MOHAMAD PORTRAIT EINES ULTRA-LÄUFERS TEXT . Denis Wischniewski FOTOS . Daniel Simon
DIE GESCHICHTE DES MARATHON DES SABLES IST AUCH DIE GESCHICHTE VON MOHAMAD AHANSAL.
Es ist ein pendeln zwischen den Kulturen. Mohamad Ahansal lebt in Ingolstadt und in Marokko. In seinem Geburtsland wird er auf offener Strasse erkannt, in der Donaustadt lebt er fast anonym.
FOTOS VON Daniel Simon, mail@danielsimon.de TEXT VON Denis Wischniewski
DER
SANDMANN
Mohamad am Ziel. Er gewinnt zehn Jahre nach seiner Premiere zum zweitenmal den Marathon des Sables.
Wir trafen Mohamad an einem bitterkalten Novembertag in M체nchen zu einem langen Gespr채ch. In knapp vier Monaten will er seinen MDS Sieg wiederholen. Das Problem: dem Titelverteidiger fehlt ein Sponsor.
Die Geschichte des Marathon des Sables ist auch die Geschichte von Mohamad Ahansal. „Ohne den Wüstenmarathon wäre ich heute noch in Zagora. Er hat mir die Tür zu einer anderen Welt geöffnet.“
Es ist eine der allerersten Austragungen des MDS Ende der 80er. Zagora, die Stadt an deren Rand die Ahansal Familie im Stil der Nomaden lebt, ist Start und Ziel des Etappenlaufs. Der 17 jährige Mohamad und sein drei Jahre älterer Bruder Lahcen sind fasziniert von den Sportlern aus Europa, dem Wettkampf und dem Trubel. Die Familie lebt in einfachsten Verhältnissen. Der Vater ist früh gestorben. Die Brüder tragen jung schon viel Verantwortung. Sport passt nicht in diese Ernsthaftigkeit. Mutter Ahansal ist modern, fördert Ihre Söhne und schickt sie nach Zagora in eine Schule. 12 Kilometer hin. 12 Kilometer zurück. Mohamad läuft. Als im Jahr darauf der MDS Zirkus in der Nähe wieder Halt macht, hegt Lahcen einen Plan – er will eine Etappe mitlaufen, will sich einfach so unter die Teilnehmer mischen. Ohne Startnummer, ohne Ausrüstung taucht Lahcen kurze Zeit später als Erster in Zielnähe auf. Renndirektor Patrick Bauer zieht ihn zur Rechenschaft. „Du kannst hier so nicht mitmachen. Das geht so nicht. Du musst angemeldet sein, brauchst eine Nummer. Wenn etwas passiert bist du nicht versichert.“ Lahcen war das unverständlich. Er wollte da mitmachen. Er wollte sich mit anderen messen. Bauer verprach ihm den Start im nächsten Jahr, mit der Zusicherung bei einer Sponsorensuche zu helfen. Lahcen kam natürlich darauf zurück und eine große Geschichte konnte geschrieben werden. Der ältere der Ahansal Brüder sollte den Wüstenmarathon insgesamt zehnmal gewinnen. Mohamad zweimal, mit einem Guiness Rekord für die schnellste Saharadurchquerung in nur 16 Stunden und 22 Minuten. Ingolstadt 2008. Mohamad Ahansal lebt in Ingolstadt. Er ist das was man Pendler nennt. MarokkoDeutschland. Die Liebe hat ihn vor gut
„Du kannst hier so nicht mitmachen. Das geht so nicht. Du musst angemeldet sein, brauchst eine Nummer.“
fünf Jahren in die Donaustadt gebracht. Es war auf seiner ersten selbst organisierten Trekkingreise. Er zeigte einer deutschen Reisegruppe seine schöne Heimat, die Wüste und das Leben der Nomaden. Seine heutige Frau war damals unter den Touristen. Das Schicksal nahm seinen Lauf. Der Ultramann hörte auf sein Herz. Mohamad ist Berufsläufer ohne Festanstellung. Es ist eine ständige Suche nach Sponsoren, Ausrüstern und Gönnern. Das Training, die Saison unterbrochen von der Ungewissheit wie es weitergeht und wie der nächste Lauf finanziert werden kann. Er lebt von bescheidenen, der Leistung unangemessenen Siegprämien, von „Ahansaltrekking“ und manchmal von Antrittgsgeldern. Der Wüstenmarathon hat ihn zu einem Läufer gemacht der fast alle großen Läufe in Europa kennt. Er läuft mittlerweile so gut in den Alpen wie in der Wüste. Er gewann den Zugspitz Berglauf, den sehr schweren Swiss Alpine Marathon und 2007 die Gesamtwertung des Mountain-Marathon-Cups, eine Serie aus Zermatt, Jungfrau und Liechtenstein Marathon. Beim MT V Ingolstadt ist er nicht nur wegen seiner Herkunft ein echter Exot. Der Verein mit großer Vergangenheit in der Leichtathletik ist berühmt für schnelle Mittelstreckler. Ultraläufer wie Ahansal sind Sonderlinge. Für das wöchentliche Tempotraining hängt sich der Marokkaner dennoch gerne mal an die Leistungsgruppe ran. Man merkt es Mohamad an. Er ist in Deutschland nicht so richtig angekommen. Ihm fehlt seine Kultur, seine Familie. Seine Schwester hat zehn Kinder und diese Gemeinschaft und Wärme vermisst er sehr. Immer wieder zieht es ihn nach Afrika. Dort wartet in Zagora alljährlich ein ganz besonderes Baby auf ihn . Der Zagoramarathon ist Mohamads Idee und wird am 31.12 zum fünften mal stattfinden.
