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C. S. LEWIS

wahrscheinlich, undenkbar?
Wunder Möglich,

www.fontis-verlag.com

C.S.Lewis Wunder

Wunder

…mçglich,wahrscheinlich, undenkbar?

C.S.Lewis

BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek

DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinder DeutschenNationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensind imInternet ber www.dnb.deabrufbar.

DerFontis-Verlagwirdvon2021bis2024 vomSchweizerBundesamtf rKulturunterst tzt.

TitelderenglischenOriginalausgabe: «Miracles»byC.S.Lewis, erschienenbeiWilliamCollinsSons&Co.,Ltd.,Glasgow C.S.LewisPteLtd.1947;PublishedbyFontis-VerlagBaselunder licensefromtheC.S.LewisCompanyLtd.

derdeutschenAusgabe1980byFontis-VerlagBasel 6.Taschenbuchausgabe(mitneuemCover)2022byFontis-VerlagBasel bersetztausdemEnglischenvonBrigittaM ller-Osenberg

DieBibelstellenwurden,soweitnichtandersangegeben, folgender bersetzungentnommen: DieBibelnachMartinLuthers bersetzung,revidiert2017, 2016DeutscheBibelgesellschaft,Stuttgart

Umschlag:SpoonDesign,OlafJohannson,Langgçns

FotosUmschlag:Lewis-FotoaufU4 byMarionE.WadeCenter; Lewis-FotoKlappe byArthurStrong,1947; FotoCoverU1 byNatali_Mis,Shutterstock.com FotoKlappen:IgorZh,Shutterstock.com Satz:InnoSetAG,JustinMessmer,Kehrsiten Druck:Finidr

GedrucktinderTschechischenRepublik

ISBN978-3-03848-248-2

X«ScheußlicheroteDinge»..................117 XIChristlicherGlaubeund«Religion»...........137 XIIDieAngemessenheitvonWundern...........159 XIII berdieWahrscheinlichkeit................167 XIVDasgroßeWunder........................181 XVDieWunderderaltenSchçpfung.............219 XVIDieWunderderneuenSchçpfung...........235 XVIIEpilog.................................269 AnhangA berdieBegriffe«Geist»,«geistig»und«geistlich»....277 AnhangB ber«besondereVorhersehungen»...............285 berdenAutor...............................297 WeitereB chervonC.S.LewisbeiFontis..........299 5
Inhaltsverzeichnis Vorwort:ArgumentativeLeuchtt rme.............7 DieAbsichtdiesesBuches......................17 IIDerNaturalistundderSupranaturalist........21 IIIDieHauptschwierigkeitdesNaturalismus.....31 IVNaturund bernatur......................51 VEineweitereSchwierigkeitdesNaturalismus...65 VIEinw nde–undwaswirdarauferwidern......73 VIIEinKapitel berAblenkungsmançver.........83 VIIIDasWunderunddieNaturgesetze...........97 IXEinnichtunbedingtnotwendigesKapitel......109

Vorwort:

ArgumentativeLeuchtt rme

Wunder?!

«Ichf rchte,unsereVorstellung,derHimmelseibloßein ZustanddesGeistes,istmitdaranschuld,dassdiespezifisch christlicheTugendderHoffnunginunserenTagenzulahmgewordenist.WounsereV ter,indieZukunftschauend,SchimmervonGotterblickten,sehenwirnichtsalsNebel,weißen, formlosen,kaltenundunbeweglichenNebel»(S.266).

C.S.LewishatesnichtsomitdemNebel–undschongar nichtmitdemweißen,formlosen,kaltenundunbeweglichen Nebel.Underhatesauchnichtsomitdemunentdeckten Gott.VielmehrhateresmitderscharfabgegrenztenundklarenBegrifflichkeit,mitderSetzung,diedieFragehinterder Frageaufleuchtenl sstunddeshalbzumeigentlichenKern desProblemsoderebenauchzumeigentlichenKernder HoffnungunddamitsicherauchzuGottinseinemstaunenswertenHandelnvorstçßt.

Gottl sstsichalsodurchausentdecken.DassLewisinder christlichenApologetikzuhausewarundseineLiebezumkritischenundkonzisenDenkenauchimvonihm1941mitgegr ndeten«OxfordUniversitySocraticClub»geschultund zumEinsatzgebrachthat,istaufdiesemWegsicherkeinHindernis,imGegenteil.

