forever young - 20 Jahre Junge Oper Stuttgart

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Rückblick und Ausblick renommierter Künstler, Wissenschaftler und Förderer

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Bis heute gehört die Junge Oper Stuttgart zu den Schrittmacherinnen partizipativen jungen Musik­theaters. Vor 20 Jahren gab es praktisch kein Repertoire für Kinder und Jugendliche, und aus dieser Not entstand eine der wesentlichen Tugenden der Jungen Oper: Sie entdeckte und beauftragte Stücke in einer konsequent zeitgenössischen Dramaturgie, durchwirkt von einem barocken roten Faden.

Tina Hartmann leitet den Studien­bereich »Literaturwissenschaft berufsbe­zogen« an der Universität Bayreuth. Einer ihrer Schwerpunkte liegt mit Goethes Musiktheater Anlässlich des Jubiläums schreiben die wich- (2004) und Grundlegung einer Librettotigsten Wegbegleiter*innen in Essays zur Ge- logie (2017) auf der literaturwissenschaftgenwart und Zukunft jungen Musiktheaters, lichen Opernforschung. Darüber hinaus erinnern ihre Zeit auf und hinter der Bühne verfasste sie zahlreiche Libretti. ihrer Jungen Oper – und haben Erstaunliches zu berichten!

forever young.  20 Jahre Junge Oper Stuttgart

Eine Pionierin des Musiktheaters für Kinder und Jugendliche

Hg. Tina Hartmann

forever young. 20 Jahre Junge Oper Stuttgart


Inhaltsverzeichnis

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Nicholas Kok

Junge Oper mit Alter und Neuer Musik Mira Ebert

Winfried Kretschmann

41 Über Regiearbeit mit jungen Menschen

6 Grußwort

8

Tina Hartmann

43

Wer hat Musiktheater für Kinder und Jugendliche erfunden?

Aurelia Eggers

Von Zauberkugeln und Kathedralen – Warum Kinder­ oper im Großen Haus durch nichts zu ersetzen ist Sonja Doerbeck

11

12

Klaus Zehelein

Was am Anfang steht

44 »Da muss ich aber sparen, damit ich mal wieder hierher kann.« Gedanken zum Projekt IMPULS MusikTheaterTanz

Pamela Rosenberg

Junge Oper Stuttgart – warum und wie? Spielplan und Timeline

Programmatik und Praxis

48 1997/98  César A. Cui: Der Gestiefelte Kater Dino Macho – Stefanie Rinke und Julia Nachtmann

14

Markus Kosuch

Zur Programmatik der Jungen Oper – im Spannungsfeld

56

Manfred Weiß

60 1998/99  Violeta Dinescu: Der 35. Mai

18 Oper für junge Menschen Bettina Milz

Violeta Dinescu und Markus Kosuch

64 1999/2000  Andreas Breitscheid: P.A.G.S.! (UA)

20 Flaschenpost an die Junge Oper

23

Barbara Tacchini

Tanja Zaccaria

68 2000/01  Bernhard König: Expedition zur Erde

Aufs Glatteis wagen – Junge Oper Stuttgart 2006 bis 2016

Alexander Pfeiffer

74 Elena Tzavara

28 Heimat # Kultur Benno Brösicke und Matthias Jochum

30 Die Unersetzbaren!

1997/98  Udo Zimmermann: Weiße Rose Christoph Sökler – Markus Eiche

2001/02  Christopher Gibbons, Matthew Locke: Cupid and Death Eric Gauthier – Bettina Milz

82 2002/03 Dmitri Schostakowitsch: Moskau, Tscherjomuschki Steffen Fichtner – Okarina Peter und Timo Dentler – Michael Nagy

Kunstkonzepte

90 2003/04  Ernst Toch: Die Prinzessin auf der Erbse 32

Sibylle Schumann-Erny und Markus Kosuch

Mira Ebert und Cecilia Zacconi – Vera Hahn –

Erlebnisraum Oper – Der zündende Funke und die Nachhaltigkeit

Maria Lichtermann

96 35

37

Adelheid Kramer

2003/04  Stephen Oliver: Mario und der Zauberer (DE) Sarah Maria Sun, Jeannine Hirzel und Steffen Fichtner

Ein Spielkonzept erobert das Klassenzimmer Christoph Sökler

Vermittlung als Haltung – ein Geburtstagswunsch

100 2005/06  Henry Purcell: Dido and Aeneas (Koproduktion mit Tel Aviv) Dana Marbach – Eytan Pessen


156 2013/14  Richard Ayres: Peter Pan 106 2005/06  Mike Svoboda: Erwin, das Naturtalent (UA) Anne-May Krüger – Mike Svoboda

