanz

Tanz

für eine ernst zu neh-

um

besitze verschiedene Grade,

den

natürlichen Ausdrücken der Leidenschaft gerecht zu werden.

Wie

Töne

die

der Musik, so seien hier die Gesten suscep-

in

de modifications differentes et ä'accords harmonieux. Nach Meisters Ansicht zeigen die verschiedenen Epochen des

tibles

54. In

ihrer

den

Musik

Streit der Gluckisten

M,

greift

nicht ein.

mischbroda zu besitzen,

um

Er

berichtet

Streites, charakterisiert die

zum

Streit

recht persönlichen

Oktober 86

56.

Doch

ist

sischen

Oper

entzückt.

73

nicht

die

Streites

über die verschiedenen

Anhänger der beiden

und intoleranten Angriffe,

55.

57. April

den Vorrang

selbst,

Parteien,

entstandenen Broschüren an und schildert die

(Mai 77

gemacht würden.

um

den Ursprung und die Folgen des

würdig schildern zu können.

führt die

es

die „sainte eloquence" des Propheten von Böh-

„crayons brillants",

Phasen des

und Piccinisten

Er bedauert

(S.

S.

die

von

oft

beiden Seiten

456.)

450).

Meister bisweilen auch recht wenig von der franzöVgl.

(S. 229).

November 77

(S.

26)

und Juni 78

(S. 116).


161

französischen Schrifttums, wie stark sie von den

Umwälzun-

gen der Sitten der Nation beeinflußt seien."" Mit der Steigerung des Luxus sei eine Vorliebe für äußere Pracht und äußeren Schein auch bei literarischen

Werken

Eleganz

erwacht.

werde der Korrektheit, der prunkvolle Gknz der Wahrheit, die leere Wendung dem tiefen Gedanken vorgezogen. So zeige die erste Epoche der französischen Dichtung mit Corneille, Racine, Moliere, Boileau, La Fontaine und Quinault in Plan, Charakteren und Stil die vornehme Einfachheit, den Geschmack und die Wahrheit der Antike. Die nächste Generation mit I.-B. Rousseau, dem älteren Cr^billon und Destouches zeige schon ein Ablassen von dem antiken Vorbild. Besonders Crebillon habe den Leidenschaften durchaus nicht

mehr

die Energie eines Corneille

und

die

Wahrheit

eines

Ra-

La

Motte,

habe dann den antiken Geschmack völlig aufgegeben.

Gres-

cine gegeben).

Die

dritte

Epoche, Fontenelle und

set bewahre allerdings noch einen korrekteren, eleganteren und reineren Stil, doch auch bei ihm sei der Gang der Hand-

lung nicht

mehr

lebhaft

genug, die Charaktere seien sehr

schwach und die Farben monoton. Unter Voltaires Führung habe sich dann eine neue Epoche gebildet. Diesem tälent le plus universel, diesem genie le plus heureux räumt Meister einen Platz zwischen Corneille und Racine ein. Leider habe Voltaire, der nach neuen Farben und Formen suchte,. zu sehr auf das englische Theater und die englische Philosophie hingewiesen, sodaß das Studium der Antike vernachlässigt worsei. Er habe an die Stelle der Schönheiten des alten französischen Theaters Vaffectation philosophique, quelques saillies ingenieuses, quelques vers d'eclats, Vappareil d'un spectacle

pompeux

gesetzt.

Die Fehler, die dieser führende Genius be-

vorzugt habe, ließen befürchten, daß sein Beispiel! durch unfähige

Nachahmer dem

Wenn

Fortschritte der Kunst schaden werde.

auch nach Meisters Ansicht der Geschmack

in

der

französischen Literatur im 17. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreicht hat, so sieht er doch, selbst angesichts der

58.

März 74

(S. 387).

schweren


162

Tod Voltaires und RousGrund, an dem weiteren Ruhme

Verluste, die Frankreich durch den

seaus erlitten habe, keinen

Ihm

der französischen Literatur zu zweifeln.'^ schichte der Literatur ein stetes

Wachsen

GeMacht und

zeigt die

ihrer

ihres Ansehens.