Es ist eine ständige Suche nach Sponsoren, Ausrüstern und Gönnern.
Freunde und alte Bekannte des MDS werden dort die Saison ausklingen lassen, nach Zielankunft mit Ihren marokkanischen Gastgebern feiern und fröhlich sein.
Sahara Wüste 1998. Es wird ein Triumph. Mohamad siegt! Bei seinem Lauf. Und wie. Noch nie war jemand so schnell. In nur etwas über 16 Stunden hat er die Wüste durchquert. Er läuft im Strassenmarathon Tempo durch den Sand. Er läutet mit diesem Triumph eine Ära ein – das Zeitalter der Ahansals beim Marathon des Sables. Bis in die Gegenwart wird nur noch Ahansal in den Siegerlisten des härtesten Etappenlaufs stehen. „Die Bedingungen sind für uns genau gleich wie für alle anderen die am Start stehen. Allerdings ist unser Empfinden ab wann etwas extrem ist sicherlich anders. Nach der Etappe im offenen Zelt auf dem Boden zu schlafen und einfache Lebensmittel das ist normal, so haben wir 15 Jahre gelebt. In den Neunziger Jahren hat mal ein Russe aus Sibirien gewonnen. Er war ein ganz anderes Klima gewohnt, aber kam aus einem harten und einfachen Umfeld.“ Doch die Erfolge von Lahcen und Mohamad ziehen auch Kritiker heran. Das Annehmen von Essen und Trinken Dritter ist strengstens untersagt. Es wir vermutet die Brüder bekommen Unterstützung von Nomaden und den Einwohnern der kleinen Dörfer die
durchquert werden. Mohamad wehrt sich: „ Wir liefen nach diesen Anschuldigungen in weitem Bogen um die Leute und riefen ihnen zu von uns Abstand zu halten.“ Mohamad und sein Bruder sind Stars in Marokko. Als Sportler und Menschen hoch anerkannt, bekommen die beiden von Ihrem König den höchsten Orden verliehen. Fehlverhalten beim Autofahren wird dem Wahl-Ingolstädter in seinem Heimatland gerne verziehen. Beim Blick in den Ausweis leuchten dem Polizisten die Augen „ Herr Ahansal bitte fahren Sie weiter. Alles okay!“ 12 Ahansal Siege beim MDS. Wieso konnte Mohamad nur zweimal gewinnen? „Lahcen hatte mehr Zeit zum Training. Ich war all die Jahre auch damit beschäftigt unsere Trekkingreise Firma aufzubauen. Oft kam ich erst zwei Wochen vor Start zur Ruhe und das war natürlich zu spät um sich darauf vorzubereiten.“ Und dennoch könnte der Marathon des Sables 2009 wieder der Lauf des Mohamad Ahansal werden. Wenn alles klappt, wenn das Knie keine Zicken macht, wenn er die 2800 Euro Startgebühr zusammenbekommt, dann würde er gerne zum dritten mal den Wüstenmarathon gewinnen. Für den Erfolg in der Sahara muss der deutsche Winter herhalten – Ahansals Training beginnt täglich um 5.30 Uhr. Es folgt Bürokram für die Trekkingreisen, danach wird wieder gelaufen. Er will sich Tempohärte bei Crossläufen holen und wird bei so manchem Stadtparklauf um München und Ingolstadt das bleiche Starterfeld bunter machen. Ab Februar beginnt dann die heiße Phase für den Titelverteidiger. Er will den Anteil der roten
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Blutkörperchen erhöhen. In einem Skigebiet im Atlasgebirge wird er sich dann für zwei bis drei Wochen in ein Appartement einmieten. Günstig. Man kennt ihn dort. Marokkanische Läufer sind seit vielen Jahren dort zu Gast um sich den Feinschliff für große und wichtige Ereignisse zu holen. Mohamad will noch lange laufen. Er will die Welt sehen. Der Comrades in Südafrika, der Ultra Trail Mont Blanc in Frankreich und Badwater. Diese drei muss er unbedingt noch machen. „Ich würde gerne weniger Wettkämpfe laufen und die dafür richtig schnell.“
Laufen ist sein Leben. Es hat ihn verändert. Er hat seine Herkunft und Kultur aber nicht vergessen.
DAS WEISS MARCO POLO: Zagora (40 000 Ew.) ist das Zentrum des Vallée du Drâa, des Drâatals, einer Flussoase, die sich von Ouarzazate bis an den Atlantik zieht theoretisch. Praktisch versandet der Fluss bei M‘hamid, etwa 100 km südlich von Zagora. Das Vallée du Drâa ist für viele Marokkokenner das schönste Tal des Landes. Zu ihnen zählt sich auch Bernardo Bertolucci, der hier groSSe Teile seines Filmes »Himmel über der Wüste« drehte. Wie ein grünes Band zieht sich der Fluss mit seiner Palmenoase durch die Landschaft, umgeben von hohen Bergen und unzähligen Kasbahs und Lehmdörfern. Einst war Zagora ein Karawanenstützpunkt. Das Schild im Ortszentrum, »52 Tage bis Timbouktou«, ist ein letztes Zeugnis dieser Zeit. Heute ist Zagora eine moderne Garnisonsstadt, die u. a. vom Tourismus lebt. Vor allem Kameltouragenturen haben sich hier niedergelassen, und so entgeht auch kaum ein Gast der Stadt den so genannten hommes bleus, den blauen Männern, die sich als Touareg ausgeben (aber keine sind), um effektvoll für Kameltouren oder Silberschmuck zu werben. Dennoch lässt es sich hier gut aushalten. Es gibt hübsche Hotels in allen Klassen und viele Ausflugsziele.