110 2006/07 Westzeitstory 112 2006/07  Jacques Offenbach: Die Reise zum Mond Aurelia Eggers und Tajana Raj

117 2007/08  Richard Ayres: Die Grille (DE) Melanie und Patric Dull

120 2008/09  Sitzkissenkonzert Bassettl – Spasettl

158 2013/14  Sitzkissenkonzert Purzeltraum 160 2013/14 Nimmerland (UA) Susanne Frimmel und Peter Greiner

163 2013/14  Jorge Sánchez-Chiong: stop listening start screaming (UA) Michael Aures und Sonja Doerbeck

167 2014/15  Antonín Dvořák/Alexandra Holtsch: Nixe Philipp Nicklaus – Lucas Reuter – Sonja Doerbeck

121 2008/09 Joseph Gabriel Rheinberger: Der arme Heinrich

174 2015/16  Kompositionsworkshop: Ein Kinderspiel?

124 2008/09 Sitzkissenkonzerte

176 2015/16  Johannes Harneit: Alice im Wunderland

Ulrike Below

126 2008/09  Juliane Klein: Der unsichtbare Vater 128 2011/12  Singend durch den Spielplan Ulrike Hönig

130 2009/10  Ludger Vollmer: Gegen die Wand

Nikodemus Gollnau und Rafael Rennicke

Barbara Tacchini

180 2016/17  Leonard Evers: Gold Ann-Christine Mecke und Jörg Behr

184 2016/17  Gion Antoni Derungs: Benjamin (DE) Neco Çelik, Jan Croonenbroeck, Valentin Köhler, Johanna Danhauser

Neco Çelik, Rifail Ajdarpasic und Ariane Isabell Unfried

136 2009/10 Jugendkonzert: Helden

Blick von außen

Timo Handschuh

138 2010/11 Sitzkissenkonzert Ein kleiner König weint doch nicht

Ulla Laurio und Erja Alander

192 Helsinki - Stuttgart. Drama, Music and the Joy of Exploring Opera

Joseph Singer

140 2014/15  Preview Club Lena Heil und Thomas Koch

142 2011/12 Schlafkonzert

Hans-Martin Werner

195 Junge Oper und Schule - Eine Partnerschaft auf der Erfolgsspur Mirko Weber

197 Du sollst nicht tümeln! 144 2011/12  Smiling Doors (UA) Projekt mit an Krebs erkrankten und gesunden Jugendlichen in Zusammenarbeit mit Element 3 Lou Strenger

146 2011/12 Jennifer Walshe: Die Taktik 148 2012/13  Sophie Kassies: Schaf 150 2012/13  Matthias Heep: Momo (UA) Matthias Heep

Christiane Plank-Baldauf

199 An die Grenzen und über die Grenzen – Junge Oper Stuttgart aus theaterwissenschaftlicher Sicht Ariadne von Schirach

201 Musikalische Früherziehung oder wie das Kind zur Klassik kommt 203 Impressum 204 Dank dem ungenannten Spender


PROGR A MM AT I K UND PRAXIS Markus Kosuch

Zur Programmatik der Jungen Oper – im Spannungsfeld Vorgeschichte Zwei Entwicklungen im Musiktheater und im Umgang mit dem Material des Musiktheaters verbinden sich in der Staatsoper Stuttgart im September 1995.

D

ie erste ist die von der Dramaturgie ausgehende Entwicklung von Inszenierungskonzepten. Zentral ist dabei die fragende und forschende Haltung der Künstler und Dramaturgen im Umgang mit dem Material, den Stoffen des Musiktheaters. »Lustvoll neue Hör- und Sehweisen zu entdecken, neugierig zu fragen, nichts als ewig gegeben anzusehen, das sind drei Momente der Arbeitsweise der Staatsoper Stuttgart.« (Spielzeitheft Staatsoper Stuttgart 1996/97, S. 39) Die zweite Entwicklung nahm ihren Ausgang in den 1980er Jahren an der Universität Oldenburg im Arbeitskreis Musik und Szene (später Institut für Szenische Interpretation für Musik und Theater ISIM). Unter der Leitung von Wolfgang M. Stroh wurde das Konzept der Szenischen Interpretation von Musiktheater als schüler- und handlungsorientierte Zugangsweise zum Musiktheater von Rainer Brinkmann, Ralph Nebhuth und mir entwickelt und in unzähligen Unterrichtsprojekten mit Schüler*innen erprobt. Es basiert auf dem Konzept des Szenischen Spiels von Ingo Scheller.

