1 Copyright Brunnen Verlag GieĂ&#x;en 2011
Brunnen Verlag Gießen
Vreni Theobald
Ich träum von einer Insel Zur Ruhe Kommen im Alltag 64 Seiten, Taschenbuch, 12 x 18,6 cm Erscheinungsdatum: 30.05.2011 ISBN: 978-3-7655-4135-3, Bestell-Nr.: 114135 EUR 4,99 (D) / SFr *8,30 / 5,20 (A) Bibelzitate erfolgen i.d.R. nach der Übersetzung: Hoffnung für alle®. © 1983, 1996, 2002 by Biblica Inc™. Übersetzung: Brunnen Verlag Basel und Gießen. Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Andere verwendete Übersetzungen sind wie folgt gekennzeichnet: L – Lutherbibel in der revidierten Fassung von 1984. ©1985 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. RE – Revidierte Elberfelder Bibel. © 1985, 1992 R. Brockhaus Verlag, Wuppertal. 4., neu bearbeitete und ergänzte Auflage 2011 © 1994 Brunnen Verlag Gießen www.brunnen-verlag.de Umschlagmotiv: S.Bir, fotolia Umschlaggestaltung: Sabine Schweda Satz: DTP Brunnen Herstellung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
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Inhalt Reif für die Insel?
5
Eine Klippe
10
Angekommen – und was jetzt? oder: Wie gestaltet man eine Inselzeit?
12
Inselzeit als Audienz bei Gott
20
Audienz bei Gott – wie sieht das aus? Meine Insel Ankommen Der innere Raum Abwechslung Hören lernen Gott lässt sich finden Ich bin nicht allein – Gespräch mit Gott
25 25 26 27 28 31 33 36
Sturmflut auf der Insel
37
Inselwüste
40
Insel zu zweit?
43
Inselzeit mit Kindern
46
Fünfzig Tage Inselurlaub
48
An jedem Tag ein kleines Fest
50
Reif für die Insel? – Reif durch die Insel!
55
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Reif für die Insel Leuchtend bunt auf schwarzem Grund prangte der Aufkleber auf einem gediegenen Aktenkoffer: „Reif für die Insel“. Kaum hatte ich ihn erblickt, hatte er auch schon meine volle Zustimmung gewonnen: „Eine Insel – das wär’s!“ „Reif für die Insel“ – ein Sehnsuchtswort für Menschen, die den Eindruck haben, die Anforderungen des Alltags wachsen ihnen über den Kopf. Für solche, die sich nur noch im täglichen Einerlei aufreiben und nicht mehr dazu kommen, über den Alltagshorizont hinauszuschauen. Es ist ein Wunsch von Menschen, die einmal aus aller Resignation und Enttäuschung über festgefahrene Beziehungen und schwierige Lebenssituationen ausbrechen möchten. Wie gut würde es tun, Anforderungen, Schwierigkeiten und Probleme zurückzulassen und einfach wieder einmal aufzuatmen. Wenn man aufleben könnte in einer freundlichen Umgebung, die nichts weiß von meinen Ängsten und Bitterkeiten; die mich nicht festlegt auf mein altes Rollenbild, das mir scheinbar so unveränderlich anhaftet: die Fehler, die ich gemacht habe, die Schwächen, die ich nie überwinden kann, die Eigenheiten, von denen andere sagen: Ja, so ist sie eben. „Reif für die Insel“ – das klingt auch verlockend für alle, die unter der Eintönigkeit und Langeweile des Alltags leiden. Eine Insel mit frischem Wind oder mit exotischen Blumen, mit unbekanntem Duft und leuchtenden Farben – das würde wieder Farbe hineinbringen ins Grau des Alltags. Ja, eine Insel, das wär’s!
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Eine Insel – das Wort genügt, um eine Fülle von Sehnsüchten, Träumen und Vorstellungen wachzurufen. Eine kleine Insel garantiert meist ein Stück Einsamkeit. Man ist dem pulsierenden Leben mit seinem Hetzen und Jagen, mit den tausend Anforderungen und Erwartungen für eine Weile entkommen. Von den Autobahnen, Einkaufszentren, von der Verwandtschaft, der Arbeit und dem Terminkalender trennt mich das große Wasser. Ich bin einmal nicht erreichbar und kann endlich einmal ich selber sein, kann zu mir finden. Die Insel ist mein Schutzraum. Kleine Inseln sind oft noch verschont von den rasanten Entwicklungen und den ständigen Veränderungen, die unser Leben normalerweise bestimmen. Sie atmen eine Atmosphäre von Frieden und Geborgenheit. Das gleichförmigere, überschaubarere und einfachere Leben auf der Insel ist wie Balsam für Menschen mit so komplizierten Tagesabläufen, wie die meisten von uns sie im Alltag erleben. Das Inselleben hat seinen eigenen Rhythmus. Abseits von den schnellen Verkehrswegen scheint das Leben etwas langsamer zu gehen, der Wechsel der Gezeiten strukturiert den Tag. Der natürliche Insel-Rhythmus kann helfen, auch die eigene innere Ordnung wiederzufinden oder zu entdecken.