UndsogehtesLewisinseinemNachdenken ber«Wunder»inersterundinletzterInstanzumdieHoffnung–und diesmeint:dieHoffnungaufdenchristlichenGott,aufden zurechtgehofftwerde,weildieserinseinerLiebeunfassbare WunderwirkeundsonichtswenigeralsdieRettungder

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Menschheitanbiete.EbendieseHoffnungbrauchees,soLewis–undesbrauchtesieallemal1947,alsseinWerk«Wunder»erstmalserschienenistundsichdabeiindenKanonder zeitgençssischenErbauungsschrifteneingereihthat,diedie MoraleinesganzenVolkesaufrechterhaltensollten,umden ZweitenWeltkriegundseineunmittelbarenFolgenzubew ltigen.

WerangesichtsdieserRedevonderHoffnungnunaber eineseichteLekt reundverschiedeneBeweisevonWundern odergareineunterhaltsamgeschriebeneSammlungvon Wundergeschichtenerwartet,hofftvergeblich.BeiallerBetonungderchristlichenHoffnung–auchdasNachdenken ber Wunderhatkonziseundklarzugeschehen.DementsprechendmachtderOriginaltiteldesBandesdeutlich,inwelche RichtungLewiszugehengedenkt:«Miracles.APreliminary Study»heißtdieSchriftmitvollemTitel–undgenaudiesgeschiehtauch:

LewislegthiereinenargumentativenTeppichaus,benenntdieVoraussetzungenf rvermeintlicheodertats chlicheWunder,indemerfragt,ob berhauptmitWundernzu rechnen,aufsiezuhoffenseiundobeineangemesseneWeltsichtnichtgeradezuzwingendmitWundernzurechnenhabe.InderTatalso,esgehtumeinevorl ufige,einevorausgehende(undwieLewisselbstsagt:vorbereitende)Studie, dienichteinzelneWunderdurchbuchstabiert,sondernsich mitihrerMçglichkeit,gernauchihrerWahrscheinlichkeit,allemalabermitihrerExistenzauseinandersetzt.

WerdiesenVerweisdesUntertitelsernstnimmt,wirdvon dererstenH lftedesBuchesnichtirritiertsein,denn:Indiesen–zahlreichen–Kapitelngehtesumalles,aberebennicht umWunderundWundergeschichten.Undschongarnicht gehtesumdieErfahrungoderNicht-ErfahrungvonWundern. berhauptseiErfahrunghierkeineKategoriederEr-

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kenntnis,sondernehereinanekdotischesBegr ndungsmuster,dasausderNotderherausgefordertenErkenntnisgeborensei.Dasheißt:F rLewisberuhenErfahrungengerade nichtaufeinemkonzisenNachdenken berdieFrageder Wunderalssolche.Gleichwohl–undhiererlaubtsichLewis einens ffisantenSeitenhiebaufDavidHume–werdeallzu oftdie(gernaucheigene)ErfahrunginsFeldgef hrt,umdas Zeugnisvonpr -wissenschaftlichenMenschenzudekonstruieren,dievonWundernerz hlten.EinesolcheWertsch tzung derErfahrungsei bertrieben,schließlich–sostelltLewis gleichzuBeginnfest–«sindunsereSinnenichtunfehlbar» (S.17).Zudemstandesf rLewisaußerFrage,dassderWissensvorgangvomGegenstanddesWissensundnichtvom wissbegierigenMenschenbestimmtwerdenm sste.Das heißt,eskonntegarnichtumErfahrungengehen,sondern entscheidendesKriteriumseiendasVerhaltenunddieGegenst ndlichkeiteinerSache.

Tats chlichbrauchteesalsobeimThema«Wunder»geradevordemHintergrundzahlreicherzeitgençssischerDebatten,Welt-undGottesbilderersteinmaleinedezidierte Kl rungderVoraussetzungen.DiestutLewisumf nglichin seinerSchrift.ZweiGruppenbenennter,diesichunversçhnlichgegen berst nden:dieNaturalistenunddieSupranaturalisten.BeidebrachtenihredurchwegholistischeWeltsicht auchinderFragenachderMçglichkeitodersogarderWahrscheinlichkeitvonWunderninStellung.