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Als Klaus Zehelein und Pamela Rosenberg mich im September 1995 von Oldenburg an die Staatsoper Stuttgart als Musiktheaterpädagoge/Dramaturg engagierten, faszinierte uns die Parallelität dieser beiden Entwicklungen an unterschiedlichen Orten. Ich erhielt den Auftrag, die musiktheater-pädagogische Arbeit neu zu konzipieren und dabei meine bisherige Arbeit und Erfahrungen aus Oldenburg zu integrieren. Mit dem von mir entwickelten Konzept Erlebnisraum Oper wurden die an der Staatsoper Stuttgart geführte Auseinandersetzung mit historischen und zeitgenössischen Opern und das in Oldenburg entwickelte Konzept der Szenischen Interpretation von Musiktheater miteinander verbunden. Es entstand damit ein Konzept der allgemeinen Musiktheaterpädagogik. (Markus Kosuch: Szenische Interpretation von Musiktheater – Von einem Konzept des handlungsorientierten Unterrichts zu einem Konzept der allgemeinen Opernpädagogik. Oldenburg 2004, S. 22–112)

Klaus Zehelein formulierte dies 1997 so: »Das künstlerische Werk selbst steht im Mittelpunkt der Aus­ einandersetzung und bildet den Rahmen für eine vielschichtige Entdeckungsreise. Ein zentraler Aspekt ist, dass Jugendliche eine neue Qualität der Wahrnehmung des Musiktheaters erfahren. Die Vorgehensweise der szenischen Interpretation ist dabei parallel zu der professionellen Erarbeitung eines Aufführungskonzepts mit dem Produktionsteam zu sehen. Wir sind an einem neugierigen Publikum interessiert, das sich mit der künstlerischen Form der musikalischen und szenischen Realisierung der Werke aus neuen, eigenen Erfahrungen heraus kritisch auseinandersetzt.« (In: Markus Kosuch: Szenische Interpretation. Die Liebe zu den drei Orangen. Stuttgart 1997, S. 2)


E

ntscheidend dabei war, dass mit Erlebnisraum Oper 1995 einem Paradigmenwechsel in der pädagogischen Arbeit Raum gegeben wurde: Es ging nicht mehr darum, junge Menschen zur Institution Oper zu führen oder herauszufinden, was der Komponist vermeintlich mit seinem Werk sagen wollte. Es ging vielmehr darum, Menschen in erfahrungsbezogenen Lernprozessen in Kontakt mit dem Musiktheater zu bringen und sie dadurch zu sich selbst, zu anderen und in die Aus­einandersetzung mit der Welt und der Welt der Kunst zu bringen.

Die Prozesse, die durch Erlebnisraum Oper entstanden, waren bemerkenswert. An einer im April 1996 angesetzten Lehrerfortbildung beteiligten sich über 80 Lehrer*innen aktiv, von denen dann 36 über ein Jahr lang gemeinsam mit mir zu vier Opern schülerund handlungsorientierte Konzepte zur Szenischen Interpretation entwickelten. Nach Schulprojekten im Sinne von Erlebnisraum Oper zu Dorina e Nibbio (Domenico Sarro) gab es im Kammertheater bei einer Aufführung vor diesen Schüler*innen immer wieder tosenden Szenenapplaus. Eytan Pessen, Musikalischer Leiter, musste mehrmals Arien wiederholen. Es entstanden immer wieder magische Momente einer intensiven Berührung.

15

Mit Erlebnisraum Oper bekam eine Haltung des Musiktheaters dem jungen Publikum und den Multiplikatoren gegenüber Raum, die sich darin ausdrückte, 1 . eigene Erfahrungen mit den Inhalten der Oper zu ermöglichen,

2 . von der Gleichwertigkeit der Erfahrungen mit dem Musiktheater von jungen Menschen und professionellen Künstlern auszugehen, 3 . davon abzusehen, zu belehren und Inszenierungskonzepte zu erklären.

Das junge Publikum und die Lehrer*innen brachten sich plötzlich in ganz anderer und persönlicher Art in Gespräche ein. Dadurch wurden sie für die Künstler*innen und Produzent*innen ganz anders spürbar und sichtbar.

Eine Krise, die drohende Schließung des Kammertheaters im Herbst 1996 durch Etatkürzungen wegen Mindereinnahmen im Baden-Württembergischen Landeshaushalt war dann der Auslöser für die Gründung der Jungen Oper. Klaus Zehelein und Pamela Rosenberg nutzten die Situation kreativ, beauftragten mich mit der Entwicklung eines Konzepts und öffneten auf diese Weise »mit der Jungen Oper Stuttgart das Kammertheater (in der neuen Staatsgalerie) für die weitere Intensivierung der musiktheaterpädagogischen Arbeit«, wie sie es im Opernjournal Nr. 60 formulierten. Sie gaben damit dieser oben beschriebenen Haltung dem Musiktheater gegenüber einen Theaterraum; einen Raum für Multiplikatoren (Lehrer*innen, Theaterpädagog*innen und Referendar*innen), das junge Publikum und für die jungen Künstler*innen.


