N°2 - DE - babymag.ch

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DAS SCHWEIZER MAGAZIN FÜR 0–3-JÄHRIGE UND IHRE ELTERN – AUSGABE 2 – märz-april 2009

DAS SCHWEIZER MAGAZIN FÜR 0–3-JÄHRIGE UND IHRE ELTERN – AUSGABE 2 – märz-april 2009

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babymag.ch

CHF 6.–

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edito

Volle Kraft voraus

Die Preisangabe erfolgt vorbehaltlich anders lautender Angaben in Schweizer Franken und unverbindlich.

Nun ist das Baby also da, seit drei Monaten, und es geht ihm ziemlich gut, auch wenn wir mit ­einigen unvorhergesehenen Dingen zu kämpfen hatten (der Versand der Geburtsanzeigen harzte und das kleine Weihnachts-Video blieb am Ende in der Schachtel liegen). Die Eltern sind trotz einiger Augenringe glücklich, alle ­Patinnen und Paten haben ihre Rolle gut gespielt und die durchgemachten Nächte werden bald nur noch eine ferne Erinnerung sein. Zumindest hoffen wir das. Denn wenn Sie in Ihren

v­ errücktesten Träumen gedacht hatten, auf ein Ereignis vorbereitet zu sein, das ihr Leben auf den Kopf zu stellen vermag – nun, so lagen Sie falsch. Oder, wie die Kinderärztin Edwige Antier es treffend formuliert: «Es gibt keine Gebrauchsanleitung». Auf der anderen Seite macht genau dies den Charme neuer Abenteuer aus. Zu zweit, zu dritt, gemeinsam. Und in die gleiche Richtung. Im Namen des ganzen Teams bedanke ich mich für den warmen Empfang für babymag.ch, das in allen Ecken des Landes auf ein gutes Echo gestossen ist. Wir werden auch weiterhin alles daran setzen, Ihnen ein Qualitätsmagazin made in Switzerland zu bieten; wir wollen etwas Besonderes sein, so dass mit diesem Neuankömmling zu rechnen ist. Denn das Gebiet ist riesig und unsere Gelüste auch. Wir wollen uns aber Schritt für Schritt entwickeln und bereits jetzt haben wir genug zu tun mit Heft, Website (wir suchen noch Botschafterinnen, vgl. S. 58) und WebRadio. Es wird jedenfalls bestimmt noch einige Überraschungen geben. Unterdessen gilt: Bleiben Sie dran... Maxime Pégatoquet

Erscheinungsdatum der nächsten Nummer: 16. April 2009

babymag.ch Herausgeber: Bigmedia Sàrl, avenue du Mail 22 – 1205 Genf Publikationsleitung: Marisol Piersimone-Varela Redaktion: Bigmedia Sàrl, avenue du Mail 22 – 1205 Genf e-mail : redaction@babymag.ch – www.babymag.ch Chefredaktor: Maxime Pégatoquet (maxime@babymag.ch) Art Director: Julien Lance/colegram (www.colegram.ch), Graphic Designer: Benoît Favre

Media Assistentin : Claudia Fritsche Mitarbeit an dieser Nummer: Texte : Albertine Bourget, Bianca Esposito, Samuel Fert, ­ Julia Hofmann, Charlotte Leclère,Tanja Richter, Flora Madic, Nicole Maubert, Anne Weber Bilder: Yann André, Adrienne Barman, Keiko Morimoto, Loan Nguyen, Sandra Romy, Carine Roth, Cédric Widmer Kinder: Ael, Lyn, Mathilde und Timoléon Die Redaktion lehnt jede Haftung für Manuskripte und Fotos ab, die ihr zugeschickt werden. Alle Rechte vorbehalten.

