Meteo Spezial D

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SPEZIAL Moderne Wetterprognose | Numerische Wettermodelle | Wie entsteht eine Wetterprognose bei MeteoSchweiz? | Grenzen von Wettermodellen | RASP | Soaringmeteo.ch | Alpines Pumpen | Hängegleiter-Meteoprognose für «heute», «morgen» und das «Weekend»


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Editorial Das Wetter – unsere Motivation, unser Wegweiser und «Motor»

Chrigel Maurer

Hast du dich schon mal gefragt, was unseren Hängegleitersport so spannend macht? Mir sind als Antwort die unzähligen Möglichkeiten eingefallen, die uns unser Sport bietet; die unglaubliche Freiheit und die Abwechslung. Abwechslung vor allem deshalb, weil sich praktisch jeder Tag anders anfühlt und die unterschiedlichsten Möglichkeiten bietet. Weshalb? Wegen des Wetters! Das Wetter – oder genauer: der Wetterbericht – ist es auch, das meine Erwartungen an einen Flug höher oder tiefer (f)liegen lässt. Und ja, nicht selten bin ich dann in der Luft froh darüber, dass ich mich am Morgen, oder auch noch am Startplatz, genau darüber informieren konnte, was mich in der Luft oben erwartet. Gerade beim X-Alps wurde mir wieder bewusst, in welchem Ausmass wir doch bei unseren taktischen Entscheidungen vom Wetterbericht abhängig sind. Anders als bei «normalen Tagesausflügen» benötigten wir nämlich beim X-Alps bereits drei oder vier Tage im Voraus genaue Infos über die Wetterverhältnisse. Zum Beispiel: Fliegt es besser auf der Alpensüd- oder auf der Alpennordseite? Ein falscher Entscheid und... zu Fuss ist man gaaanz langsam unterwegs. Man kann ja nicht flexibel irgendwohin fahren, wo das Wetter am besten ist, um den optimalen Flug zu starten. Schliesslich macht es aber die Mischung aus zwischen Wissen und Flugpraxis, welche es mir ermöglicht, dass ich meine Ziele verfolgen kann. Vom Wetterbericht her weiss ich, wie der Tag werden soll – daraus bilde ich mir ein «Soll-Bild» und speichere es ab. Mit diesem Soll-Bild im Hinterkopf wähle ich den Startplatz und den Startzeitpunkt aus. Auf dem Weg zum Startplatz schaue ich mich dann um nach Anzeichen, wie der Tag nun wirklich ist – und mache mir ein «Ist-Bild». In der Luft fliege ich dann vor allem nach diesem Ist-Bild, das ich in der Realität antreffe. Soll- und Ist-Bild vergleiche ich aber ständig. Das hilft mir, den Flug erfolgreich und sicher durchzuführen. Für unsere Flugplanung sind wir daher in hohem Mass abhängig von zuverlässigen Wetterprognosen. Wie aber kommen wir zu den besten Informationen? Welches sind die besten Prognosemodelle? Wo liegen ihre Stärken und Schwächen? In dieser Sonderausgabe des «Swiss Glider» – zum 40-Jahr-­ Jubiläum des SHV – möchten wir aufzeigen, wie solche Prog­ nosen entstehen und wie sie zu interpretieren sind. Viel Spass bei der Lektüre!

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METEO SPEZIAL | 2014

Thomas Oetiker

Meteo Spezial ist eine Sonderausgabe des «Swiss Glider» zum 40-Jahr-Jubiläum des Schweizerischen Hängegleiter-Verbandes SHV. Herausgeber Schweizerischer Hängegleiter-Verband SHV Seefeldstrasse 224, 8008 Zürich, Tel. 044 387 46 80, Fax 044 387 46 89, www.shv-fsvl.ch, info@shv-fsvl.ch Redaktion Martin Scheel, 7000 Chur, Tel. 081 250 25 10, mscheel@azoom.ch Thomas Oetiker, Tel. 071 222 40 68, swissglider@shv-fsvl.ch Inserate Schweizerischer Hängegleiter-Verband SHV, Jan Stuessi, Tel. 044 387 46 88, Fax 044 387 46 89, info@shv-fsvl.ch Druck FO-Zürisee, Spittelstrasse 22, 8712 Stäfa, Tel. 044 928 53 53, Fax 044 928 53 54, www.fo-zuerisee.ch Layout azoom.ch, Janne Egli, Martin Scheel, Sara Widmer 7000 Chur, info@azoom.ch Übersetzung Anita Comisetti, David Fouillé An dieser Nummer haben mitgearbeitet Martin Gassner, Daniel Gerstgrasser, Lucian Haas, Christian Maurer, Jean Oberson, Roger Oechslin, Martin Scheel, Reto Stauffer, Michael Winkler Fotos David Birri, Andy Busslinger, Urs Haari, Luc Hensch, Urs Nadler, Martin Scheel, Thomas Oetiker, Dietmar Tschabrun, Alain Zenger Titelbild: Martin Scheel


INHALT 4

Moderne Wetterprognose Grundlagen der Wetterprognosen Michael Winkler, Meteorologe ZAMG Wetterdienststelle Innsbruck

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Numerische Wettermodelle

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Wie entsteht eine Wetterprognose bei MeteoSchweiz

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Grenzen von Wettermodellen

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RASP und seine schönen Töchter

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Soaringmeteo.ch

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Alpines Pumpen

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Hängegleiter-Meteoprognose für «Heute», «Morgen» und das «Weekend»

Ein Überblick über die Modelle und wie sie verknüpft sind Martin Scheel, Teamchef Gleitschirm Nationalmannschaft Daniel Gerstgrasser, Meteorologe Meteoschweiz Zürich-Flughafen und Gleitschirmpilot Reto Stauffer, Universität Innsbruck Roger Oechslin, Meteorologe Meteotest Bern, Gleitschirmfluglehrer Flugbasis Spiez, Meteo-Experte Grundlagen zu Blipmaps und RASP Lucian Haas, Wissenschaftsjournalist und Herausgeber des Blogzines www.lu-glidz.blogspot.com Soar-WRF: eine Schweizer Entwicklung! Jean Oberson, Betreiber von soaringmeteo.ch Regionale Besonderheiten und Unterschiede aufgrund der Wetterlagen Martin Gassner, Meteorologe, Delta- und Gleitschirmpionier Martin Scheel, Teamchef Gleitschirm Nationalmannschaft

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Moderne Wetterprognose Michael Winkler, Meteorologe, Glaziologe und Berg­ & Skiführer. Hauptberuflich arbeitet er bei der ZAMG Wetterdienststelle in Innsbruck.

Martin Scheel

Es ist zwar unromantisch, dafür aber eine Tatsache, dass vor dem PC sitzende Meteorologen das Wetter der nächsten Tage besser vorhersagen können, als jeder noch so gute Wetter-Freak, der ausser dem Blick aus dem Wohnzimmerfenster, einem Barometer mit gekrümmter «Regen-Wechselhaft-Sonne-Aufschrift» und

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einem Thermometer im Einflussbereich der Terrassentür nichts zur Verfügung hat. Warum das heutzutage so ist und warum uns der Wetterbericht trotzdem manchmal das Blaue vom Himmel erzählen muss(!), das soll hier erläutert werden.


Computermodelle - die Werkzeuge der Meteorologen Dies ist ein Text über Wetterprognose und nicht über das Wetter an sich. Nur in Abb. 1 sei kurz auf eine wesentliche «Eigenschaft» des Wetters eingegangen, und zwar deshalb, weil diese Skizze hervorragend demonstriert, warum weltum­ spannende Computermodelle in der modernen Meteorologie unverzichtbar sind: Wir wohnen in den mittleren Breiten, über unseren Köpfen befindet sich ein Starkwindband, das laufend versucht, den Energieüberschuss in den Tropen und den Ener­ giemangel an den Polen auszugleichen. Dieser sogenannte Jetstream mäandert dabei in ca. zehn Kilometern Seehöhe und mit einer Geschwindigkeit von rund 300 km/h von West nach Ost. Er sorgt dafür, dass das Wetter, mit dem wir heute in den Alpen zurechtkommen müssen, typischerweise bereits vor fünf Tagen über dem Ostpazifik seinen «Ursprung» ge­ nommen hat (Abb. 1). Wie um Himmels willen soll daher Omas Ischiasnerv wissen, wie das Wetter in fünf oder sieben Tagen sein wird, wenn es doch in erster Linie darauf ankommt, den Ist-Zustand tausende Kilometer entfernt zu kennen? Für mittelfristige Vorhersagen (Vorhersagen für zirka zwei Tage bis maximal zwei Wochen voraus) müssen die Verhältnisse in der Atmo­

sphäre weltweit(!) genau angeschaut werden, und von dieser Bestandsaufnahme ausgehend kann in die Zukunft gerechnet werden. Die physikalischen Prozesse in der Atmosphäre sind zwar komplex, im Wesentlichen aber schon lange bekannt und mit mathematischen Gleichungen beschreibbar. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorher­ sage (ECMWF) mit Sitz in Reading bei London betreibt das mo­ mentan wahrscheinlich beste der globalen, also weltumspan­ nenden Wettermodelle und stellt die Ergebnisse laufend den staatlichen Wetterdiensten in Europa (u.a. der MeteoSchweiz) zur Verfügung. Es gibt auch einige durchaus hochwertige Alternativen zum ECMWF-Modell, allen voran das US-ame­ rikanische GFS-Modell. Für viele private Wetterfirmen sind kostenpflichtige Modelle wie das des ECMWF unerschwing­ lich, das GFS-Modell kann jedoch von jedem kostenlos und recht unkompliziert genutzt werden; alle Daten sind über das Internet abrufbar. Jedes dieser Wettermodelle wird mithilfe von Hochleistungscomputern gerechnet. Der am ECMWF seit Kurzem in Betrieb befindliche Supercomputer rangierte bei seiner Einführung etwa auf Platz 35 der weltweit schnellsten Rechner und «beschäftigt» ca. 25 000 wassergekühlte CPUs.

Abb. 1: Das Wetter in Mitteleuropa lässt sich im Allgemeinen auf Entwicklungen zurückführen, die Tage zuvor tausende Kilometer weiter westlich stattgefunden haben. Was sich im Wettersystem über dem Osten Nordamerikas tut, ist typischerweise drei Tage später bei uns wirksam (D-3). Dasselbe gilt für Vorhersagefehler! So können in seltenen Fällen Fehlprognosen in Mitteleuropa auf Probleme bei der Bestimmung des Zustands 7 Tage zuvor über dem Westpazifik zurückgeführt werden (D-7). Grund dafür ist der Jetstream, der die «Wetterinformation» rund um den Globus transportiert. Im Winter (blauer Pfeil) befindet er sich weiter südlich als im Sommer (oranger Pfeil). Er wird laufend von tropischen Wetterentwicklungen beeinflusst (grüne Pfeile). © ECMWF

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Die Bestimmung des Ist-Zustands Das Gerücht, dass sich Meteorologen für die Wetterprog­ nosen in erster Linie Messungen von Wetterstationen und Satellitenbilder anschauen, hält sich hartnäckig. Der geschulte Blick auf diese Produkte lässt zwar Schlüsse auf die Ent­ wicklung der nächsten Stunden zu, darüber hinaus ist deren Aussagekraft aber gering. Spätestens ab dem zweiten Tag der Prognose werden ausschliesslich Wettermodelle interpretiert. Es sind also heutzutage nicht nur die ortskundigen Wetter­ kenner bei der Mittelfristprognose den Modellen unterlegen, sondern auch die erfahrensten Meteorologen. Nichtsdesto­ trotz sind Messungen auch für mittelfristige Vorhersagen enorm wichtig, denn sie bilden das Rückgrat eines jeden Wet­

Automatische Station

termodells. Alle numerischen Wetterprognosen stützen sich nämlich auf den Ist-Zustand der Atmosphäre, des Bodens und des Ozeans. Je genauer dieser durch Messungen bestimmt wurde, desto besser ist die Prognose. Aus diesem Grund wird ein enormer Aufwand betrieben, alle möglichen Daten zu sammeln und die Modelle damit zu füttern. Während dieses Prozesses – der sogenannten Datenassimilation – werden zigmillionen Messungen aus aller Welt gesammelt. Am ECMWF kommen dabei rund 90% der täglich gesammelten Daten von Satelliten. Konventionelle Messungen von Tausen­ den Bodenstationen, Radiosonden, Bojen, Schiffen, Flugzeu­ gen usw. machen nur rund einen Zehntel aus. Ihnen wird

Polarumlaufende Satelliten

Geostationäre Satelliten Flugzeug

Meteorologisches Satellitenzentrum Wetterradar Wetterschiff

Bojen SatellitenEmpfangsstation

Bodenstation

Aerologische Station

Nationaler Wetterdienst

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Abb. 2 a und b: Darstellung der unterschiedlichen Datenquellen für Wettermodelle, die den Zustand der Atmosphäre messen. Das Säulendia­gramm zeigt, wie viele Messdaten das ECMWF von welchem System verwendet. Die komischen Abkürzungen stehen alle für irgendwelche Sensoren auf irgendwelchen Satelliten. Mit «Conventional» sind alle Messungen von Bodenstationen, Radiosonden, Bojen, Schiffen, Flugzeugen usw. gemeint und man sieht, dass diese in der Summe nur einen kleinen Teil ausmachen. Aufgrund ihrer hohen Verlässlichkeit sind diese «konventionellen Messungen» dennoch äusserst wichtig. Quelle, oberes Bild: www.dwd.de; unteres Bild: © ECMWF


aber aufgrund ihrer hohen Genauigkeit deutlich mehr Gewicht als den Satellitendaten zugeschrieben, und deshalb werden sie auch weiterhin einen wesentlichen Beitrag für die Wettervor­ hersage liefern (Abb. 2). Auf diese Weise wird eine sogenannte Analyse der aktu­ ellen, weltweiten Wettersituation erstellt. Als Beispiel sei hier

erneut das aktuelle ECMWF-Modell erwähnt, für das alle sechs Stunden eine solche Analyse gemacht wird: Für ein globales 16×16-km-Raster mit 137 verschiedenen Höhenniveaus stehen dann für jeden Modellgitterpunkt die Werte von Luftdruck, Temperatur, Wind, Feuchtigkeit und vielen anderen Variablen zur Verfügung (Abb. 3).

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Andy Busslinger

Abb. 3 a und b: In einem numerischen Wettermodell ist die ganze Welt in ein Raster aufgeteilt. Der horizontale Abstand der einzelnen Gitterpunkte beträgt bei weltumspannenden Modellen typischerweise 10–30 Kilometer. In der Vertikalen haben die Modelle mittlerweile teilweise über 100 Niveaus, die von der Erdoberfläche beginnend bis ganz weit in den Himmel hinauf verteilt sind. © ECMWF


Die Prognose Nach der Datenassimilation und der Bestimmung der weltweiten Wettersituation folgt die Berechnung der weiteren Wetterentwicklung auf Basis von teilweise sehr komplexen physikalischen Gleichungen. Spiessen tut es sich dabei im Detail, genauer gesagt bei der Beschreibung von Prozessen, die kleiner sind als das Modell auflösen kann. Zu diesen sogenannten subskaligen Prozessen gehört etwa die Konvektion, die sich am anschaulichsten bei guter Thermik und Wärmegewittern zeigt. Thermikschläuche und Gewit­ terzellen haben eine Ausdehnung von ein paar Dutzend Metern bzw. wenigen Kilometern und können daher von einem globalen Modell nicht erfasst werden. Die Meteorolo­ gen begegnen diesem Problem mit einer Art Trick, bei dem sie dem Modell die sub­skaligen Prozesse quasi aufs Auge drücken oder – richtig ausgedrückt – sie parametrisieren. Ein weiteres Problem, das mit der Modellauflösung zusam­ menhängt, betrifft die Gebirgsgegenden besonders stark. Obwohl bereits «hochauflösend» ist etwa das 16×16-kmGitternetz des ECMWF-Modells noch viel zu grobmaschig, um die Topographie von Gebirgen genau abzubilden. Gebirge sind aber wichtige Komponenten im Wettergeschehen, denn bekanntlich beeinflussen sie es entscheidend (man denke an den Föhn!). Meteorologen müssen sich zum Beispiel

Abb. 4: So oder so ähnlich sieht ein Wettermodell aus, wenn es dann fixfertig am PC erscheint. Hier sieht man den Alpenbogen während einer Situation, bei der sich Wolken von Nordwesten an den Alpen anstauen, und es zu sogenannten Stauniederschlägen kommt (blaue Färbung). Gleichzeitig tritt südlich der höchsten Gebirgsgruppen Föhn auf (gelb-rote Färbung für die Stärke der Windböen). Das Höhendruckfeld ist hier durch die roten Linien angezeigt.© ECMWF ecCharts

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im Klaren darüber sein, dass Grindelwald in der ECMWFModellwelt statt auf 1000 m auf 2270 m liegt – und zwar am «Nordwesthang» des Berner Oberlands. Das Aaretal ist zwischen Thun und Bern nur eine seichte Rinne, und das Rhonetal ähnelt mehr einer Verflachung nordwestlich der höchsten Walliser Berge als einem Tal; der Simplonpass ist als Übergang ins Val d’Ossola aber angedeutet. Trotz dieser durch die Modellauflösung bedingter Schön­ heitsfehler wird von den verschiedenen Rechenzentren typischerweise 10–15 Tage in die Zukunft simuliert, und weil es sich um globale Modelle handelt, stehen die Prognosen dann auch für jeden (Gitter)Punkt auf der Erdoberfläche zur Verfügung (Abb. 4). Dabei hat die Qualität der Prognose kaum etwas mit der Abgeschiedenheit der Region zu tun, da das Fehlen von Messwerten vor Ort dank Satelliten und dem in Abb. 1 dargestellten Effekt nicht übermässig relevant ist. Erfahrung in der Prognose von «Hängegleiterwetter» ist bei den beratenden Meteorologen allerdings zwingend notwendig und selbstverständlich wäre Ortskenntnis von Vorteil. Allerdings muss man ganz klar festhalten, dass ein Gebirgsmeteorologe das Wetter in einem für ihn unbe­ kannten Gebiet in den Alpen nicht viel besser vorhersagen kann als etwa für eine Himalajaregion. Letztlich lassen sich


Die Unsicherheiten im Modell und was getan wird, um diese zu verkleinern drei Unsicherheitsfaktoren in der modernen, computerge­ stützten Wetterprognose definieren: 1. Die Analyse des aktuellen Zustands der weltweiten Atmo­ sphäre ist lückenhaft und fehlerbehaftet. Deshalb startet jedes Wettermodell bereits mit einem nicht ganz richtigen Ausgangszustand. 2. Das Wettergeschehen ist chaotisch, die grundlegenden Zusammenhänge sind «nicht-linear». Das bedeutet, dass kleine Abweichungen im Anfangszustand nach einer bestimmten Zeit enorme Auswirkungen auf das Ergebnis haben können. (Zitat Edward N. Lorenz, Meteorologe und Begründer der Chaostheorie: «Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?») 3. Die Rechenleistung der verwendeten Computer ist immer noch zu schwach. Die globalen Modelle haben heute hori­ zontale Auflösungen von bestenfalls zehn Kilometern, und daher sind viele Prozesse gar nicht und die Topographie der Erdoberfläche nur ungenügend aufgelöst.

EPS Meteogram Solothurn 47.46°N 7.5°E (EPS land point) 435 m Extended Range Forecast based on EPS Distribution Monday 2 December 2013 12 UTC Daily mean of Total Cloud Cover (okta) 8 6 4 2 0

Total Precipitation (mm/24h) 8 6 4

Diese drei Gründe für Unsicherheiten in der Wetterprognose sind teilweise miteinander verknüpft, und sie werden alle­ samt nie ganz beseitigt werden können. Vor allem der zweite Punkt, das Chaos im Wettergeschehen, ist ein naturgegebenes Faktum, das die perfekte Vorhersage unmöglich macht. Es lässt sich sogar mathematisch zeigen, dass spätestens nach zwei, drei Wochen eine Wetterprognose unmöglich ist. (Nicht so die Klimaprognose – das ist etwas völlig anderes!) Aufgrund dieses chaotischen Wesens des Wetters ist es logisch, ja sogar «statistisch notwendig», dass der Wetterbericht hie und da nicht stimmt! Die Meteorologen wissen das, und die Forscher und Entwickler der Computermodelle arbeiten laufend an Methoden, mit deren Hilfe man die Unsicherheiten nicht nur verkleinern, sondern – noch wichtiger – sie auch quantifizieren kann. Eine gute Prognose ist eine Prognose, bei der die Ungenauigkeiten angegeben sind! Seit der Einführung der Supercomputer in der Wettervorher­ sage ist ihre Qualität massiv gestiegen, und das Ende dieser Entwicklung ist vermutlich noch lange nicht erreicht. Die Bedeutung aller drei Unsicherheitsfaktoren sinkt stetig. Damit die Analysen des Ist-Zustands genauer werden, wird viel Geld und Aufwand in die Verbesserung des weltweiten Messnetzes gelegt. Allen voran entwickelt sich die Satellitentechnik rasant weiter, und es ist anzunehmen, dass dadurch noch «viel zu holen» ist. Auch der Umstand des Chaos wird nicht ignoriert, sondern man versucht, durch raffinierte Methoden abzuschät­ zen, wie genau die Prognosen sind. Sogenannte Ensemble-Pro­ gnosen spielen dabei eine wichtige Rolle: Das globale Wetter­ modell des ECMWF zum Beispiel wird nicht nur einmal in der hochauflösenden Version gerechnet, sondern weitere 50 Mal in einer etwas niedrigeren Auflösung. Nach einem ganz bestimm­ ten, durchdachten Schema wird dabei jede dieser 50 Versionen mit absichtlich leicht veränderten Ausgangsbedingungen gestartet. Man simuliert so die Tatsache, dass die Bestimmung des Ist-Zustands fehlerbehaftet ist und erhält letztlich 50 un­ terschiedliche Prognosen (ein Ensemble eben). Die Grösse der Unterschiede zwischen diesen 50 Vorhersagen ist ein geniales Mass für die Unsicherheit der Prognose (Abb. 5).