Unter Ludwig XIV. habe das Schrifttum nur der Glorie des Monarchen und der Unterhaltung seines Hofes gedient. Allerdings dürfe

man

nicht vergessen, daß gerade unter

dem

Schutze dieses Königs Boileau und Moliere aufklärend wirken

und

die

Schwächen der

Zeit durch ihre Satire

bekämpfen konn-

ten.

Unter der Regentschaft habe dann die ZügeMosigkeit der Sitten auf die Produktionen des Geistes und des Geschmacks einen verhängnisvollen Einfluß ausgeübt.

des vaude

ville,

Es

sei die Blütezeit

der chanson, feerie, contes und

romans ge-

wesen. Philosophie und Vernunft hätten sich nur unter der Narrenmaske und mit der Narrenschelte wagt, um die kühnsten Wahrheiten zu verbreiten. seien sie die ersten Beispiele jener kühnen Angriffe

versteckt

hervorge-

Immerhin gegen die

prejuges les mieux etablis, die illusions consacrees par

le

plus

universel et le plus antique de tous les cultes,

Eeine bedeutende

Umwälzung habe das

die Philosophie erfahren, die die Literatur

sehen gebracht habe. den allgemeinen

So

sei eine Zeit

Ihr

Aufschwung

Haß gegen

Geistesleben durch

zum

sei

höchsten An-

besonders durch

die Jesuiten begünstigt

gekommen, wo man

einerseits die

worden.

Bücher der

Philosophen verbrannte, andererseits aber ihre nützlichen Lehren und Wahrheiten anerkannte und benutzte, jene seltsame Mischung von Gunst und Verfolgung, deren treffendstes Bei-

Verbannung

verurteilt, ge-

nieße er die höchsten Ehrungen Frankreichs

und Europas,

spiel Voltaire sei.

Zu

einer Art

während seine Werke von der Regierung verfolgt würden. Er habe durch sein unermüdliches Wirken für Gerechtigkeit und Vernunft, für die bedrückte Unschuld und Humanität der Partei der Philosophen eine große Macht verschafft. Die Philosophen seien aus 59,

Januar 79

dem Kampfe gegen

(S. 200),

die Intoleranz mit

um-


163

so größerer Kraft und Berühmtheit hervorgegangen, als sich

den Gegnern nur unfähige Männer befunden hätten, die darauf beschränkt hätten, durch Schmähschriften die Vernunft und den guten Geschmack zu beschimpfen, während

bei

sich

die Philosophen viele hervorragende

besonders aber an

dem

riesigen, die

Werke

hervorgebracht,

Wissenschaft ehrenden

Unternehmen, der Encyclopedie, gearbeitet hätten. Mit dem allmählichen Verlust der Mittel, welche die Macht der Philosophen begründet und gestärkt hätten, habe sich dann ihr Verfall vorbereitet, und als die Philosophen schließlich noch durch den Tod der Mlle de Lespinasse, der Mme de Trudaine und

Mme

der

Geoffrin

ihre gesellschaftlichen

hätten, habe ihre Partei völlig ihr

Stützen verloren

Ansehen eingebüßt.

Meister

da seiner Ansicht nach die Literatur ebensowenig einer herrschenden literarischen Partei bedarf trauert ihr nicht nach,

wie die Religion einer Priesterherrschaft.

Im Leben der Sprache und besonders der französi-

schen Sprache ein Streben

men, kaum

glaubt Meister eine stete Entwicklung, nach Vollkommenheit, wenn auch nur in langsamerklichen Schritten, feststellen zu können.'^ Be-

sonders werde die Sprache durch die Sitten der Nation beeinflußt, die ihr jeweilig

So

ten.

den charakteristischen Stempel aufdrück-

stehe zweifellos das Französische eines Bossuet oder

dem

Fenelon über

eines Villon oder Ronsard. Der Höhepunkt der Vervollkommnung der französischen Sprache fällt nach Meisters Ansicht in die Zeit Ludwigs XIV., in der so

zahlreiche

Wunderwerke

der Literatur entstanden seien. Cor-

Boileau, Racine und der ihnen sprachlich gleichwertige

neille,

Voltaire bedeuteten den Gipfel sprachlicher Vollendung.

Eine

Weiterentwicklung, die doch nur ein Verfall sein könnte, müs60. Juni steht,

74

(S. 445).