Bildredaktion: Christiane Nill (christiane@babymag.ch) Übersetzung: Inter-Translation SA, Bern (www.itsa.ch) Korrektur : Sophie Baureder-Rojas

Werbung: Bigmedia Sàrl, avenue du Mail 22 – 1205 Genf Tel.:+41 22 320 54 15 – Fax: +41 22 320 54 16 Druck: SRO-Kundig SA, chemin de l’Etang 49, Postfach 451 – 1219 Châtelaine

Web manager : Marisol Piersimone-Varela (marisol@babymag.ch)

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mitarbeit

Adrienne Barman Die gebürtige Tessinerin Adrienne liebt ihre Familie, ein gemütliches Essen mit Freunden und ihre Katze – sie alle sind auch regelmässig in den von ihr herausgegebenen Alben wiederzufinden (Nine bei Ed. Frimousse und Au coin du fourneau bei La Joie de Lire erschienen). Das noch junge Mädchen hat bereits einen Zeichenstil an der Grenze zur Kontorsion durchgesetzt, der sich immer äusserst farbenfroh und vor guter Laune nur so strotzend präsentiert. www.adrienne.ch

Flora Madic Flora ist eine Bretonin, die sich eines Tages in einen Schweizer verliebt und anschliessend ihre Zelte in unserem schönen Land aufgeschlagen hat. Die PR-Journalistin, die zudem einen Mastertitel in Sozial- und Kulturanthropologie besitzt, hat kürzlich mit Tochter und Partner den ganz grossen Wurf gewagt und einen Segeltörn rund um die Welt unternommen. Die Redakteurin für den Kids Guide (www.kids.ch) ist zudem für die Information über das Abfallmanagement in der Stadt Genf zuständig.

Sandra Romy Sandra besitzt ein ECALDiplom, sie spielt Theater, sie macht Radio… aber am allermeisten liebt sie das Arbeiten mit Modelliermasse. Damit kreiert sie ZeichentrickKurzfilme, die mal hier, mal dort zu sehen sind (Cully Jazz, Caprices Festival, Montelly Film Festival...); kürzlich hat sie «Jaune & Vert à l’expo», den Pilotfilm einer neuen Serie über den Zustand unseres Planeten, fertiggestellt. www.sandraromy.com

Albertine Bourget Als Tochter kino­ begeisterter Eltern ist sie von klein auf mit der Materie vertraut. Sie liebt aber auch Bücher, die sie heimlich (und auf Englisch) für einen französischen Verlag verschlingt, um herauszufinden, ob sich eine Übersetzung für die französischsprachigen Leser lohnt. Die in Bern wohnhafte PR-Journalistin schlägt eine Brücke über den Röstigraben, indem sie die Sitten und Bräuche dies- und jenseits der Sarine erkundet.

Nicole Maubert Bereits vor einigen Jahren dachte sich Nicole Bastelideen für das Magazin Femina aus. Etwas später dann, nach der Geburt ihres Sohnes Eytan, war dann zu vernehmen, dass sie mit grossem Eifer ihre eigene Website im Internet aufbaut – heraus kam eine der besten Sites für Kinder… mit News, Workshops, Ausmalblättern, Shop usw. http://oh-c-chou. blogspot.com

Carine Roth Sie können sie zwar suchen, aber Sie werden sie nur mit Mühe finden. Denn Carine arbeitet gerne im Verborgenen. Die ehemalige Studentin der Ecole de Photo in Vevey liebt es, kleine Stimmungsfetzen zu sammeln, die über das wahre Leben erzählen, und diese ohne nennenswerte stilistische Ausschmückungen zu verarbeiten. Ihren Stil könnte man deshalb vielleicht als bescheidene Extravaganz bezeichnen, eher eine Momentaufnahme im Vorbeigehen als das bewusste Drücken auf den Auslöser.