Nicholas Kok, Ricarda Hornych, Jรถrg Meder, Alice Fuder, Daniel Keating-Roberts

46


Spielplan und Timeline 47


Markus Eiche

Grenzerfahrung als Katalysator der Entwicklung?

58

Barbara Friebel, Markus Eiche

M

eine ersten Engagements und damit überhaupt meine ersten Erfahrungen mit einem professionellen Theaterbetrieb durfte ich an der Jungen Oper der Staatsoper Stuttgart sammeln. Nachdem ich zunächst als Menschenfresser in der Oper Der gestiefinde ich einen wesentlichen Zusammenhang: Alle meine felte Kater von César A. Cui aus der UnRollen führten und führen mich bis heute in irgendeiner terbühne heraustretend für die Kinder Form an bestimmte persönliche Grenzen. Ich empfinde schauerlich mit zwei riesigen Fleischerdas Gewahrwerden dieser Grenzen als Geschenk, denn messern in Erscheinung trat, wurde ich spüre, dass mich die bewusste Auseinandersetzung mit mir die recht komplementäre Rolle des ihnen in der Entwicklung am besten weiterbringt. Dass ich Hans in Weiße Rose von Udo Zimmerdiese wichtige Erkenntnis schon so früh und ganz bewusst mann anvertraut. Wenn ich ausgehend bei der Jungen Oper und gerade als Hans in unglaubvon diesen frühen Aufgaben auf meine lich komplexer Art und Weise erfahren durfte, hat mir künstlerische Tätigkeit als Sänger bliauch später immer wieder aus schwierigen Momenten cke, die mich inzwischen an die größim Beruf aber auch im Leben geholfen. Ich habe damals ten künstlerischen Zentren geführt hat, schon gelernt, dass das Vertrauen auf die disziplinierte Arbeit an diesen Grenzen zu einem wesentlichen Sinn des (künstlerischen) Lebens führt: der Entwicklung einer (künstlerischen) Persönlichkeit. Aus diesem Grund danke ich der Staatsoper Stuttgart und ihrer Jungen Oper, dass ich das so früh erfahren durfte.


Maurice Ravel

Das Kind und die Zauberdinge

L’enfant et les Sortilèges Lyrische Fantasie in zwei Bildern Dichtung von SidonieGabrielle Colette Deutsche Übertragung von Egon Bloch Fassung für Kammerensemble von Didier Puntos PREMIERE

Kammertheater Dienstag, 3. November 1998 MUSIKALISCHE LEITUNG Susan Wenckus // INSZENIERUNG Mathias Behrends // BÜHNENBILD Anna Katharina Hobel // KOSTÜME Angelika Pfeiffer, Wolfgang Burchardt // CHOR Klaus Basten // DRAMATURGIE Juliane Votteler

CHORSOLISTEN Stephanie Beck, Domonkos Blaszo, Miriam Blessing, Beatrix Steinhübl, Victoria Burgmann, Steffen Fichtner, Silke Fuhrmann, Dominik Hosefelder, Kara Kirkpatrick, Daniel Reiness, Julia Rösch PROJEKTCHOR Diana Bayer, Ulla Bischoff, Thorsten Büttner, Marcel Dagenbach, Sabrina Daiss, Daniel Dropulja, Valerie Hammerbacher, Jan Hermann, Daniel Herrscher, Kerstin Mahler, Verena Markert, Michael Maurer, Daniela Nawrocki, Andreas Nickel, Gila Prochazka, Sarah Ruisinger, Sandra Steiner, Simone Waibel, Benedikt Weissenburger PRAKTIKUM BELEUCHTUNG Uwe

Grohne, Florian Schumann (BELEUCHTUNG Reinhard Schaible) PRAKTIKUM MASKE Daniela Helbig, Jasmin Kohnle, Miriam Marasca (CHEFMASKENBILDNER Rüdiger Botor)