Daß

Meister mit diesen Ideen nicht aUein

sondern seine Ansichten mit vielen und hervorragenden Zeit-

genossen

teilt,

zeigen F. Gohin „Les Transformations de la langue fran-

Saise de 1740-89" Paris 1903 und A. Fran^ois „La

risme",

Paris

1905,

(Archiv Bd. 128),

Grammaire du piv

und „Le Dictionnaire de TAcad^mie

fran^aise'*


164

se durch eine Beschränkung sprachlicher Freiheit verhindert

Er fordert deshalb Sprachregeln,

werden.

um

Mißbräuchen

vorzubeugen.

im allgemeinen davon überzeugt, daß jede Dichtungsart, so begrenzt sie auch erscheinen mag, von dem Genie ausgedehnt werden könne, die Fabel jedoch, die in ihrer Moral, in Plan und Ausführung große Einfachheit verMeister

ist

lange, lasse eine Erweiterung

La

Fontaine, Imbert, Boisard,

ten denselben fonds,

und nur

kaum

zu.""

Le Monnier,

Phädrus, Aesop, sie alle

behandel-

die abweichende, eigenartige

Be-

handflung gebe einem jeden einen persönlichen Reiz, der die

zum Vergnügen mache.

Lektüre In

der

Poes

i

e

offenbart

sich Meister

am

stärksten

Buffons Klage über die ewige Dauer der Herrschaft Homers ist seiner Meinung nach das schönste Lob Homers.^' Diese Macht zu brechen, werde auch dem 18. die

Macht der Antike.

Jahrhundert nicht gelingen.

Die französische Nation, die nur zwei Arten Dichtung liebe, Lieder und Theater, hält er für die am wenig-

kenne und

Tont ce qui ne l'amuse pas autant qu'une chanson, tout ce qui ne Vinteresse pas autant qü'iin Dieser unpoetische drame, lui parait froid et languissant. Charakter erkläre viele abfällige Urteile des Publikums über sten poetische Europas.'^

lyrische

Werke.

Die Dichtkunst verlange weniger eine harmonische Anordnung von Tönen und Wörtern als vielmehr die Erfindung

von Bildern, Gedanken und Fiktionen, die aus poetischer BeIn dieser Beziehung zeigten sich zahlgeisterung flössen. reiche Parallelen zwischen den antiken Dichtern und den mittelalterlichen Troubadours, die sich durch mächtige äußere oder innere Einflüsse anregen ließen.

Doch

sei die

proven-

zalische Troubadourpoesie zu gleichmäßig und biete wenig Abwechselung. Ihr stellt er die Poesie der Hebräer, der Kel61.

Aprü 73

62. Juni

63.

75

(S.

226) und Juli 73 (a 264).

(S. 88),

August 82

(S,

179).


165

ten und Skandinavier gegenüber, deren einzige Lehrmeisterin die Begeisterung

gewesen

sei,

Feuer, Energie und Wahrheit

und deren Sprache darum

voll

sei.

Gegenüber den vielen minderwertigen dramatischen Produktionen ist Meisters Urteil sehr milde. Er gibt sich zufrie-

wenn

den, regt,

eine

Zweck

der

Komödie

nur lustig

und übersieht gern, daß

ist

und zum Lachen an-

die Intrigueni unwahrscheinlich,

nicht sehr moralisch, die Charaktere nicht gut ge-

und schlecht gezeichnet sind.^* Eine Komödie müsse besitzen VinUret attache ä la peinture fidele des moeurs, cm mouvement successif et gradue d'une action naturelle et vraie.^^ Zu diesem Zwecke müßten der Hauptcharakter und die Umstände, in die er gesetzt sei, in wählt, unrichtig aufgefaßt

gute

interessanten,

wie es tuffe

in

und Avare, der Fall

Von sicht eine

Beziehungen

lebensvollen

zueinander

stehen,

Molieres Charakterkomödien, im Misanthrope, Tar-

allen

sei.

dramatischen Werken

Charakterkomödie

am

ist

nach Meisters An-

schwersten zu entwerfen und

Den modernen LustspielÖichtern fehle das Tade concevoir une intrigue simple, des incidents vraisemblables qui composent une action dont la marche et le mouvement gradue tendent toujours ä developper les travers et les auszuführen.^^ lent

ridicules d'un caractere propre ä la scene.

keiten seien

umso

Die Schwierig-

größer, als Moliere die wesentlichsten Cha-

rakterzüge so unübertreffbar dargestellt habe.®^ Moliere bleibt für Meister der einzige große Lustspieldich-

Er bewundert an seinen Werken die tiefe und wahre Philosophie, kraft derer er die Menschen mit Energie und Wahrheit gezeichnet habe. Er zeige Menschen aller Lebensalter, aller Stände, Berufe und Eigenschaften, er ter Frankreichs.^^

64.