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ausgabe 2 – märz 2009

Fotos: DR

www.arkive.ch und www.realeyes.com


Tabak

Das grosse russische

Roulett

Wie viele Zigaretten darf ein Erwachsener rauchen, ohne seinem Kind allzu sehr zu schaden? «Falsche Frage», antwortet die Expertin für Tabakprävention Corinne Wahl*, denn die Schädlichkeit hängt von der Anzahl der Jahre der Exposition mit Rauch ab, unabhängig von der Anzahl der gerauchten Zigaretten. Erklärungen. Text: Flora Madic – Illustration: Sandra Romy

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interview

Wie viele Zigaretten darf eine schwangere Frau maximal rau­ chen? Meint Ihr Arzt, 5 Zigaretten pro Tag seien nicht schlimm, so sollten Sie den Arzt wechseln, ob Sie nun schwanger sind oder nicht. Die gefahrlose Zigarette gibt es nicht, und hat man sich erst einmal an ein Ritual gewöhnt, und sei es nur an die eine Zigarette nach dem Kaffee, so besteht doch bereits ein reelles Abhängigkeitsrisiko. Die Gefährlichkeit des Rauchens hängt aber stärker mit der Anzahl der ­Jahre der Rauchexposition und weniger mit der Anzahl gerauchter Zigaretten ­zusammen, auch wenn dies ebenfalls ein wichtiger Faktor ist. Es ist also «besser», während eines Jahres drei Päckchen pro Woche zu rauchen statt drei Zigaretten pro Monat während 10 Jahren. Dies gilt sowohl für erwachsene Raucherinnen und Raucher wie auch für Kinder von Rauchern. Welche Expositionsdauer ist to­ lerabel? Man weiss, dass jeder zweiter Raucher an seinem Zigarettenkonsum stirbt, man weiss jedoch nicht, welche Zigarette jene «zu viel» ist, deshalb lässt sich diese Frage nicht beantworten. Schematisch gesprochen gleicht der Vorgang einer Vergiftung. Das durch das Verbrennen der Zigarette entstehende Kohlenmonoxyd vertreibt den Sauerstoff aus den Zellen. Der entzündliche Zustand, in dem sich der Körper danach befindet, um die Giftstoffe zu bekämpfen, kann bis zu 20 Jahren anhalten. Und eines ­Tages gibt der Körper auf, ist ermüdet und dann kann sich eine Krankheit entwickeln. Rauchen heisst, russisches Roulett mit seinem Körper zu spielen – und mit jenem der eigenen Kinder. Der Tabak ist doch ein Naturpro­ dukt, weshalb ist er dann so giftig? Der Tabakrauch einer jeden Marke setzt sich aus 4 000 Komponenten zusammen: aus Nikotin natürlich, aber auch aus Arsen, Blei, DDT, Polonium, Kadmium, Aceton, Vinyl­chlorid, Ammoniak und Quecksilber – und weiteren 3990 Stoffen. Der Tabak wird nicht pur geraucht, er wird mit verbrennungsfördernden Stoffen wie beispielsweise Titan­dioxid versetzt. Der Verbrennungsprozess, bei

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news

Die Ideen des Monats Geschaukelt, aber nicht geschüttelt Das vom dänischen Designer Soren Ulrik Petersen entworfene Modell «Swing Low» ist eine Mischung aus Wiege und Hängematte. Mit seiner luftigen Aufhängung lässt es das Baby praktisch mit dem Kopf in den Sternen einschlummern. «Swing Low» (www. sup.dk).

Löwe, Hühnchen und Schaf Wissen Sie, woran man Deglingos erkennt? An ihrer Fähigkeit, sich auf der Grundlage ­eines Basis-Kuscheltiers in ganz eigenständige Charaktere zu verwandeln (lustig-überdrehte «Kamerados» in überaus lässigem Outfit…). Sie finden diese junge, neue Marke in der «Baby»-Abteilung , es gibt fünf neue Figuren darunter auch eine Ratte, die bei den Jüngsten zweifellos grandios einschlagen wird. «Baby Deglingos», ab 34.50 (www.deglingos.com)

Meine erste Überraschungsparty Bambam kleidet Mädchen in rosa und Buben in blau – wenn nicht ganz einfaches Weiss zum Zuge kommt. Quasi als Vorbeugung gegen den unerfreulichen «Morgen danach» gibt es erstmals einen Koffer, damit Töchterchen auswärts übernachten kann… bei den Grosseltern, mit Lätzchen und Music Box!