2 0

Daily distribution of 10m Wind Direction

0%

25% 50% 75% 100%

Daily mean of 10m Wind Speed (m/s) 5 4 3 2

Abb. 5: Beispiel einer Punktprognose inklusive der Veranschaulichung der Unsicherheiten auf Basis der im Text beschriebenen Ensemble-Vorhersagen. Die abgebildete Graphik zeigt die 15-Tage-Modellprognosen für den Modellgitterpunkt, der Solothurn am nächsten liegt. Die Länge der Säulen ist ein Mass für die Unsicherheit der Prognose. Man erkennt etwa, dass die Entwicklung der Tiefsttemperatur (blaue Säulen im untersten Diagramm) für die nächsten drei Tage recht sicher ist, denn da sind die Balken kurz. Am vierten Tag ist der Tiefstwert unsicherer. Eine Flugwetter-Vorhersage nur auf Basis dieses Diagramms wäre unseriös, wenn nicht fahrlässig, aber die mittelfristige Entwicklung und vor allem die Treffsicherheit der Prognose lassen sich abschätzen. © ECMWF

1

2m min/max temperature (°C) reduced to the station height from 477m (T319) 6 3 0 -3 -6 -9 -12 -15 Mon 2

Tue 3

max 90% 75% median 25% 10% min Magics++ 2.8.1

Wed 4

Thu 5

Fri 6

Sat 7

Sun 8

Mon 9 Tue 10 Wed 11 Thu 12

December 2013

Fri 13

Sat 14

Sun 15 Mon 16

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Regionalmodelle

Schlussworte

Wie bei den Computern zuhause, steigt die Leistung auch bei den Supercomputern rasant an. Dadurch konnte die Modellauflösung in den letzten Jahren laufend verbessert werden. Bereits heute sind etwa die Gebirge in den Wettermo­ dellen deutlich realistischer vertreten als noch vor ein paar Jahren, und es ist zu erwarten, dass die heutigen Modelle in wenigen Jahren als völlig veraltet gelten werden. Ausserdem werden von den meisten Wetterdiensten sogenannte regio­ nale Modelle in die globalen Modelle eingebaut. Durch dieses sogenannte «Nesting» kann die Wetterprognose für kleinere Bereiche (z.B. die Alpen) in viel besserer Auflösung durchge­ führt werden (Abb. 6). Auf diese Weise lässt sich die Qualität der Wetterprognose vor allem in den Bergen weiter steigern, und es ist bereits möglich, z.B. einzelne Gewitterzellen und kleinere Täler aufzulösen. Für die Fliegerei in den Alpen sind diese «genesteten» Regionalmodelle heute Standard. Über sie wird man daher in dieser Ausgabe noch einiges lesen können! Allerdings stossen die Modellentwickler nun auf neue Probleme, wie etwa, dass die Prozesse in den Wolken oder zwischen Luft und Boden noch zu wenig gut verstanden sind – hier wird momentan fieberhaft geforscht. Die Gebirgs- und Flugmeteorologen werden also bis auf weiteres stark gefor­ dert sein, und Erfahrung und Ortskenntnis werden noch lange eine wichtige Rolle bei der Modellinterpretation spielen.

Wie gut die Modelle das Wetter vorhersagen können, wird laufend überwacht. Im Wesentlichen werden dabei die tatsächlich eingetretenen Messwerte mit den verschiedenen Vorhersagen verglichen. Abb. 7 zeigt, wie schnell die Qualität des globalen ECMWF-Modells in den letzten Jahren besser geworden ist. Auch wenn es uns manchmal nicht so vor­ kommt, aber es ist mehr oder weniger so, dass die Prognose um etwa einen Tag pro Jahrzehnt verbessert wurde. Irgend­ wann wird diese Entwicklung nicht mehr so rasch weiterge­ hen können; für 2020 ist jedoch damit zu rechnen, dass die Prognosengüte für Tag 5 gleich gut sein wird wie sie heute für Tag 4 ist. Das ist doch beachtlich, oder? 1990 konnte man am Montag das Wetter für Mittwoch ungefähr gleich gut vorher­ sagen, wie man es heute für Freitag kann. Kein Wunder, dass sich viele Menschen daran gewöhnt haben, eine halbwegs sichere 5-Tage-Prognose zu haben. Vor wenigen Jahren noch war man mit einer 3-Tage-Prognose zufrieden und hätte nicht im Traum daran gedacht, am Montag das Wetter des kommenden Wochenendes wissen zu wollen. Heute geht das manchmal! Das Wissen, wann das geht und wann nicht, wird aber nur selten von den Meteorologen wei­ tergegeben bzw. bleibt die Information über Unsicherheiten allzu oft hinter einfachen Wettersymbolen verborgen. Sowohl die Meteorologen als auch die Endnutzer sind aufgefordert, dieses Manko zu beseitigen. Die einen, indem sie ihre verschiedenen Vorhersage-Produkte als das verkaufen, was sie sind, und die anderen, indem sie das Vorhersage-Pro­ dukt ihren Anforderungen anpassen. Verschiedene Produkte erfüllen verschiedene Zwecke. Je anspruchsvoller der Zweck, desto besser muss das Produkt sein, und wenn es, so wie beim Fliegen, um Erlebnis und Sicherheit geht, dann gehört zweifellos auf hochwertige Wetterprognosen zurückgegriffen.

Abb. 6: Durch mehrfaches «Nesting» eines regionalen Wettermodells, um ComputerRessourcen zu sparen, wird die Auflösung des Modells stufenweise verbessert. Jedes Rechteck umfasst ein Modellgebiet: je kleiner, desto besser die Auflösung. Wer genau hinsieht, erkennt, dass die Topographie im kleinsten Rechteck viel besser aufgelöst ist als ganz aussen. Es wäre viel zu aufwändig, das Wetter für ganz Europa in der besten Auflösung zu modellieren. © http://weather.arsc.edu

Abb. 7: Wie hat sich die Vorhersage in den letzten Jahren verbessert? Diese Graphik zeigt, wie die Qualität der 3-, 5-, 7- und 10-Tage-Prognosen gestiegen ist. Die Prozentwerte links sind ein Mass für die Abweichungen zwischen Modellvorhersage und den dann tatsächlich gemessenen Werten. Sie können leider nicht direkt als «Trefferquote der Wetterprognose» interpretiert werden. Man sieht aber, dass die Prognosen im Laufe der Jahre besser geworden sind (die Kurven steigen an). Die 5-Tage-Prognose etwa liegt heute bei einem Wert von 90%, dort lag vor etwa 20 Jahren noch die 3-Tage-Prognose. Die eingefärbten Bereiche zeigen den Unterschied in der Vorhersagegüte zwischen Süd- und Nordhalbkugel an. Noch vor wenigen Jahren waren die Prognosen für die Südhalbkugel deutlich schlechter als für die Nordhalbkugel. Heute sind sie für beide Hälften des Globus etwa gleich gut. © ECMWF

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EN-C in allen Größen

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Urs Nadler

Numerische WettermodellE

Martin Scheel

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Hübsche und detaillierte Wetterkarten nützen nichts, wenn sie falsch sind. Mit welchen Modellen werden nun aber die Prognosen gemacht? Was ist COSMO oder WRF, und was steckt hinter REGTHERM? Wie rechnen MeteoSchweiz, Meteotest und andere Anbieter? Dieser Beitrag soll Grundlageninfos liefern und hervorheben, welche Prognosen aus welchen Modellketten stammen. Weil: Ein Modell ist kein Modell! Zwei Mal dasselbe Modell anders dargestellt zu vergleichen ist nicht zielführend.

In diesem Beitrag sollen die für uns wichtigsten Modellketten (Global – Regional – Lokal) vorgestellt werden. Für die Printausgabe im Jubiläumsheft wurde der Beitrag sehr stark gekürzt. Auf der SHV-Webseite (Meteo) kann die ungekürzte Fassung mit Dutzenden von interessanten Links und allen Quellenangaben heruntergeladen werden. Dieser Beitrag richtet sich an Meteointeressierte – interessant für alle aber ist die Tabelle auf Seite 18.

Wie der Beitrag von Michael Winkler gezeigt hat, berechnen Globale Modelle ihre Prognosen, indem Dutzende von Faktoren sogenannt parametrisiert und in mathematische Formeln gepackt werden. Die Raster der Globalen Modelle sind relativ gross (16–40 km). Regionale und Lokale Modelle berechnen Ausschnitte vom jeweils übergeordneten Modell wesentlich genauer (Nesting). Nebst zusätzlichen Parametern, die bei diesen Ausschnittmodellen hinzukommen, wird auch die Topographie genauer gerechnet. So wird z.B. das Montblancmassiv bei einem Globalmodell mit einer Gitterauflösung von 40 km auf einen Hügelzug von 2500 m reduziert; bei einem Regionalmodell mit einer Auflösung von 7 km hat es eine Höhe von 3000 m. Erst bei einer extrem hohen Gitterauflösung von 1 km wird der Montblanc 4000 m hoch. Allerdings stellen hohe Auflösungen nebst der Rechenleistung auch höhere Anforderungen an die sogenannte Modellphysik, was zu Modellinstabilitäten führen kann.

GFS (Global Forecast System, ehemals AVN) der US-­ amerikanischen NCEP GFS ist in drei Teil-Modelle aufgeteilt, von denen das detaillierteste eine Prognose für alle drei Stunden der nächsten 3,5 Tage liefert und eine Gitterauflösung von 28 km hat. Das langfristige Teil-Modell reicht bis 16 Tage in die Zukunft und prognostiziert das Wetter im 12-Stunden-Takt. Die GFS-Daten sind frei erhältlich und werden daher besonders von kleinen Wetterdiensten rege genutzt. Grundsätzlich sind diese Prognosen alle gleich, nur sind sie auf verschiedenen Webseiten angenehmer oder schlechter aufbereitet.

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Globale Modelle

EZMWF (engl. ECMWF) Normalerweise EZ genannt. Das EZMWF (Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage in Reading bei London) wurde 1975 gegründet und wird von 18 Mitgliedstaaten unterstützt (unter anderem von Deutschland und der Schweiz). Die globalen Vorhersagen und die mittelfristigen für Europa werden den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt; sie sind sonst sehr teuer und gelten als sehr gut. Die Daten sind kaum frei verfügbar. Die Gitterauflösung beträgt 16 km, zwei Läufe pro Tag werden gerechnet.


Martin Scheel Andy Busslinger

Auf www.weatheronline.co.uk/cgi-bin/expertcharts kann die 850hp-Wind-Karte von GFS, EZMWF und GME sehr schön miteinander verglichen werden. Die Abweichungen sind teilweise gross.»

GME (Globalmodell Europa) Globales Modell des Deutschen Wetterdienstes DWD mit einem 20-km-Gitter, vier Läufe pro Tag, die Daten sind kaum frei verfügbar. Das Modell figuriert in den Auswertungen des EZMWF nicht mehr in den Top 5 der Globalmodelle und wird voraussichtlich Ende 2014 durch das neuentwickelte Globalmodell ICON ersetzt. Es gibt noch viele weitere Globale Modelle, z.B. UM des britischen Wetterdienstes, GEM des kanadischen Wetterdienstes, Arpège von Météo France, GSM des japanischen Wetterdienstes, um nur die wichtigsten zu nennen.

Ausschnittmodelle (regionale- und lokale Modelle) Ausschnittmodelle verwenden die Daten aus den globalen Modellen als Eingangsdaten, um regional genauere und/oder speziellere Prognosen errechnen zu können (Nesting). Aus diesen regionalen Modellen werden wiederum die Daten für Lokale Modelle genommen (mehrfaches Nesting). WRF Weather Research and Forecasting Model USA, Code frei verfügbar, Datengrundlage für RASP und viele kleinere Anstalten, ersetzt MM5, ETA und andere. Eingangsdaten sind oft GFS, da diese auch frei verfügbar sind. http://www.wetterzentrale.de/topkarten/fswrfmeur.html.

Abb. 1: In einem Globalmodell werden die Alpen zu einem 2000 m hohen Hügelzug. Hier Gitterpunkte um den Montblanc, wie er bei unterschiedlichen Gitterauflösungen modelliert wird. Ganz rechts das Relief. Quelle: Deutscher Wetterdienst DWD.

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Ein Modell ist kein Modell: Prognostiker vergleichen immer mehrere Modelle um eine Prognose zu stellen, wobei jedes Modell seine Stärken und Schwächen hat. Wichtig zu wissen ist deswegen, welche Prognosen mit welchen (Eingangs-)Daten gerechnet werden. Vergleichen wir RASP mit COSMO, vergleichen wir indirekt auch die Globalmodelle GFS mit EZMWF.»

COSMO-Modell (früher «Lokalmodell» LM/LME/aLMo) Ausschnittsmodelle des COSMO-Konsortiums (Deutschland, Schweiz, Italien, Polen, Rumänien, Griechenland, Russland). Weitere Infos im nächsten Kapitel. BOLAM und Moloch Bologna Limited Area Model. Lokalmodell des italienischen Wetterdienstes, Eingangsdaten sind EZMWF. Moloch ist ein lokales Modell des BOLAM mit einem kleinräumigeren Raster. ALARO Ausschnittsmodell von Météo France, der ZAMG (Wien) und vieler weiterer europäischer Wetterdienste. Die Anfangs- und Randbedingungen erhält das Modell vom EZ, wobei in die Anfangsbedingungen zusätzlich Daten des automatischen Stationsnetzwerks eingebracht werden. In der Testphase ist das Modell AROME mit einer Auflösung von 1 km und einem Prognosezeitraum von ca. 1–2 Tagen. BLIPMAPs und RASP Ziel dieser Entwicklung ist es, aus frei verfügbaren Prognosen das Wichtige für Thermiksportler visuell übersichtlich aufzubereiten. BLIPMAPs (Boundary Layer Information Prediction Maps) nehmen die Daten aus Regionalen Modellen (GFS und WRF) und errechnen Thermikstärke, Höhe und Dicke der konvektiven Grenzschicht und vieles mehr. RASP (Regional Atmospheric Soaring Prediction) verwendet zusätzlich soaring-spezifische Algorithmen. Die Prognosen sind für das Flachland oder flachere Berge gut, in den Alpen aber ungenau, insbesondere bei unstabilen Wetterlagen und im Frühling.

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Soar-WRF, FIVL-RASP und meteo-parapente Jean Oberson hat ein RASP mit dem Namen «Soar-WRF» entwickelt: soaringmeteo.ch (siehe Seite 44). Auch der italienische Verband FIVL betreibt unter der Leitung von Andrea Barcellona ein RASP-Modell: «FIVL_RASP». Die Karten sind leider nicht frei verfügbar. Eine schön aufbereitete RASPSeite hat Nicolas Baldeck mit meteo-parapente.com gemacht. Elmer Joandi und Luca Aucello gehen mit meteovolo.it einen interessanten Weg – die errechneten Werte werden einer sicherheitsgerechten Bewertung unterstellt und auf den Prognosekarten mit Ampelfarben eingefärbt. Alle vier verwenden GFS – WRF. Mehr dazu im Beitrag von Lucien Haas auf Seite 36.

Model Output Statistics (MOS) Die Prognose von Bodenparametern wie z.B. die Temperatur oder der Wind für einen bestimmten Ort ist wegen der Rasterweite der numerischen Modelle zu ungenau. Um diese Lücke zu schliessen, wurden MOS-Verfahren entwickelt. Man verknüpft dabei die Wettermodelle mit der Klimastatistik am jeweiligen Standort. Die Genauigkeit der MOS-Werte ist vor allem davon abhängig, wie genau die Wettermodelle stimmen. Für die so genannten MOS-Mix Vorhersagen werden verschiedene Wettermodelle als Eingangsdaten verwendet und hiermit gute Resultate erzielt.

Alpen, Schweiz, COSMO und TOPTHERM In den Alpen haben wir eine ausgeprägt komplizierte Topographie, und dies erst noch in der aktiven Westwindzone. Es liegt deshalb nahe, dass die Alpenländer andere lokale Modelle benötigen als z.B. Australien oder die Türkei.


Luc Hentsch, otrement.ch

COSMO Wie bereits beschrieben, entwickelt das COSMO-Konsortium das COSMO-Modell. Dieses Modell läuft in verschiedensten Versionen. Die Schweizer Version wurde vor allem für den Alpenraum «getunt», sodass sich die Rechenergebnisse teilweise deutlich vom COSMO-EU unterscheidet. Dies vor allem auch deshalb, weil unterschiedliche Eingangsdaten verwendet werden: COSMO 7 + 2 (unter anderem Schweizer COSMO): Verwendet EZMWF für die Eingangsdaten. Die Zahl gibt die Grösse des Gitternetzes an. COSMO 7: Prognosen für West- und Mitteleuropa, 6,6-kmGitter, 8 Mio. Gitterpunkte, 60 Höhenschichten. Die Daten werden für die folgenden 72 Stunden gerechnet, drei Läufe pro Tag. COSMO 2: Prognosen für den Alpenraum, 2,2-km-Gitter,

11 Mio. Gitterpunkte, 60 Höhenschichten. COSMO-2 verarbeitet zusätzlich Informationen aus dem Niederschlagsradar, um konvektive Prozesse besser darstellen zu können. Die Daten werden feinräumig für die folgenden 30 Stunden gerechnet, acht Läufe pro Tag. Frei verfügbar sind: www.meteo.search.ch/ cloud (Bewölkung), www.meteo.search.ch/prognosis (Niederschlag). Die COSMO-Karten sind kostenpflichtig bei MeteoSchweiz erhältlich. Für Hängegleiterpiloten empfiehlt sich das sogenannte Aviatik-Paket (ca. CHF 100.–/Jahr). Darin enthalten sind detaillierte Windkarten für verschiedene Höhen, Regen- und Bewölkungsprognosen, Emagramm-Prognosen (leider nur von Genf, Payerne und Zürich), der Regtherm und einiges mehr. In naher Zukunft wird der SHV die wichtigen Prognosekarten und -Emagramme auf der Meteowebseite zur Verfügung stellen.

Abb. 2: Der DWD rechnet den COSMO DE mit der Modellkette GME > COSMO EU > COSMO DE. Obwohl beide Produkte COSMO heissen, kann wegen den unterschiedlichen Globalmodellen der Eingangsdaten eine sehr unterschiedliche Prognose entstehen. Quelle: WMO Publikation Nr. 1038

GME 40 km

COSMO-EU 7 km

COSMO-DE 2,8 km

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Wenn wir im Aviatik-Paket von MeteoSchweiz die (Schweizer) COSMO-Vorhersagekarten mit dem REGTHERM vergleichen, vergleichen wir zwei komplett unterschiedliche Datenketten aus verschiedenen Globalen Modellen: EZMWF -> COSMO 7 bei den Schweizer Prognosen und GME -> COSMO EU bei REGTHERM.»

COSMO EU + D: Verwendet GME (deutsches Globalmodell) für die Eingangsdaten. COSMO EU: 7-km-Gitter, entspricht unserem COSMO 7. COSMO D: 2,8-km-Gitter, entspricht unserem COSMO 2. Die Karten sind kostenpflichtig beim DWD erhältlich (www. flugwetter.de, www.alpenflugwetter.com). Die Angebote beim DWD sind etwa gleich teuer wie bei MeteoSchweiz, teilweise umfangreicher, aber entsprechend auch unübersichtlicher, und der Schweizer COSMO (mit EZMWF) fehlt. Hingegen ist der Regtherm für drei Tage vorhanden. COSMO 1: Die Entwicklung bleibt nicht stehen – COSMO 1 ist in Entwicklung, Tests laufen! Wie der Name sagt, wird damit in einem extrem engmaschigen Netz gerechnet. ALPTHERM, REGTHERM, TOPTHERM: Wir kennen die Thermikprognose REGTHERM. Alle 30 Minuten wird für viele Meteo-Regionen (CH: 13, D: 64, F: 57, A: 15, I: 18) die Thermik anhand von Bewölkung, Sonneneinstrahlung, Hangneigung, saisonaler Vegetation und Schneebedeckung gerechnet. Selbst die Talwinde, die in einer Region die Thermik schwächen, in einer andern aber stärken, werden in die Berechnung miteinbezogen. Am ersten Tag der Prognose werden zusätzlich zu den COSMO EU-Daten Stationsbeobachtungen (WMO) in die Berechnung miteinbezogen; deshalb kann der erste Tag wesentlich genauer prognostiziert werden.