April 73

65.

Mai 82

66.

August 88

67. April

68.

84

(S. 222).

137),

(S.

(S.

(S.

August 73

289).

515) und Juni 77

(S, 267),

(S. 477).


166

behandle

alle Wunderlichkeiten' und Lächerlichkeiten-, alle Laund Leidenschaften, die das Glück oder Unglück der Menschheit ausmachten. Dazu komme noch der erhabene

ster

Zweck

seiner

Komödien,

die

Menschen und besonders

die

französische Nation vor Unsitten, schädlichen Einflüssen und

Lastern zu schützen und aufklärend zu wirken. Dadurch sei Moliere der Gesetzgeber des guten Geschmacks und der guten Gesellschaft geworden.

Die Unbegrenztheit menschhcher Schwächen und Grillen führt Meister zu der Ueberzeugung, daß die

Komödiencharak-

durch Moliere durchaus nicht erschöpft sind, daß vielmehr ein wahres Genie stets neue Originale finden würde. Die zeitgenössischen Autoren böten jedoch nur wirtere indessen

kungslose Nuancen der alten Vorwürfe.

Toutes nos come-

da jour ne sont que des pantomimes, de petites Mstorietlarmoyantes ou du marivaudage.^^ Die Ohnmacht der französischen Autoren habe das Lust-

dies tes

spiel

zu der einfacheren Art der comedie romanesque zurück-

geführt, die allein durch die

schauers zu erregen nicht

dem deutschen

suche."''

Handlung das Interesse des ZuDie Sujets dazu sollten jedoch

dem

Theater, sondern lieber

zösischen Theater eines Jodelle und Mairet

alten fran-

entnommen wer-

den unter Beachtung der seither durch Moliere wieder bekannt gewordenen Kunstregeln der Antike.'^ Toutes ces regles,

dictees par la raison, ne sont que Vexpression d'une nature

Es sei eben unmöglich, auf dem beschränkten Raum der Bühne und in der beschränkten Zeit der Aufführung alle Umstände vorzuführen^ welche die Entwicklung einer Hand-

embellie.

69. Vgl.

auch Februar 82

70.

November 85

71.

Meister

tritt

(S.

(S.

77

ff.).

248).

Lessing entgegen, der nach seiner Ansicht die

l<unstregeln ins Lächerliche zu ziehen suche, ihren Sinn entstelle, sie

seinem neuen dramatischen System anzupassen,

big nach

dem

Erfolge zahlreicher antiker und

auszulegen, nach denen sie aufgestellt

worden

statt

um

sie gutgläu-

modemer Meisterwerke seien.


~

167

Wenn auch die strenge Beobachtung der Einheitsregeln den französischen Stücken manche lung notwendig begleiteten. Nachteile und

manchen Schaden gebracht

habe, so habe sie

doch andererseits unschätzbare Verdienste.

Auch

die zeitgenössische französische

nicht Meisters Beifall.""

Tragödie findet

Sie suche nur durch unnatürliche

Traurigkeit zu rühren und durch Aufhäufung unwahrscheinlicher

Schrecken und Grausamkeiten Interesse und Mitgefühl Einen ungünstigen Einfluß hätte in dieser Bezie-

zu erregen.

hung das englische Theater und besonders das Shakespeares gehabt. Für die Franzosen sei allein das Theater eines Corneille und Racine geeignet, das englische gehöre auf die englische Bühne. Die Engländer könnten für ihre Stoffe ebensowenig die Regelmäßigkeit der französischen Dramen verwenden, wie umgekehrt die Franzosen die furchtbaren englischen

Sujets für ihre

Wenn

Form.''"'

