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Portraits unserer Patient*innen

Foto: Die Pandemie hat auch in Deutschland vor allem diejenigen hart getroffen, die ohnehin schon mit widrigen Lebensumständen zu kämpfen haben © Ärzte der Welt

ICH HABE KEIN GELD, ALSO KANN ICH NICHT ZUM ARZT GEHEN

Die Coronakrise hat auch in Deutschland viele Menschen hart getroffen. Einige Begegnungen in unseren Anlaufstellen.

Anche Angelova litt unter einer quälenden Immunkrankheit, die ihren Körper mit Entzündungen und Wunden übersäte. Noch dazu war die Bulgarin Diabetikerin. Eine Infektion mit dem Coronavirus wäre für sie mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich gewesen. Gleichzeitig war für sie das Ansteckungsrisiko besonders hoch, denn die ältere Dame war wohnungslos und musste sich ihren Lebensunterhalt mit Flaschensammeln und Betteln verdienen. Unter diesen Umständen konnte sie sich nur schwer sozial distanzieren und die nötigen Hygieneregeln einhalten. Weil sie keine Krankenversicherung hatte, wandte sich Angelova an open.med München, die Anlaufstelle von Ärzte der Welt. Eigentlich hätte sie nach fünf Jahren in Deutschland ein Recht auf Grundsicherung und damit auf medizinische Versorgung. Doch Angelova hatte keine Meldebescheinigung, um nachzuweisen, dass München schon seit acht Jahren ihr Lebensmittelpunkt war. Ein dringender Krankenhausaufenthalt war nur möglich gewesen, weil die Klinik in Vorleistung gegangen war.

Die ehrenamtlichen Ärzt*innen von open.med behandelten Anche Angelova. Auch die benötigten Medikamente bekam sie kostenfrei. Daneben versuchten die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen alles, um sie in das reguläre Gesundheitssystem zu integrieren. Doch für Angelova kam die Hilfe zu spät. Anfang 2021 erreichte das Ärzte der Welt-Team die traurige Nachricht, dass sie im Alter von 66 Jahren verstorben war.

Die Patientin Anche Angelova verstarb im Alter von 66 Jahren © Ärzte der Welt

Menschen, die wegen der Pandemie ihre Arbeit verloren oder Schwierigkeiten hatten, eine Stelle zu finden, wandten sich 2020 ebenfalls häufig an Ärzte der Welt. Einer von ihnen ist der Koch Luca Marino (Name geändert). Der 43-Jährige berichtete, er habe vor der Pandemie nie Schwierigkeiten gehabt, einen Job zu finden. Kurz bevor in Deutschland zum ersten Mal Geschäfte und Gastronomie schließen mussten, habe seine damalige Beschäftigung geendet. Seine Krankenkasse hatte den Italiener daraufhin auf der Basis des Anfang 2019 in Kraft getretenen sogenannten Versichertenentlastungsgesetzes abgemeldet – bevor dieses eingeführt wurde, wäre er automatisch weiter versichert gewesen. Marino fand sich in einer verzweifelten Lage wieder, denn er brauchte dringend täglich Medikamente. Auch seine Wohnung hatte er verloren. Als die Mitarbeiter*innen von open.med München ihn zum ersten Mal trafen, war er schon in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand. Das Team sorgte dafür, dass Marino umgehend die benötigte medizinische Hilfe bekam, und unterstützte ihn dabei, dass die Krankenversicherung ihn wieder aufnahm.

Unter der Schließung der Gastronomie litt auch Bernd Werner (Name geändert), der sich mit Schmerzen in der Brust und einem erhöhten Blutdruck an die gemeinsam von Ärzte der Welt und Medizin Hilft e.V. in Berlin betriebene open.med-Anlaufstelle wandte. Er war Anfang 60 und führte selbstständig ein Restaurant. Durch Corona war er in eine so große finanzielle Schieflage geraten, dass er sich die Beiträge seiner privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten konnte. Jeden Monat musste er 600 Euro bezahlen und hatte zusätzlich einen Selbstbehalt von 1.500 Euro. „Ich habe kein Geld, also kann ich nicht zum Arzt gehen“, beschrieb Werner seine Lage.

Ich werde auf keinen Fall aufgeben, ich werde diese Krise überstehen.

Bernd Werner, Patient

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