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ALPTHERM hat seinen Ursprung bei den Segelfliegern im Goms. Sie stellten fest, dass die Prognosen fürs Goms immer falsch lagen und entwickelten ALPTHERM (Atmosphärenphysiker Bruno Neininger ab 1989, Olivier Liechti ab 1992). Ab 1995 lief ALPTHERM bei MeteoSchweiz, ab 1997 beim DWD. Der ALPTHERM-Betrieb bei MeteoSchweiz wurde später eingestellt. TOPTHERM wird aktuell beim DWD bis zwei Tage im Voraus gerechnet («heute», «morgen», «übermorgen»). AustroControl verbreitet neben dem aktuellen Tag auch die Vorhersage des Folgetages, MeteoSchweiz lizenziert unter dem Namen REGTHERM nur die Vorhersage des aktuellen Tages. Unter allen drei Namen werden dieselben Modellvorhersagen verbreitet. Wichtig zu wissen ist, dass der DWD mit dem eigenen Globalmodell GME arbeitet. Für REGTHERM liefert deswegen COSMO-EU die Datengrundlage. Aus diesem Grund können die REGTHERM-Prognosen von den COSMO 2- oder COSMO 7-Prognosen zum Teil stark abweichen. Da Cosmo EU (wie viele andere Modelle auch) tendenziell mit der Bewölkung und dem Niederschlag übertreibt, ist dies auch in REGTHERM der Fall. Am ersten Tag der TOPTHERM-Prognose werden zusätzlich zu den COSMO EU-Daten Stationsbeobachtungen (WMO) in die Berechnung miteinbezogen, weshalb der erste Tag wesentlich genauer prognostiziert werden kann. Aus lizenzrechtlichen Gründen ist der REGTHERM nicht mehr frei verfügbar. NZZ-Wetter bietet immerhin noch die Übersicht: www.nzz.ch/wetter/thermikprognose.


Meiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll, sehr viel mehr Modelle zu verwenden. Dies ist eher verwirrend und man würde je nach Wetterlage völlig verunsichert. Viel wichtiger ist es, die Modelle häufig anzuwenden und deren «Macken» zu kennen.»

Alain Zenger

Dani Gerstgrasser, MeteoSchweiz

Anbieter MeteoSchweiz, SRF und MeteoGroup (ehemals Meteomedia), aber vor allem auch die kleineren wie Meteotest, Meteoblue und viele mehr: Alle sind auf Eingangsdaten und auf bestehende Modelle angewiesen. Die Entwicklung und Berechnung eigener Modelle ist den grossen Anstalten vorbehalten und selbst diese schliessen sich zusammen. MeteoSchweiz: Grundsätzlich arbeitet MeteoSchweiz für die allgemeine Prognose mit COSMO2+7, EZMWF, GFS, diversen MOS und Ensembles, selten mit GME und UKMO. MeteoSchweiz ist einer der wenigen Wetterdienste, der das eigene Modell einer wetterlagenabhängigen Verifikation unterzieht. SRF: Der Wetterdienst des Schweizer Fernsehens arbeitet mit verschiedenen Modellen. Die automatischen Wetterkarten stammen aus MOS- und MOS-Mix-Daten, die mit statistischen Methoden verbessert werden. Meteogroup (Meteomedia/Meteocentrale): Meteogroup unterhält ein eigenes Messstationennetz in der Schweiz und in Deutschland und arbeitet mit weiterentwickelten WRF-Modellen. Meteogroup (wetter24.de, App WeatherPro) investiert in EZMWF, UKMO, GFS, Hirlam und WRF und versucht diese numerisch zu verknüpfen.

Meteotest: Der Anbieter – der für uns Piloten optimal zusammengestellten und sehr gut aufbereiteten Prognosen der Flugschule Flugbasis (www.flugbasis.ch) – arbeitet in erster Linie mit GFS-WRF, wobei die Daten mit viel Erfahrung speziell parametrisiert werden. Dies ist auch der Grund, weshalb WRF von Meteotest nicht die gleichen Resultate liefert wie das WRF von Meteoblue oder anderen. Sehr gut aufbereitet wurden von Meteotest auch die aktuellen Werte der Messstationen und der aktuelle Druckunterschied. Gleitsegelwetter, Stefan Hörmann: Der Gleitschirmpilot und Meteorologe Stefan Hörmann erstellt manuell Thermikprognosen für den Alpenraum. Der Dienst wird mittlerweile von sehr vielen XC-Toppiloten abonniert. Stefan arbeitet mit den meisten Modellen, inkl. COSMO und einem speziell für Gleitsegelwetter parametrisierten WRF-Modell, aber nicht mehr mit RASP, da er damit schlechte Erfahrungen gemacht habe. www.gleitsegelwetter.de Zusammengefasst kann zudem gesagt werden, dass alle Anbieter für die manuell erstellten Prognosen mit vielen verschiedenen Modellen arbeiten. Die Prognostiker verlassen sich dabei nicht nur auf ein Modell, sondern auf viele, und wägen mit viel Erfahrung Wahrscheinlichkeiten ab. Es lohnt sich also, die Prognosetexte genau durchzulesen und zu interpretieren, anstatt nur Wettersymbole anzuschauen.

Meteoblue: WRF-Modelle mit einer höheren Auflösung. Sehr schöne Aufbereitung.

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Manuelle Prognosen haben Vor- und Nachteile, mit denen wir wohl noch lange umgehen müssen. Ein nebeneinander von manuellen und rechnerischen (automatischen) Prognosen mit etwas eigener lokaler Meteo-Erfahrung erlaubt dem interessierten Piloten eine gute Prognose zu stellen, zumindest für den nächsten Tag.» Übersicht über die für Thermiksportler in den Alpen wichtigsten Modellketten. Globalmodell

GFS (ehemals AVN) Amerikanischer Wetterdienst a) Gitter 28 km, 4 Läufe/Tag. b) Gitter 40 km, 2 Läufe/Tag, Prognose bis 16 Tage. Daten frei verfügbar.

EZMWF (oder EZ) Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage Gitter 16 km, 2 Läufe/Tag. Daten kaum frei verfügbar.

GME Deutscher Wetterdienst Gitter 20 km, 4 Läufe/Tag. Daten kaum frei verfügbar.

Regionalmodell

WRF Amerikanischer Wetterdienst Verschiedene Gittergrössen möglich. Code frei verfügbar. Ersetzt MM5, ETA und andere. Sehr viele Anbieter, die grösseren davon «parametrisieren» WRF für spezielle Anwendungen und erzielen damit gute Resultate.

COSMO 7 COSMO-Konsortium Gitter 6,6 km, 3 Läufe/Tag. Bolam MeteoBologna ALARO U.a. MeteoFrance, ZAMG Gitter 4,7 km, 24 Läufe/Tag. Niederschlag und Bewölkung bei zamg.at verfügbar.

COSMO EU DWD und COSMO-Konsortium Gitter 6,6 km, 3 Läufe/Tag.

COSMO 2 COSMO-Konsortium Gitter 2,2 km, 8 Läufe/Tag. Daten dank search.ch teilweise frei verfügbar. Moloch Meteobologna

COSMO DE DWD und COSMO-Konsortium Gitter 2,2 km, 8 Läufe/Tag.

Lokalmodell

Thermikprognose

Manuelle Thermikprognose

Manuelle Prognosen

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Soar-WRF, RASP Code frei verfügbar. Soar-WRF arbeitet mit einem 2,2-km-Gitter.

ALP-, TOP-, REGTHERM CH: 13 Regionen Ca. 100.–/Jahr Übersicht auf NZZ frei erhältlich Segelflugwetterbericht (für SHV-Mitglieder frei verfügbar) Gleitsegelwetter Verwenden nebst COSMO und REGTHERM weitere Modelle.

MeteoSchweiz, SRF, Meteotest u.v.m. Verwenden nebst COSMO und WRF viele weitere Modelle und bringen Erfahrung ein, welche Modelle bei welchen Wetterlagen zuverlässiger arbeiten als andere.


Pure mountain fun

Andy Busslinger

Segelflugwetterprognose, Gleitsegelwetter, manuelle Prognosen Diese Prognosen gehören eigentlich nicht in einen Beitrag über numerische Wettervorhersage, sollen aber doch Erwähnung finden, da wir die eine oder andere beinahe vor jedem Flug konsultieren. Wie bei jedem manuell erstellten Produkt ist die Qualität der Segelflugwetterprognose von der Qualität des Mitarbeiters abhängig, der ihn macht. Da bei MeteoSchweiz einige Gleitschirm-, Delta- oder Segelflugpiloten arbeiten und diese bevorzugt für die Erstellung der Segelflugwetterprognose eingesetzt werden, ist die Qualität der Prognose oft hoch. Es gilt aber zu beachten, dass der jeweilige Meteorologe nicht zaubern kann, sondern auf die Daten angewiesen ist, welche die Modelle ausspucken. Nur, dass er eben mehr kann als ein Computer: Er kann seine Erfahrung und seinen Instinkt einbringen und verschiedene Modelle in seine Prognose einfliessen lassen. So beeinflusste z.B. die überdurchschnittliche Schneemenge oder die ungewöhnlich lang andauernde feuchte Wetterperiode des Frühlings 2013 die Thermikentwicklung und Basishöhe. REGTHERM merkt dies nicht – im Segelflugwetterbericht wird es berücksichtigt. Dasselbe gilt für die Gleitsegelwetter-Prognosen von Stefan Hörmann. Der Segelflugwetterbericht soll auf Frühling 2015 komplett überarbeitet werden. Insbesondere für mittel- und langfristige Prognosen gilt es auch, die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, was mittels sogenannter Ensembleprognosen gemacht wird. Dafür gibt es zwei Methoden: Entweder man verändert die Eingangsdaten eines einzigen Modells ein wenig und rechnet verschiedene Läufe oder man vergleicht verschiedene Modelle miteinander. Je näher die Kurven in den Modellrechnungen beieinander bleiben, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Prognose korrekt ist.

www.noog.ch www.gradient.cx


Weder Wetterpropheten wie bei MeteoSchweiz eine Prognose entsteht

Daniel Gerstgrasser MeteoSchweiz Zürich-Flughafen, Gleitschirmpilot

In den zwei vorhergehenden Beiträgen wurde sehr schön aufgezeigt, wie die modernen Prognosemodelle funktionieren und wie gross die Auswahl an (frei verfügbaren) Daten ist. In diesem Beitrag geht es nun darum, wie in einem Wetterdienst die Erstellung einer Prognose abläuft und welcher Aufwand betrieben wird, um die verschiedensten Bedürfnisse abzudecken. So wird beispielsweise für die Ausgabe einer Starkwindwarnung für den Brienzersee für die kommenden paar Stunden nicht dieselbe Prognosetechnik zum Einsatz kommen, wie für die Vorhersage der Niederschlagswahrscheinlichkeit am Tag+5. Hier sind vielfältige Methoden im Einsatz, die weit über die herkömmliche Interpretation von Modelldaten hinausgehen.

1. Analyse des Ist-Zustandes Der Meteorologe analysiert bei Schichtbeginn zunächst die aktuelle Wetterlage und den Wetterverlauf der vergangenen Stunden. Dazu sind keine Modelldaten nötig; hier stehen vor allem Messungen und Beobachtungen im Vordergrund. Bei der Erfassung des Ist-Zustandes helfen folgende Dinge, je nach Wetterlage kommen noch andere hinzu: Analyse der aktuellsten Bodenwetterkarte (z.B. Ausschnitt Europa) Eine (händische) Analyse gibt den Überblick über den Wetterzustand im weiteren Umfeld (Druckverteilung, Wind, signifikantes Wetter, Luftmassengrenzen, Fronten). Besonders sorgfältig erfolgt die Analyse stromaufwärts, also dort, von wo das Wetter der kommenden Stunden herkommt. Da sich das Wetter nicht nur am Boden abspielt, werden auch Höhenanalysen (z.B. auf 500 hPa, ca. 5500 Meter) gemacht. Auswertung der Radiosonden Obwohl Radiosonden zeitlich und räumlich nur in begrenzter Auflösung zur Verfügung stehen, geben sie wichtige Hinweise zum aktuellen Zustand der Atmosphäre. Keine andere Messmethode liefert in der Vertikalen so hochaufgelöste Daten von Temperatur, Feuchtigkeit und Wind. Auch hier werden vor allem stromaufwärts gelegene Radiosonden analysiert.

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Radar- und Blitzdaten Diese geben einen Überblick über die Verteilung und Art der Niederschläge (flächig, konvektiv). Hier werden nicht nur die Daten der Schweizer Radare angeschaut, es steht auch ein Compositbild für ganz Europa zur Verfügung. Werden zusätzlich Blitzdaten überlagert, so ergibt sich ein perfekter Überblick zur aktuellen Lage bezüglich des Niederschlags (Art, Intensität, Flächigkeit). Satellitenbilder Die modernen Wettersatelliten sehen (fast) alles, insbesondere die Struktur und Verteilung der Bewölkung; auch die Höhe der Bewölkung lässt sich in etwa abschätzen. Mit der Kombination von verschiedenen Kanälen ist man mittlerweile in der Lage, auch in der Nacht Nebel- oder Hochnebelfelder in den Alpentälern zu detektieren. Allerdings sieht der Satellit jeweils nur die oberste Wolkenschicht – ziehen beispielsweise dichte Cirren über eine Hochnebelschicht, so «verschwindet» diese. Wetterstationen Die Messwerte und die Augenbeobachtung am Boden sind essentiell, um die aktuelle Wetterlage korrekt und vollständig zu erfassen (Abb. 1). Je mehr Stationen, umso besser – hier sind wir in der Schweiz mittlerweile in einer komfortablen Situation, das Messnetz wird immer dichter. Dies ist aufgrund


noch Wetterschmöcker SMN – Niederschlag SMN – verschiedene Messgrössen, u.a. Temperatur, Wind, Niederschlag

Kilometer

der komplexen Topografie auch nötig. Wichtig ist nicht nur, dass das Stationsnetz alle Landesteile abdeckt, auch die verschiedenen Höhenlagen müssen repräsentiert sein. Für Windinformationen in den Bergen ist beispielsweise das Messnetz des SLF (IMIS-Stationen) ausgesprochen hilfreich und ergänzt das Netz des staatlichen Wetterdienstes. Ebenso werden kantonale und private Stationen in die Analyse miteinbezogen. Die Augenbeobachtung (METAR, SYNOP) gibt zusätzliche Infos, welche nur unzureichend automatisch erfasst werden können (z.B. Wolkenart, Niederschlagsart, Neuschneemengen, Wolkenobergrenze an Bergstationen). Aus Kostengründen werden die Augenbeobachtungen allerdings immer weniger, teilweise können sie durch Kameras ersetzt werden. Dadurch ergeben sich aber auch Nachteile: So sind zum Beispiel die modernen Sensoren (noch) nicht in der Lage, korrekt zwischen Regen, Schneeregen, Schneegraupel oder gefrierendem Regen zu unterscheiden. Genau in diesen Fällen wären aber zuverlässige Infos ausgesprochen wichtig. Webcams Kamerabilder sind schon länger ein fester Bestandteil in der Wetteranalyse. MeteoSchweiz betreibt seit vielen Jahren ein eigenes Kameranetz entlang der Sichtflugrouten (GAFORRouten). Zusätzlich werden auch private Webcams in die Analyse miteinbezogen. Hier muss allerdings sichergestellt sein, dass die Bilder auch aktuell sind (Zeit- und Datumstempel auf dem Bild).

Abb. 1: Automatisches Bodenmessnetz von MeteoSchweiz 2015. Hinzu kommen diverse Stationen aus den Partnernetzen, welche hier nicht dargestellt sind.

Eigene Beobachtung Zu guter Letzt der fast wichtigste Punkt, welcher manchmal vergessen geht: Möglichst häufig ausserhalb von einem Gebäude an einem freien Standort in den Himmel schauen und das aktuelle Wetter «spüren». Leider ist dies während der Schicht im Wetterdienst kaum mehr möglich. Allerdings ist es auch schon hilfreich, möglichst regelmässig aus dem Fenster zu schauen und die Wetterentwicklung visuell zu verfolgen. Nach dem Abarbeiten dieser Punkte, wofür meist deutlich weniger als 30 Minuten zur Verfügung stehen, hat der Meteorologe eine sehr gute dreidimensionale Übersicht vom aktuellen Zustand der Atmosphäre. Die Basis für eine erfolgreiche Prognose ist gelegt, wobei natürlich weiterhin die neuesten Messwerte und Daten angeschaut werden – dies im Sinne einer Wetterüberwachung. Anhand der Wetterlage und der Erfahrung sind nun bereits erste Aussagen zur kurzfristigen Wetterentwicklung möglich. Nach der Analyse werden nun die Daten der zig verschiedenen Modelle angeschaut und verglichen. Der Zeitaufwand bewegt sich in einem ähnlichen Rahmen wie bei der Analyse. Mit welcher Strategie das am besten erfolgt, dazu später. In der Folge soll nun zwischen drei verschiedenen Prognosezeiträumen unterschieden und aufgezeigt werden, welche Hilfsmittel jeweils verwendet werden.

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2. Nowcasting Hier handelt es sich um eine Prognose für die nächsten zwei oder drei bis maximal sechs Stunden. Grundlage des erfolgreichen Nowcasting ist die Wetterüberwachung mit den oben aufgezählten Hilfsmitteln. Dazu kommen Modelldaten, die uns zeigen, in welche Richtung sich die Wetterlage im Idealfall entwickeln sollte. Das Nowcasting wird für die Erstellung verschiedenster Produkte angewandt; hier ein paar Beispiele: −− Starkwind- und Sturmwarnungen für die Schweizer Seen (z.B. bei Föhndurchbruch) −− kurzfristige Gewitterwarnungen −− Wetterberatungen für die kommenden Stunden −− Zeitpunkt der Nebelauflösung am Flughafen Kloten −− Strassenwarnungen bei aufkommendem Schneefall Auch hier kommen, je nach Fragestellung, verschiedene Tools zum Einsatz. Für Gleitschirmpiloten kann mit Hilfe des Nowcasting die Frage nach der Zuverlässigkeit der automatischen Thermikprognose für den aktuellen Tag meist

Andy Busslinger

Abb. 2: Aufrissbild vom 12. Juni 2014: Die Hagelzelle bei Rüderswil im Emmental reicht mit dem maximal möglichen Radarecho bis in eine Höhe von 13 Kilometern – ein extremer Wert.

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beantwortet werden. Ein Klassiker: Das Thermikmodell sagt nur mässige Bedingungen voraus, dichte Cirren dämpfen die Besonnung, obwohl sonst eigentlich alles für einen Hammertag sprechen würde. Eine saubere Analyse des Satellitenbildes (in diesem Fall im Infrarotkanal, da im sichtbaren Kanal Eiskristallwolken unterschätzt werden) zeigt, ob die Prognose realistisch ist oder nicht. Zur Überwachung des Winds an den Seen werden – ähnlich wie bei der Föhnprognose – Druckdifferenzen zwischen verschiedenen Stationen verwendet (Messwerte, überlagert mit Modellprognose). So wird beispielsweise am Thuner- und Brienzersee bei Westwind die Druckdifferenz zwischen Bern und Interlaken überwacht. Bei Gewitterlagen sind naturgemäss die Radarbilder das wichtigste Hilfsmittel für das Nowcasting. Hier kommt nicht nur die bekannte flächige Darstellung zum Einsatz, mit Aufrissbildern wird auch die vertikale Struktur einer Gewitterzelle sichtbar (Abb. 2).


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Abb. 3: Gewitterlage vom 20. Juni 2013, 17.10 h: Automatisches Ranking der Gewitterzellen überlagert mit Blitzen und Prognose der Position in 15, 30, 45 und 60 Minuten. Aufgrund dieser Daten (gelbe Ellipse) gab der verantwortliche Meteorologe eine Warnung vor heftigen Gewittern für die Region Biel aus, in der das Eidg. Turnfest stattfand. Die Vorwarnzeit betrug genau eine Stunde.

Ebenso zum Nowcasting gehört die Überwachung der Modellqualität. Hier steht die Frage im Vordergrund: Stimmt die aktuelle Entwicklung der Wetterlage noch mit den Vorhersagen der Modelle überein? Klassisches Beispiel sind Winterstürme, welche durch kräftige Tiefdruckgebiete ausgelöst werden. Die europaweite Überlagerung der Druckmessungen an den Stationen mit den Modellwerten für denselben Zeitpunkt zeigt, ob das Modell den Kerndruck und die Position des Tiefs korrekt wiedergibt.

Eine solche Überwachung ist mit der heutigen Software einfach, automatisch und mit wenig Aufwand möglich. Hier zeigt sich rasch, welches Modell die Lage am besten im Griff hat. Falls grössere Abweichungen festgestellt werden, wird auch die vom Modell vorhergesagte Windgeschwindigkeit nicht richtig sein. Entsprechend wird der Meteorologe die prognostizierten Böenspitzen in den Warnungen nach oben oder unten korrigieren (Abb. 3).

3. Kurzfristprognose: Heute, morgen und übermorgen Der Zeitraum für eine Kurzfristprognose ist nicht fix definiert; meist wird er als 12 bis 48 oder 72 Stunden festgelegt. Hauptarbeitsmittel sind die Lokalmodelle: Bei MeteoSchweiz sind dies COSMO7 und COSMO2. Allerdings werden auch die Globalmodelle verwendet (meist EZMWF und GFS, aber auch GME). Mit Hilfe der Modelle werden folgende Fragen beantwortet: −− Können wir morgen auf Schulreise in die Surselva? −− Wie viel Niederschlag fällt in den kommenden 24 Stunden und wie hoch ist die Schneefallgrenze? Muss allenfalls eine Niederschlagswarnung ausgegeben werden? −− Kann das Ligafliegen übermorgen stattfinden, und in welcher Region sind die besten thermischen Verhältnisse und am wenigsten Höhenwind zu erwarten? −− Kann ich in den nächsten zwei Tagen im Emmental heuen?