Barbara Friebel, Markus Eiche

KIND Barbara Friebel / Maria Theresa Ullrich // MUTTER / CHINESISCHE TASSE / LIBELLE Anja Bildstein / Imke Reinacher // FEUER / NACHTIGALL / EULE Nicola Fliegel / Magdalena Tomczuk // POLSTERSESSEL / PRINZESSIN / EICHHÖRNCHEN Evgenia Grekova / Aleksandra Gruca-Bartczak // SCHÄFERIN / WEISSE KATZE / FLEDERMAUS Isabel Dürr / Itziar Lesaka // LEHNSTUHL / BAUM Seokheon Ham / Luiz Henrique Molz // STANDUHR / SCHWARZER KATER Sang Choel An / Michael Nagy // ENGLISCHE TEEKANNE / KLEINER ALTER MANN / FROSCH KiHun Koh / Jung-Hwan Lee

Der Konzert- und Opernsänger Markus Eiche ist heute auf den wichtigsten Bühnen Europas zuhause, darunter die BAYERISCHE STAATSOPER, WIENER STAATSOPER

sowie die BAYREUTHER FESTSPIELE

und leitet eine Gesangsklasse an der HOCHSCHULE FÜR MUSIK FREIBURG.

59


Mira Ebert und Cecilia Zacconi

Die Prinzessin auf der Erbse 90

WA: Barbara Grabowski, Matias Tosi-Sokolov, Daniela Dott, Alexander Landgraf, Staatsorchester Stuttgart

Ebert Ein Märchen von Hans Christian Andersen zu interpretieren, war eine dankbare Aufgabe. Dieser weltbekannten, fantasiegeladenen kleinen Dichtung eine Gestalt zu geben, ihrer tieferen Bedeutung nachzuspüren, insbesondere, da mit der Oper durch Benno Elkan (Libretto) und Ernst Toch (Komposition) eine so reizvolle Vorlage vorgegeben war.

Prinzessin auf der Erbse in: musikdebüt vom 07.11.2004. SWR-Fernsehen. Dauer: 28'45" https://www.oper-stuttgart.de/ jungeoper/forever-young/ prinzessin-auf-der-erbse


Ernst Toch

Die Prinzessin auf der Erbse

Musikmärchen Libretto von Benno Elkan nach Hans Christian Andersen PREMIERE

Kammertheater Freitag, 14. November 2003 MUSIKALISCHE LEITUNG Wolfgang Heinz // INSZENIERUNG Mira Ebert // BÜHNE UND KOSTÜME Aurel Lenfert // CHOREOGRAPHIE und TANZTRAINING Nina Kurzeja // DRAMATURGIE Manfred Weiß

ˇpehar // KÖNIGIN KÖNIG Marko S Daniela Dott / (WA) Sarah Maria Sun // PRINZ Steffen Doberauer // KANZLER Matias Tosi-Sokolov // MINISTER Robert Morvai / (WA) Alexander Landgraf // AMME Barbara Grabowski // PRINZESSIN Jeannette Wernecke / (WA) Wiebke Renner PROJEKTCHOR (HOFDAMEN, DIENER, MÄGDE, PAGEN) Gero Bauer (WA), Carola

Bopp, Valerian Lysander Geiger, Simone Grieshaber, Gundula Grimm (WA), Vera Hahn, Katharina Hermann, Robert Heyn (WA), Jennifer Hoffmann (WA), Irma Hoscislawski (WA), Michael Alexander Ivanovic (WA), Daniel Jenz, Lucie Kass, Sarah Keck, Henning Kehle (WA), Moritz Krehl, Judith Lenk, Maria Lichtermann, Jürgen Mense, Simone Menzel (WA), Werner Neumann, Lisa Rieh, Johannes Schott (WA), Clara Schürle (WA), Simon Sommer, Mario Tramer, Dionisios Tsaousidis, Igor Vasiljevic, Larissa Wäspy (WA), Katharina Winkler, Arne Wittwer, Madlen Wüst MASKENPRAKTIKANTIN SarahKim Weller (CHEFMASKENBILDNER Rüdiger Botor // MASKE Nadja Werthmann) STAATSORCHESTER STUTTGART

I

n der Anfangsphase der Produktion entbrannte im Team eine leidenschaftliche Diskussion um die eine gewichtige Frage: Warum spürt das Mädchen die kleine Erbse durch all diese Kissen? Ja, weil sie so sensibel ist. Ach so! Na und? – Diese Debatte ist mir in Erinnerung geblieben, hat sie doch mein Denken darüber klarer werden lassen, was ich will, wenn ich für und mit jungen Menschen arbeite. Da können Märchen behilflich sein, ein Gespür zu entwickeln, für sich selbst und die Welt.