DieAnschauungenderNaturalistensinderwiesenermaßendasFeindbildvonLewis.DaswirdalleininderQuantit t derAuseinandersetzungdeutlich:Mindestensf nfKapitelin «Wunder»sindf rLewis’KritikamNaturalismusreserviert. DieGrundannahmederNaturalisten,dassnichtsaußerhalb derNaturexistiereundesdeshalbauchkeineWundergebe, weilallesdenNaturgesetzenunterworfensei,einfreierWille

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nichtexistiere,derhieranetwas ndernkçnne,undeinWunderdeshalb–wieLewisesDavidHumeindenMundlegt–denNaturgesetzenGewaltantunw rde,alldiesseziertLewis mitbesondererWonne,LeidenschaftunddemeinenoderanderenalltagstauglichenBeispiel.Ertutdiesbisweilenauch fragend:Isteswirklichso,dasssichjedesDingundjedesEreignisbisinsLetzteerkl renl sst?Isteswirklichso,dassdie Natureinderart«totalit res»,alsoumfassendesSystemist,sodasssichhieralleswiederfindetundeinordnet?

InsgesamtzeigendieseFragen:Sobaldsich«etwasAnderes»findenl sst,dasaußerhalbderNaturunddamitauch außerhalbderNaturgesetzeexistiert,diesealsovonaußen herbedr ngtodergardurchbricht,istderNaturalismus ad absurdum gef hrt.Und–soLewis–dieses«etwasAndere» gebees.Dieses«etwasAndere»seidieVernunft.Diese–so w rdendieNaturalistenargumentieren,umihreWeltsicht nichtpreiszugeben–seidurchnat rlicheAuslesegebraucht undverfeinertworden,wennFolgerungenundKonsequenzenunddamitErkenntniserforderlichgewesenseien.VernunftalsAusdruckeinesevolution renProzessesunddamit derNaturinh rent–dasseidiePositiondesNaturalisten.

Der«Theist»indesschaueandersaufdieVernunft.F rihn seisiedieVernunftGottes–unddamitdeutlich lteralsdie Natur,schließlichseidieNaturetwasGeschçpfliches,das demSchçpferkonsequentnachgeordnetsei.Genauerund sch rfer:VonebenderVernunftGottesleitesich berhaupt erstdieRegelm ßigkeitderNaturab.

DiesevorgeordneteVernunftGotteshabeaberauchKonsequenzenf rdenMenschen,denn:ErhabeseineWurzelim «ewigen,selbstexistenten,rationalenWesen,daswirGott nennen»(S.56).Unddasheißt:DerMenschseidazu«befreit»,sichvomGegenstandderErkenntnisbestimmenzu lassen;erm ssealsoinseinemDenkenkeinenGesetzm ßig-

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keitenfolgen–undseinDenkenseiauchnichtvonGottbestimmt,sondernvonihmentfachtunddannfreigegeben. DasmenschlicheWissenwerdesomiteine bernat rliche Kategorie,dieexplizitvonderErfahrungundderErinnerung alsnaturimmanenteKategorienzutrennensei.Wissen,geborenausdemfreienErkennenunddamitausdergçttlichen Vernunft,istnachLewisalsodieses«etwasAndere»,dasden Naturalismussprengt.AnalogesließesichzumGewissendes Menschensagen.

SupranaturalismusistalsodieSpur,derLewiszufolgengedenkt.GemeintistdamitdasWissenumeinegeistigeRealit t jenseitsdessinnlichWahrnehmbaren,unddasmeint:außerhalbderNatur.IndieserDiktiongehtLewisdavonaus,dasses einenGottgibt–unddassdieserWunderwirkenkçnne;und diesaucht te.WervomSupranaturalismusspreche,verweise alsoaufein«monarchisches»Verst ndnis,weilGottander SpitzeallenSeinsst nde,w hrenddieNaturalistenein«demokratisches»BildderWirklichkeith tten,indemallesverwoben, abernichtsaußerhalbdiesesSystemszuerkennensei.

DochLewisfasstesnochpr ziser:Erredetnichtvon irgendeinerpantheistischenGottesvorstellung,lehntdiese sogardezidiertab(S.140).Erredetauchnichtvoneinem DualismuszwischenGottundWelt,sondernerredetvom christlichenGott,dem«undurchschaubarenZentrumaller Existenzen».ErredetvomchristlichenGottunddamitvom «Ding,daseinfachundvçlligist».Erredetvom«Quellder Tats chlichkeit»(S.148).

Wichtigauch:DasvordringlichsteWesensmerkmaldieses GottesseidieLiebe.HiermachtLewiskeineKompromisse, sondernb ndeltdiessogarinprogrammatischeS tze.Ein wichtigeristdieser:«Christusstarbnichtf rdieMenschen, weilsieeswertgewesenw ren,dassf rsiegestorbenwurde, sondernweilerLiebeistunddeshalbunendlichliebt»(S.94).

