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„Den Großteil brauchen wir für Luft- und Schifffahrt“

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Endlich wieder

Endlich wieder

Dipl.-Ing. Jürgen Rechberger ist Vice President, Business Field Leader – Hydrogen & Fuel Cell bei AVL List und verantwortlich für die E-Fuel-Anlage in Graz. Im A&W-Interview spricht er über Status, Potenziale und Herausforderungen.

wird, es gibt keinen logischen Grund, das nicht zu tun. Ob der Treibstoff dann in großen Mengen für die On-Road-Verwendung zur Verfügung steht, ist eine ganz andere Frage. Wir brauchen alles für Luft- und Schifffahrt, und schon das wird eine irrsinnige Herausforderung. In Europa muss es der absolute Fokus bleiben, batterieelektrische Pkw voranzutreiben.

AVL ist nah an den Herstellern. Wird die E-Fuels-Entscheidung die Strategien ändern?

Rechberger: Auch bei den Herstellern liegt der Fokus auf dem batterieelektrischen Antrieb. Die Entscheidung wird keine Renaissance beim Verbrennungsmotor auslösen, es wird nach unserer Einschätzung keine Strategie-Änderungen bei den Herstellern geben. Wir glauben auch, dass der Individualverkehr mit E-Mobilität für den Konsumenten wesentlich günstiger ist als mit Verbrennern und E-Fuels. Wie gesagt, beim Automobil sehen wir E-Fuels als positiv für den Bestand, den wir bis 2050 oder 2060 haben werden. Da macht es absolut Sinn.

Die E-Fuels-Herstellung benötigt sehr viel Energie. Es wird aber argumentiert, dass es bei dem Überfluss an Energie in den interessanten Regionen keine Rolle spielt.

Jürgen Rechberger, AVL

A&W: Die Bindung von CO2 im Produktionsprozess ist die Voraussetzung für die Klimaneutralität von E-Fuels. Welche Möglichkeiten gibt es hier, mit welchen Vor- und Nachteilen? Dipl.-Ing. Jürgen Rechberger: In Graz verwenden wir biogenes CO2, also CO2 aus Biomasse. Das ist allerdings nur begrenzt verfügbar. Vor allem in den Regionen, in denen viel Energie zur WasserstoffProduktion vorhanden ist, gibt es keine Biomasse. Weiters gibt es die Möglichkeit, mittels CarbonCapture CO2 abzufangen, das direkt bei einer industriellen Produktion entsteht. Das Problem ist, dass die EU mit ihren Regulatorien CO2-Punktquellen ab 2040 verbietet. Es wird also keine MilliardenInvestitionen in solche Anlagen geben, wenn Carbon-Capture bald wieder verboten wird. Bei Direct-Air-Capture wird CO2 aus der Umgebungsluft verwendet. Das ist der langfristig angestrebte Prozess, ist derzeit aber noch nicht skalierbar und bislang nur auf Prototypen funktionsfähig. Es gibt noch keine großindustrielle Produktion mittels Direct-Air-Capture, das wird frühestens 2030 für die Industrialisierung reif sein. Das ist der riesige Flaschenhals in der E-Fuels-Erzeugung. Es braucht aber eine Industrialisierung für Direct-Air-Capture, um wirklich zu produzieren, das ist noch nicht passiert. Aktuell sind diese Systeme noch sehr teuer und kosten derzeit 300 bis 600 Euro pro Tonne CO2, das sind bis zu 2 Euro pro Liter E-Fuel nur aus dem Titel CO2. Daher kann das nicht fliegen.

Was bedeutet die Zulassung von Verbrennungsmotoren mit E-Fuels auch nach 2035?

