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Das ist kein Spaziergang
Frank-Ullrich Rittwagen hat ein Streichquartett für die Studierenden der HfMDK gebaut. Es ist seit langem der wertvollste Instrumentensatz, den Freunde und Förderer der Hochschule als Leihgabe überlassen. Hanna Ponkala, die als erste eine der in seiner Werkstatt entstandenen Geigen spielen kann, hat mit ihm gesprochen – über seine Liebe zum Handwerk, seine analoge Zukunft und warum Instrumentenbauer wie ihn mit Musikerinnen und Musikern so viel verbindet.
INTERVIEW: HANNA PONKALA
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Lieber Herr Rittwagen, ich freue mich sehr, dass ich Ihre wunderbare Geige „Emilia“ spielen darf. Wie kreiert man aus ein paar Stücken Holz einen solchen Klangkörper? Wenn ich an die Werkzeuge und Vielfalt der Materialien denke, die Instrumentenbauer in anderen Bereichen einsetzen müssen, kommt der Neubau von Geigen tatsächlich vergleichsweise bescheiden daher. Der Aufwand liegt im Prozess selbst und auch darin, all die Dinge zu lernen, die einem niemand zeigt. Im Prinzip läuft es so, dass man sich zunächst für ein bestimmtes Modell entscheidet, die Schablonen und die Innenform macht. Viele Handgriffe später folgt dann die Klangeinstellung – einer der aufregendsten Momente. Welches Holz verwenden Sie? Ganz traditionell verwende ich Alpenfichte für die Decke und Ahorn für alle anderen Teile. Haben Sie bestimmte Klangvorstellungen, die Ihnen an einem Streichinstrument wichtig sind? Natürlich! Das Instrument muss eine große Tragfähigkeit haben und darf auch im Pianissimo nicht dünn klingen – dies in Kombination mit einem großen Farbenreichtum, Lautstärke, ohne dass es schreit. Welche Streichinstrumente bauen Sie am häufigsten? Bauen Sie vor allem im Auftrag? Am häufigsten baue ich im Moment Violinen. Außerdem versuche ich, jedes Jahr mindestens ein Cello herzustellen. Das mit den Aufträgen scheint mehr zu werden – meist will man aber das Instrument direkt auf dem Tisch liegen haben. Bratschen baue ich nur noch im Auftrag, weil hier die Varianten an Größe und Mensur stimmen müssen. Nutzen Sie immer ein bestimmtes Modell als Basis für Ihre Instrumente?
Mit der Zeit habe ich mich auf bestimmte Modelle eingeschwungen, die ich mag und gut kenne. Für Violine nutze ich das Modell der Huberman Stradivari, für Cello das Strad-Mara-Modell. Für das Frankfurter Quartett habe ich die Form der Gibsonviola etwas abgewandelt, das Original war mir im Ton zu „geigig“, aber die Größe ist perfekt. Die werde ich sicher noch öfter bauen. Gibt es Momente, die besonders kritisch sind? Nach ungefähr drei Monaten kann man zum ersten Mal den Klang testen. Manchmal ist ein Instrument sofort auf dem Punkt, manchmal nimmt die Klangeinstellung jedoch auch viel Zeit in Anspruch. Alles andere ist tagesformabhängig. Sie haben Ihre Ausbildung in Südwales gemacht. Bestehen große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern darin, wie man heute Instrumente baut? Ja, im Zuge der Globalisierung gleicht sich aber vieles so langsam an. Für meine Ausbildung in Wales bin ich heute noch dankbar. Wir bekamen viele Anregungen aus der Werkstatt von Charles Beare in London und anderen. Es war nicht engstirnig oder stereotyp. Man musste sehr erwachsen sein, um etwas daraus zu machen. Das war ich allerdings leider noch nicht. Dennoch habe ich viel profitiert, auch persönlich. Ändert sich durch die Digitalisierung jetzt etwas für Sie? Eine interessante Frage – besonders, wenn es um Musik geht! Also ja?