Meister es dennoch Voltaire als großes Verdienst

anrechnet, daß er zuerst Frankreich mit der enghschen Lite-

und hauptsächlich mit der englischen Tragödie bekannt gemacht habe, so tut er es, weil seiner Ansicht nach Voltaire diese neue Art der Tragödie nicht servil nachahmen, sondern vervollkommnen wollte.'' Er habe nur die Schönheiten des fremden Theaters übernommen, die sich der Eigenart französischen Denkens und Fühlens anpaßten. Die Nachahmer Volratur

taires aber hätten alles übertrieben, heit

gemacht habe,

sie

Vorbilder bewahrt, aber v 72. April 73. Vgl.

dem

74

(S.

März 73

75.

An

(S.

er mit

Maß und

it

ihre Kraft

und Erhabenheit.""

(S. 380).

216).

einem Vergleich des „More de Venise" des Douin mit

englischen Original zeigt Meister, wie Shakespeares Schönheiten

in der

Kopie verschwunden

seien,

und wie der große tragische

zu einem Stück äußerlicher Absurditäten geworden

sei.

spearebearbeitungen durch Ducis, „Macbeth" (Jan. 84

S.

Lear" (Januar 83 S.

Klug-

413).

auch November 76

74.

was

hä^'en wohl die Grausamkeiten ihrer

498),

S. 258),

Stoff

Die Shake-

466)

und „Roi

und durch La Harpe, „Coriolan" (März 84

geben ihm von neuem Veranlassung, auf die großen Schwie-


168

Die Verschiedenheit der Sitten und der Bühnen machten die

enghschen Stoffe

La gründe

net/"^

für

das französische Theater ungeeig-

Uberte du theätre anglais peut faire reussir

des hardiesses qui seraient repoiissees par Vhabitude de nos

convenances theätrales. Shakespeares lieber iegenheit über gödie erblickt Meister hauptsächHch

in

die französische

Tra-

der größeren theatra-

Hschen Wirkung seiner Stücke, während seiner Ansicht nach CorneiUe und Racine eine vornehmere Einfachheit, eine regele

mäßigere und besser durchgeführte Anlage zeigten/' speare

Shake-

ihn une statiie colossale dont l'idee est imposante

ist für

mais dont du travail

et terrible,

l'execution tantöt brüte, tantöt negligee,

et tantöt

le

plus precieux, m'inspire encore plus

d'etonnement que d'admiration. Racine dagegen

sei

une statue

reguliere dans ses proportions, dont Vensemble est plus Celeste

que

la nature

languissants, et la purete

Wenn

meme, et qui malgre quelques details faibles et me charme au moins par la noblesse, Velegance

de son

style.

Meister auch für seine Zeit einen Mangel an guten

dramatischen Dichtungen beklagen zu müssen glaubt, so zweifelt er doch nicht daran, daß ein Genie die französische Tragödie wieder auf die alte Höhe bringen werde, da ja die Reichtümer des griechischen Theaters noch lange nicht ausgeschöpft

Un

seien/^

hasard heureux peut rendre incessamment ä no-

ire theätre Veclat que nous regrettonsJ^

Der neu aufkommenden Prosatragödie kann Meister seine Zustimmung nicht geben/^ Er ist prinzipiell gegen die Verwendung der Prosa für die Tragödie. Notre langue, dont le Premier merite est une elegante clarte, n'ayant presque rigkeiten

hinzuweisen, die der Bearbeitung englischer Stoffe für die

französische

Bühne entgegenständen.

April 89

(S.

438).

n. März 76

(S.

215).

76.

78.

Dezember 78

79.

Februar 89

80.

Dezember 88

(S.

(S.

184),

386).

(S.

354).

Vgl. S. 141.


169

Point

peu accentuee,

le

mesure, la rime meme, sont des entraves Qui

lui

d'inversions,

rhythme,

la

etant

sont necessaires pour

tenue qu'exige

In

s' elever

ä cette noblesse de style sou-

cothurne tragique.

den einzelnen Ideen, die Meister

litteraire

Correspondance entwickelt hat, zeigen sich recht starke Abweichun-

gen von denen, ist

le

naturellement

die wir bei

Grimm

in der

fanden.