Zacconi Wer ist die Fremde? In Deiner Darstellung, Mira, durchbricht sie eine Papierwand mit ihrer Faust, zerreißt ohne Mühe die dünne Fläche und 91 ist plötzlich einfach da. Gleich stellt sich die Frage nach ihrer Herkunft. Ist sie wirklich die, die sie behauptet zu sein? Nur einem scheint jeglicher Beweis überflüssig. Der Prinz fühlt sie, erkennt sie. Die Fremde ist ihm vertraut, kaum dass sie das Schloss betreten hat. Die Probe, der berühmte und unglaubwürdige Erbsentest, die ihre Ebert Ja, unsere Prinzessin behauptete sich, dem erlesene Empfindlichkeit un- schmerz­vollen Test trotzend. Ihre Empfindsamkeit tersuchen will, ist nur für die erwies sich als ihre Stärke. Im Übrigen: Ich erinnere anderen. Der echte Prinz steht mich gern, mit welcher Kultur der Sensibilität Du, schon lange an ihrer Seite, wie liebe Cecilia, als Musiktheaterpädagogin die Produkauch jedes Kind im Publikum. tion schon von Beginn an mit Deiner Arbeit bereichert Ihre Stimme klingt so echt in hast. der Partitur, im Kontrast zu den spitz charakterisierten Hofleuten.

WA: Wiebke Renner


Timo Handschuh

Spaß mit James Bond und Claudio Monteverdi D

as Filmmusikkonzert Helden ist eines der wenigen Konzerte, die speziell für Jugendliche konzipiert sind. Das Besondere daran ist, dass eine große Bandbreite an Stücken gespielt wird, von der Musik aus Fluch der Karibik über Dmitri Schostakowitsch bis zurück in die Zeit von Claudio Monteverdi. Timo Handschuh war damals als Musikalischer Leiter und Dirigent des Konzertes auch an der Konzeption beteiligt.

Welche Qualitäten sollte ein Konzert für Jugendliche im Unterschied zu dem für Kinder mitbringen? Kinder bis zur 3. Klasse interessieren sich eher für märchenhafte Musik, wie z. B. Stücke von Maurice Ravel oder Antonín Dvorˇák. Musik wirkt ganz unmittelbar auf Kinder, zu große Lautstärke würde ihnen Angst machen. Für Jugendliche muss es allerdings mehr zur Sache gehen mit bombastischem Schlagwerk und »fetten« Bläsern. Sie erinnern sich an den Film und so entstehen Bilder im Kopf.

Unter welchen Kriterien haben Sie das Programm zusammengestellt? Es war uns wichtig, dass das Konzert einen großen Querschnitt von dem zeigt, was das Stuttgarter Staatsorchester alles kann, obwohl man es ihm im ersten Moment vielleicht nicht zugetraut hätte. Mit diesem vielfältigen Programm wollten wir Jugendliche letztlich auch Sie müssen sich also immer bewusst sein, vor für die klassische Musik begeistern. welchem Publikum Sie dirigieren und welches Sie Die Filmmusik kann ein gutes Mittel erreichen möchten. Aber auch für das Orchester sein, um an die Zielgruppe heranzu- war dieses Programm sicher nicht alltäglich. kommen. Wenn das Interesse geweckt Ja, ich hatte mir zuerst Sorgen gemacht, dass die ist, kann man auch in die »Klassik« Orchestermusiker die Filmmusik eher für oberzurückgehen. flächlich halten und sie sich mehr auf den selten gespielten Richard Strauss freuen. Aber genau das Gegenteil war der Fall: Die Musiker hatten wahnsinnig viel Spaß an der Filmmusik, was mich bei den Proben sehr positiv überrascht hat.

136

Timo Handschuh ist Generalmusikdirektor am THEATER ULM sowie Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des SÜDWESTDEUTSCHEN KAMMERORCHESTERS PFORZHEIM.

Das Gespräch mit Timo Handschuh führte Julia Maschke.


Präsentation

Herr Trommler

nach dem Märchen »Der Trommler« der Brüder Grimm KINDERCLUB DER JUNGEN OPER

Friederike Foth, Agatha Kokic, Katharina Lerche, Rahel Jung, Lea Koschel, Friedrich Vorbeck, Antonia Michel, Paula Janser, Luisa Schröter (SPIELLEITUNG UND DRAMATURGIE Johannes Rieder) Foyer des Kammertheaters Freitag, 27. Juni 2010 Präsentation

Memento Mori, Baby!