Hanna Ponkala mit der Geige von Frank-Ullrich Rittwagen
Die Digitalisierung hat für uns alle viel geändert. Es gibt Kollegen, die ihre Wölbungen schon zuhause mit kleinen CNC-Fräsen machen. Ich bin kein Digital Native und finde, die Digitalisierung hat kaum einen echten Fortschritt gebracht. Die vielen Kanäle der Kommunikation, die Beliebigkeit von Musik, die Flut von Gadgets gehen mir auf den Wecker. So viel scheint möglich – und doch sind wir immer noch, wer wir sind. Als die CD aufkam, habe ich unwillkürlich fast aufgehört, zum Genuss Musik zu hören. Um Stücke zu lernen, ist dieses Medium sehr praktisch, aber der Klang selbst ist für mich uninteressant. Ich nehme ihn als unphysisch wahr. Wie meinen Sie das? Eine interessante Erfahrung war für mich ein Konzert in Berlin. Ein japanisches Orchester begleitete Vadim Repin. Man konnte deutlich hören, dass diese fantastischen Spieler ihr Klangempfinden von der CD aufgesaugt hatten. Die Ästhetik, wie man mit Klang umgeht – das überträgt sich automatisch darauf, wie man spielt. Das war enttäuschend. Ich glaube, dass das viele schon begriffen haben und eine Rückbesinnung begonnen hat. Für mich im Geigenbau: Da sehe ich nach einer „Saure-Gurken-Zeit“ wieder viele junge Kollegen, deren Arbeiten mich sehr begeistern. Das ist ermutigend. Alles Mögliche wird heute schon individuell per 3D-Drucker hergestellt. Würde es Sie reizen, die Technologie auch für den Instrumentenbau einzusetzen? Nein, das reizt mich überhaupt nicht. Dass dieser Beruf immer noch im Wesentlichen so funktioniert wie vor dreihundert Jahren, ist ja gerade das Schöne daran – es ist eine privilegierte Art zu arbeiten. Die Vorteile und Möglichkeiten aus den neuen Techniken herauszusortieren, überlasse ich der nächsten Generation. Ich selbst bin froh, wenn ich die alten, vorindustriellen, aufwendigen Techniken wieder erschließe. Was macht ein Instrumentenbauer, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein? Man muss versuchen, mit den raketenhaft angestiegenen Standards mitzuhalten. Wirtschaftlich ist es derzeit eher so: Ich schätze, es gibt etwa dreihundert Geigenbauer in Deutschland – und jeder der sagt, sich auf dem freien Markt zu behaupten sei ein Spaziergang, sagt nicht die Wahrheit! Zumal, wenn man ohne finanzielle Substanz aus der Familie oder dergleichen startet. Wer ein konstantes Einkommen, Urlaub, Rente und so weiter will, sollte besser etwas anderes machen. Das ist genau wie bei Musikerinnen und Musikern: Sein Fach gut oder sogar brilliant auszuüben heißt nicht, dass man das auch geschäftlich schafft – das sind zwei verschiedene Dinge. Eine abschließende Frage, die mich persönlich sehr interessiert. Geben Sie allen Instrumenten, die Sie bauen, Namen? Was steckt hinter den Namen? Nach über zweihundert Instrumenten hilft mir das mit den Namen, sie später noch zuordnen zu können. Ich baue aufwendiger und weniger als früher – die Instrumente begleiten mich also länger, sind nicht nur eine Nummer. → Hanna Ponkala studiert Streicherkammermusik in der Klasse von Prof. Tim Vogler. → Frank-Ullrich Rittwagen ist Geigenbaumeister, seine Werkstatt liegt in Aub in Unterfranken.
Instrumente für den Erfolg
Freunde und Förderer ermöglichen der HfMDK den Verleih wertvoller und hochwertiger Instrumente.
Für die Hochschule sind sie eine attraktive Möglichkeit, einzelne, besonders begabte Studierende zusätzlich zu unterstützen. → Ein Streichquartett Es besteht aus zwei Geigen, einer Bratsche und einem Cello aus der Werkstatt von Frank-Ulrich Rittwagen (Aub, siehe Interview). Die Instrumente wurden von ihm in den vergangenen Monaten für die Studierenden der HfMDK neu gebaut. Das Ehepaar Dr. Alin Adomeit und Michael Hauger hat den hochwertigen Instrumentensatz erworben und stellt ihn der HfMDK als Dauerleihgabe zur Verfügung. Sie freuen sich insbesondere über die „emotionale Rendite“ ihrer Investition, mit der sie die künstlerische Ausbildung im Bereich Streicherkammermusik fördern. Mit dem Satz von Meisterinstrumenten gewinnt dieHfMDK für jungeMusikerinnen und Musiker zusätzliche Attraktivität. Fortgeschrittene Studierende können hier eine einzigartige Basis für ihre Ausbildung erhalten.
→Zwei Meistergeigen Ende 2019 konnten sie nach einem Auswahlvorspiel erstmalig als Leihgaben an Studierende vergeben werden: Cord Koss (Klasse Prof. Sophia Jaffe) spielt derzeit die Violine von Geigenbaumeister Thomas van der Heyd (Frankfurt), Carolin Grün (Klasse Prof. Susanne Stoodt) die Violine von Ioannis Apostolou (Brescia). Finanziert wurden die Geigen von Dr. Clemens Börsig, Dr. Thomas Bücker und der
DZ BANK Kulturstiftung. → Ein Cembalo Mit den Weihnachtsspenden 2018 konnte die GFF ein hervorragendes zweimanualiges, von Matthias Kramer (2009) gebautes Cembalo für die Hochschule erwerben. „Dadurch ist es nun möglich, dass Studierende, die selbst noch kein oder kein so hochwertiges Instrument besitzen, für wichtige eigene Projekte außerhalb der Hochschule ein sehr gutes Cembalo ausleihen können“, erklärt Prof. Eva Maria Pollerus, Professorin für Cembalo/Generalbass und Kammermusik sowie Ausbildungsdirektorin des Instituts für Historische Interpretationspraxis (HIP). Das nach einem Vorbild des Hamburger Cembalobauers Christian Zell (1728) konzipierte Instrument soll 2020 in einem Sonderkonzert vorgestellt werden.
↘Spendenkonto der GFF Deutsche Bank DE68 5007 0024 0806 5070 00 DEUTDEDBFRA ↘Weitere Informationen: Dr. Laila Weigand, 069 154 007-210 gff@hfdmk-foerdern.de hfmdk-foerdern.de
Professor Erik Schumann und die beiden Professorinnen Sophia Jaffé (Mitte) und Susanne Stoodt bei der Auswahl der Meistergeigen