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Zunächst noch ein paar Hinweise, wie sich der Meteorologe die Modelle anschaut: Grundsätzlich geht’s vom grossen zum kleinen und von oben nach unten. Ein Beispiel: Bevor man sich Gedanken über die Stärke des Talwindes macht, sollte man sich über die Entwicklung der grossräumigen Wetterlage in Europa im Klaren sein. Das bedeutet, dass sich der Meteorologe zunächst auf die Vorhersagefelder in 300 hPa (ca. 9000 m) und 500 hPa (ca. 5500 m) konzentriert. Hier erhält er einen sehr raschen Überblick über die Lage und Entwicklung des Jetstreams, Position der Hoch- und Tiefdruckgebiete (in dieser Höhe als Rücken und Trog bezeichnet) und ganz allgemein zur Dynamik der Wetterlage. Dann sind die unteren Schichten an der Reihe – 700 hPa (ca. 3000 m), 850 hPa (ca. 1500 m) und Boden. Das Haupt­ augenmerk liegt dabei auf den Feuchte-, Wind-, Temperaturund Druckfeldern. Es werden jedoch nicht nur horizontale Felder angeschaut, sondern auch Querschnitte (z.B. Nord – Süd) und Vorhersagesonden an beliebigen Punkten. Dies ist mit einem Mausklick möglich. Zuletzt – auch wenn dies viele anders handhaben – werden die Niederschlagsfelder (z.B. Summe über 3 h, 6 h und 24 h) angeschaut und verglichen. Generell gilt es, sämtliche Modellfelder immer kritisch zu


hinterfragen. Der Anwender soll auch immer die Frage nach dem Warum beantworten können (Abb. 4). Nach der Durchsicht der Modellfelder hat der Meteorologe ein Konzept mit dem Wetterverlauf für die kommenden 48 bis 72 Stunden im Kopf. Standardfragen können nun ohne weitere Hilfsmittel beantwortet werden. Für Detailfragen, wie zum Beispiel genaue Windangaben für Ballonfahrer, werden jeweils die neusten Modellrechnungen konsultiert. Hier liefert in der Regel COSMO2, das alle drei Stunden neu

gerechnet wird, die zuverlässigste Prognose. Bestehen noch Unsicherheiten, werden sogenannte lokale Ensembleprognosen zu Rate gezogen. Hier können dank vieler verschiedener Modellrechnungen Wahrscheinlichkeiten für das Eintreffen eines Wetterphänomens bestimmt werden (Abb. 5). Mehr zu Ensembleprognosen im Beitrag von Michael Winkler und im folgenden Abschnitt.

Abb. 4: Warum simuliert das Modell im Süden und in den östlichen Alpen bis zu 40 mm Niederschlag in 6 h? Um die Antwort zu finden, müssen verschiedene andere Karten konsultiert werden: Eine Kaltfront liegt über der Ostschweiz, und mit starken südwestlichen Höhenwinden gelangt warmfeuchte und instabil geschichtete Luft vom Tessin und Misox nordostwärts. Dabei sind höchstwahrscheinlich auch kräftige Gewitter eingelagert. Zeigen andere Modelle eine ähnliche Niederschlagsverteilung, darf man darauf vertrauen, dass es auch so kommt …

Abb. 5: Ungewohnte Darstellung, einfache Interpretation: Die Farben beziehen sich hier auf Wahrscheinlichkeiten. Dargestellt ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Zeitspanne von 6 Stunden mehr als 1 mm Niederschlag fällt. Nördlich der Alpen ist auf einen Blick zu sehen, dass am Nachmittag am zentralen und östlichen Alpennordhang das Risiko nass zu werden am grössten ist. Anhand der herkömmlichen Modelle war dies nicht klar.

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4. Mittelfristprognose (Tag+3 bis Tag+7) MeteoSchweiz erstellt und veröffentlicht Prognosetexte bis zum Tag+7 (z.B. von Samstag bis am darauffolgenden Samstag). Wie wir im Beitrag von Michael Winkler gesehen haben, ist die Prognosezuverlässigkeit für diesen Zeitraum in den letzten Jahren extrem gestiegen. Daten sind auch darüber hinaus verfügbar (bis 15 Tage und mehr). Als Hilfsmittel zur Erstellung dienen Globalmodelle und Ensembleprognosen. Es wird versucht, auf folgende Fragen eine Antwort zu finden: −− Wird das Wetter am kommenden Wochenende besser als an diesem? −− Während einer längeren Schlechtwetterprognose: Wann stellt sich wieder einmal Heuwetter oder Flugwetter ein? −− Während einer längeren Trockenperiode: Wann fällt endlich Niederschlag? −− Generell: Wann stellt die Grosswetterlage um? −− Oder jeweils Ende November: Wann fällt endlich genug Schnee in Davos, damit wir das Skigebiet öffnen können? −− Oder jeweils Mitte Dezember: Gibt es weisse Weihnachten? Je weiter der Prognosehorizont in der Zukunft liegt, umso generalisierter wird die Prognose. So macht es beispielsweise in der Regel wenig Sinn darüber zu diskutieren, ob die Kaltfront am Tag+5 am Mittag oder doch erst gegen Abend eintrifft. Der Zeitpunkt könnte sehr wohl ziemlich genau aus dem Modell herausgelesen werden. In der nächsten Berechnung wird das Timing der Front aber naturgemäss ein anderes sein … Die Qualität der Mittelfristprognose kann je nach Wetterlage stark schwanken. Bedeckt ein kräftiges Hoch grosse Teile Europas, so wird die Zuverlässigkeit auch am Tag+7 recht hoch sein. Ist der Wettercharakter veränderlich mit verschie-

denen aktiven Tiefdruckgebieten, so kann manchmal bereits für den Tag+5 keine sinnvolle Aussage mehr gemacht werden. Deshalb gibt MeteoSchweiz für die letzten beiden Vorhersagetage (Tag+6 und Tag+7) eine Zuverlässigkeit an (hoch, mittel, tief). Ist die Vorhersage zuvor schon unsicher, wird dies in der Regel im Text erwähnt. Die Zuverlässigkeit wird mit Hilfe der Ensembleprognosen bestimmt. Hier werden beispielsweise beim EZMWF-Modell 50 Läufe mit leicht veränderten Anfangsbedingungen gerechnet (Simulation von Beobachtungsfehlern). Um Rechenzeit zu sparen, wird nur mit der halben Modellauflösung gerechnet (32 anstatt 16 km). Zusätzlich wird ein Lauf mit der halben Auflösung, jedoch ohne veränderte Anfangsbedingungen gerechnet. Dieser wird als Kontrolllauf bezeichnet – er zeigt uns, ob die Änderung der Modellauflösung einen Einfluss auf die Wetterentwicklung hat. Hinzu kommt die bereits vorhandene Simulation des «normalen» Modells (Hauptlauf). Zeigen viele dieser 52 verschiedenen Läufe ähnliche Entwicklungen, so ist die Zuverlässigkeit hoch. Sind die Ensemble in verschiedene Gruppen aufgeteilt, und jede Gruppe zeigt eine andere Grosswetterlage, so ist die Zuverlässigkeit tief. Oft ist schon hilfreich, wenn man im Alpenraum die ungefähre Richtung des Höhenwindes kennt (z.B. südliche Anströmung = Stau mit Niederschlag im Süden, eher trockene Verhältnisse im Norden, Föhn im Osten). Zeigen die Ensembles zusätzlich, ob die Wetterlage eher hoch- oder tiefdruckbestimmt ist, so kann schon eine halbwegs zuverlässige Aussage gemacht werden. Beispiele von Ensembleprognosen Abb. 6 und Abb. 7.

Abb. 6: 10-tägige Niederschlag-Ensembleprognose (mm/6 h) für Zürich. Blau: 50 Ensembles, rot gestrichelt; Hauptlauf, rot: Kontrolllauf. Zeigen alle 52 Läufe Niederschlag, so wie am Sonntag, 29.6.2014, wird es sicher regnen, und zwar in diesem Fall nicht zu knapp. Am Dienstag (1.7.) ist es mit Glück trocken, tags darauf folgt die nächste, eher schwache Front. In der Folge nehmen die Unsicherheiten zu.


Abb. 7: 15-tägige Prognose von Temperaturmaximum und -minimum für den Zeitraum vom 28. Juni bis 12. Juli 2014. Je breiter die Balken, umso grösser sind die Unsicherheiten. Zusätzlich ist die Modellklimatologie hinterlegt; damit können Aussagen wie «wärmer als zu dieser Jahreszeit üblich» oder «deutlich zu kalt für die Jahreszeit» gemacht werden.

«Gut zu wissen»

Die «grossen Baustellen» Die Modelle haben die meisten Vorhersageparameter gut im Griff. In zwei Bereichen bestehen allerdings Unsicherheiten: Mit Gewitter- sowie Nebel- und Hochnebellagen haben die Modelle oft Mühe, obwohl es sich bezüglich Dynamik und Skala um zwei völlig unterschiedliche Phänomene handelt. Hier kann der erfahrene Meteorologe sehr viel dazu beitragen, dass die Prognose trotzdem gelingt. Die «Macken» der verschiedenen Modelle Es ist nicht ganz einfach, systematische Schwächen der Modelle zu beschreiben. Einige Dinge sollen aber hier festgehalten werden, auch wenn sie subjektiv und nicht alle mit harten Fakten belegbar sind:

− Alle Modelle unterschätzen Nebel und Hochnebel, solange er unterhalb von rund 1500 Metern ist. Viele Fälle werden verpasst, oder der Nebel löst sich im Modell zu schnell auf. Die Obergrenze des Hochnebels ist im Modell oft zu tief und/oder sinkt zu rasch ab. − Das europäische Modell (EZMWF) überschätzt die schwachen Niederschläge. Insbesondere bei konvektiven Lagen (Schauer, Gewitter) können Mengen von unter 0,9mm meist ignoriert werden. Allerdings sind kleine Mengen in diesem Fall ein guter Hinweis, dass sich (grössere) Quellwolken entwickeln. − COSMO2 und COSMO7 unterschätzen die Nord-SüdDruckdifferenzen bei Föhn; meist sind die Werte etwa 20% zu tief. − COSMO-EU (Basis für das Toptherm) überschätzt den Niederschlag generell (Menge und betroffene Fläche). Dies kann aber im positiven Sinn ausgenutzt werden: Wenn im Modell kein Niederschlag gezeigt wird, kann man meist davon ausgehen, dass es auch wirklich trocken bleibt … − Das amerikanische Modell (GFS) übertreibt im Alpenraum die konvektiven Niederschläge (Schauer, Gewitter). Insbesondere in Fällen mit Hitzegewittern schlägt das Modell zu rasch an und zeigt in den Alpen nachmittags und abends relativ grossflächig Gewitter.

Andy Busslinger

Prognosequalität Die Kurzfristprognose für den Tag+1 hatte im Jahr 1985 eine Trefferquote von 79%, heute liegt sie bei rund 87%. Auch bei der Mittelfristprognose erfolgte eine markante Verbesserung (siehe Beitrag von Michael Winkler). Ein beachtlicher Fortschritt, für den aber auch ein immer grösserer Aufwand betrieben werden muss. Während die Prognosegüte nur langsam weiter steigt, nimmt der Aufwand (Kosten, Rechenleistung, Datenmengen) exponentiell zu. Somit ist auch klar, dass eine Verdoppelung der Modellauflösung nicht zu einer doppelt so guten Prognose führt. Im Gegenteil: Mit höherer Auflösung nimmt der Freiheitsgrad des Modells zu – es hat sozusagen mehr Möglichkeiten, eine falsche Prognose zu berechnen.


Grenzen von

Reto Stauffer, Universität Innsbruck Roger Oechslin, Meteotest Bern, Flugschule Flugbasis Spiez Das Internet bietet Zugriff auf eine überwältigende Fülle von Wetterinformationen. Darunter sind auch viele Wettermodelle in Form von Wetterkarten. Die Anbieter legen viel Wert darauf, die Karten in Bezug auf Lesbarkeit immer einfacher und intuitiver zu gestalten. Diese Entwicklung hat viele positive Seiten. So befassen sich Outdoorsportler, insbesondere Hängegleiterpiloten, intensiver mit dem Thema Wetter. Viele nutzen diese Wetterkarten, um eine eigene Prognose zu erstellen. Oft fehlt jedoch das Verständnis, wann und warum Wettermodelle «überfordert» sind. Dies führt zu Frustration und ist auch gefährlich.

Abb. 1: Als Beispiel für die notwendigen Vereinfachungen in Wettermodellen zeigt diese Abbildung den Vergleich zwischen der realen Topographie (farbig) und der Topographie eines aktuellen globalen Wettermodells (Gitter; weiss-transparente Fläche). Der Ausschnitt zeigt den Bereich um den Säntis mit Blick in Richtung Süden. Aufgrund der horizontalen Auflösung gehen viele der (so schönen) Details unserer Alpen verloren. Das Gelände innerhalb der Boxen muss auf einen einzigen Wert – eine mittlere Gebirgshöhe – reduziert werden. Zudem sind aus technischen Gründen weitere «Glättungen» notwendig. Das Resultat ist (in diesem Beispiel) ein Modellgelände, welches signifikant tiefer liegt als in Wirklichkeit und keine Täler oder Gipfel mehr aufweist.

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Dieser Artikel soll ein gewisses Verständnis dafür schaffen, wo und weshalb in der heutigen Zeit die Modellvorhersagen teilweise ungenau sind und warum die Vorhersagbarkeit limitiert ist. Um zu verstehen, warum eine Wettervorhersage auch daneben liegen kann, muss man die Grenzen solcher Modelle kennen. Der Laie spricht oft leichtfertig von einer «falschen» Vorhersage, was ihm auch nicht zu verübeln ist, wenn es an einem «sonnigen Tag mit vereinzelten Cumuluswolken in den Alpenregionen» plötzlich wie aus Kübeln auf den neuen Gleitschirm regnet. Für solche «Fehlprognosen» gibt es unzählige Gründe. Die wichtigsten: • Abweichungen durch numerische Verfahren: Obwohl die Gleichungen genau bekannt sind, gibt es dafür bis heute keine exakten Lösungen. Es müssen mathematische Näherungsverfahren verwendet werden, welche die Lösung möglichst gut approximieren. • Horizontale und vertikale Auflösung (Abb. 1) – also die Abstände zwischen den Gitterpunkten in den Modellen: Je geringer die Abstände, desto detaillierter das Modell. Allerdings bringt eine höhere Auflösung nur in Kombination mit einem detaillierteren Prozessverständnis und


Wettermodellen genaueren Parametrisierungen einen positiven Effekt. Eine höhere Auflösung heisst nicht automatisch, dass das Modell besser ist. • Rechenpower: Die Leistung moderner Computer steigt stetig, ist aber nicht unendlich. Dies limitiert auch die Auflösung der Modelle oder die Anzahl der täglichen Vorhersagen. • Modellfokus: Verschiedene Wettermodelle sind auf unterschiedliche Zwecke ausgerichtet; deshalb können einige Modelle gewisse Wetterphänomene gar nicht erst erfassen.

• Chaos: Das Wetter unterliegt einem natürlichen Chaos; jede auch nur kleinste Störung in der Atmosphäre wirkt sich in der Zukunft auf das gesamte System aus (Abb. 2). Ungenau beschriebene oder unbekannte Prozesse, notwendige Vereinfachungen, fehlende Messungen, zu geringe Auflösungen und hunderte andere Störungen im Modell breiten sich im System aus und können im Extremfall stark anwachsen. Diese anfangs meist kleinen Störungen beeinflussen massgeblich die Qualität der Wettervorhersage.

charakteristische räumliche Ausdehnung

105s

Zyk lon en len wel-

10 Tage

104s

103s 10 min 102s

kle in Tur räum bu len ige z

n lle we e er hw Sc

1 min

n le el llw a h Sc

10s

1s

10cm

1m

10m

Meso«Scale»

konvektiver «Scale» 100m

1km

10km

grossräumiger «Scale» 100km

1Mm

Abb. 2: Übersicht der Beziehung zwischen räumlicher Ausdehnung von atmosphärischen Phänomenen (Abszisse) und deren zeitliche Vorhersagbarkeit (Ordinate). Achtung: Diese Charakteristik hat nichts mit den Wettermodellen direkt zu tun, sondern beschreibt die allgemeine Vorhersagbarkeit. Selbst mit höchstaufgelösten Modellen lassen sich einzelne Phänomene nicht «unendlich» weit in die Zukunft prognostizieren. Grossskalige Wetterphänomene wie planetare Wellen (Rossby-Wellen) oder Hoch- und Tiefdruckgebiete weisen eine Ausdehnung von wenigen hundert bis mehrere tausend Kilometer auf und sind je nach Grösse und Intensität mehrere Tage gut vorhersagbar. Gewitterzellen oder etwa eine grossräumige Kumuluskonvektion mit einer Ausdehnung von wenigen hundert Metern lässt sich auf einige Stunden noch akkurat vorhersagen. Am unteren Ende des Spektrums befinden sich Downbursts, niederschlagsinduzierte Böenfronten, Leeturbulenzen oder einzelne Thermikschläuche. Diese lassen sich aufgrund des «Chaos» lediglich für wenige Sekunden oder Minuten gut vorhersagen, danach entfernen sie sich zu stark von der Wahrheit und verlieren ihren Informationsgehalt. Begleitend (unten links): Cumulonimbus mit Downburst als Beispiel eines kleinskaligen Prozesses. Daneben (unten rechts) eine Zyklone über der Westküste von Island mit der Ausdehnung von mehreren dutzend Kilometern.

10Mm

Benedicht Stucki

kleinräumiger «Scale» 1cm

charakteristische Dauer

Wo lke n Cu (Fr «Clu mu on lon ten ster» im ) (Ge busk wit onv ter ekt ) ion Cu m kon ulu vek stio n

1 Tag 10 Std. 1 Std.

Erdumfang

106s

pla ne t We arisc lle he n

atmosphärische Bewegungsformen:

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Verschiedene Konzepte und Anwendungen Weltweit entwickeln verschiedenste Wetterdienste und Forschungszentren ihre eigenen Modelle, die auf spezielle Anwendungen und Fragestellungen zugeschnitten sind. Der Fokus globaler Wettermodelle liegt meist auf einem langen Zeithorizont (10–15 Tage) und einer möglichst genauen Vorhersage auf grossen Skalen (Rossby-Wellen, Hoch- und Tiefdruckgebiete, El-Nino, Monsun). Nationale Wetterdienste hingegen möchten für ihr Vorhersagegebiet möglichst genaue Vorhersagen mit allen lokalen Phänomenen (Föhn, Gewitterzellen, Starkniederschläge) auf kleinen Skalen. Neben dem Rechenaufwand, der durch diese Verfeinerungen stark anwächst, wachsen auch die Modellfehler rascher. Dies führt zwangsweise zur einer Reduktion des Zeithorizonts. Lokale Modelle rechnen deshalb nur 2–5 Tage in die Zukunft. Für Modelle mit noch kleineren Skalen bedienen sich Gutachter Forschungseinrichtungen und Universitäten. Mit Wettermodellen dieser Art werden Turbulenzen in der Grössenordnung von 10 m bis 100 m modelliert, um Prozesse nahe der Erdoberfläche besser verstehen zu können oder Schadstoffausbreitungen zu modellieren. Der Zeithorizont solcher Anwendungen umfasst oft nur wenige Stunden (Abb. 3). Deterministische Vorhersage Modelle können die Wirklichkeit also nur teilweise abbilden und produzieren unumgänglich «Fehler» bzw. Abweichungen zur echten Welt. Die kleinsten Fehler sind dann zu erwarten, wenn die Anfangsbedingungen (Analyse) bestmöglich bekannt sind. Startet man mit diesen Anfangsbedingungen einen Vorhersagelauf (Prognose), so erhält man eine Vorhersage für das «erwartete» Wetter, auch deterministische Vorhersa-

ge genannt. Beispiel: 14,5 Grad Celsius in St.Gallen mit 57% tiefen Wolken um 12Z. Die deterministische Vorhersage liefert jedoch keine Information darüber, ob eine Wetterlage basierend auf den bekannten Limitationen der Modelle «sicher» oder «unsicher» vorhersagbar ist. Um einen Nutzen aus diesem Wissen von Fehlerquellen zu ziehen, wurden sogenannte Ensemble-Modelle entwickelt. Ensemble-Vorhersagen Ensemble-Modelle sind ebenfalls Wettermodelle und unterliegen Limitationen, wie bereits beschrieben. Der wichtigste Unterschied zu den deterministischen Vorhersagen: Ensemble-Modelle rechnen nicht eine einzige Vorhersage, sondern gleich mehrere leicht unterschiedliche. Dabei spricht man von Ensemble-Mitgliedern, die zusammen ein Ensemble bilden. Diagnose/Anfangszustand: Auch für Ensemble-Modelle wird zuerst ein Anfangszustand benötigt, der den «bestmöglichen» Zustand der aktuellen Atmosphäre beschreibt. Prognose-Kontrolllauf: Der Kontrolllauf ist sozusagen die deterministische Vorhersage innerhalb eines Ensemble-Modells und verwendet die «besten» Anfangsbedingungen. Störung des Anfangszustands: Der zuvor berechnete Anfangszustand zeigt den bestmöglichen Zustand, ist aber keinesfalls perfekt. Um dies ebenfalls zu berücksichtigen, wird nun der Anfangszustand minimal gestört resp. manipuliert und zur Prognose der Ensemble-Mitglieder verwendet. Prognose Ensemble-Mitglieder: Jedes Ensemble-Mitglied besitzt also seinen eigenen, gestörten Anfangszustand. Basierend darauf wird für jedes Mitglied wieder eine eigene deterministische Vorhersage gerechnet. Die interessante Frage ist nun: Wie unterscheiden sich die verschiedenen Vorhersagen?