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ZudiesemWesenderLiebegehçrtnachLewiszweifelsfrei auchdasWirkenvonWundern.Undmehrnoch:Beieinem derartliebendenGottseiendieWunderanderTagesordnung undkeinSonderfallinderGeschichte,auchwennLewises durchausf rdenkbarh lt,dasskeinerseinerLeser berhaupt jeeinWundererlebenwird(S.275)underWunderals«Sondergeschehen»bezeichnet(S.105)Gemeintistdamitaber dieKunst,bestehendeMusterderNaturnichtzuverletzten, sonderndieseaufwundersameWeisezuerweiternund «umsost rkerdieEinheitundBest ndigkeitderGesamtwirklichkeit[zu]betonen»(S.107).LetztlichseialsojedesWunder eine«strategischeInvasion»(S.181)GottesindieNatur.Das heißtauch:ExistiereGott,existiereauchimmerdasRisiko vonWundern.

Wundersindalsomçglichundauchnichtvonvornherein alsunwahrscheinlichauszuschließen.DiesleitetLewisab undmachtdanneinenSchnitt.Dasheißt:DienunerforderlicheUntersuchungvonpotenziellenWundernunddamitdie ZusammenschauvonQuellenmaterialunddessenBewertung leisteternicht.Warumauch?Schließlichverstehtersein NachdenkenalsVor berlegung berdieWahrscheinlichkeit vonWundernunddamitauchalsErmutigung,tats chlich nachWundernAusschauzuhaltenundmitihnenzurechnen –undwidersprechendenaturalistischeArgumentationsmusterundGrundannahmenschlicht berBordzuwerfen.

MitdieserErmutigungsprichtersichernichtalleinindie NachkriegszeitEnglandshinein,sondernseineStimmetçnt auchbisindieeurop ischeGegenwartdesfr hen21.Jahrhunderts,dieumdaswundersameWirkenGottesgernden eingangsbeschriebenenNebelaufsteigenl sst.

DieVerve,dieLewisinseinemNachdenken berWunder andenTaglegt,hatihrenUrsprungsicherinseinerLustam Denken,istaberauchbiografischmotiviert,denn:Lewislebte

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mitderHerausforderung,einglaubenderWissenschaftlerzu sein.Diesjedochhatteerurspr nglichsonichtintendiert,im Gegenteil:Sp testensseitseinerSchulzeitkonnteerbehaupten,Atheistzusein.DiezeitgençssischeReligionskritik–geradeauchseinerLehrer,diemitihmVergillasenunddessen Religiosit tnegativkommentierten–lehrteihn,dassreligiçse VorstellungenreineIllusionseien,undauchderErsteWeltkriegmitseinenmartialischenSchlachtenkonntenurzeigen, dasseskeinenGottgab.

AberaufdemTiteldes«TimeMagazine»vom8.September1947wardanntats chlichzulesen:«Oxford’sC.S.Lewis, hisheresy:Christianity.»ZwischenderSchulzeitunddemJahr 1947lagentats chlicheoderteilweiselegendenhafterz hlte, wennauchdurchbiografischesMaterialgutbezeugteBekehrungserlebnisseindenJahren1930und1931unddiebiszur ApologetikwachsendeBereitschaft,fortanalleArtikeldes Christentumsalslebensdienlichzuerkennenunddeshalbzu akzeptieren.UnddazugehçrtenauchdieWunder.

ImmerwiederhatLewisdieseFrageaufgegriffen,hatdie MçglichkeitderWundergegenFreundeundKollegenund ebensoimintellektuellenWettstreitderModerneverteidigt. LewiswardamitimGrundeein«outcast»,einunregelm ßiges VerbinderwissenschaftlichenZunft,abereshalfnichts:Weiterhingaltesf rLewis,denGlaubenzust rkenoderNichtGlaubendenguteGr ndezuliefern,ummitdemGlaubenzu beginnen.DasserdiesmitwissenschaftlicherAkribieund rhetorischemGeschicktat,warseinbesonderesCharisma–dasgleichwohlnichtunwidersprochenblieb.

