Metze
Andreasried, Erfurt 1939
Sport war damals meine Welt. Ich bewunderte ...
... Erich Metze.
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Keiner fuhr schneller im Kreis als er.
Und keiner fieberte so sehr mit wie ich.
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Naja, fast keiner.
Mensch, tritt rin in die Pedale!
Metze war ein Draufgänger. Als er sich den Schädel brach, stand er einfach auf und fuhr weiter. Als der Krieg kam, wurde er Soldat.
Ich wäre gern wie er gewesen.
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So flink, …
Wie Windhunde
…so zäh
…und so hart.
Wie Leder
Wie Stahl
Leider war ich klein und schmächtig und ein Fahrrad konnte ich mir auch nicht leisten.
Hey Metze, Wo hast’n deinen Drahtesel gelassen?
Steht noch im Laden.
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Trotzdem träumte ich von einer Karriere als Sportler.
Zieh, Metze! Zieh!
Und die HJ* beflügelte meine Träume.
Jungs, bei der Pimpfenprobe tragt ihr Braunhemd, beim Wettkampf im Stadion normale Sportsachen! Verstanden?
* Hitlerjugend •
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Unser geliebter Thüringer Gauleiter Sauckel wird auch da sein. Ich erwarte Höchstleistungen!
Meine Eltern erwarteten etwas anderes von mir. Wenn sie über Hitlers Statthalter in Thüringen sprachen, nannten sie ihn „Sauleiter Gaukel“. Leise natürlich…
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Hungerbachsiedlung im Erfurter Norden. Hallo!
Junge, du kommst spät. Trag den Topf rüber!
Mutti, ich möchte auch ein Braunhemd haben.“ *
Dafür geb’ ich kein Geld aus!
Aber alle haben eins! Vati könnte es doch selber machen.
* Kluft der HJ •
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Kaaal, was gibbs heut?
Was Heißes auf die Pfoten, wenn du nicht Platz machst.
Mutti, ich brauch’ neue Turnschuhe.
Schon wieder?
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Geh ordentlich mit deinen Sachen um, dann halten sie länger!
Aber die Turnschläppchen sind gar nicht teuer. Kosten doch nur 'n paar Pfennige beim Juden Meyer.
Den gibt’s nicht mehr. Den Meyer? Wieso?
Herr Meyer und seine Familie sind ausgewandert. In seinen Laden ist jetzt 'n deutscher Schuster eingezogen.
Als ob der Meyer Chinese war! Im letzten Krieg hat er für Deutschland die Knochen hingehalten. Und zum Dank hamse ihm das Geschäft verwüstet und ihn davongejagt…
Sitz gerade, Harald!
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Nicht vor den Kindern!
Turn ich eben barfuß.
Dass unsre Eltern Sozialdemokraten waren, durfte niemand wissen. Schließlich hatte Hitler alle Parteien ausser seiner NSDAP verbieten lassen.*
Mutti versuchte, die Politik aus unsrer Wohnstube fernzuhalten. Aber das funktionierte nicht.
Erst recht nicht, seit wir aus unserem Dorf im Thüringer Wald in die Stadt gezogen waren. * Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei •
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Vati war Schneider und früher oft arbeitslos gewesen. Dann hatte er eine Stelle in Erfurt gefunden: beim Heeresbekleidungsamt. Uniformen waren jetzt sehr gefragt.
Aufmarsch der SA =Sturmabteilung, militärisch organisierte Schlägertruppe der NSDAP.
Hitler und Sauckel
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Erfurter Landgericht
Ein paar Wochen nach unserem Umzug nach Erfurt brannte die große Synagoge am Kartäuserring. Die Feuerwehr war dabei und schaute zu.
Das war am 9. November 1938.*
Aber beim Jungvolk erzählten sie uns Pimpfen Schauergeschichten und verteufelten alles Jüdische.
Ich kannte nur wenige Juden und hatte nichts gegen sie.
* Die antijüdischen Pogrome im November 1938 waren von der NSDAP gelenkte Gewaltausbrüche und fanden im gesamten Deutschen Reich statt. •
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Ich werd' verrückt! Der Schatz der Nibelungen...
Hierher Männer! Schnell!
Schnauze, Helmut!
Gut gemacht Jungs. Der Führer wäre stolz auf Euch. Hans, öffne die Kiste!
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Heinrich, Vortreten! Sag unser Lied auf!
Turn ich eben barfuß.
Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen! SA marschiert Mit ruhig festem Schritt.“ *
Es schaun aufs Hakenkreuz Voll Hoffnung schon Millionen.
Die Straße frei Den braunen Bataillonen
* „Die Fahne hoch!“, auch „Horst-Wessel-Lied“, Hymne der NSDAP, benannt nach einem SA-Mann, der 1930 von Kommunisten ermordet worden war. •
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Unserem Führer Adolf Hitler schwören wir ewige Treue! Empfange dein Fahrtenmesser. Auf Blut und Ehre!
Na los Karl, jetzt du!
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Na los, nimm schon!
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