Jahre

Klimamodelle Monate

Saisonale Ensemble Ensemble GCM’s

15d

Deterministische GCM’s Ensemble LAM’s Deterministische LAM’s

10d 2–5d 2–3d

Abb. 3: Durch die unzähligen Modelle, welche weltweit betrieben werden, ist es unmöglich, eine allgemeingültige Einteilung vorzunehmen. Die Abbildung zeigt einen schematischen Überblick über die verschiedenen Modellkonzepte und deren Vorhersagezeiten. Von unten nach oben: Lokalmodelle (LAM; local area model) besitzen meist eine hohe Auflösung, sind räumlich beschränkt und rechnen meist einige wenige Tage in die Zukunft. Immer stärker verbreitet: Ensemble-LAM‘s. Diese Vorhersagen sind meist etwas länger als die deterministischen LAM‘s, sie decken jedoch ebenfalls nur einige wenige Tage ab. Im Gegensatz dazu rechnen Globalmodelle (GCM‘s; global circulation models) auf einem weniger feinmaschigen Gitter, sind nicht räumlich beschränkt und haben einen Vorhersagehorizont von etwa 10 Tagen. Ergänzt werden sie durch die globalen Ensemble-Modelle. Saisonale Modelle sind an der Schnittstelle der Wettermodelle zu den Klimamodellen. Erstere überspannen wenige Monate, Klimamodelle mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte.

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Abb. 4 zeigt das Beispiel einer 15-Tage-Ensemble-Vorhersage des europäischen Globalmodells für einen ModellGitterpunkt um Zürich. Abgebildet sind die Vorhersage aller Ensemble-Mitglieder (50+1), dargestellt als sogenannte BoxWhiskers – diese zeigen die Spannweite der Vorhersagen an. Betrachten wir die Temperatur-Maximumvorhersage für die ersten paar Tage etwas genauer. Zu Beginn unterscheiden sich die Vorhersagen der einzelnen Mitglieder kaum, die Box-Whiskers sind sehr eng, die Vorhersagbarkeit ist gut und befindet sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% zwischen 22 und 24 Grad Celsius für den Samstag, 5. Juli. Am Montag, 7. Juli, ist die Wetterlage schwieriger vorherzusagen, das Ensemble prognostiziert eine Maximum-Temperatur zwischen 18 und 25 Grad, wobei die Hälfte der Vorhersagen unter 21 Grad und die Hälfte über 21 Grad liegt. In diesem Fallbeispiel ist der Auslöser eine Kaltfront, die von Westen her kommend die Schweiz streift/überquert. Die verschiedenen Ensemble-Mitglieder prognostizieren sowohl den Zeitpunkt des Kaltfrontdurchgangs als auch die Stärke der Front unterschiedlich. Betrachten wir die Niederschlagsvorhersage für diesen Montag, so liefert uns das Ensemble-Modell einen

Tagesniederschlag von 3–35 mm, wobei die Mehrheit der Modelle 8–22 mm prognostiziert. Für den Folgetag stimmen die Modelle wieder besser überein – insgesamt ist weniger Niederschlag zu erwarten, und die Maximum-Temperatur bewegt sich zwischen 16 und 21 Grad hinter der Kaltfront. Man beachte, dass die Unsicherheit nicht nur mit dem Zeithorizont ansteigt, sondern auch beschreibt, wie gut eine gewisse Wettersituation vorhergesagt werden kann. Solchen Ensemble-Modellen wird eine grosse Zukunft vorausgesagt. Obwohl sie wesentlich rechenintensiver sind, liefern sie wertvolle Zusatzinformationen. Es gibt bereits Wettervorhersagezentren, die darüber diskutieren, ob bei den heutigen, qualitativ hochwertigen und detaillierten Ensemble-Modellen ein eigenständiges deterministisches Modell überhaupt noch notwendig ist. Deterministische Vorhersagen liegen in den ersten 1–3 Tagen qualitativ oft noch vor den Ensemble-Vorhersagen, verlieren dann aber rasch an Bedeutung. Längerfristige Vorhersagen (ab 2–3 Tagen) werden heute fast ausschliesslich mit Einbeziehen von EnsembleVorhersagen erstellt.

Abb. 4: Beispiel einer ECMWF-EnsembleVorhersage für Zürich. Von oben nach unten: Tagesniederschlag, Windrichtung sowie Minimum/Maximum-Temperaturen. Die Box-Whisker (Balken) zeigen den Bereich an, in welchen die Vorhersagen der einzelnen Ensemble-Mitglieder liegen. Am Beispiel des Median: 50% der Vorhersagen liegen unter diesem Wert, 50% darüber. Analog gilt dies für die anderen Schwellwerte (siehe Legende o.r.). Decken die Box-Whisker einen grossen Bereich ab, so unterscheiden sich die einzelnen Vorhersagen stark vorneinander – die Vorhersage ist unsicherer. Diese Information ist für die Wettervorhersage essentiell und wird in der modernen Vorhersage immer stärker verwendet.

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Fazit In einem chaotischen System, wie die Atmosphäre eines ist, wird eine perfekte Vorhersage auch in Zukunft nicht möglich sein – man kann nur versuchen, die Fehler so klein wie möglich zu halten und die dazugehörenden Unsicherheiten zu berücksichtigen. Für den Nutzer von Wettermodellen heisst dies, dass er sich nicht auf einzelne Modelle oder Wetterkarten verlassen kann. Auch die schönsten und höchstaufgelösten Vorhersagen prognostizieren gezwungenermassen Fehler. Im Alltag heisst dies: Es sollten verschiedene Modelle miteinander verglichen und im Zweifelsfall ein Meteorologe konsultiert werden. Dieser wird, basierend auf seiner Erfahrung, die verschiedenen Wahrscheinlichkeiten gegeneinander abwägen und mit einer viel grösseren Wahrscheinlichkeit eine korrekte Prognose abgeben, als dies ein farbiges Kärtli machen kann. Der Mathematiker und Statistiker George Box formulierte hierzu treffend: «All models are wrong, but some are useful» (alle Modelle sind falsch, aber manche sind nützlich).

Dies ist eine gekürzte Fassung. Der ganze Beitrag kann auf der Meteo-Webseite des SHV heruntergeladen werden.

Urs Haari

Weiterverarbeitung von Modell-Wettervorhersagen Ohne die Vorhersagen aus Wettermodellen wäre eine moderne Wettervorhersage – wie wir sie aus unserem täglichen Leben kennen – gar nicht möglich. Globale Wettermodelle beziehen die weltweite Entwicklung des Wettergeschehens mit ein; eine Notwendigkeit, die unumgänglich ist. Die Atmosphäre ist ein komplexes System mit diversen Interaktionen und sogenannten Teleconnections. Wird zum Beispiel die Äquatoriale Zirkulation (Madden-Julian Oszillation) in einem Globalmodell nicht korrekt wiedergegeben, so hat dies auch einen Einfluss auf die Vorhersagequalität in Europa. Lokalmodelle wiederum werden von Globalmodellen gefüttert. Dies ist notwendig, weil sie lokal beschränkt sind. Ein europäisches Lokalmodell hat ohne die Information eines Globalmodells keine Ahnung, was z.B. über dem Atlantik passiert. Andererseits sind moderne Modellvorhersagen immer noch zu grob, um für einen einzelnen Punkt eine genaue Vorhersage liefern zu können. Ein Modell mit 10×10 km horizontaler Auflösung liefert «mittlere» Werte für die entsprechende Gitterbox – nicht aber für einen einzelnen Punkt innerhalb dieser Box. Um die Vorhersagequalität für einen einzelnen Punkt (z.B. eine Gemeinde, einen Weiler in einem Tal oder einen Veranstaltungsort) zu verbessern, müssen die Vorhersagen aus Wettermodellen weiter optimiert werden. Diese Arbeit übernehmen ausgebildete Meteorologen oder automatisierte statistische Nachbearbeitungen, sogenannte MOS-Systeme (Model Output Statistics).

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© O l eg M atyukho v

warten oder die Kunst ...

it’s in your nature ... den Wetterbericht abzuschalten wenn dir das Fliegen angeboren ist fällt es dir nicht leicht auf die nächste Chance zu warten aber wann immer sie kommt bist du bereit

advance.ch



Alain Zenger

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RASP und seine

Andy Busslinger

Lucian Haas, Wissenschaftsjournalist, Herausgeber des Blogzines www.lu-glidz.blogspot.com

Es ist gar nicht so lange her, da war das Betreiben von Meteo-Modellen den nationalen Wetterdiensten vorbehalten. Nur sie hatten Zugriff auf Grosscomputer mit genügend Rechenpower, um die aufwendigen Simulationen der Wetterentwicklung zeitnah absolvieren zu können. Allerdings rechneten diese Modelle in einem recht groben Raster. Es war nicht möglich, aus den Ergebnissen genauer herauszulesen, wie gut sich die Thermik lokal entwickelt, oder wie stark die Winde von Tal zu Tal in den Gebirgsregionen wehen würden. Hängegleiterpiloten mussten sich deshalb bei der Planung ihrer Flugabenteuer auf recht vage Angaben verlassen. Einer, der sich mit dieser Situation nicht zufriedengeben wollte, war John Glendening, besser bekannt als Dr. Jack. Der US-Meteorologe und passionierte Segelflieger erkannte vor

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rund zehn Jahren, dass die Rechenleistung moderner PCs mittlerweile ausreichte, um zumindest für kleinere Regionen Wettermodelle in einer so hohen räumlichen Auflösung rechnen zu lassen, dass auch genauere Talwind- und Thermikvorhersagen möglich würden. Auf Basis des weit verbreiteten WRF-Modells entwickelte er 2005 ein auf Thermikprognosen spezialisiertes Programmpaket. Regional Atmospheric Soaring Prediction, kurz: RASP, nannte er seine Software. Und weil die Rechenkraft seines eigenen Computers damals nur ausreichte, um die Thermikverhältnisse über seiner Heimat Kalifornien täglich neu zu berechnen, er aber selbst auch an Prognosen aus anderen Regionen interessiert war, stellte er kurzerhand das RASP-Programm kostenlos zur Verfügung. Seine Rechnung ging auf: Bald tauchten im Internet weitere Seiten mit regionalen Thermikprognosen aus aller Welt auf, die alle auf RASP basieren.


schönen Töchter

So sieht eine Original-Blipmap aus, in diesem Fall für den Durchschnittswind in der Grenzschicht über Deutschland und den Nord­ alpen. Quelle: rasp.linta.de

Wie RASP funktioniert RASP besteht aus drei Modulen. Damit das regionale Wettermodell die Vorgänge in der Atmosphäre berechnen kann, braucht es erst einmal Eingangsdaten. Die stammen bei RASP vom US-Wetterdienst NOAA, der die Rohdaten seines globalen Wettermodells GFS im Internet frei zugänglich macht. Modul 1 lädt automatisch die für die Vorhersageregion nötigen GFSWetterdaten aus dem Netz. Im zweiten Schritt beziehungsweise Modul kommt das eigentliche Wettermodell zum Einsatz; in diesem Fall das weltweit verbreitete Weather Research and Forecasting Model (WRF). RASP berechnet damit, typischerweise für 24 bis 48 Stunden im voraus, die regionale Wetterentwicklung in einer deutlich feineren Auflösung. Während GFS einen Gitterabstand von rund 27 Kilometer aufweist – und so selbst die Alpen im Modell nur sehr grob nachbilden kann –, nutzen

die typischen RASP-Implementierungen eine Rasterweite zwischen zwei und sieben Kilometern. Das erlaubt eine viel genauere Berücksichtigung der Geländestruktur von Höhenzügen, Tälern und ihren Einflüssen. Das dritte Modul birgt die eigentliche schöpferische Leis­ tung von Dr. Jack. Es enthält die Formeln, mit denen die vom WRF-Modell gelieferten Zustandsdaten der Atmosphäre in die für die Piloten aussagekräftigen Parameter wie Thermikstärke, Dicke der thermisch durchmischten Grenzschicht oder das Ausmass von Windscherungen umgerechnet werden. Dieser Vorgang wird Parametrisierung genannt. Dazu gehören auch Routinen, um diese Werte anschliessend in farblich skalierten Karten grafisch auszugeben. Dr. Jack nannte diese Darstellungen Blipmaps (Boundary Layer Information Prediction Maps).

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Die Töchter von RASP Anfangs waren alle RASP-Seiten im Internet sehr ähnlich aufgebaut, schliesslich basierten sie auf der gleichen Software. Mit den Jahren begannen allerdings einzelne Betreiber das Grundpaket nach ihren eigenen Vorstellungen zu verändern. Zumal Dr. Jack 2008 bekannt gab, RASP nicht mehr selbst weiterentwickeln zu wollen. So stiegen andere meteo-interessierte Programmierer in den Ring. Ihrer Kreativität liessen sie bei Modul 3, also der Parametrisierung und Datenausgabe, freien Lauf. Die klassischen RASP-Blipmaps sind sehr statisch und bei grösseren Vorhersageregionen im Detail auch unübersichtlich. Die RASP nachfolgenden «Töchter» versuchen jeweils auf eigene Weise, hier bessere Lösungen anzubieten. Für die Schweiz und den Alpenraum gibt es mittlerweile vier interessante Thermikprognoseseiten, die alle eine Weiterentwicklung von RASP darstellen – jede mit eigenen Ideen und Stärken. Im Folgenden werden die einzelnen Angebote und ihre Besonderheiten kurz beschrieben.

www.soaringmeteo.ch Diese Seite wird vom Westschweizer Jean Oberson angeboten. Er war einer der ersten, der bei RASP auf Blipmaps verzichtete und stattdessen auf eine ganz eigene Datenausgabe setzte. Soaringmeteo erfasst die gesamten Alpen, verzichtet aber komplett auf klassische Meteokarten für den Vorhersageraum. Stattdessen stellt die Seite Punktprognosen für typische Flugregionen in den Vordergrund. Die Daten

beruhen auf einem sehr feinen 2-km-Raster und umfassen den aktuellen wie den Folgetag. (Eine genauere Beschreibung der Funktionen von Soaringmeteo.ch ist in einem eigenen Text von Jean Oberson auf Seite 44 zu finden.) Eine Stärke von Soaringmeteo.ch liegt darin, durch eine einfache Farbcodierung der thermischen Qualität einer Flugregion einen schnellen Überblick zu liefern, wo es wahrscheinlich besser und wo es weniger gut zu fliegen sein wird. Die thermische Qualität ist dabei ein Parameter, der von mehreren Grundwerten bestimmt wird: Basishöhe, Luftschichtung (Labilität), aber auch die vorherrschenden Winde (Stärke und Scherung) fliessen hier mit ein. Wer auf Soaringmeteo genauere Infos erhalten will, bekommt diese allerdings auch nur punktweise geliefert. Meteogramme zeigen die Entwicklung von Höhenwinden, Thermikraum und Wolken. Zudem lassen sich für einen Tag stündliche Temp-Prognosen der Temperaturschichtung der Luft abrufen. Wer diese Daten sinnvoll nutzen will, sollte sich schon ein wenig tiefer mit der Interpretation von Meteo-Daten auseinandergesetzt haben. Interessant ist Soaringmeteo für die Mittelfristprognose. Die Seite bietet, wenn auch nur auf Basis der gröberen GFSDaten, für eine kleinere Auswahl typischer Flugregionen eine 7-Tage-Vorschau der Thermikqualität und vieler weiterer Wetterparameter. So lassen sich die wettertechnisch jeweils besseren Flugregionen schon mit grösserem Vorlauf im Blick behalten.

Soaringmeteo liefert mit seinem ThQ-Parameter (Thermal Quality) einen schnellen Überblick über bessere und schlechtere Flugregionen eines Tages. In diesem Beispiel sind eindeutig die Südalpen im Vorteil.Quelle: www.soaringmeteo.ch

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www.cumulus.it Diese Seite von Andrea Barcellona nennt sich auch RASP Italy. Am Namen zeigt sich schon der Schwerpunkt. Die Modellrechnungen erfassen in hoher Auflösung (2-kmRaster) vor allem Italien, wobei auch der Alpenhauptkamm noch abgedeckt wird. Der gesamte Alpenbogen inklusive Jura wiederum ist in etwas gröberer Modell-Auflösung von 6 km erfasst. Bei cumulus.it gibt es die Thermikkarten nicht nur – wie bei den anderen – für ein bis zwei, sondern für fünf Tage im voraus. Allerdings muss spätestens ab dem dritten Tag mit deutlich abnehmender Trefferquote gerechnet werden. Cumulus.it setzt bei der Datenausgabe weitgehend auf die klassischen Blipmaps – mit einer gelungenen Anpassung. Die Wetterkarten werden als Overlays über Google-Maps dargestellt und sind somit auch zoombar. Zudem werden für ausgewählte Fluggebiete Prognose-Temps und Meteogramme mit Informationen zu Höhenwinden, Basishöhen und den thermischen Gradienten der Luft angeboten.

Ähnlich wie Soaringmeteo versucht Cumulus Informationen über die regionale thermische Qualität eines Flugtages zu aggregieren. Dazu dient das «Paragliding Star Rating». Auch hier werden verschiedene Parameter, wie unter anderem die Thermikhöhe und die Zerrissenheit der Thermik durch Wind, für das Ergebnis gekoppelt. Die Darstellung ist hilfreich, um einen schnellen Überblick zu bekommen, welche Regionen an welchen Tagen die besseren Flugbedingungen bieten könnten. Anders als die weiteren RASP-Anbieter ist Cumulus.it nicht ganz kostenfrei. Abgerechnet wird allerdings nicht pauschal, sondern pro aufgerufener Karte. Die Kosten fallen mit 0,2 Euro-Cent pro Karte recht gering aus.

Cumulus.it bietet eine Einschätzung der regionalen Thermikqualität anhand des sogenannten ParaglidingStar-Ratings. Je mehr Sterne eine Region bekommt, desto ungestörter und hochreichender wird sich dort die Thermik entwickeln können. Quelle: www.cumulus.it

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www.meteo-parapente.com Nicolas Baldeck ist ein meteo-interessierter französischer Gleitschirmpilot, der mit der starren und etwas unübersichtlichen Datenausgabe des ursprünglichen RASP unzufrieden war. Er programmierte eine eigene Version der Blipmaps, die seit Ende 2012 als Meteo-Parapente im Netz zu finden ist. Das Wettermodell von Meteo-Parapente rechnet mit einer Rasterweite von 2,5 km, und das für einen vergleichsweise grossen Raum, der weite Teile Mitteleuropas samt den Pyrenäen und Alpen erfasst. Die Prognosen sind aber nur für den aktuellen und ab mittags auch für den Folgetag verfügbar. Die Seite eignet sich demnach nicht für mittelfristige Flugzielplanungen. Bei Meteo-Parapente sind die Blipmaps über zoombare Karten von Openstreetmap gelegt. Eine Besonderheit zeigt sich bei den Windkarten: Je nach Zoom-Stufe werden die Windrichtungspfeile immer feiner dargestellt, wodurch sich –

In Meteo-Parapente kann man sich nicht nur Übersichtskarten (hier: Wind), sondern auch Punktprognosen anzeigen lassen. Quelle: www.meteo-parapente.com

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zumindest für grössere Täler – sogar Talwindeffekte und mögliche Konvergenzen erkennen lassen. Einzigartig ist bei Meteo-Parapente die Möglichkeit, für jeden Rasterpunkt des Modellgitters (durch Klicken in die Karte an entsprechender Stelle) ein einfaches Meteogramm mit Hinweisen zur Entwicklung von Höhenwinden, der Dicke der Grenzschicht, der Bewölkung in verschiedenen Stockwerken sowie den möglichen Niederschlag im Tagesverlauf abzurufen. Genauso kann auch ein Prognose-Temp dargestellt werden. Hierfür hat Nicolas Baldeck eine mehrfarbige, vereinfachte Darstellung entwickelt, die sehr schnell die Höhenbereiche mit starkem (rot) oder moderatem (grün) Temperaturgradienten oder gar Inversionen (schwarz) erkennen lässt.


www.meteovolo.it Meteovolo.it folgt bei der Datenausgabe einer besonderen Philosophie. Auf den Prognosecharts werden nicht einfach nur blank die vom Modell errechneten Wetterwerte dargestellt, sondern auch einer fliegergerechten Bewertung unterzogen. Dabei stehen nicht die besten Streckenflugbedingungen, sondern vor allem die Flugsicherheit im Vordergrund: Alle Karten über Wind, Thermikstärke, Wolkenentwicklung etc. sind in Abstufungen der Ampelfarben Grün, Gelb und Rot eingefärbt. Sie signalisieren, wie sicher bzw. möglicherweise riskant das Fliegen mit dem Gleitschirm hinsichtlich des jeweils gewählten Parameters ist. Die Idee zum sicherheitsorientierten Ampelfarbenkonzept stammt vom italienischen Gleitschirmpiloten Luca Aucello. Programmiert hat die Seite der estnische Segelflieger Elmer Joandi. Eine Besonderheit ist die dabei eingesetzte Technik: Joandi modifizierte die Blipmap-Berechnung von RASP so, dass sie mit Hilfe der Rechenpower von Grafikprozessoren extrem schnell «live» erfolgen kann.