Diesch rfsteKriselçstemçglicherweisedieDebattemit derbritischenPhilosophinElizabethAnscombe(1919–2001) aus,dieerimFebruar1948im«SocraticClub»f hrteunddessenGrundlagezudemim«SocraticDigest»(1948)publiziert wurde.HiersaherseinArgumentf rdieExistenzGottesnicht

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nurherausgefordert,sonderndadurchgeradezuzerstçrt, dennernahman,dassnureinsimplerGeistdavonausgehen m sste,dassesGottnichtgebe.Unklarist,obdasAußenstehendeauchsogesehenhaben.EinflusshattedieseDebatte dennoch:InderAusgabevon1960hatLewisdaskritisierte dritteKapitel berarbeitet,ohnejedochdenDuktusdesGesamtwerkeszuver ndern.

Bemerkenswertistzudem,dassLewissichinzeitlicher N hezudieserDebattevomFeldderchristlichenApologetik immerweiterzur ckgezogenhat.«Wunder»wardamitdas letzteapologetischeBuchvonLewis,dasorigin reGedanken undkeineZusammenschauvorherigerRedenpr sentierte.

DerTextselbstbietetwohlauchdeshalbeinumf ngliches argumentativesundrhetorischesArsenalauf:Eristvollers ffisanter,wertender,dabeiabersprachlichwohlgestalteterFormulierungen.HierhatjemandgroßeLust,diefeineKlinge auszupackenunddiePositionenderGegnerimGespr chgeradezuzufiletieren.

DassdabeibisweilenauchSetzungen,Behauptungen, Verk rzungenalsMittelzumZweckdienenm ssen,istdeutlicherkennbar.Aber:Charmantverpacktsinddiese,eingebettetwerdensieindasGespr chmitdenLesenden,denenLewis seineWeltsichterkl rt,immerwiederaufbereitsBenanntes zur ckkommt,freundlichZusammenfassungenformuliert, mitrhetorischenFragendasHerzderLesendenzugewinnen suchtundsoaufseineigentlichesZieldesTexteszusteuert, n mlichdasgrçßteWunderunddamitdensinnvollstenund eindr cklichstenGrundallerHoffnungzubenennen:die MenschwerdungGottes–oder,andersformuliert,dasvolle HeilsprogrammGottes,dasvonderInkarnation berdasLeben, berVerfolgung,FolterundSterbenbishinzurAuferstehungJesuf hrt.«Wenn das keinWunderist!»,soließensich Lewis’Gedankenzusammenfassen.

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DochdamitdieGrçße,WeiteundBreitediesesWunders zumindestansatzweisebegriffenwerdenkann,brauchtes ebenwesentlichePr liminarienundargumentativeLeuchtt rmeaufdemWeghinzumgroßenVerst ndnisoderzumindestersteinmalzumErahnendiesesWunders.Diessei–so Lewis–inseinereigenenZeitbesonderswichtig,seihier docheine«Volksreligion»zubeobachten,eineweitverbreitete Philosophiedes(absoluten)Idealismus,dienichtmehrmit Wundernrechne.Einersolchen«Volksreligion»seinichtzuletztdeshalbdieFragezustellen,obdiese berhauptwahr sei(S.137).DasistsogareinezeitloseFrage.

WerstattdessenLewisaufseinemWegfolgt,wirdseine SetzungzurInkarnationalsfolgerichtigerleben.WeraberbereitsbeiderWertsch tzungdesSupranaturalismusargumentativesGrausenentfaltet,wirddenletztenKapitelnkaumetwasabgewinnenkçnnen.Gleichwohllohntessichauchdann, biszumSchlussdurchzuhaltenundzuverstehen,wieLewis dasWesenGotteseinfasst,wennervonderHoffnungundder Liebespricht,dieerandieInkarnationGottesunddamitan das«zentrale»WunderderChristenheit(S.181)r ckbindet. IndiesemWunderwerdeschließlichdieGrundstrukturaller Wunderoffenbar,diesowohldiealtealsauchdieneueSchçpfungumfassten.Dazugehçreesgenuin,dassderGrçßere zumKleinerenhinabsteigeunddieseninseinHandelneinbeziehe.WereinsolchesWunderwirkenwill,soLewis,«muss sichb cken,umhochhebenzukçnnen»(S.186)–undeben diest teGott.

LewiswçrtertdiesbisinsvorletzteDetailaus;seinStaunen istdabeimitH ndenzugreifen,aberebensoauchseineScharfsinnigkeit,dieihnschließlichzuderErkenntnisf hrt:«DieerlçsteMenschheitwirdetwasHerrlicheressein,alsdieungefallenejegewesenw reundjedeungefalleneheuteist.(…)Jetiefer derTod,umsostrahlenderdieWiedergeburt»(S.203).