Gerd Barsch, Michael Barsch, Sabine Barsch, Sabine Bösel-Schuh, Sabine Fischer, Michael Isermann, Nana Just, Ursula Kern, Gudrun Mack, Susanne Rüdisühli, Karin Sacher-Zaki, Ulrike Schumacher (SPIELLEITUNG Johannes Rieder)

Kinder im Opernhaus

»ALTE« JUNGE OPER

PREMIERE

Alte Musikhochschule Samstag, 17. Juli 2010 Jugendkonzert von 11–16 Jahren

Helden

MUSIKALISCHE LEITUNG Timo Handschuh // SOLISTIN Catriona Smith // MODERATION Marietta Meguid, Christoph Sökler // STAATSORCHESTER STUTTGART PREMIERE

Schauspielhaus Dienstag, 20. Juli 2010 Sitzkissenkonzert

Die Schliefernasen und der kleine Mruschel

TÄNZERIN/CLOWNIN Raija Siikavirta // GAMBE/E-GAMBE Jörg Meder WIEDERAUFNAHME

Opernhaus Foyer III. Rang Mittwoch, 29. September 2010 Elena Kats-Chernin

The Rage of Life – Lebenswut

Libretto von Igor Bauersima Ein Auftragswerk der Staatsoper Stuttgart in Koproduktion mit der Vlaamse Opera Antwerpen/ Gent DEUTSCHE ERSTAUFFÜHRUNG

Kammertheater Stuttgart Freitag, 12. November 2010

137


190

Iestyn Morris


Blick 191

von

Aussen


H

at das Erzählen mit den musikalischen und dramatischen Mitteln des Theaters in den letzten Jahren eine ungeheure Vielfalt an Formen und Gestaltungsmöglichkeiten herausgebildet, so wurde das facettenreiche Erscheinungsbild des zeitgenössischen Musiktheaters für ein junges Publikum durch die Arbeit in Stuttgart maßgeblich mitgeprägt. Aufgrund einer gewissen Not an geeigneten Stücken und Stoffen, die für Kinder und Jugendliche heutzutage interessant sind, setzte der Spielplan, neben bestehenden Werken des traditionellen Werkkanons (wie Purcells Dido and Aeneas oder Tochs Die Prinzessin auf der Erbse) immer wieder auf Neukompositionen (u. a. Juliane Kleins Der unsichtbare Vater oder Johannes Harneits Alice im Wunderland), deren kompositori-

200

jüngsten Produktionen: So wurden die letzten beiden partizipativen Musiktheaterprojekte in der Zusammenarbeit von Musikern, Regie, Theater- und Sozialpädagogen mit den Kindern und Jugendlichen entwickelt, wobei in Nimmerland blinde und sehende Kinder und Jugendliche beteiligt waren, in Smiling Doors viele Darsteller einen unmittelbaren Bezug zur Krebserkrankung hatten. In beiden sches und theatrales Potenzial nicht zuletzt auch durch die intime Produktionen entstanden einfühlsame, Raumsituation des Kammertheaters in seiner unmittelbaren Wir- nachdenkliche Geschichten, die nicht kungsintensität befördert wurde. Die Bandbreite gespielter Werke nur die beteiligten jungen Menschen spiegelt dabei eine Freude am Experimentieren mit dem Erzählen auf der Bühne, sondern auch das junge und der formalen Gestaltung wider. Neben den aktionsreichen und erwachsene Publikum berührten. Geschichten der Kinderopern Der 35. Mai (Violeta Dinescu) oder Bei allen diesen Projekten der verganPeter Pan (Richard Ayres) finden sich freie musikalische Formate genen zwanzig Jahre eröffnen die Mittel wie etwa Leonard Evers’ musikalisches Erzähltheater für Schlag- des Musiktheaters einen künstlerischen zeug und einen Sänger Gold oder die Medienoper stop listening start und zwischenmenschlichen Dialog für screaming (Jorge Sánchez-Chiong), in der vorproduziertes Tonma- die Auseinandersetzung von Gefühlen, terial mit Live Musik und auskomponiertem Material verbunden Sehnsüchten, eigenen Fähigkeiten und wird. Die Spielvorlage wiederum entstand als eine Art Kollage aus Grenzen – aber auch für das UnsagbaRecherchen, Improvisationen und einem bestehenden Drehbuch re, das Nie-Gehörte und Noch-nichtGesehene.