Sie ahnen es sicher schon: Mit dem Begriff „Insel“ meine ich nicht nur einen geografischen Ort, etwa die Südseeinseln, die Malediven oder Sylt. Um Inselerfahrungen zu machen, brauche ich keine lange Anreise, keinen ausgedehnten Urlaub, keinen tatsächlichen Abschied vom All6 Copyright Brunnen Verlag Gießen 2011
tag. Mir geht es um eine Insel „direkt vor der Haustür“, eine Insel in meinem Alltag, um eine Zeit des Alleinseins, einen Zeitraum, der nur mir gehört. Das Gute daran: Solche Inseln im Alltag kann ich mir selbst schaffen. Ich kann damit beginnen, dass ich mich täglich für ein paar Augenblicke bewusst zurückziehe; ich kann mir einen freien Tag oder ein paar Ferientage erlauben oder sogar das Wagnis eingehen, ein paar Um Inselerfahrungen zu Tage auszusparen für eine Retraite machen, brauche ich in einem Einkehrhaus. keinen ausgedehnten Vielleicht finde ich mich aber Urlaub und keine lange auch eher unfreiwillig auf einer InAnreise. Manche Insel sel vor: durchkreuzte Pläne, eine lässt sich direkt vor Krankheit, eine Situation, die mich meiner Haustür finden. zum Alleinsein oder zum Stillstehen zwingt – all das kann für mich zur Insel werden. Ich muss mich erst einmal mit dieser Zeit abfinden. Aber auch eine von außen auferlegte Inselzeit kann zu einer wertvollen Erfahrung werden. Inselzeiten sind unerhört wichtig für unser Leben. Sie bewahren uns davor, zu „Radiergummi-Menschen“ (ich reibe mich auf für die anderen) oder zu „Quirlmenschen“ (ich wirble den ganzen Tag herum, aber ich komme nie zu mir selbst) zu werden. Wenn wir diese beiden Extreme vermeiden wollen, die auf Dauer das Leben ungemein anstrengend machen, brauchen wir Inseln. Inselzeiten bieten uns die Möglichkeit, unser Leben zu durchdenken, uns nicht einfach nur treiben zu lassen, sondern das Leben bewusst zu gestalten oder auch mit uns selbst wieder ins Reine zu kommen. Im Blick auf die Technik ist es uns klar: Jede Maschine braucht Wartung und Pflege. Eine Maschine über lange 7 Copyright Brunnen Verlag Gießen 2011
Zeit zu stark zu strapazieren, zahlt sich nicht aus. Die Reparaturkosten und der damit verbundene Ärger heben die erhoffte Rendite auf. Würden Sie sich einem Flugzeug anvertrauen, das monatelang pausenlos und ungewartet im Einsatz ist? Mir jedenfalls ist vor dem Besteigen eines Flugzeugs der Gedanke an die Wartungsmannschaft sehr angenehm. Es macht ja nichts, wenn mal eine Schraube locker ist oder irgendwo etwas quietscht – solange man es bemerkt, den Schaden repariert, wo es nötig ist, und größere Schäden vermeidet.
Wie kommt es, dass wir Menschen meinen, wir sollten von der Wiege bis zum Grab möglichst pausenlos und ohne Wartung „funktionieren“? Auch wir brauchen „Wartung“, wir brauchen Inselzeiten in unserem Leben. Hier liegen die Zuflüsse für unseren „Seelenbrunnen“. Hier wird wieder aufgefüllt, was an Auch das Meisterwerk körperlicher und seelischer Kraft Mensch braucht Wartung durch verschiedene Kanäle abfloss und Pflege. In Inselzeiten und verbraucht wurde. können wir auftanken, „Zapfstellen“, die unsere innere um den vielen EnergieKraft verzehren, gibt es genug. Da zapfern in unserem sind quengelnde Kleinkinder, anAlltag etwas entgegenstrengende Teenager, ein Ehepartner, setzen zu können. der uns beansprucht, die Sorgen der Freundin, kranke Familienmitglieder, Überforderung im Beruf, Erwartungen in der Gemeinde, Probleme mit mir selbst, Sorgen um die Zukunft. Ganz zu schweigen von den „heimlichen Nagern“, die uns so viel Kraft rauben: Unzufriedenheit über eigene Schwächen und die eigene 8 Copyright Brunnen Verlag Gießen 2011
Lebenssituation, Lustlosigkeit, das Empfinden von Sinnlosigkeit, Resignation, Eifersucht und vieles mehr. Wundern wir uns da noch, wenn wir manchmal vor Erschöpfung regelrecht gelähmt sind? Inselzeiten sind Wohltaten, Lebenshilfen für uns. Sie holen uns aus dem Getriebe der Alltagsmühle heraus und ermöglichen, dass wir uns mit einer veränderten Einstellung wieder unseren Aufgaben und Pflichten zuwenden können. So manches „unlösbare“ Problem lässt sich anpacken und bewältigen, wenn man es von einer anderen Seite betrachtet. Und oft genügt es schon, innerlich oder auch äußerlich Abstand zu nehmen, um eine Situation klarer zu erkennen und bewusster Entscheidungen treffen zu können.
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