wettbewerb 5 Uhren zu gewinnen unter www.babymag.ch

Fotos: DR

Köfferchen «Drama Queen», 69 Fr. (www.bambam-baby.ch)

ausgabe 2 – märz 2009

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Sessel Ein ultraweiches Puzzle Von P’kolino gibt es funktionale und gleichzeitig verspielte Kindermöbel. Das «Silly Soft»-Sitzmöbel ist in vier Ausführungen mit einem jeweils stark stilisierten Tiergesicht erhältlich. Sie hören auf die Namen Iggy, Tias, Kiko und Pipa. Zerlegt verwandeln sich diese freundlichen Schmuseköpfe (3 Teile) in Sitz und Tisch. Weitere Infos unter www.pkolino.com

Web Mein Papa ist der Beste «Jeden Tag ein neuer Lunch Bag für meine Kinder. Ich bin der Vater. Ich mache das in meiner Mittagspause». Um was geht es? Einen verrückten Kritzler? Eine hinterhältige Kleinanzeige? Einen verkappten Zeichner von Disney-Figuren? Genaues weiss man nicht – sicher ist nur, dass besagter Papa ein fleissiger Zeichner ist und fast täglich eine neue, individuell gestaltete Frühstückstüte herausbringt. Von ­Calvin bis Autos, von Prinzessin Mononoke über Sponge Bob bis hin zu Pokemons… er kopiert einfach alles. Papa, kannst du mir auch ein Schaf zeichnen? Zu finden unter http://lunchbagart.tumblr.com

Malbücher Malen und Trugbilder Vielleicht kennen noch nicht alle die Bilderbücher von Joëlle Jolivet (Tout simplement, Zoo logique) mit den herrlichen, gross­formatigen Tierbildern, die aber auch als Miniausgabe gefallen. Hinter einem Schutzumschlag versteckt sich nun ein Malbuch mit dem Titel Coloriages. Es hat zwölf vollständig im Linolschnitt-Verfahren gestaltete Doppelseiten mit Stadtszenen, Meeresgrund, einem Riesen­baum usw., die bei den Kleinen für Begeisterung sorgen werden. Der Clou sind jedoch die sogenannten Flaps, kleine Klappen, mit denen man eine unterirdische Schicht hinzufügen kann – geheimnisvoll und mysteriös. Fast wie bei Michelangelo.

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Fotos: DR

Coloriages, Joëlle Jolivet, Ed. du Panama, 21 Fr., www.editionsdupanama.com. Auch im Buchhandel.


Mein Baby

als Coverstar Monate Alyssia, 17

Seit der Geburt von babymag.ch haben wir viele Fotos von Ihren Lieblingen erhalten. Diese Doppelseite soll als eine Art Spiegel dienen: Das Magazin richtet sich zwar an die Eltern, gemeint sind aber die Kleinen.Senden Sie uns die Fotos Ihrer Kinder unter www.babymag.ch (Rubrik Coverstar Baby)

Louis, 2 ½ Jahre

Livio, 17 Monate

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Emma 3 ½ Jahres und Jean, 24 Monate

Fotos: DR

Enya Me y, 15 Mo nate


album Ylian, 18 Monate Keylan, 19 Monate

Tibaud, 21 Monate

Monate Sydney, 16

Jade, 13 Monate

Laeticia, 2 ½ Jahre

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Kinderbetreuung

Grosseltern oder Au-pair-Mädchen? Hausfrau und Mutter, Tagesmutter, Grosseltern, Kinderkrippe/-hort… es gibt in der Schweiz die unterschiedlichsten Formen der Betreuung unserer Kleinsten. Sie sind zum Grossteil davon abhängig, ob ein kleineres oder grösseres familiäres Umfeld vorhanden ist, was sich die Eltern leisten können und ob ein oder beide Elternteile bereit sind, ihr Arbeitspensum zu ­reduzieren. Eine Umfrage. Text: Albertine Bourget – Fotos: Carine Roth