Meteovolo.it bietet Flugwetterprognosen zum einen für Italien samt einem Grossteil des Alpenraums. Hier rechnet das Modell mit einer Auflösung von 3 Kilometer. Für ganz Europa wiederum gibt es Karten im 5-km-Raster. Durch die feine räumliche Auflösung werden teilweise sogar lokale Besonderheiten wie Talwindsysteme oder Lee-Turbulenzbereiche hinter grösseren Gebirgszügen relativ zutreffend dargestellt. Gerade für weniger erfahrene Piloten, denen die Erfahrung zur Einschätzung bestimmter Wetterlagen fehlt, kann das sehr hilfreich sein. Die Seite bietet noch eine weitere Qualität, die keines der anderen RASP-Derivate vorweist: Der Bildschirm lässt sich so unterteilen, dass vier Parameter gleichzeitig dargestellt werden können. Die Einschätzung der Wetterlage im Raum, z.B. der Zusammenhang von Wind und Fronten, wird dadurch auf einen Blick möglich. Dafür muss man bei Meteovolo.it auf Meteogramme und Temp-Darstellungen verzichten.

In Meteovolo.it kann man sich gleich vier Parameter parallel anzeigen lassen und so wie hier eine Süd-Föhnlage mit entsprechenden Windspitzen und Turbulenzzonen erkennen. Quelle: www.meteovolo.it

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David Birri

Die Grenzen aller RASP-Modelle Wer sich jetzt fragt, welche der genannten RASP-Töchter denn nun die besten Prognosen liefert, der muss mit der Antwort enttäuscht werden: Da alle vorgestellten Angebote auf dem gleichen physikalischen Modell samt den gleichen Eingangsdaten beruhen, gibt es in der Praxis keine nennenswerten Unterschiede in der Prognosequalität. Für welche Seite sich nun ein Flieger entscheidet, dürfte eher mit den eigenen Gewohnheiten zusammenhängen. Für den schnellen Überblick empfehlen sich Soaringmeteo.ch und Cumulus.it mit ihrer aggregierten Darstellung der Tagesqualität. Für die genauere Einschätzung lokaler Wind- und Turbulenzverhältnisse sind Meteo-Parapente.com und Meteovolo.it besser aufgestellt. Das Letztere ist für das Erkennen lokaler Wettergefahrenpunkte besonders hilfreich. Dennoch sollte man sich von all der schönen Darstellung und Farbenpracht der Thermikprognosen nicht blenden lassen. Die Modelle können stets nur eine ungefähre Vorausschau auf die Realität liefern. Es muss nicht alles so eintreffen wie prognostiziert. Zumal die Ergebnisse grundsätzlich limitiert sind durch die Datengrundlage, auf der sie basieren. RASP wie auch alle RASP-Derivate beziehen die Eingangsdaten für ihre Simulationsrechnungen allein aus dem US-amerikanischen Globalmodell GFS. Dessen relativ grobes Gitterraster von etwa 27 km führt dazu, dass selbst grosse Längstäler in den Alpen im Geländemodell und den Ergebnissen von GFS nicht repräsentiert sind. Die feinmaschigen

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RASP-Modelle erscheinen da auf den ersten Blick viel genauer. Doch das kann trügerisch sein. Denn auch ein feineres Modellraster kann manche Parameter im Ergebnis nicht feiner auflösen als der Ursprungsdatensatz. Die Grenzen der RASP-Modelle zeigen sich vor allem im Frühjahr, wenn auf den Bergen noch Schnee liegt, die Täler aber schon schneefrei und thermisch aktiv sind. In der groben Geländedarstellung des GFS-Modells werden diese schneefreien Täler freilich nicht erfasst. Der ganze Bereich entlang des Alpenhauptkamms wird als komplett schneebedeckt ausgegeben. Diese Annahme wird dann flächendeckend auch in feinere Raster der RASP-Modelle übernommen. Viele Bergregionen werden deshalb im Frühjahr als thermikfreie Zone dargestellt, obwohl gerade dann aus den ausgeaperten Hängen an der Schneegrenze die stärksten Bärte aufsteigen. Man sollte die RASP-Modelle angesichts solcher Einschränkungen deshalb auch nicht an ihrer ortsbezogenen Genauigkeit messen. Wenn beispielsweise Meteovolo.it in einer Region für 17 Uhr eine hohe Gefahr einer Überentwicklung prognostiziert, dann muss nicht zwangsläufig in der Praxis genau dort zu der Zeit ein Gewitter wachsen. Der mündige Pilot sollte solche Angaben freilich als Hinweis nehmen, bei Flugvorhaben in jener Gegend der Wolkenentwicklung wegen Überentwicklungsgefahr besondere Beachtung zu schenken oder vielleicht sogar gleich in eine etwas entferntere Flugregion zu fahren, die keine so grosse Instabilität erwarten lässt.


SHV und Cornèrcard präsentieren:

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Anwendung der neuen Funktionen

Jean Oberson, soaringmeteo.ch Die speziell für Hängegleiterpiloten zugeschnittene Meteo-Webseite soaringmeteo.ch wurde grundlegend überarbeitet. Sie ist nun in drei Bereiche unterteilt (Abb. 1): 1. Unterlagen zum Thema Wetterkunde im PDF-Format. 2. soarGFS, ein numerisches Modell auf synoptischer Skala (0.5°) mit langfristigen Prognosen (7 Tage); die GFS-Daten (Global Forecast System) stammen direkt von den US-Servern der NCEP-NOAA. 3. soarWRF, ein numerisches Modell auf Mesoskala (2 km, 1 Tag); es basiert auf dem berühmten WRF-Modell (Weather Research & Forecasting) und ist auf den Servern von Soaringmeteo installiert. Die Modelle sind geographisch auf die Alpen begrenzt. Soaringmeteo wird ständig weiterentwickelt; und es ist auch notwendig, dass eine stetige, intensive und auch leidenschaftliche Arbeit dahintersteckt. Nur so bleibt die Webseite funktionsfähig und kann laufend ausgebaut werden. Von 2009 bis 2011 lieferte das Modell RASP die Wetterprognosen für Soaringmeteo. John Glendening («Dr. Jack»), der Entwickler dieses Modells, hat das Projekt inzwischen aufgegeben. RASP funktionierte mit der alten Version des Modells

WRF («wuaf» ausgesprochen). Also habe ich ein ähnliches Modell neu entwickelt, soarWRF, das mit der letzten Version von WRF funktioniert. Dieses Modell ist dem europäischen Modell COSMO sehr ähnlich. Beide Modelle weisen vergleichbare Leistungen auf, und es ist schwierig zu sagen, welches nun besser ist. Sicher hingegen ist, dass die europäischen und Schweizer Steuerzahler für COSMO bezahlen und dass jeder, der die COSMO-Prognosen regelmässig anschaut, tief in die Tasche greifen muss. Das Einzige, was beide Modelle objektiv unterscheidet: soarWRF ist frei zugänglich und offen, COSMO hingegen geschlossen und unzugänglich. In diesem Artikel beschreibe ich zuerst die Anwendung von soarWRF und dann die aktuellste, innovative Funktion von soarGFS. Die klassische Anwendung und Interpretation von GFS habe ich bereits in einem Bericht des «Swiss Glider» erklärt (Kopie auf Soaringmeteo.ch).

SoarWRF Dem Benutzer stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung (Abb. 1): 1. Sucht man am späten Nachmittag nach den Prognosen für den nächsten Tag, klickt man «soarWRF init 06Z» an. Hier werden die ursprünglichen Daten um 06Z initialisiert, also morgens um 8 Uhr Sommerzeit. Man muss etwa vier Stunden warten, bis die Daten auf den NOAA-Servern verfügbar sind. Dann arbeiten die WRF-Server etwa gleich lang,

Abb. 2: Hauptkarte, Darstellung von soarWRF-Prognosen. 1. ThQ Skala, 2. Auswahl der Haupttageszeiten, 3. Informationen zu den ersten Details der Wetterprognosen.

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auf Soaringmeteo Abb. 1: Die drei Hauptbereiche von Soaringmeteo; sie sind direkt auf der Homepage abrufbar.

2

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um die Darstellungen zu berechnen, vorzubereiten und auf die Server des Providers von Soaringmeteo zu laden. Die Prognosen sind für den folgenden Tag gültig. 2. Möchte man am Morgen wissen, ob sich die Prognosen vom Vortag nicht verändert haben, dann klickt man auf «soarWRF init 18Z». In diesem Fall werden die ursprünglichen Daten um 18Z des Vortages initialisiert, und die Prognosen gelten für den aktuellen Tag. In beiden Fällen erscheint eine Landkarte der Alpen (GoogleMap) mit vielen farbigen Punkten (Abb. 2), welche die allgemeine Qualität der Thermik darstellen (ThQ = thermal activity index); ein Pfeil gibt jeweils die Windrichtung in der oberen konvektiven Schicht an. Je heller der Punkt, desto besser sind Thermik und ThQ. Die Farben der ThQ gehen von Lila (0–10%, sehr schwache oder gar keine Thermik) bis Weiss (90–100%, sehr gute Thermik). ThQ ist kein Wetterfaktor, sondern eine allgemeine Angabe zur Qualität der Aufwinde. Verschiedene Parameter beeinflussen die ThQ: Sonneneinstrahlung, Basis, horizontale Winde, und bald kommen auch die Windscherungen auf verschiedenen

1

Flughöhen dazu; sie zeigen an, wie stark sich Windrichtung und -stärke – je nach Höhe – verändern. Je mehr Sonne, desto höher die Basis. Je schwächer der Wind und je weniger Scherungen, desto höher die ThQ – und umgekehrt. Klickt man einen dieser farbigen Punkte an, erscheint ein Infokasten mit Details über die wesentlichen Wetterfaktoren an diesem Geländepunkt (horizontaler Wind in der konvektiven Schicht in km/h, Basis der Thermik in Meter und Sonneneinstrahlung in Prozent); sie gelten für die drei Haupttageszeiten 09, 12 und 15Z (Z = UTC), also 11, 14 und 17 Uhr Sommerzeit. Die meisten Piloten werden sich mit diesen Informationen zufriedengeben. Andere wünschen noch mehr Informationen. Der Link «To meteogram and soundings» (zu Meteogramm und aerologische Profile) führt zu detaillierten Prognosen (Abb. 3 und 4). Diese stündlich aufdatierten Prognosen erstrecken sich von 6Z (8h Sommerzeit) bis 15Z (17h Sommerzeit). Eine dreistündige Verlängerung der Prognosen (bis 18Z) hätte zumindest eine zusätzliche Kalkulationsstunde «gekostet». Man kann also nur in 3-Stunden-Blöcken verlängern.

Abb. 3: WRF Stunden-Meteogramm für einen bestimmten Punkt auf dem Gitter des soarWRF-Modells. Die y-Achse zeigt die Höhe in m, die x-Achse die Zeit UTC = Z. Die graue Zone stellt die konvektive Schicht dar. Ihre Höhe entspricht der Breite der konvektiven Schicht in m. Die grüne Zone stellt einen Teil der Erde dar. Ihre Höhe entspricht der Durchschnittshöhe der Erdoberfläche in m. Die Lage und die Grösse des Kumulus-Icons entspricht der Prognose, bzw. der Höhe und der Grösse/Menge der Kumuli. Windrichtung (Pfeil) und -geschwindigkeit (numerische Angabe in km/h) sind auf verschiedenen Höhen angezeigt. BLD = boundary layer depth = Breite der konvektiven Schicht in m. BLTop = boundary layer top = Basis in m. Sun = relative Sonnenbestrahlung in %. Rad = Sonnenstrahlung am Boden in W/m2. SH = sensible heat = sensible Bodenwärme in W/m2. LH = latent heat = latente Bodenwärme in W/m2. Rot und blau sind jeweils die Luft- und die Taupunkttemperatur in °C auf 2 m/Boden angegeben. Numerische Angaben in Blau in Bodennähe = Niederschlag/Stunde in mm.

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Abb. 4: Aerologisches WRF-Profil (orthogonale Graphik) auf einem bestimmten Punkt des Gitters zu einer bestimmten Zeit. Die y-Achse zeigt die Höhe in m, die x-Achse die Temperatur in °C. Die rote und die blaue Kurve stellen jeweils die Luft- und die Taupunkttemperatur (Luftfeuchtigkeit) dar. Zahlentabelle: Schwarz die Winde (Richtung und Stärke in km/h) und die Höhen der Schichten (sigma) in m; rot und blau jeweils die Luft- und die Taupunkttemperatur in °C auf den verschiedenen Höhen; lila der Temperaturunterschied verglichen mit einer Stunde zuvor; grün der Temperaturgradient in °C/100 m zwischen den aufeinanderfolgenden Schichten. Unten rechts: Niederschlag/ Stunde in mm, Wind auf 10 m/Boden, Taupunkt und Lufttemperatur auf 2 m/Boden, Breite der konvektiven Schicht in m. Abb. 5: Hauptseite von soarGFS.

SoarGFS In diesem Bericht möchte ich mich darauf beschränken, nur eine neue, innovative Funktion von soarGFS zu beschreiben: Die Suche nach Zeitabschnitten in der Vergangenheit (2007–2011), die den aktuellen Prognosen ähnlich sind, um sich Thermikflüge anzusehen, die früher bei ähnlichen Wetterbedingungen gemacht wurden. Man klickt zuerst auf soarGFS 0.5°. Die Hauptseite dieses Modells zeigt vier kleine Karten der Alpen an, welche den vier Tageszyklen der Prognose entsprechen (Abb. 5). Der neuste Zyklus erscheint rot und fett (1. Datum und Uhrzeit, Arbeitsende). Klicken wir z.B. auf dem Aletsch, N46.5-E8.0 auf der Karte oben links (2. Erster Zyklus der Tagesprognose). Dann erscheint eine Tabelle (Abb. 6). Hier sind die Wetterfaktoren für die Prognosen über die nächsten sieben Tage aufgelistet mit drei Zeiten pro Tag: 9, 12 und 15Z. Zu finden sind unter anderem der Wind auf verschiedenen Höhen (1) und, wie bei soarWRF, die ThQ (2). Diese Tabelle muss hier nicht weiter erläutert werden, das wurde bereits im letzten Artikel gemacht. Nun gibt es aber einen neuen Link (3), den ich als besonders interessant erachte. Klicken wir diesen an, erscheint eine Seite (Abb. 7) mit einer Liste: Das sind die zehn Zeitabschnitte aus der Vergangenheit (1), die jeder der drei Zeiten des vorgesehenen Tages am ähnlichsten sind. Wurden an diesen Tagen aus der Vergangenheit Thermikflüge realisiert (Quelle: thermal.kk7.ch), erscheint ein Link. Klicken wir z.B. den Link mit 605 gespeicherten Thermikaufstiegen (2), öffnet sich ein neues Fenster mit einer GoogleMap-Karte und einer weiteren, übergelagerten Seite mit kleinen farbigen Dreiecken (die Farbe entspricht der Durchschnittsgeschwin-

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digkeit des Aufstiegs); jedes Dreieck schildert eine der 605 ausgedrehten Thermiken. Klickt man weiter auf ein Dreieck, erscheint ein Infokasten mit detaillierten Informationen zur ausgewählten Thermik. Abgesehen von den Dreiecken findet man auch ein kleines Winkel-Icon in der Mitte der Karte (Abb. 8). Dieses befindet sich auf dem GFS-Gitter bei den Koordinaten, welche die Region allgemein auszeichnen. Klicken wir dieses an, erscheint ein Infokasten mit einer kleinen Tabelle. Sie beinhaltet Informationen zu diesem bestimmten Punkt auf dem Gitter; sie zeigt auch Wetterangaben zum ausgewählten Tag und dem ähnlichen Tag in der Vergangenheit und vergleicht sie miteinander. Die vorletzte Linie der Tabelle zeigt die Differenz zwischen den aktuellen Prognosen und den Werten aus der Vergangenheit. Ist z.B. die konvektive Schicht am Tag der Prognose weniger breit als am ähnlichen Tag aus der Vergangenheit (2), dann ist das Ergebnis negativ. In diesem Fall ist die Differenz ungünstig; sie wird dementsprechend mit einem Minuszeichen auf der letzten Linie bewertet. Ist der Wind auf 750 hPa am Tag der Prognose schwächer als am ähnlichen Tag aus der Vergangenheit (3), ist das Ergebnis erneut negativ; nur ist es in diesem Fall positiv und wird diesmal mit einem Pluszeichen bewertet. Somit zeigen die Plus- und Minuszeichen auf der letzten Linie an, ob die aktuellen Prognosen besser oder weniger gut sind als am ähnlichen Tag in der Vergangenheit – ob der prognostizierte Tag also besser oder schlechter wird als der ähnliche Tag aus dem Meteo-Archiv. Steht eine 0, besteht nur eine unwesentliche Differenz.


Abb. 6: Tabelle der soarGFS-Prognosen in der Aletschregion. Abb. 7: Liste der Tagesabschnitte aus der Vergangenheit, die dem prognostizierten Tag 채hnlich sind; das GoogleMap-Fenster zeigt die archivierten Thermikfl체ge. Abb. 8: Der Infokasten vergleicht die Wetterinformationen des prognostizierten Tages mit denen des 채hnlichen Tages aus dem Meteo-Archiv.

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ALPINES PUMPEN Martin Gassner Meteorologe, Delta- und Gleitschirmpionier Berg- und Talwind sind Teil eines grösseren Kreislaufs; in der Höhe bildet sich nämlich eine dem Berg- und Talwind entgegengesetzte Ausgleichsströmung. Den gesamten Kreislauf bezeichnen wir als Alpines Pumpen. Eine genaue Betrachtung dieses Kreislaufs erklärt viele beobachtete Phänomene und gibt Streckenfliegern wertvolle Hinweise.

nehme Flugbedingungen. Da dieser Wechsel der Windrichtung in allen Bergtälern auftritt, begannen bereits im frühen 19. Jahrhundert die Atmosphärenforscher dieses Phänomen zu untersuchen. 1947 fasste der Meteorologe H. B. Hawkes in seiner oft zitierten Dissertation die Erkenntnisse zusammen: Tal- und Bergwind entstehen bei klarem Wetter durch die stärkere Erwärmung tagsüber in den Bergen, resp. durch die stärkere Abkühlung während der Nacht (Abb. 2).

Pünktlich um 10.30 Uhr dreht auf dem Urmiberg der Wind von Süd auf Nord. Mit grosser Regelmässigkeit zeigt die Wetterstation auf dem südlichen Ausläufer der Rigi während Schönwetterlagen einen digitalen Wechsel der Windrichtungen an (siehe Abb. 1). In der Nacht überspült der Bergwind vom Urner Reusstal kommend die quer zum Tal stehende Bergflanke von Süden her. Am Nachmittag überströmt der Talwind die Flanke von Norden her und bietet dort ange-

Antrieb, die Erwärmung in den Bergen Da es allgemein in den Bergen kühler als im Unterland ist, lag die Schlussfolgerung, dass die Berge stärker erwärmt werden, nicht gerade auf der Hand. Erst eine Umrechnung der Temperatur auf ein gleiches Druckniveau zeigte, dass die Berge stärker aufgeheizt werden. Aber weshalb? Verschiedene Ursachen kamen dafür in Frage: Volumeneffekt, Luftdichte, Hangausrichtung (Abb. 3).

Andy Busslinger

Grimselschlange.

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W

Abb. 1: Windrichtung und ­stärke auf dem Urmiberg oberhalb von Brunnen wäh­ rend einer Hochdrucklage im Juli. Tagsüber bläst der Wind in Richtung Urnertal, in der Nacht umgekehrt.

N O S 0h

12h

0h

12h

0h

12h

0h

12h

m/s

W 10 5

Abb. 1 Windrichtung und -stärke auf dem Urmiberg oberhalb von Brunnen während einer Hochdrucklage im Juli. Tages¸ber bläst der Wind in Richtung Urnertal, in der Nacht umgekehrt.

1003 hPa

924 hPa Druckunterschied

1000 hPa

warm

925 hPa

Tal

kalt

kalt

850 hPa gleicher Druck

Tal

Abb. 2: Bildung Druckdiffe­ renzen Gebirge/Flachland, nach H. B. Hawkes 1947.

Ebene Tag

warm

850 hPa gleicher Druck 924 hPa

925 hPa

1000 hPa Druckunterschied

1003 hPa

Ebene Nacht Abb. 3: Ursachen für die stärkere Erwärmung im Gebirge. Aufheizung im Gebirge Volumeneffekt Die Berge verdrängen einen Teil der Luft, die eingestrahlte Energie bleibt gleich. Damit wird die Luft stärker aufgeheizt. Auch höhere Schichten werden erwärmt. Luftdichte Auf 2000 m Höhe hat die Luftdichte gegen-

2000müM.

Flachland

Bergtal

über Meereshöhe um fast 20% abgenommen. Entsprechend weniger Energie wird benötigt, um die Luft aufzuheizen. Hanglage Auf der Sonne zugewandten Hängen ist

0 müM

der Einfallswinkel zur Sonnenstrahlung näher bei 90°. Diese Hänge erhalten mehr Energie pro Fläche und werden stärker

Andy Busslinger

aufgeheizt.


Abb. 4: Modellierung des Volumeneffektes mit dem Thermikmodell Toptherm. Oben ist die Erwärmung im Flachland, unten jene im Bergtal darge­ stellt. Auf der rechten Seite sind die erwarteten Steigwerte in 0,5 m/s Einheiten aufgezeichnet. Bei gleichem Temperaturprofil bildet sich im Bergtal frühere und stär­ kere Thermik, und die Cumulus­ wolken formen sich früher und wachsen zu grösseren Gebilden heran. Weiter zeigt sich, dass sich eine Talinversion während der Aufheizphase vorüberge­ hend leicht verstärkt. Quelle: WMO Publikation Nr. 1038.