von Brigitte Wilfing in der kollektiven Zusammenarbeit von Regisseur, Dirigent, Komponist, Videokünstlern, Musikern und den jungen Darstellern. Viele Sujets dieser Auftragswerke stoßen dabei unmittelbar und auf ziemlich einzigartige Weise in die aktuelle Lebens- und Erfahrenswelt der Jugendlichen vor und befragen diese auf ihre musiktheatralen AusdrucksChristiane Plank-Baldauf möglichkeiten: Dabei werden Themen ist Dozentin für Theaterwissenschaft an der aufgegriffen wie mediale Realitäten LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN (stop listening …) oder auch die Welt der Video Games (Jennifer Walshes Die und lehrt im Studiengang Dramaturgie an Taktik). Die große Neugier und auch der THEATERAKADEMIE AUGUST EVERDING. der Mut bei der künstlerischen Arbeit mit und für junge Menschen – beides hat sich in den wechselnden Leitungsteams der Jungen Oper Stuttgart fortgeschrieben –, zeigt sich aber auch bei einigen der


Ariadne von Schirach

Musikalische Früherziehung oder wie das Kind zur Klassik kommt 201

M

eine Tochter mag Musik. Vielleicht mögen alle Babys Musik, aber sie scheint schon früh einen guten, sprich mir selbst ähnlichen Geschmack entwickelt zu haben und lässt sich unter anderem von Leonhard Cohen beruhigen. Doch mag sie Cohen, weil sie Cohen mag, oder mag sie ihn, weil wir Cohen mögen, und würde sich in einer anderen Familie auch von anderer Musik in den Schlaf wiegen lassen?

Wir alle wachsen in der Musikwelt unseres Zuhauses auf. Erst später begriff ich, dass die musikalischen Gewohnheiten meiner Eltern keine Notwendigkeiten, sondern bloß Möglichkeiten waren. Und doch gibt es eine tiefe Verbindung zu diesen ersten Erfahrungen – habe ich doch bei ihnen, mit ihnen Musik hören gelernt. Wenn ich auf meine kleine Tochter blicke, bin ich mir dieser Verantwortung bewusst. Sie wird begleitet von der mindestens ebenso starken Lust, Einfluss zu nehmen, die jungfräulichen Hörgänge meines Kindes in meinem Sinne zu prägen, natürlich nur zu ihrem Besten.

Mein Bruder und ich sind mit klassischer Musik aufgewachsen. Weil sich unsere Eltern trennten, als er sechs und ich elf war, hat er davon weniger mitbekommen. Trotzdem sind ihm die dröhnenden Arien aus Vaters Zimmer ebenso vertraut wie die zarteren Melodien, mit denen meine Mutter die Küche bespielte. Er kann damit nicht das Geringste anfangen. Ganz im Gegensatz zu mir. Dafür ist er ein Musikmensch geworden, während ich Musik allerhöchstens in homöopathischen Dosen vertrage. Vielleicht, weil sie mich zu sehr bewegt. Denn auch damals zu Hause war sie immer schon mehr als das, was man hören konnte.

Vielleicht auch nicht. Mein Musikgeschmack ist allenfalls eklektisch, und trotz aller Bemühungen gibt es keine zwingende Beziehung zwischen elterlichem Angebot und späterem Hörverhalten. Aber eine mögliche. Und deshalb läuft bei uns nicht nur die amerikanische Hip-Hop-Gruppe Wu-Tang-Clan, sondern auch Die Entführung aus dem Serail.

Meine Eltern waren wie viele aus ihrer Generation nicht besonders gut darin, über ihre Gefühle zu sprechen. Oder über ihre Bedürfnisse. Aber anders als bei ihren Eltern hatte das Unaussprechliche wenigstens einen Raum: die Musik.


Rückblick und Ausblick renommierter Künstler, Wissenschaftler und Förderer

9 78 3 899 86 2 6 8 3 >

Bis heute gehört die Junge Oper Stuttgart zu den Schrittmacherinnen partizipativen jungen Musik­theaters. Vor 20 Jahren gab es praktisch kein Repertoire für Kinder und Jugendliche, und aus dieser Not entstand eine der wesentlichen Tugenden der Jungen Oper: Sie entdeckte und beauftragte Stücke in einer konsequent zeitgenössischen Dramaturgie, durchwirkt von einem barocken roten Faden.

Tina Hartmann leitet den Studien­bereich »Literaturwissenschaft berufsbe­zogen« an der Universität Bayreuth. Einer ihrer Schwerpunkte liegt mit Goethes Musiktheater Anlässlich des Jubiläums schreiben die wich- (2004) und Grundlegung einer Librettotigsten Wegbegleiter*innen in Essays zur Ge- logie (2017) auf der literaturwissenschaftgenwart und Zukunft jungen Musiktheaters, lichen Opernforschung. Darüber hinaus erinnern ihre Zeit auf und hinter der Bühne verfasste sie zahlreiche Libretti. ihrer Jungen Oper – und haben Erstaunliches zu berichten!

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Eine Pionierin des Musiktheaters für Kinder und Jugendliche

Hg. Tina Hartmann

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