Am

wichtigsten

die Verschiedenheit ihrer Stellung zur Philosophie

und

ihrer

Beurteilung der großen Philosophen ihrer Zeit und die sich

daraus ergebende Verschiedenheit ihrer Stellungnahme bei den literarischen Erörterungen, die sich an die wesentlichen philosophischen Fragen des 18. Jahrhunderts anknüpften.

Man

wird auch zugeben müssen, daß in der zweiten Epoche der Korrespondenz jener geniale, weitsehende, universale Geist

Grimms

der zu neuen Gesichtspunkten und neuen Ideen Zustimmung oder zum Widerspruch zwang und stets das Interesse des Lesers wach zu halten wußte. Meister hält sich mehr beim Vorhandenen auf, seine Kritik ist darum fehlt,

führte, zur

belehrend und weniger anregend.^^

Jedoch ist anzuerkennen, daß der Charakter und die Form, die Grimm der Correspondance litteraire zu geben wußte, unter seinem Nachfolger in der Hauptsache bewahrt worden sind.

Die gewaltige Arbeit,

Korrespondenz mit gutem Erfolge geleistet hat, rechtfertigt das Urteil, daß Grimm sehr wohl überlegt gehandelt hat, als er die Fortführung seines Lebenswerkes seinem langjährigen Sekretär übertrug. die Meister für die

81. Vgl. S.

147,


Schlusswort.

Die Correspondance

litteraire ist für

uns von zwei Ge-

sichtspunkten aus von Interesse. Einmal' seiner

führt sie uns in jene Jahre, die Frankreich aus

politischen und

erwachen unter der Füh-

literarischen Abhängigkeit

lassen, in jene Gesellschaft des

Rokoko, die

rung der Geistesheroen jener Zeit ihre Interessen sehr schnell über den Pariser Hof und Gesellschaftsinteressen hinaus erweitert und vertieft und jene

Umwälzung

des sozialen und gei-

stigen Lebens bewirkt hat, die ihren Abschluß in der franzö-

sischen Revolution fand.

Wir

sehen diese Franzosen, die

großen und kleinen Förderer der Aufklärung, sowie ihre Gegner nicht durch die Brile der Geschichtserzählung, sondern leben mit ihnen, stehen mit ihnen auf vertrautem Fuße, lernen ihre Sitten

am

und Gewohnheiten und, was

ihre menschlichen

reizvollsten

ist,

Voltaire, Rousseau,

Schwächen kennen.

Diderot, d'Alembert, Gahani, Buffon, Montesquieu, Sedaine,

Beaumarchais, Gretry, Mirabeau, Freron,

sie alle sind für

un-

seren Korrespondenten keine durch die Tradition geheiligten

Personen, sondern Freunde und Gegner, mit denen er

Salons zusammentrifft, deren Leben und

in

den

Arbeit er genau

kennt und darum auch lebendig zu würdigen versteht.

Mit

einem Wort, wir sehen durch die Correspondance litteraire hinter die Kuhssen, hinein in das Leben jener großen Zeit, haben also hier ein kostbares Zeugnis für das geistige Leben einer der interessantesten

Epochen Frankreichs.

Das andere Moment, welches das d'er

Korrespondenz wachhält,

der Correspondance

ist

Interesse des Lesers

der umfassende Charakter

litteraire, die in

der Behandlung der Welt-

die dem Menschen und Lebensanschauung Fragen ewig neu und aktuelli bleiben werden, weil sie das innerste Wesen der Menschheit, ihr Leben und Wirken berühren. aufrollt,


Namenverzeichnis Academie frangaise 20 25

107.

d'Alembert 29 31 170. Algarotti 104. Ariost 99 105 106 118.

Arnaud, Abb6 Astruc 71.

Baco

110.

161 163 167 168. Crebillon (der Aeltere) 161. Cr^billon fils 108 112 113.

29. d' Arnaud

Baculard

Colardeau 8 102 117 136 CoII6 92 118. Condillac 36 38. Condorcet 155. Corneille 96 106 133 138 140 160

19 109.

Croismaie, Marquis de 25.

Bailly 148. Baurans 104.

Cumberland

129.

Bazin 50.

Damilaville

Beaudeau 75. Beaumarchais 17 144 170. Beaumont, Mme. de 16.

Dante 106. Daubenton 9 Descartes 34

Beccaria 71 104. Belle-Isle, Duc de de Belloy 136

Desfontaines DesfranQais,

Belot.