Volumeneffekt: In einem Bergtal verdrängt die Erdmasse der seitlichen Bergflanken einen Teil der Luft; das Luftvolumen ist also geringer als über einer Ebene mit gleicher Grundfläche. Da die eingestrahlte Sonnenenergie pro horizontale Flächeneinheit in den Bergen gleich gross ist wie im Flachland und sich im Bergtal weniger Luft befindet, wird diese stärker erwärmt als jene draussen im Flachland (Abb. 4). In den Bergen reicht der Erdboden bis in höhere Schichten hinauf. Die Erwärmung der Luft erfolgt nicht nur von der untersten Schicht her, sondern auch von höheren Schichten. Die Talinversion verstärkt sich dadurch während der Aufheizphase vorübergehend. Luftdichte: Mit der Luftdichte ändert auch die Thermik. Um einen Kubikmeter Luft zu erwärmen, ist in grosser Höhe deutlich weniger Energie notwendig, da die Luftdichte direkten Einfluss auf die Energiebilanz hat. Um in unseren Breitengraden einen Kubikmeter Luft über einer ebenen Fläche um 1°C zu erwärmen, sind Anfang August auf Meereshöhe 9,6 Sekunden, auf 3000 m 7,1 Sekunden direkte Sonnen-

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einstrahlung erforderlich. Das heisst, dass sich in grossen Höhenlagen rascher und kräftigere Thermik entwickelt, vergleichbar jener in südlicheren Breiten. Mehr und stärkere Aufwinde sind zu erwarten. Hangausrichtung: Der Einfallswinkel der Sonnenstrahlung beeinflusst die Energie, mit welcher der Boden erwärmt wird. Bei senkrechter Einstrahlung erreicht die übertragene Energie ein Maximum, bei flacheren Winkeln nimmt die Energie erst langsam, dann immer stärker ab. Das heisst dort, wo die Sonne senkrecht hin scheint, wo die Schatten am kleinsten sind, ist die Erwärmung am grössten. Je nach Jahreszeit und Sonnenstand sind das mehr oder weniger steile, der Sonne zugewandte Hänge in den Bergen. Dabei bestimmt die Ausrichtung des Hanges den Betrag und den Zeitpunkt des Tageshöchstwerts der Lufttemperatur. Im Jahresmittel sind Süd-, Südwest- und Westhänge am wärmsten. Interessanterweise wird im Sommer nicht der Süd-, sondern der Südosthang am stärksten aufgeheizt. Dies ergibt sich aus der sich im Tagesverlauf eingestellten Menge der Quellbewölkung.


Steigen = 2,5 m/s Basis = 2300 m

Steigen = 4 m/s Basis = 2500 m

A

Abb. 5: Hangprofil und Thermik: Über einem gleichmässig aufsteigenden Hang kann sich die Thermikluft besser erwärmen als über einer Flanke mit mehreren Abreisskanten. Die «Hang­ adiabate» über Hang A wird z.B. 0,85 °C/100 m betragen, während diese über Hang B auf 0,65 °C/100 m sinkt. Bei gleicher Hanglänge, Höhe und Auslösetemperatur sind Stärke und Höhe der 2000m Thermik bei Hang B grösser, nach J. Kalckreuth.

B 1000m

Abb. 6: Im Gegensatz zur allgemeinen Theorie fliesst im Oberengadin der Talwind vom Bergell über den Malojapass her kommend talabwärts. Die grösste Erwärmung erfolgt südöstlich von Zernez, nach H. B. Hawkes 1947.

Malojapass

warm

kalt

700 hPa gleicher Druck

Oberengadin Bergell

Die am Sonnenhang aufsteigende Luft wird während ihres Aufstiegs weiter erwärmt, weshalb ihre Temperaturabnahme kleiner als 1°C pro 100 m wird. Über langen, ungebrochenen Hängen ist deshalb überproportional starke Thermik zu erwarten (Abb. 5). Für die frühe Thermik an den Berghängen trägt noch ein weiterer Effekt bei: Die vor allem nachts sich bildende Kaltluft fliesst talwärts ab und sammelt sich dort oder in Mulden. Deshalb muss bei Einstrahlungsbeginn am Morgen an den Bergflanken keine bodennahe Inversion aufgelöst werden, die Energie der Sonnenstrahlung steht sofort für die Bildung der Thermik zur Verfügung. Strömung zum Hitzetief Durch die stärkere Erwärmung am Tag resp. durch die stärkere Abkühlung während der Nacht entsteht ein Druckunterschied zum umliegenden Vorland. Tagsüber bildet sich über den Bergen ein Hitzetief, nachts ein Kältehoch. Dieser wechselnde Druckunterschied erzeugt den Tal- und Bergwind.

Unterengadin

Das Hitzetief saugt die Luft vom Flachland an. Dabei wirken die Täler wie Strömungskanäle – besonders jene, welche zum Hitzetief hin gerichtet sind. Der Talwind ist zum Teil hoch reichend und überflutet die Voralpengipfel, welche quer zur Strömung liegen. Mit Einsetzen des Talwindes verschwinden dort Cumuluswolken, und die Thermik bricht ab. Dafür entsteht auf der dem Flachland zugewandten Seite ein Hangaufwind. Wie bereits erwähnt, ist der Urmiberg oberhalb Brunnen ein klassisches Beispiel dafür. In grossen Tälern kann die Strömung kräftig werden, besonders bei Verengungen, wo der Düseneffekt die Luft zusätzlich beschleunigt. Das Zentrum des Hitzetiefs bildet sich dort, wo die stärkste Erwärmung auftritt, also nicht zwingend auf der Passhöhe. Im Engadin zum Beispiel bildet sich ein Hitzetief südöstlich von Zernez. Richtung Nordosten bildet das Inntal einen Strömungskanal und auf der anderen Seite das Oberengadin. Vom Bergell her kommend fliesst die Luft über den Malojapass und weiter als Malojawind das Oberengadin hinunter (Abb. 6), wo zahlreiche Windsurfer diese Strömung geniessen.

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Gewinnt dieses Hitzetief noch mehr Stärke, genügen auf der Nordseite diese beiden Zulieferkanäle nicht mehr, und es saugt zusätzlich Luft über Albula- und Flüelapass an. Ein anderes bekanntes Beispiel bildet das Goms. Der Zufluss durch den Strömungskanal Rhonetal genügt für die Hitzetiefs in den Berner und Walliser Hochalpen nicht, weshalb zusätzlich Luft über den Grimselpass fliesst. Grimselwind und Talwind stossen Mitte Goms zusammen und werden nach oben abgelenkt. In den Wettermodellen ist das Relief sehr vereinfacht enthalten. In den globalen Modellen zum Beispiel ist der Montblanc als knapp 3000 m hoher Hügelzug dargestellt. Im groben Gitter lassen sich die kleinräumigen Zentren der Hitzetiefs nur ungenügend modellieren; über den Alpen errechnen die globalen Modelle ein grosses Hitzetief. Selbst bei den hochaufgelösten Modellen mit zwei Kilometer Gitterweite fallen noch einige lokale Wettereffekte durch die Maschen. Einsetzen des Talwinds Die Umstellung vom Berg- zum Talwind beginnt bereits mit den ersten Sonnenstrahlen. Während im Tal noch der Bergwind weht, setzen an günstig gelegenen Osthängen erste Aufwinde ein. Vom Talgrund ausgehend reicht diese Morgenthermik zuerst nur einige hundert Meter hoch, später wächst sie bis auf Gipfelhöhe hinauf. Die Zufuhr von Kaltluft, welche den Bergwind speist, versiegt, und der Bergwind hört auf zu blasen. Im Tal beginnt der Luftdruck zu sinken und der Wind schwankt, entsprechend örtlich kleinräumiger Konvektionsströmungen. Wenn der Talwind einsetzt, füllt dieser das Tal mit stabiler, kalter Luft. Die Frühthermik wird abrupt unterbrochen, um erst nach einiger Zeit – etwa 40 bis 60 Minuten, wenn sich die Einstrahlung weiter verstärkt hat – wieder einzusetzen. Wann der Talwind einsetzt, hängt von verschiedenen Fak-

toren ab. Je schneller und je stärker die Erwärmung erfolgt, das heisst je rascher sich die Druckdifferenz zum Vorland aufbaut, umso kürzer ist die Zeitdauer bis zum Einsetzen des Talwinds. Beschleunigend wirken eine ungehinderte Einstrahlung und eine relativ labile* Luftschichtung. Auch die Breite des Tals hat einen wesentlichen Einfluss darauf, müssen doch je nach Talbreite enorme Luftmassen bis zu 107 Tonnen in Bewegung gesetzt werden. Zusätzlich beeinflussen die Richtung des Höhenwindes und der überregionale Druckgradient, wann der Talwind einsetzt. Bevorzugt am Gebirgsrand ist das Einsetzen des Talwinds zu erkennen. Es bildet sich eine Windfront, welche sich mit gleichmässiger Geschwindigkeit, z.B. mit 5 m/s, talaufwärts bewegt. An der Oberfläche von Seen in den Voralpen, welche sich hinter der fortschreitenden Windfront kräuselt, lässt sich dies gelegentlich erkennen. Mit der fortschreitenden Erwärmung der inneren Gebirgspartien wächst das Druckgefälle und das Volumen, und die Geschwindigkeit der Ausgleichsströmung steigt weiter an. Die Luftschichtung bestimmt, bis in welche Höhe der Talwind hinaufreicht. Typischerweise erreicht er 300 bis 600 m über Talgrund. Wenn eine tiefe Inversion den Talraum unterteilt, wird der Talwind in den unteren Teil gezwängt und kann dort hohe Geschwindigkeiten erreichen. Einerseits transportiert der Talwind stabile Luftmassen vom Talgrund und vom Gebirgsrand her, anderseits nimmt er auch an den Hängen erwärmte Luft mit. Reduzieren Wolken die Einstrahlung in den Alpen, verzögert sich das Einsetzen des Talwinds. Das können zum Beispiel Cirren, frühe Cumuluswolken mit Ausbreitungen oder Wolkenreste von Gewittern vom Vortag sein. Auch schneebedeckte Hänge, welche die Sonnenstrahlen grösstenteils reflektieren,

Dietmar Tschabrun

* Diese Wortwahl entspricht der Sprechweise unter Hängegleiterpiloten. Physikalisch korrekt wäre eine wenig stabile Luftschichtung.

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wirken verzögernd auf den Talwind. In labiler Luft kann unter solchen Bedingungen im Flachland schon früh Thermik entstehen. Die übliche Druckdifferenz entsteht nicht, und es bläst kein Talwind. Form des Hitzetiefs Hitzetiefs entstehen an Orten, welche gegenüber der Umgebung stärker erwärmt werden. Zum Beispiel reicht bereits eine Stufe von 100 m Höhe im sonst flachen Gelände dafür aus. Auch eine verbesserte Absorption der Strahlungsenergie kann dazu führen. Über den Dächern einer Stadt zum Beispiel kann sich, unterstützt durch den Volumeneffekt – die Strassenschluchten wirken wie Täler –, ein Hitzetief entwickeln. Für die stärkere Erwärmung sind neben Volumeneffekt, Luftdichte und Einstrahlung auch Faktoren wie Albedo, Bewuchs, Wassergehalt und Bodenwärmestrom wichtig. Ein unerwarteter Rückkopplungseffekt tritt durch die angesogene Luft auf. Ihr Bewegungsimpuls verstärkt nämlich die Konvergenz im Hitzetief, was wiederum die Hebung der Luft erhöht. Eine stärkere Hebung labilisiert die Luftschichtung, was die thermischen Aufwinde weiter begünstigt. Infolge stärkerer Aufwinde sinkt der Luftdruck, womit mehr Luft

angesogen wird. Bildet sich irgendwo ein Hitzetief, verstärkt es sich durch das Zusammenströmen von Luft selbst bis zu einem gewissen Grade. Die Hitzetiefs sind nicht gleichmässig über die Alpen verteilt, sondern entstehen über lokalen Gebirgsmassiven in der Grösse von 10 km bis 20 km. Breite Täler trennen die Gebirgskette in zwei Teile. Auf jeder Seite entsteht ein Hitze­ tief, und in der Mitte des Tals findet sich absinkende Luft. Zum Beispiel teilt das Rhonetal die Konvektionsgebiete der Berner und Walliser Alpen. Da schneebedeckte Flächen die einfallende Strahlung reflektieren, nehmen sie kaum Wärme auf. So entstehen die Hitzetiefs am Rand grosser Schneeflächen. Im Frühling reichen die Schneeflächen bis in die Voralpen hinaus, im Sommer sind sie auf die Hochalpen begrenzt. Entsprechend verschieben sich die Hitzetiefs, welche die Alpine Zirkulation antreiben, im Lauf des Frühlings und des Sommers von den Voralpen zu den Hochalpen hinein (Abb. 7). Sind die Hochalpen in Wolken verhüllt oder bilden sich rasch ausbreitende Cumulus-Wolken, tritt ein ähnlicher Effekt auf. Die Hitzetiefs in den Hochalpen bleiben schwach, die treibende Kraft liegt über dem besonnten Alpenrand (Abb. 8).

Abb. 7: Schneeflächen reflektieren die einfallende Strahlungsenergie weitge­ hend und nehmen kaum Wärme auf. Die Hitzetiefs, welche die Alpine Zirkulation antreiben, entstehen am Rand grosser Schneeflächen. Im Frühling bilden sich die Hitzetiefs entlang der Voralpen (oben), im Sommer in den Hochalpen (unten). Die starke Thermik im Sommer führt zu stärkeren Strömungen.

Abb. 8: Sind die Hochalpen in Wolken ver­ hüllt, bleibt die Zirkulation im Gegensatz zu sonnigen Tagen (oben) auf die Voralpen beschränkt und bleibt schwach (unten). Im Vorland entwickelt sich die Thermik ungehindert.

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Überströmung Vorgebirge Am Vormittag bilden sich Hitzetiefs sowohl in den Voralpen als auch inneralpin. Die Hitzezentren am Alpenrand erhalten Luft aus dem Vorland. Der Zufluss zu den besonders ausgeprägten Hitzetiefs nahe der Zentralkette erfolgt hauptsächlich durch die grossen Flusstäler. Wird der Druckgradient zum Vorland dank günstiger Wetterlage zu gross, saugen die dominierenden Hitzetiefs Luft auch auf direktem Weg vom Vorland über ein vorgelagertes Massiv in ihr Zentrum. Diese Luft überströmt dann auch die quergestellten niedrigeren Ketten der Vorgebirge. Die eigenständige Zirkulation des Vorgebirgsmassivs kippt, die Aufwinde organisieren sich neu. Auf der Nordseite entstehen Hangaufwinde mit eingelagerter, sanfter Thermik, während die Südflanken, welche sich im Lee des Druckausgleichswinds befinden, wegen der Fallwinde mit

Vorsicht zu geniessen sind. Auf der Alpennordseite tritt dies an zahlreichen Orten auf. Am Startplatz auf dem Stockhorn, der nach Süden ausgerichtet ist und an dem aufgrund der Sonneneinstrahlung Aufwind zu erwarten wäre, herrscht ab etwa 13 Uhr Abwind. Andere Beispiele sind der Hohe Kasten, Andelsbuch, Marbachegg, Gurnigel oder Salève. Auf der Alpensüdseite tritt dieser Effekt weniger markant in Erscheinung, überlagern sich doch dort die entstehenden Hangwinde mit der bestehenden Thermik, welche einzig die eher stabile angesaugte Luft dämpft. Der Kernschwerpunkt der Hitzetiefs liegt über dem Alpenhauptkamm, welcher sich oft in verschiedene TeilKernbereiche aufteilen lässt. So sind aus der Segelfliegerei drei eindeutig identifizierbare Teil-Kernbereiche bekannt, die in Form von flächigen Konvergenzbereichen auftreten. Ein

Abb. 9: Beispiel der Überlagerung eines grossräumigen Druckgradienten mit dem Hitzetief in den Alpen. Bei Südüberdruck steigt die Druckdifferenz vom Zentrum zur Süd­ seite, während sie zur Nordseite hin abnimmt. Gleichzeitig verschiebt sich das Zentrum des Hitzetiefs einige Kilometer Richtung Norden.

Luftdruck

Verschiebung Hitzetief

Hitzetief ohne Druckunterschied Grossräumiger Druckverlauf Überlagerung

Süden

Zentrum

Norden

Abb. 10: Die Entwicklung bleibt nicht stehen, bereits wird am COSMO­1­Modell gearbeitet, welches eine Gitterweite von einem Kilometer hat. Dieses Modell ist bereits in der Lage, komplexe Strömungssituationen weitgehend wirklichkeitsgetreu zu modellieren. Links COSMO 1, rechts COSMO 2. Zu beachten die Umströmung des Calanda: Das Taminatal westlich des Calanda wird im COSMO 1 korrekt modelliert (Talwind von Norden).

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Teilkern liegt in Österreich über den zentralen und westlichen Hohen Tauern. Ein weiterer findet sich in der Region vom Arlberg über das Vinschgau bis ins Oberengadin und ein anderer im Wallis bis ins nördliche Tessin. Die Entwicklung des Hitzetiefs ist ein massgeblicher Faktor für die Entstehung und Stärke des sogenannten Bayerischen Windes, also jenem Wind, der die Kämme hochreichend bis in die Alpen als Druckausgleichsströmung überströmt. Analog dazu bildet sich über dem Schweizer Alpennordhang der Nordwestwind und auf der Alpensüdseite der Süd-Südwestwind. Grossräumige Druckverteilung Die grossräumige Druckverteilung beeinflusst die Lage der Hitzetiefs. Zum Beispiel werden die Pässe beim Weissfluhjoch nordwestlich von Davos regelmässig am Nachmittag von Nordwesten her überspült. Bei Südüberdruck hingegen ist diese Talseite auch am Nachmittag fliegbar. Aus klimatologischen Untersuchungen ist hervorgegangen (Lugauer und Winkler, 2005), dass das inneralpine Hitzetief, welches gewöhnlich südlich von Innsbruck liegt, bei Südlagen (500-hPaNiveau) im Mittel nördlich des Inntales liegt. Bei Südüberdruck zum Beispiel verschiebt sich das Zentrum des Hitzetiefs einige Kilometer Richtung Norden (Abb. 9). Gleichzeitig nimmt die Druckdifferenz vom Zentrum zur Südseite zu, während sie zur Nordseite hin abnimmt. Die Änderung der Druckdifferenzen beeinflusst das Talwindsystem wesentlich. Bei Südüberdruck verstärkt er auf der Südseite den Talwind, während er auf der Nordseite schwächer wird. Umgekehrt führt Nordüberdruck, z.B. während einer Bisenlage, zu stärkerem Talwind am Alpennordhang. Auf der Südseite nimmt dann der Talwind ab. Wird der Nordüberdruck grösser, kann kalte Luft in die Täler hinabdrücken, was zu heimtückischen Leesituationen führen kann. Ist das Hitzetief nur schwach, wie z.B. im Frühling oder wenn die Hochalpen in Wolken sind, genügt schon ein kleiner Nord-Süd-Druckunterschied und die Talwinde blasen in die entgegengesetzte Richtung. Neben der grossräumigen Druckverteilung kann auch eine heranziehende Front, welche im Flachland schneller vorankommt, die Druckunterschiede abschwächen oder ganz aufheben und so die Ausgleichsströmung unterbrechen. Achtung, werden die Druckunterschiede zu gross, können die Talwinde ihre Richtung umkehren, es besteht Föhngefahr!

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Urs Haari

Kompensationsströmung Die im Hitzetief aufsteigende Luft führt in höheren Schichten zu einem Anstieg des Luftrucks über das Niveau über dem Vorland auf gleicher Höhe. Dadurch entsteht in diesen Schichten eine Ausgleichsströmung vom Zentrum der Alpen zum Vorland hinaus (Abb. 7 und 8). Die Kompensationsströmung erfolgt mit geringer Geschwindigkeit oberhalb der Gipfel. Vor allem im Mündungsgebiet der grossen Bergtäler saugt der Talwind umliegende Luft an; nicht nur seitlich, sondern auch von oben herab. Dort entsteht ein grossflächiger Abwind, der recht kräftig werden und stellenweise 1 m/s bis sogar 3 m/s erreichen kann. Die Abwindzone verläuft parallel dem Gebirgsrand entlang, ist 10 km bis 30 km breit und im Bereich von Talmündungen ausgeprägter. Wenn Talwinde abflauen, nehmen auch die Abwinde ab.

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Alpines Pumpen Auf der Karte sollen die Windflüsse an einem ansonsten windarmen Tag, nachmittags und im Hochsommer aufgezeigt werden. Die eingetragenen Winde entstanden also in erster Linie durch das Alpine Pumpen. Es ist jedoch unmöglich, jedes Windchen zu erfassen; diese Windkarte kann nur einen Überblick über die durch das Alpine Pumpen verursachten Winde verschaffen.

Die als normale Talwinde fliessenden Ausgleichsströmungen. Durch das Alpine Pumpen entstehende Aufwindbereiche. Abwindzonen, bzw. Winde, die über Berge und Pässe spülen, die durch das Alpine Pumpen entstehen.

Verändern sich die grossräumigen Druckverhältnisse, überlagern diese die eingezeichneten Strömungen. So werden z. B. die Pässe Sanetsch, Rawil, Gemmi und Lötschenpass sowie auch die Pässe in die Surselva bei Südüberdruck nicht mehr überspült. Bis der Grimsel jedoch nicht mehr überspült wird, braucht es schon beinahe Föhn. Die Angaben basieren auf Informationen von erfahrenen Streckenfliegern, lokalen Experten und Meteorologen.