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AmEndewirddeutlich,dassdasBuchdieLesenden–ganzgleich,inwelchemJahrzehntoderJahrhundertsiebeheimatetsind–permanentzuEntscheidungenzwingt:NaturalistoderSupranaturalist?AngemessenheitderDingeund damitauchderWunderodernicht?ErfahrungoderGrundannahme,dassdasWirkenvonWundernzuGottesWesengehçrt?VernunftausWeltoderVernunftausGott?Diessindnur einpaardergroßenFragen,diesichausdemlaunigundmit HingabegeschriebenenTextergebenundnachAntworten verlangen.

Esistalsogroßzudenken–unddeshalb:WirktGottheute nochWunder?GibtesalsoeineberechtigteHoffnungaufsein Handelnmittenineinerarggebeuteltenundverwundeten Welt?Wasw rewohl,wennwirdenNebelderSelbstzentrierung undderZur ckhaltunggegen berWundernverlassenund stattdessenglaubenkçnnten,dassGottauchheutenochWundertut?Wasw rdedasf runserLebenbedeuten?EsisteingeistigesundgeistlichesAbenteuer,mitLewisAntwortenaufdiese Fragenzusuchen–unddiesesAbenteuerbeginntjetzt.

NicoleGrochowina(*1972),HistorikerinundOrdensschwester derevangelischenCommunit tChristusbruderschaftSelbitz

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WerErfolghabenwill,mussdierichtigenvorbereitenden Fragenstellen.

Aristoteles,Metaphysik,II[III]

InmeinemganzenLebenbinichnureinemMenschenbegegnet,derbehauptete,einenGeistgesehenzuhaben.Unddas Interessantedaranist,dassdieserMensch,nachdemerden Geistgesehenhatte,weiterhinebensowenigandieUnsterblichkeitderSeeleglaubte,wieeresvordemgetanhatte.Seiner Aussagenachmussdas,wasergesehenhat,eineIllusionoder einStreichderNervengewesensein.Underkçnntedamitsogarrechthaben.SehenistnichtGlauben.

DarumkanndieFrage,obWundergeschehen,niemals einfachdurchdieErfahrungbeantwortetwerden.JederVorfall,dereinWunderzuseinbeansprucht,istschließlichetwas, dassichunserenSinnendarbietet,etwasGesehenes,Gehçrtes,Ber hrtes,GerochenesoderGeschmecktes.Undunsere Sinnesindnichtunfehlbar.

WennetwasAußerordentlichesgeschehenzusein scheint,kçnnenwirimmersagen,wirseiendasOpfereiner Sinnest uschunggeworden.FallswireinerPhilosophieanh ngen,diedas bernat rlicheausschließt,werdenwireben diesesstetsbehaupten.WaswirausderErfahrunglernen, h ngtvonderPhilosophieab,diewirandieErfahrungherantragen.Deshalbisteszwecklos,andieErfahrungzuappellieren,bevorwirnichtdiephilosophischeFrage,sogutwirkçnnen,gekl rthaben.

DieAbsichtdiesesBuches
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WennunmittelbareErfahrungdasWunderbarewederbeweisennochwiderlegenkann,sokanndieGeschichtedas nochweniger.VieleLeutemeinen,mankçnnefeststellen,ob einWunderinderVergangenheitgeschehensei,indemman dasBeweismaterial«nachden blichenRegelnhistorischer Untersuchung»pr ft.Dochdie blichenRegelnkçnnennicht angewandtwerden,bevorwirnichtentschiedenhaben,ob Wundermçglichsind,undwennja,wiewahrscheinlichsie sind.

Dennwennsieunmçglichsind,wirdunskeinerleihistorischesBeweismaterial–undseiesnochsoumfangreich–berzeugen.Sindsieabermçglich,jedochhçchstunwahrscheinlich,wirdunsnureinmathematischdemonstrierbarer Beweis berzeugen;unddadieGeschichteniemalsf rirgendeinGeschehniseinensozwingendenBeweisliefert,wird sieunsauchniemalsdavon berzeugenkçnnen,dassein Wundergeschehenist.

SindandererseitsWundernichtvonvornhereinunwahrscheinlich,sowirddasvorhandeneBeweismaterialausreichen,umunsdavonzu berzeugen,dasseineganzeAnzahl vonWunderngeschehenist.DasErgebnisunsererhistorischenUntersuchungh ngtalsodavonab,welcherPhilosophiewiranh ngen,bevorwirdenerstenBlickaufdasBeweismaterialwerfen.Deshalbmusszuerstdasphilosophische Problemgekl rtwerden.