Mme.

101

16.

Borde Bos.

Abb6 du

163.

163.

101.

Brooke, Mrs 101. Buffon 9 31 33 35 50 72 76 78 107 164 170.

Burke

Abbe

Douin 167. Doyer de Gastel Dubois 77.

101.

25.

Ducis 19 167.

Dumoley, Mme. Dumouriez 104. Duni 94. Dupont 75.

82.

Bouchard 101. Bouvart 71. Brocke, Henry

155. 16.

148 150 152 155 170.

15.

Bossuet

36.

Destouches 125 161. Diderot 4 5 25 29 31 33 42 50 51 75 76 82 83 84 90 127 143 146

108.

Bemetzrieder 159. Bocage, Mme. du 108. Boccaccio 104. Boileau 82 109 119 161 162 Boisard 164. Bonnet 9.

9.

146.

Eidous 102 108. Encyclopedie 29 72 163. Epinay, Mme. d' 4 8 40 80 146 152.

101.

Cailhava d'Estandoux 81 122. Calas 68 143. Carmontelle 122 146.

Chabanon

109.

Clement de Dijon Clement, Pierre

3.

13.

Favart 3 Fenelon 163. Feutry 21. Fielding 101 103 113. Fielding, Sara 101.

Fontenelle 39 44 109 161. Forteguerri 104.


— Franklin 146.

Froren 13 31 110 111 170. Friedrich der Grosse 3 9 ff. 55 58 100. Galiani, Abbe 26 76 170. Garrick 89 102. Gassendi 155. Geoffrin, Mme. 26 79 149 163. Gessner 25 100 146 Girbal 146.

Gluck 101 160. Goethe 26. Goldoni 25 122. Goldsmith 102. 153.

Mably, Abbe de 43 159. Mairet 83 165. Mar^chal ]04. Marivaux 112 143. Marmontel 47 82 136.

102.

Mercier 140. Metastasio 93 105.

102.

Menon,

John 102.

Holbach 24 80. Homer 62 86 99 118 119 Horaz 82 118. Huber 100.

Mignot, 164.

102 108 155.

Imbert 164.

Millot,

Mlle. 104.

Abbe 63. Abbe 63.

Milton 102 119.

Mirabeau 7 52 75 170. Moissy 22. Moliere 97 109 1?2 123 126 161 162 165.

Mondonville

Monod

Jodelle 165.

Katharina II. 9 Kiopstock 99.

La

de 102 129.

21.

Lulli 93.

Helvetius 80 155.

Hume

Locke 118. Loirelle, Abbe

Luther 157.

Malier 3. Hamilton, Graf 112 113.

Hill,

11

49 147 156^

Barre, Chevalier de 154.

La Beaumelle 13 63. La Bletterie, Abbe de 108. La Chapelle, de 102. La Chaussee, Nivelle de 125 128

105.

102.

Monsigny 91 93 95. Montaigne 148 155. Montesquieu 31 43 72 76 170. Monvel 89. Moore, Edward 102 104 129. Morellet (Abbe) 71 149. Mozart 101. Necker 149 155

157.

Lafontaine 164.

Necker,

Mme. 79

Lagrange 107. La Harpe 3 19 98 109 117 132 136

Newton

118.

141 167.

de La Motte-Houdard 44 63 99 109 161.

La

Palissot 13 28 31.

Patu 102. Pergolese 104.

Rivi^re 75. Laruette, Mme. 16. Le Blanc, Abb6 102 136

Petit 72.

LeKvre

Picquet 101.

16.

102.

Lespinasse, Mlle. de 79 163. Lessing 83 99 126 165. Le Tourneur 8 102. Lillo 104 129.

Longueil 21. Louis 71.

Gresset 161. Gr^try 94 170. Guarini 104.

Hernandez

Le Fevre 23 131. Le Franc 102. Le Kain 149. Lcmierre 24 136. Le Monnier 164. Lennox, Charlotte

Lo-Looz

Gonzague Mme. de

Hawkesworth

172

Philidor 94. Piccini 160.

80.


173

Saurin 102 136. Sedaine 14 25 79 93 109 126 141

Pitra 146.

Poinsinet 13 22.

Pope

102.

170.

Prevost, Abbe 102 104 111 de Puisieux 102.