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am Familienleben mitzuwirken und unterstrichen ihren Wunsch, Zeit alleine mit ihrem Kind/ihren Kindern verbringen zu können. Und das trotz des Nebeneffekts, dass die berufliche Karriere – wenn auch schweren Herzens – für einige Jahre in den Hintergrund rückt. Dafür heisst es dann, ständig mit dem Terminkalender zu jonglieren, sich so gut wie möglich zu organisieren und sich mit dem Partner abzusprechen – umso mehr, wenn man von diesem getrennt lebt. Vier unterschiedliche Systeme, vier Lebensberichte.

Fotos: fotolia.com – montage : babymag.ch

Alle Familien, mit denen wir gesprochen haben, trafen den Entscheid für die Kinderkrippe zu einem frühen Zeitpunkt – zum Teil gezwungener­ massen, zum Teil aber auch aus freien Stücken. Eine Familie hat seitdem die Betreuungsart gewechselt. Doch diese Lösung steht nicht allen offen: das Angebot kann die Nachfrage bekanntermassen noch nicht befriedigen. Bemerkenswert bei diesen vier Familien ist die Tatsache, dass zwar alle Mütter ihre Arbeitszeit reduziert bzw. neu organisiert haben, sich aber auch mehrere Väter für diesen Weg entschieden haben. Ein Zeichen der Zeit? Die Papas brachten ihre eindeutige Bereitschaft zum Ausdruck, aktiv


dossier

Option : Private Kinderkrippe und Reduzierung des Arbeitspensums

«Alles perfekt geteilt» Nicole, 37 Jahre, und ­Alessandro, 44 Jahre, Eltern von Oscar, 8 Monate Oscar ist relativ spät gekommen, sagen seine Eltern. So war für Nicole und Alessandro von Anfang an klar, dass sie ihn aufwachsen sehen wollten. «Wir hatten oft die Klagen anderer Eltern gehört, dass sie die ersten Jahre ihrer Kinder verpasst hätten. Deshalb wollten wir versuchen, nichts von seiner Kindheit zu verpassen.» Die erste Entscheidung für das Paar war die Reduzierung ihres Arbeitspensums auf 80%. Ein Zeichen der Zeit? Für Alessandro war klar, dass er Zeit für seinen Sohn haben wollte. «Natürlich war das vor Oscars Geburt alles noch sehr theoretisch. Aber ich wusste, dass ich involviert sein würde. Für mich war eine Aufgabenteilung wie bei unseren Eltern unvorstellbar.» Für Nicole kam Alessandros Engagement etwas überraschend. «Ich dachte eher, es sei ein frommer Wunsch von mir, ein Kind zu bekommen – und gleichzeitig einen engagierten Vater zu haben. Vor der Geburt allerdings bleibt das alles sehr geheimnisvoll und vor allem sehr theoretisch!» Mit der Geburt des Kleinen erwies sich dessen Vater «sogar noch engagierter, als ich gedacht hatte.» Lächelnd fügt Nicole hinzu, dass Alessandro seinen Sohn bei jedem Wind und Witter auf den Wochenmarkt am Samstagmorgen mitnimmt… dieses Ritual ist ihnen heilig. Zwei Monate Vaterschaftsurlaub Alessandro ein Übervater? Nein, nur voll engagiert. Nach Nicoles Mutterschaftsurlaub übernahm er den Staffelstab und reichte seinerseits zwei Monate Vaterschaftsurlaub ein, um sich ganz seinem Sohn widmen zu können. «Dadurch mussten wir ihn niemandem abgeben. Und er wollte auch Zeit alleine mit dem Kleinen verbringen», erklärt Nicole. Nach ihrem Mutterschaftsurlaub wieder arbeiten zu gehen, war für sie einerseits eine schwere Prüfung, andererseits aber auch eine gewisse Erleichterung. «Das war eine wirklich harte, fast unmenschliche Übergangszeit! Glücklicherweise habe ich eine packende Arbeit, bei der ich mich bis zum Abend fast wie in einem Tunnel befinde. So habe ich gar keine Zeit, darüber nachzudenken, wie sehr mir ­Oscar fehlt, selbst wenn ich es schrecklich finde, ihn nur so wenig – morgens und abends – zu ausgabe 2 – märz 2009