FolgendesisteinBeispieldaf r,wasgeschieht,wennwir dievorbereitendephilosophischeKl rung berspringenund unsgleichderhistorischenzuwenden:Ineinempopul ren BibelkommentarfindetmaneineDiskussion berdasAbfassungsdatumdesviertenEvangeliums.DerVerfassermeint,es m sse nach derHinrichtungdesPetrusgeschriebenworden sein,weilinderDarstellungdiesesEvangeliumsChristusdie HinrichtungdesPetrusvoraussagte.

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«EinBuch»,someintderAutor,«kannabernichtvorden Ereignissengeschriebenwordensein,aufdieessichbezieht.»

Nat rlichkannesdasnicht–esseidenn,esf ndendoch echteVoraussagenstatt.IndemFallst rztdasDatierungsargumentinsichzusammen.DerVerfasserhatgarnichterst erçrtert,obechteVoraussagenmçglichsind.Erbetrachtetes alsselbstverst ndlich(vielleichtunbewusst),dasssieesnicht sind.

Mçglicherweisehaterrecht.Wennerrechthat,dannhat erdiesesPrinzipabernichtaufdemWegderhistorischenUntersuchungentdeckt.AlseranseinehistorischeArbeitging, brachteerdenNichtglaubenanVoraussagenbereitsfixund fertigmit.Andernfallsh tteergarnichtzuseinerSchlussfolgerung berdieDatierungdesviertenEvangeliumskommen kçnnen.DarumistseineArbeitf rjemand,derwissenwill,ob Voraussagengeschehen,vçllignutzlos.DennderVerfasser machtsicherstandieArbeit,nachdemerdieseFragebereits negativbeantwortethat,ausGr nden,dieerunsnirgendwo mitteilt.

DiesesBuchistalsVorbereitungaufdiehistorischeUntersuchunggedacht.IchbinkeingeschulterHistorikerundhabe nichtvor,dasgeschichtlicheBeweismaterialf rdiechristlichenWunderzuuntersuchen.EsistmeinZiel,meineLeser indieLagezuversetzen,diesselbstzutun.

EshatkeinenZweck,sichmitdenTextenzubesch ftigen, solangemankeineAhnungvonderMçglichkeitoderWahrscheinlichkeitdesWunderbarenhat.Werdavonausgeht,dass Wunderunmçglichsind,verschwendetmitdemStudiumder TextebloßseineZeit.WirwissenimVoraus,zuwelchenErgebnissenergelangenwird,dennerbeginntmitderVorwegnahmedeszuBeweisenden.

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DerNaturalistundder Supranaturalist

«Himmel!»,riefFrauSnip,«gibtestats chlicheinenOrt, andemdieLeuteeswagen, berdemErdbodenzuleben?»–«IchhabenochnievonMenschengehçrt,die unter demErdbodenleben»,versetzteTim,«bisichins Riesenlandkam.»–«InsRiesenlandkam!»,schrieFrau Snip,«ja,istdennnicht berallRiesenland?»

RolandQuiz,Riesenland,Kap.XXXII

IchbenutzedasWort Wunder alsBezeichnungf reinEingreifen bernat rlicherM chteindieNatur. 1 Wennes berdie Naturhinausnichtsgibt,daswirdas bernat rlichenennen kçnnen,sindWunderunmçglich.MancheLeuteglauben, dassaußerderNaturnichtsexistiere;ichnennedieseLeute Naturalisten. AnderesindderMeinung,esexistierenebender Naturnochetwasanderes;dieseLeutenenneich Supranaturalisten. UnsereersteFragelautetdaher:HabendieNaturalistenoderdieSupranaturalistenrecht?Undschonstehenwir vordererstenSchwierigkeit.

BevorderNaturalistundderSupranaturalistihreMei-

1 DieTheologenw rdenhiergrçßtenteilseineandereDefinitiongeben.

IchbedienemichmeinerVersionnichtdeshalb,weilichsief reine Verbesserunggegen berderihrenhalte,sondernweilsiemirgerade wegenihrerUngeschliffenheitund«Volkst mlichkeit»dieMçglichkeit bietet,aufjeneFrageninunkompliziertesterWeiseeinzugehen,die dem«Durchschnittsleser»vermutlichdurchdenSinngehen,wenner einBuch berWunderzurHandnimmt.