Quesnay 7

Servandoni 88. Shaftesbury 118 155. Shakespeare 104 125 126 139 141

112.

167 168. Sirven 143. Smith, Adam 102. Smollett 102.

75.

Racine 96 106 109 133 134 138 140 141 161 163 167 168. Racine, Louis 102. Rameau 91 93 109. Raucourt, Mlle. 77.

Raynal

Staal,

Stael,

Mme. de 63. Mme. de 80

145.

Suard 3 49 102 110

145,

2.

Tacitus 60 108 159. Tasso 99 105 106 118.

Requier 104. Riccoboni, Mme. 102 103. Ricliardson 102 103 113 129. Richelieu 15.

Robertson 102. Robinet 34. Rochon de Chabannes

Roman, Abbe Ronsard 163.

Roubaud

,

Mme. de

Trudaine,

163.

9.

Varchi, Benedetto 104.

99.

Villon 163. Virgil 118.

75.

Rousseau, J.-B. 161. Rousseau, J.-J. 14 31 32 33 34 37 43 45 56 65 78 103 106 114 ff. 119 143 150 154 155 156 162 170. Sabatier de Castres Saint-Foix 121.

Saint-Lambert

Terrasson 44. Thiriot 3 10. Toussaint 111.

13.

Voisenon, Voltaire

Abbe

108.

10 15 24 25 31 33 34 41

48 50 51 61

ff.

68 76 80 83 99

109 114 115ff. 118 119 120 125 131 132 133 136ff. 138 141 142 143 150 154 157 159 161 162 163 167 170.

6.

Sainval, Mlle. 89.

Young

7 8 16 102.




Lebenslauf

GeorgRubensohn,

Ich,

sohn,

jüdischer Konfession,

boren.

Meine Vorbildung

Berlin, das ich

Sohn des Fabrikbesitzers Max Ruben-

wurde am

erhielt ich

7.

April

1890 in Berlin ge-

am Andreas-Realgymnasium zu verließ, um

Oktober 1908 mit dem Zeugnis der Reife

mich bei der philosophischen Fakultät der hiesigen Friedrich- WilhelmsUniversität immatrikulieren zu lassen.

Mit Ausnahme des Sommersemesters

1909, in

dem

galten

hier in erster Linie

Monate studienhalber

Ostern 1913 gehörte ich

München

der romanischen Sprachwissenschaft und

In den Sommerferien des Jahres 1911 hielt ich

Literatur.

rere

ich in

Meine Studien

war, habe ich meine Studienzeit in Berlin verbracht.

in Frankreich auf.

dem

Vom

mich meh-

Oktober 1910 bis

hiesigen romanischen Seminar unter der

Leitung des Herrn Prof. Morf als ordentliches Mitglied an und durfte

während

dieser Zeit als Senior des Seminars

sowohl die Seminarbibli-

othek als auch die Adolf Tobler-Bibliothek verwalten. Bei Kriegsausbruch trat ich im August 1914 als Kriegsfreiwilliger in

das Heer

ein,

machte den Feldzug

in

Belgien (Schlacht bei Dix-

muiden) mit und bin zur Zeit im Garnisondienst

Während meiner

beschäftigt.

Studienzeit hörte ich die Vorlesungen der Herren

Dozenten Baesecke, Borinski, Brandl, Breymann

t>

Delmer, Dessoir,

Ebeling, Erdmann, Haguenin, Harsley, Hecker, Kuhn, Morf, Parlselle,

Spies, dorff,

A. Riehl,

Riehl-München

Stumpf, Adolf Tobler f, Voll, Wells,

denen ich an dieser

Stelle

Ganz besonders aber bin Prof. Morf,

verpflichtet,

ich

Münch

f,

f, Roethe, Schick, Erich Schmidt t> v.

Wilamowitz-Moellen-

meinen herzlichsten Dank ausspreche«

meinem hochverehrten Lehrer, Herrn

der mir nicht nur die Anregung zu vorlie-

gender Arbeit gab, sondern mir auch bei ihrer Abfassung mit wertvollen Ratschlägen zur Seite stand, aufrichtig

und dem

ich dafür hier

nochmals

und von Herzen danke.

Die Promotionsprüfung bestand ich

am

18.

Januar 1917.




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