Rechberger: Wir halten es für positiv, dass der Verbrennungsmotor mit E-Fuels als klimaneutral anerkannt

Rechberger: Die energieintensive Produktion hat zwei Nachteile: 1. überträgt sich das auf die relativ hohen Herstellungskosten und 2. werden dadurch auch erhebliche Ressourcen für die Herstellung benötigt – wie Elektrolyseanlagen, die in den nächsten 10 – 15 Jahren definitiv ein knappes Gut sein werden. E-Fuels sind essenziell für die Dekarbonisierung von Luftfahrt und Schifffahrt. Wir können nicht zulassen, dass die Dekarbonisierung dieser Sektoren gefährdet wird! Die Produktion von E-Fuels steht auch im Wettbewerb um Ressourcen mit allen anderen wasserstoffintensiven Branchen wie Energie und Industrie. Momentan stehen Projekte für eine Elektrolyseleistung von 1000 GW in der Pipeline, nur für Wasserstoff. Die aktuelle Produktionskapazität der globalen Elektrolysehersteller liegt bei ungefähr 3 GW pro Jahr. Diese Produktionskapazität wird ganz sicher massiv auf 30 bis 50GW pro Jahr ausgebaut werden, trotzdem werden nicht die benötigten Kapazitäten zur Verfügung stehen, um im großen Stil E-Fuels zu produzieren – parallel zum Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft.

Es wäre verheerend, E-Fuels in Autos einzuführen, aber gleichzeitig die Stahlproduktion aufgrund der begrenzten Ressourcen nicht zu dekarbonisieren.

E-Fuels in der Straßenmobilität sind nur sinnvoll für Bestandsflotten und um Lücken der Elektromobilität zu schließen, weil sonst die Dekarbonisierung aufgrund begrenzter Ressourcen für andere Bereiche nicht möglich ist. Daher brauchen wir einen ausgewogenen Ansatz und müssen unsere Maßnahmen verstärken, um die Elektromobilität noch attraktiver zu machen und ihre Einführung zu beschleunigen.

Warum sind E-Fuels beim Pkw – trotz der Knappheit – so ein begehrtes Thema?

Rechberger: Die Wertschöpfung rund um den Verbrennungsmotor halten viele für wichtig. Das ist aber zweischneidig, da wir viel mehr gefordert sind, neue Wertschöpfungsketten in den neuen und zukunftsträchtigen Technologien aufzubauen. Wir müssen daher vor allem unsere Aufmerksamkeit darauflegen, in den neuen Zukunftstechnologien führend zu werden. Verbrennungsmotoren werden ja nicht von der Bildfläche verschwinden, es gibt viele Anwendungen, wo sie langfristig im Einsatz bleiben werden.

Wo werden die Preise liegen?

Rechberger: Im vollindustrialisierten Ausbau können wir auf 1,5 Euro reine Produktionskosten pro Liter E-Fuel kommen! Mit Direct-Air-Capture wird der Preis etwas darüber liegen, ohne DAC vielleicht etwas darunter. Das sind reine Produktionskosten, bei denen die Investition in die Anlage mitgerechnet ist, aber ohne Margen für Hersteller, Handel und Logistik, ohne Transportkosten und ohne Steuern.

Mit welchen Mengen rechnen Sie?

Rechberger: 2030 werden wir nur homöopathische Mengen zur Verfügung haben, 2035 können wir 1 bis 2 Prozent des Verbrauchs in Europa verfügbar machen. Es wird oft nicht verstanden, wie viel Energie hier benötigt wird. Nur um den Benzin- und Dieselbedarf in Österreich mit E-Fuels zu decken, würde

Unter der Leitung von Dipl.-Ing. Jürgen Rechberger baut AVL List mit Partnern in Graz eine der modernsten E-Fuel-Anlagen man 32 GW erneuerbare Energie benötigen. Das wären etwa 9.000 Windräder im windreichen Patagonien oder anders ausgedrückt 3-mal so viel Strom, wie wir heute in einem Jahr verbrauchen. Viel mehr Windräder hätten in Patagonien vermutlich gar nicht Platz, und das wäre nur für Österreich. • (GEW)

Eröffnung der Anlage in Graz: DI Jürgen Rechberger, Prof. Helmut List (CEO AVL List GmbH), MMag. Barbara Eibinger-Miedl (Wirtschaftslandesrätin Steiermark), Mag. Jürgen Roth (Fachverbandsobmann Energiehandel WKO und Vorstand der eFuel Alliance Österreich)

Die Langfassung des Interviews lesen Sie unter www.autoundwirtschaft.at/ antriebswende

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