II
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nungsverschiedenheitdiskutierenkçnnen,m ssensieselbstverst ndlichersteinmaleine bereinstimmendeDefinition vonNaturund bernaturhaben.Esistleideraberfastunmçglich,zueinersolchenzugelangen.GeradeweilderNaturalistderMeinungist,außerderNaturexistierenichts,bedeutetdasWort Natur f rihnlediglich«alles»oder«dasGanze» oder«wasesnurgibt».UndwennwirdasmitNaturmeinen, dannexistiertnat rlichnichtsanderes.Deneigentlichen StreitpunktzwischenihmunddemSupranaturalistenhaben wirdamitverpasst.

EinigePhilosophenhabendieNaturdefiniertalsdas,«was wirmitunserenf nfSinnenwahrnehmen».Dochauchdieses istunbefriedigend;dennselbstunsereeigenenGef hlenehmenwirnichtaufdiesemWegewahr,unddennochsindsie vermutlich«nat rliche»Geschehnisse.UmnichtineineSackgassezugeratenundumherauszufinden,worinnunwirklich derMeinungsunterschiedzwischenNaturalistundSupranaturalistbesteht,m ssenwirunserProblemetwasumst ndlicherangehen.

IchbeginnemitderBetrachtungfolgenderS tze:1.Sind dasseinenat rlichenZ hne,oderisteseinGebiss?2.Inseinemnat rlichenZustandistderHundvollerFlçhe.3.Ich lassegernedasbebauteLandunddieasphaltiertenStraßen hintermir,ummitderNaturalleinzusein.4.Seidochnat rlich!Warumbistdusoaffektiert?5.Esmagfalschgewesen sein,siezuk ssen,abereswarsonat rlich.

DasGemeinsamealldieserFormulierungenistleichtersichtlich.Nat rlicheZ hnesindsolche,dieimMundewachsen;wirhabensiewederzuentwerfennochherzustellennoch einzupassen.Inseinennat rlichenZustandverf lltderHund, wennniemanddiesmittelsWasserundSeifeverhindert.

DieNaturhatinderLandschaftdasobersteRegiment,in derBoden,WetterundVegetationihreErzeugnisseohneHilfe

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undungehindertvomMenschenhervorbringen.Nat rliches Benehmenw rdendieMenschendannandenTaglegen, wennsiesichnichtbem hten,diesabzu ndern.EinKussist dannnat rlich,wennihmkeinemoralischenodervernunftm ßigenErw gungenimWegestehen.

InalldenBeispielenbedeutetNaturdas,was«vonselbst» oder«auseigenemAntrieb»geschieht;worummansichnicht zubem henbraucht;wasmanerh lt,wennmannichtstut, umeszuunterbinden.DasgriechischeWortf rNatur(Physis)istverbundenmitdemgriechischenZeitwortf r«wachsen»;daslateinische Natura mitdemZeitwort«geborenwerden».DasNat rlicheistdas,was vonselbst aufquillt,zum Vorscheinkommt,passiertodersichfortsetzt:dasGegebene, dasbereitsdaist,unddasSpontane,dasUnbeabsichtigte,das Unaufgeforderte.

DerNaturalistglaubt,dassdieletzteTatsache,dieSache, berdiehinausesnichtgeht,einungeheurerProzessin RaumundZeitist,der sichvonselbstfortsetzt. InnerhalbdiesestotalenSystemsfindetjedesSondergeschehen(etwa,dass SiesoebendiesesBuchlesen)deshalbstatt,weilsichbereits einanderesGeschehenereignet;letztlich,weilsichdastotale Geschehenereignet.JedesDing(zumBeispieldieseBuchseite)ist,wasesist,weilandereDingesind,wassiesind;unddas letztendlich,weildasganzeSystemist,wasesist.

AlleDingeundGeschehnissesindsovçlligineinander verwoben,dasskeinesvonihnenauchnureinMindestmaß anUnabh ngigkeitvondem«Ganzen»f rsichbeanspruchen kann.Keinesvonihnenexistiert«aufeigeneFaust»odersetzt sich«vonselbst»fort,außerindemSinne,dasseszubesondererZeitundanbesonderemOrtjenesallgemeine«Existieren vonselbst»,jenes«VerhaltenauseigenemAntrieb»zeigt,das der«Natur»(demgroßen,totalen,insichverwobenenGeschehen)alsGanzemeigenist.

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