sehen. Gleichzeitig trauere ich dieser Zeit aber auch nicht nach: ich musste wieder arbeiten gehen, denn ich kam mir langsam irgendwie abgewertet vor.» Und sie kann mit gutem Gewissen zur Arbeit gehen. «Alessandro erledigt alles wie eine Mutter, manchmal sogar besser als ich! Und zudem hat er mehr Geduld», fügt sie schmunzelnd hinzu. Die Krippe – ein Kreuzweg Da beide ihre Jobs lieben, lag die Lösung Kinderkrippe auf der Hand. Aber damit stellte sich auch das Problem, erst einmal einen Platz zu finden. «Wir klapperten die Krippen bereits

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Wer ist der Chef? Zwei berühmte Kinderärzte, Edwige Antier und Aldo Naouri, die gegenteilige Ansichten zu Erziehungsfragen vertreten. Einige Schlüsselüberlegungen zum Thema elterliche Autorität. Verbatim : Maxime Pégatoquet

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Aldo Naouri: «Man muss Autorität ganz natürlich ausüben. Mit meinen Patienten benutze ich häufig das Bild einer Brücke über einem Abgrund, über die man zu gehen hat, genau so, wie man durchs Leben schreitet. Wir alle müssen dies tun, und zwar mit verbundenen Augen. Wenn ich als kleines Kind in eine Richtung losgehe und mich mit der Leere konfrontiert sehe, so habe ich Angst. Wenn ich in die entgegengesetzte Richtung gehe und erneut auf die Leere stosse, so habe ich wieder Angst und bleibe unbeweglich stehen. Stosse ich jedoch an der Stelle der Leere auf ein Geländer, so verstehe ich rasch, dass ich sicher fortschreiten kann. Elterliche Autorität natürlich auszuüben

heisst, dem Kind zu zeigen, wo das Geländer ist.» Über das Kind als König E. A.: «Der Ausdruck ‹Kind als König› verleitet zu einem Missverständnis. (...). Das Kind soll von 0 bis 3 Jahren der König, die Königin sein. Für seine Entwicklung braucht das Kind eine emotionale Basis und Sicherheit. Und ich sage dies nicht leichthin (...). Wenn man nicht auf das Kind reagieren will,

es weinen lässt, wenn man es nicht ­hören und verstehen will in diesen ersten drei Jahren unter dem Vorwand, man verziehe es sonst, so wird es in der Folge zum Tyrannen werden. Das Kind während den drei ersten Lebensjahren als König zu behandeln ist nicht nur nicht schlimm, sondern wünschenswert und sogar nötig.» A. N.: «Man muss sich einigen, was genau man unter ‹Kind als König› ver-

illustrations : DR

Über elterliche Autorität Edwige Antier: «Zu glauben, dass man Autorität einfach verordnen kann, um ein Kind gut zu erziehen, ist absolut illusorisch und sogar gefährlich. Heute wissen die Eltern, dass ihre Kinder sehr lange leben werden. Wir leben in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. Man kann also nicht hoffen, ihnen eine Anleitung fürs Leben zu geben, da wir schlicht und einfach nicht wissen, wie unsere Gesellschaft in 50 Jahren aussehen wird. Hingegen können wir Kindern Instrumente zur Anpassung vermitteln, mit denen sie sich entfalten können und das nötige Selbstvertrauen entwickeln, um in der Lage zu sein, sich allen neuen und unbekannten Situationen anzupassen. Das macht meiner Meinung nach gute Erziehung aus: den Kindern Selbstvertrauen und Anpassungsfähigkeit vermitteln. Es gibt keine Gebrauchsanweisung und Autorität ist nicht unbedingt ein passendes Instrument.»