Prognose für heute, morgen

Das Ziel ist nicht nur, direkt gefährliche von nicht gefährlichen Fällen zu unterscheiden, sondern auch zu realisieren, wann eine meteorologische Fachauskunft angebracht wäre.» Roger Oechslin

Martin Scheel In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, wie mit relativ geringem Aufwand eine Prognose für Hängegleiter erstellt werden kann. Der Einfachheit halber reduzieren wir die vielen möglichen Pilotenprofile auf gerade mal zwei Usergruppen. 1. Der selbständige Genusspilot: Er fliegt an 20 Tagen im Jahr und möchte nicht nur seine Flugschule kontaktieren («Wo fliegt ihr morgen?»), sondern sich selbständig eine Meinung bilden und auch mal in einem neuen Fluggebiet fliegen. Er hat keine Abonnemente bei Meteodiensten und braucht die komischen Bezeichnungen wie COSMO etc. in diesem Beitrag nicht zu beachten. 2. Der Poweruser: Er fliegt regelmässig und ambitioniert CCC, ist in verschiedenen Fluggebieten zuhause und interessiert an Wetterberichten. Er weiss, was mit Globalmodell und Modellketten gemeint ist (Beitrag Seite 12) und ist Abonnent des Aviatik-Paketes von MeteoSchweiz. Ab der Saison 2015 sind auf der SHV-Meteowebseite die für uns wichtigen Vorhersagen des Aviatik-Paketes (und vieles mehr) für SHV-Mitglieder frei verfügbar. Auch dort wird zwischen diesen beiden Userprofilen unterschieden.

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Ein paar Tipps vorneweg: −− Erstelle dir deine eigene Linksammlung (mit Notizen zu den Logins) in deinem Mailprogramm, Google Docs oder sonst einem Dienst in der Cloud. Auf diese hast du von überallher Zugriff, und die Links funktionieren bestens. Den Mail-«Entwurf» kannst du dir immer wieder senden. −− Nutze deine vertrauten Links. Du lernst diese kennen und arbeitest damit effizient. Neue Links und Webseiten nimmst du zuerst nur probehalber hinzu. −− Ein Modell ist kein Modell. Vertraue vor allem im Zweifelsfall nicht einem einzelnen farbigen Kärtli. Und selbst bei den mit viel Erfahrung und verschiedenen Modellen manuell erstellten (Text-) Prognosen der grossen Anstalten ist es oft gut, zwei davon zu vergleichen – z.B. die Prognosen von MeteoSchweiz und SRF.

Übersicht verschaffen Bevor wir uns an die Details machen, verschaffen wir uns einen Überblick über die allgemeine Lage. Sicherlich gibt es Dutzende von Webseiten, auf denen diese Informationen abgerufen werden können. Ich arbeite aber immer mit denselben, am liebsten mit MeteoSchweiz und im Zweifelsfall mit meteo.srf.ch, wobei mir die allgemeinen Prognose-Karten dort schon fast zu hübsch und verdächtig detailliert sind.


Urs Haari

und das Weekend

−− Allgemeine Lage: Wo ist das Hoch? Wo das Tief? Welche Luftströmungen erwarte ich ganz generell? www.zamg.at > Wetterkarte. −− Allfällige Fronten, die sich nähern (insbesondere Kaltfronten): meteoschweiz.ch > Detailprognose. Beim Lesen der Texte und Sichten der Karten soll vor allem auf Hinweise auf Kaltfronten geachtet werden (Begriffe wie «Abkühlung» oder «verbreitet Gewitter» und die entsprechenden gezackten Frontlinien). −− Gewittertendenz: Um die Gewittertendenz zu checken, können wir zusätzlich die Rote-Ampel-Gewitterseite auf Flugbasis konsultieren (flugbasis.ch > Service > Wetter > Thermik > Gewitter). −− Der Druckgradient (Föhntendenz): meteocentrale.ch > Föhn. Darstellung und Prognosequalität sind gut. (Wann und wo welcher Druckgradient gefährlich ist, ist nicht Thema dieses Beitrags.) Übrigens: Wenn es auf der Nordseite wärmer ist als im Süden, dann «stimmt etwas nicht». Föhn? −− Generell zu erwartende Windrichtung; ganz grob die Windstärke: meteoschweiz.ch > Detailprognose. Seit einiger Zeit werden dort für die drei Landesregionen die Wind- und Temperaturprognosen für 2000, 3000, und 4000 m angegeben. Als erster, grober Hinweis reicht uns das.

Mit etwas Routine dauert dieser erste Teil einer Prognose fünf Minuten. Nun sind wir vorbereitet, um uns an die spezifischeren Prognosen zu machen.

Prognose für «heute» und «morgen» Auf meteo.search.ch/prognosis sehen wir den Regenradar der letzten 20 Stunden und die COSMO2-Niederschlagsprognose für die nächsten 30 Stunden. Ein hervorragendes Tool! Etwas schwieriger zu beurteilen ist die Bewölkungsvorhersage von meteo.search.ch/cloud; schwierig, weil hohe und tiefere, dünne und dichte Wolken schlecht voneinander unterschieden werden können. Mit etwas Übung und dem Vergleich zu den allgemeinen Wetterprognosen ist aber auch diese Prognose wirklich stark! Wer ein Backup aus einer anderen Modellkette (WRF) sucht, findet dies perfekt aufbereitet bei Flugbasis > Service > Meteo > Niederschlag und Bewölkung. Hier ist die Bewölkungsprognose in tiefe, mittelhohe und hohe Bewölkung unterteilt. Ein weiteres Backup liefert uns Meteo des SRF.

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Windprognose Erfahrungsgemäss unterscheiden sich die Windprognosen der einzelnen Modelle weniger voneinander als diejenigen der Bewölkung. Auf ein Backup aus einer anderen Modellreihe könnte deswegen allenfalls verzichtet werden. Hingegen ist der Wind für uns von grosser Bedeutung – also doch ein

Backup, jedenfalls dann, wenn Unklarheiten bestehen. Oder du greifst zum Telefon für eine Fachauskunft. Nun müssen wir zwischen den beiden Usergruppen unterscheiden:

Selbständiger Genusspilot

Poweruser

Für Hängegleiter sind die zoombaren Windprognosen auf Flugbasis sehr gut aufbereitet. Selbst die Farben Grün-GelbRot passen perfekt zu unseren langsamen Fluggeräten (Abb. 1). −− 10m-(Boden-)Wind: Talwinde und Überströmungen von Pässen und Hügelzügen werden teilweise angezeigt; in den Bergen funktioniert das Modell schlecht. −− 850 hPa (1500 m). Eine wichtige Höhe für uns Thermiksportler. −− 700 hPa (ca. 3000 m)

Als Erstes holen wir uns die COSMO-Daten aus dem AviatikPaket von MeteoSchweiz. COSMO2-Windprognosen liefern uns für die nächsten 30 Stunden die Windprognosen: −− 10m-(Boden-)Wind: Eigentlich nur für die Talwinde gut; in den Bergen funktioniert das Modell schlecht. −− 800m-Wind: Eigentlich der Wind 800 m über dem Relief. Erfahrungsgemäss ist dies aber der Wind in den Bergen, der auch nahe am Relief anliegt. Wer also z.B. die Umströmung des Calandas «sehen» möchte, ist mit der 800m-Windprognose besser bedient als mit der 10mWindprognose. −− 2000 m: Temperatur und Wind auf 2000 m. Besser als die normalen 850hPa(1500 m)-Prognosen, da sie einen grösseren Bereich der Alpen abdeckt. −− 3000 und 4000 m: Temperatur und Wind.

Warnung! Die alleinige Konsultation dieser Karten ist kein genügender Safety-Check für den Wind. Es sollte dringend eine weitere Prognose (z.B. Segelflugwetterbericht oder andere Text-Prognose) konsultiert werden. Wenn Unterschiede da sind, musst du dich fragen: Warum? Wichtig ist auch der Tagesverlauf des Windes – nimmt er zu oder ab? Gerade in der thermisch aktiven Jahreszeit unterliegt der Wind (auch der Föhn) oft dem Tagesgang. Das heisst, dass er dann am stärksten wird, wenn wir fliegen!

Wir konsultieren auch kurz die COSMO7-Prognosen. Auf den übersichtlichen Karten der ganzen Schweiz können wir uns die Wind-Flüsse besser vorstellen (Abb. 2). Als Backup konsultieren wir die WRF-Windprognosen bei Flugbasis (siehe linke Spalte) und den Segelflugwetterbericht.

Windprognosen auf verschiedenen Höhen

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Thermikprognosen Den Segelflugwetterbericht können SHV-Mitglieder gratis auf der SHV-Webseite downloaden. Hier erhalten wir einen Überblick, den ein Prognostiker mit viel Erfahrung jeweils am Morgen für uns zusammenstellt. Leider ist er etwas schwierig zu lesen und umfasst mit «Alpen» eine viel zu grosse Region. Der Segelflugwetterbericht wird vermutlich in der Saison 2015 markant verbessert.

Auf nzz.ch/wetter/thermikprognose erhalten wir in der Übersicht des Regtherm das Wichtigste auf einen Blick. Eventuell schauen wir noch, ob auch schaenis-soaring.ch (Stefan Neyer) etwas zum Tag sagt. Als Backup kann eines der im Bericht von Lucian Haas vorgestellten RASP-Modelle dienen; diese sind aber etwas schwierig zu lesen.

Selbständiger Genusspilot

Poweruser

Der Segelflugwetterbericht und die NZZ-Übersicht des Regtherm reichen uns, um den Flugtag einzuschätzen.

Der Regtherm im Aviatik-Paket zeigt uns für «heute» die Thermikstärke, die Entwicklung der Basishöhe und mehr. Hinweis: Gerechnet wird mit den Daten des GME, welches oft vom EZMWF (Daten für Schweizer COSMO) abweicht. Die Vorhersage-Emagramme bieten uns die Möglichkeit, die Thermik auch mit EZ-COSMO-Daten zu berechnen und die Art der Thermik vorauszusagen (siehe «Warnung»). Wer die Prognosen von gleitsegelwetter.de abonniert hat, wird diese selbstverständlich auch konsultieren.

Warnung! «Schwache» Thermik (oder tiefe Steigwerte) ­ eisst nicht, dass die Thermik nicht turbulent sein kann. So h sind z.B. kleine Luftblasen, die durch stabile Luft stossen, meist sehr turbulent. Sie figurieren in den Berichten aber unter «schwach».

Nowcasting Mit «heute» ist die Tagesplanung am Morgen gemeint. Es sei aber darauf hingewiesen, dass vor dem Start oder sogar während dem Flug auch die Ist-Werte auf vielen Webseiten abgerufen werden können. Wind: Die aktuellen Windwerte der Meteostationen von MeteoSchweiz (Aktuelles Wetter > Wind oder auf der App, wo die Daten noch einfacher verfügbar sind) können auf jedem Smartphone in Sekunden konsultiert werden, wenn für die entsprechende Region oder Station ein Bookmark gespeichert ist (Klick auf die Station zeigt den Verlauf). Auch hat Meteotest für Flugbasis diese Werte in einer Grafik sehr übersichtlich aufbereitet (flugbasis.ch > Service > Wind, Abb. 3).

Windmesswerte

Frei verfügbar sind auch die Stationen des SLF (Messwerte > Wind&Temperaturdaten); diese sind auf dem Smartphone jedoch kaum nutzbar. Nicht zu vergessen sind die Windstationen der Klubs. Die Liste findet sich in einem PDF auf der SHV-Webseite. Regenradar: Die oben aufgeführte Webseite meteo.search. ch/prognosis reicht uns eigentlich – Radar und Niederschlagsprognose sind optimal miteinander verbunden. Auf www.metradar.ch sind die Daten sehr schnell und im Abstand von fünf Minuten verfügbar. Satellitenbilder: Trotz einer Flut von Webseiten ist es schwierig, gut aufgelöste Satellitenbilder zu finden. Auf sat24. com/de/alps kann mit Klick in das Bild eingezoomt werden. Hingewiesen sei auch auf das Projekt Wundermap (wunderground.com/wundermap), wo Satellitenbild und Radar zusammen eingeschaltet werden können. Webcams: Leider gibt es im Meer der Webcams nur wenige, die das Wetter aussagekräftig zeigen. Suche dir die für dich wichtigen (wo kommt das Wetter her?) und füge sie auf deiner Linkliste ein. Ein Beispiel für eine solche Liste findest du auf disentis-open.ch > Pilots Area > Meteo.

Abb. 1: Die zoombaren Windprognosen von Meteotest (www.flugbasis.ch). Abb. 2: Übersichtliche Windkarten (hier 3000 m) des COSMO 7. Abb. 3: Die aktuellen Messwerte, zoombar und übersichtlich von Meteotest. Quelle: www.flugbasis.ch

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Prognose fürs «Wochenende» Auch fürs «Wochenende» beginnen wir (am Donnerstagabend) mit der Übersicht und einem ersten Check Kaltfront, Gewitter, Föhn und einem groben Wind-Check (siehe Abschnitt «Übersicht verschaffen»). Wenig Wind, flache Druckverteilung mit einem Druck von 1017–1023 hPa und schönes Wetter dürfen wir für das Streckenfliegen positiv werten. Wenn wir Glück haben, erfasst die Prognose von Stefan Neyer, schaenis-soaring.ch unseren Prognosezeitraum und sagt uns etwas über Thermikentwicklung und Streckenflugbedingungen. Für die Prognose von Niederschlag und Bewölkung für 3 Tage gibt es vom ZAMG (A) eine tolle Seite: zamg.at >

Abb. 4: Die Drei-Tage-Prognose Niederschlag vom ZAMG, die mit EZ-Daten gerechnet werden. Abb. 5: Punktprognose für den Talwind von Meteoblue (Böenwerte beachten).

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Wetter­animation (Abb. 4). Die Daten stammen aus dem ­EZMWF und werden mit dem Regionalmodell ALARO gerechnet – einem Pendant zum COSMO. Die Seite ist im Moment die einzige, auf der die mittelfristigen EZ-Daten frei verfügbar sind. Interessant ist auch die App WeatherPro, die verschiedene Modelle in ihre Prognosen einfliessen lässt. Wenn wir nun in die Details gehen, tut sich die Schere zwischen den Usern doppelt auf: Der Poweruser findet im Aviatik-Paket ohne Meteowissen übersichtlich alles Wesentliche, während der Genusspilot Meteowissen mitbringen müsste, um aus den frei verfügbaren Modellen eine brauchbare Prognose zu machen.

Abb. 6: Im Air Meteogram von Meteoblue ist der Wind und die Bewölkung für die nächsten drei Tage prognostiziert.


Selbständiger Genusspilot

Poweruser

Es ist am besten, wenn du zusätzlich zum groben Windcheck versuchst, dich an eine einzige Webseite mit Windprognosen zu gewöhnen: Für den Talwind kannst du wahrscheinlich am besten Punktprognosen verwenden, z.B. von Meteoblue (in Abb. 5 den Böenwert beachten, dieser entspricht in etwa der gefühlten Talwindstärke!). Für den Wind in der Höhe kann das Air Meteogram von Meteoblue verwendet werden (Abb. 6). Und um uns einen Überblick über den Wind-Fluss der ganzen Schweiz zu verschaffen hat Meteoblue den Wind auf 1500 m (850 hPa, Abb. 7) gut dargestellt.

Aus dem Aviatik-Paket holen wir uns die übersichtlichen Windkarten und evtl. die Vorhersage-Emagramme einer Station, die in etwa in Windrichtung liegt. Leider ist dort der Regtherm nur für «heute» vorhanden. Auf alpenflugwetter.com > Alptherm ist dieser für zwei Tage, auf flugwetter.de > Segel > Spezialprodukte > Java Top Task ist dieser sogar für drei Tage inkl. dem Windgram zu sehen. Die beiden kostenpflichtigen Webseiten haben aber den Nachteil, dass die übersichtlichen Windkarten des Schweizer COSMO7 fehlen und alle Daten aus dem Globalmodell GME kommen, welches weniger zuverlässig ist als das EZMWF.

Warnung: Für die grobe Prognose und Planung fürs Wochenende reichen uns diese Informationen. NIE, wirklich NIE darfst du dich aber für einen Flug auf solche drei Tage alten Prognosen verlassen. Du musst immer die aktuelleren Prognosen checken. Und – ganz wichtig! – lege auch Wert auf deine Beobachtungen und dein Bauchgefühl, bevor du dich in die Lüfte schwingst! Im Zweifelsfall hilft eine telefonische Fachauskunft.

Abb. 7: Im Profi-Wetter-Bereich finden sich viele interessante WRF-Prognosen. Hier der Wind auf 1500 m, leider ohne Skala.

Dies ist eine gekürzte Fassung. Der ganze Beitrag kann auf der Meteo-Webseite des SHV heruntergeladen werden.

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SCHLUSSWORT

Martin Scheel, Teamchef Gleitschirm-Nationalmannschaft Schon während meiner Schul- und Lehrzeit war ich jede freie Stunde am Fels – und damit «im Wetter zu Hause». Um das Wetter zu beurteilen, waren damals wegen den schlechten Wetterberichten Bauchgefühl und der Blick zum Himmel gefragt, wie der Beitrag von Michael Winkler sehr schön aufzeigt. Sprüche wie «Hat der Mond einen Hof, wird das Wetter doof» hatten noch ihre Berechtigung. Wie unwissend wir zudem waren, zeigte sich im Frühling 1980, als wir vermeintlich vor dem schlechten Wetter in Südfrankreich nach Monaco und dann auch gleich nach Genua flüchteten – wir reisten also mit dem schlechten Wetter mit. Als wir mit den ersten Gleitschirmen zu Tal stürzten, interessierte sich auch noch niemand von uns so richtig für Wetterberichte. Den Himmel anschauen und ab ging’s! Dies endete bei mir beinah in einer Katastrophe, als ich im Talwind-Sturm in Martigny auf einem Sportplatz rückwärts parkieren musste,... wobei der normale Rückwärtsgang eines Autos meine Geschwindigkeit nie erreicht hätte. Erst das Streckenfliegen, und spätestens als ich vor 20 Jahren Ligachef wurde, änderte – zusammen mit besseren Wetterberichten – die Situation um 180°. Die genaueste Analyse verschiedenster Wettermodelle wurde nun zu meinem täglich Brot. Mein Kredo: Die Flug-Trainings sollen sich lohnen, der Fahraufwand soll zum erwarteten Flug-Ertrag passen. Meteo ist DAS Ding zum Fliegen. Es liegt deshalb nahe, dass der Schweizerische Hängegleiter-Verband viel Meteokompetenz vereinen möchte. Vor drei Jahren wurde ich darum beauftragt, eine ausserordentliche Meteowebseite zu bauen;

ein Projekt, dessen Umsetzung sich leider stark verzögerte. Während dieser Arbeit kam die Idee auf, das Jubiläum 40 Jahre SHV mit einer Jubiläumsausgabe des «Swiss Glider» zum Thema Meteo zu würdigen. Ein 40-Jahr-Jubiläum, das zeigt, der SHV hat Bestand, ist langlebig. Auch dieses Jubiläumsheft soll Bestand haben! Wetterberichte sind eine höchst komplexe Materie, die nicht in ein, zwei Berichten abgehandelt werden kann. Und so hoffen wir, dass dieses Jubiläumsheft nicht bereits nach einem Monat zur Seite gelegt wird, sondern dass es bei vielen Leserinnen und Lesern das Interesse am Thema weckt. Hochwertiges Material und drei separate Sprachversionen unterstützen dieses Anliegen. Aber auch die Praxis kommt nicht zu kurz. So zeigt Dani Gerstgrasser, wie eine Prognose bei MeteoSchweiz entsteht; ich selber versuche aufzuzeigen, wie sich der Pilot mit möglichst geringem Aufwand erkundigt und Martin Gassner erklärt ausführlich, was es mit dem Alpinen Pumpen auf sich hat, das verantwortlich ist für die tägliche Anströmung der Alpen, und wie sich diese bei unterschiedlichen Wetterlagen verändert. Die Wind-Karte ist ein Gemeinschaftswerk von Gerstgrasser/Gassner/Scheel – erstellt mit Hilfe von Fluglehrern, erfahrenen Piloten und Fachpersonen aus den Klubs, um eben diese tägliche Anströmung zu veranschaulichen. Wir, die Autoren, hoffen, mit unseren Beiträgen eure Ausbeute an Flugtagen zu verbessern, damit den Spass am Fliegen zu erhöhen und auch einen Teil zur Förderung der Sicherheit beitragen zu können.


Schรถner fliegen. www.flytec.ch


n und Pilote zu f u a hören ns ständig d wir u s n u n ch wir n der Ausrü l ote l u i a P n d e n h Trage rsuch Wir si sowo ken... gen, so ve d auch das en hat uns ldunn e d Flie un me s zu enk ander in eigenes iterfliegen nders zu d Eure Rück ängnis n e g e . e n d dr w Di .A en issen nd, wie du n, steigen, zu steigern uieren lass chmal in Be chste. w e g nde ch u nstr uss es in man eit das Hö erer ögen ist fantastis , starten, la t den Gen er Welt ko uns auch ns rh m e n k zo rt Siche iegen mit u ies ffe md hen o r O d e d i c p i d n h a n e S n u c n b m r E s l leit im nse Wir r zu st we as F ation nen. U les sichere ll dies, um stärksten G efällt, selb tige Innov geniesst d n i t o l i A l e s g P r t g n. ;a h sind s ffen ih s euc stalte ssern eistun verbe hter zu ge auch den l ickeln, wa nn für uns alle, wir ho tw de eic ie ch tung l htesten, w dass wir en zes Schaf, öön an eu r h c , i a c den le tätigen uns e ein schw es Dankes s h n r e c i e b l gen herz ind g . Wir s lle ein ganz t g n i r b e y! ser St nolog An die heep Tech S Black


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