erziehung

steht. Wenn die Psychoanalytikerin Simone Sausse schreibt, Kinder hätten einen Stundenplan wie überlastete Minister, seien gelähmt durch elterliche Ängste und müssten in einem schwierigen Kontext bestehen, so handelt es sich nicht um kleine Könige, sondern um Kinder, die den manchmal übertriebenen Zielen der Eltern unterworfen werden. Das Kind als König hingegen, das tyrannische Kind, muss der Idee entsprechen, die man sich von ihm macht, ohne ihm ein entsprechendes Programm zu geben und ohne, dass man irgendetwas von ihm verlangt.» Über den Platz des Vaters E. A.: «Man sagt, Mütter würden kastrierend wirken und sie sollten den Vätern Platz einräumen, wie wenn Väter eine Manövriermasse wären, die sich ihren Platz nicht selber nehmen können. Sie können dies sehr wohl, aber sie sollten dies nicht plötzlich eines schönen Tages tun wollen, nachdem sie lange abwesend waren. Es ist zu einfach, immer später vom Büro nach Hause zu kommen, um die kleinen Ka-

prizen, das Baden und Spielen mit dem Kind zu umgehen. Ein Kind braucht nicht nur Milch, sondern auch geistige Anregung!» A.N.: «Die Autorität des Vaters gründete schon immer auf der Unterstützung, die ihm die Gesellschaft entgegen brachte. Dank dieser Unterstützung wurde er explizit als Quelle von Autorität wahrgenommen. Eine gegen ihren Mann revoltierende Mutter konnte ihn desavouieren und kritisieren, aber sie anerkannte trotzdem die Autorität, die er gesellschaftlich gesehen verkörperte und machte damit auch dem Kind klar, dass der Vater Träger dieser Autorität war (...). Diese gesellschaftliche Unterstützung ist komplett verschwunden (...). Innerhalb einer Paarbeziehung funktioniert Demokratie jedoch nicht, aus dem einfachen Grunde, dass es sich um eine Zweierkonstellation handelt, bei der keine Mehrheit gebildet werden kann.» Über Frustration E. A.: «Seine Kinder frustrieren zu wollen, ist sadistisch. Zudem werden

sie ohnehin Frustrationen erleben. Ab dem Zeitpunkt der Geburt ist das Kind frustriert, im Gegensatz zum Leben in der Gebärmutter, wo es via Nabelschnur kontinuierlich genährt wurde, ohne je Hunger zu haben (...). Selbst eine noch so verfügbare Mutter wird nie so sehr ihrem Kind gehören, wie dieses es möchte. Das Kind will allmächtig sein und die Mutter ganz für sich alleine haben, aber sie kann diesem Wunsch nicht entsprechen, denn sie ist nur ein menschliches Wesen mit seinen Grenzen.» A.N.: «Für ein Kind besteht die hauptsächliche Frustration darin, nicht ganz über die Mutter verfügen zu können. Bei einem Paar, das stark zusammen hält und wo die Frau weiss, dass sie nicht nur Mutter, sondern auch Frau ist und der Vater weiss, dass er Vater ist, wenn er der Mann seiner Frau ist, kommt es für das Kind zu Frustrierungen und dies trotz aller denkbarer Spielzeuge, mit denen man das Kind überhäufen mag.» Über «gute Eltern» E. A.: «Es gibt zwei Arten von Kindern. Jene, die man erträgt - Kinder hat man einfach, aber eigentlich sind sie einem zuwider; und jene Kinder, für die man sich begeistert. Begeisterte Eltern sind wunderbar; sie haben gute Chancen, ‚ausreichend gute’ Eltern zu sein, da sie das Kind gut beobachten und bewundern werden.» A. N.: «Es sind die Eltern, die ‚zu wünschen übrig lassen’. Der Ausdruck ist ambivalent: Was zu wünschen übrig lässt, ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. (...) Der Ausdruck gestattet es den Eltern, ihre Position neutral einzunehmen und sagt gleichzeitig, dass es sich um ausreichend ‚frustrierte’ Eltern handelt, um ihrem Kind einen ‚Mangel’ zu vermitteln und dieser stellt bekanntlich der Motor des Verlangens dar.» Lektüre: Faut-il être plus sévère avec nos enfants, Edwige Antier und Aldo Naouri, erschienen bei Mordicus

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Wenn ich einmal gross

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ausgabe 2 – märz 2009


mode

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Feuerwehrmann, Tierarzt oder Lehrerin? Wenn man klein ist, träumt man von Vielem. Vielleicht werde ich mal Bäcker, Anwältin oder Flugzeugpilot! Was Mathilde und Timoléon angeht, so möchten sie am liebsten Abenteurer werden und auf Entdeckungsreise gehen. Styling: Tanja Richter – Fotos: Cédric Widmer

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Zwei Buben

in ihrem Reich

Im Aels und Lyns Universum finden sich viel Handgefertigtes und eigenwillige Trouvaillen. Ein komplett improvisiertes Zimmer, kreativ und fantasievoll. Text: Maxime Pégatoquet Fotos: Cédric Widmer

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Ael ist sechs Jahre alt und gehört eher zu jener Sorte Jungen, die nicht stillsitzen können, immer auf der Suche nach einer guten Idee. Lyn ist knapp zwei Jahre alt und bis vor Kurzem bewegte er sich noch kriechend, indem er sich mit den Armen vorwärts stiess, die Beine in der Lotusposition. Zur Zeit teilen sie sich ein Zimmer. «Wir fanden es gut, dass sie sich für eine gewisse Zeit das Zimmer teilen,» meinen die Eltern. «So lernen sie, ihre Spielsachen zu teilen, das gemeinsame Zimmer aufzuräumen und entwickeln Respekt für den andern.» Der Papa, Nicolas Robel, ist Illustrator und Grafiker,* die Mama, Heidi Roethlin, entwirft zeitgenössischen Schmuck,** und das Bubenzimmer weist einen ähnlichen Stil auf wie die

übrige Wohnung. Vieles ist selbst gemacht, wie zum Beispiel der auf Mass geschreinerte Schreibtisch (die IkeaStühle passen haarscharf darunter), das Marionettentheater oder die als Kochherd bemalte Spielzeugkiste, die unter dem Hochbett platziert ist. Dieses ist das Prunkstück des Zimmers. «Es ist ein Bett und mit einem aufgespannten Laken gleichzeitig eine Hütte, und falls es nötig werden sollte, lässt sich ein zweites Bett darunter stellen». Das heisst, wenn Lyn nicht mehr in seinem Vintage-Kinderbett schlafen will. Man mag in diesem Zimmer hinschauen, wo man will, man entdeckt wahre Schätze. Auf dem Fauteuil liegt ein Kuscheltier mit einem überdimensionierten Kopf des Bieler Künstlers Christophe Lambert

(nein, er hat nichts zu tun mit dem Schauspieler aus Greystoke und Subway), an der Wand hängen Puppen von Mama, die sie während den Schwangerschaften gefertigt hat und auch ein Wandmodell eines CD-Spielers, entworfen von Naoto Fukasawa für Muji. Das Mobile stammt von einer Taufpatin, auch dieses Stück ein Zeugnis ungehinderter Kreativität mit seinen chinesischen Bällen und Papierkringeln. «Alles ist hier improvisiert», erklärt der Vater. «Wir stellten erst das Hochbett hinein und die anderen Elemente je nach verbleibendem Platz.» Das Zimmer hat eine Grösse von 13 m2. * www.bulbfactory.ch ** www.fiasco.ch/heidi


deko

Das Bett von Lyn wurde bei der Renfile für 40.– erstanden und komplett renoviert Die ursprünglich weissen Buchstaben der Vornamen wurden mit Geschenkpapier umwickelt und danach von Ael verschönert.

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