Pimp24h

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24h PIMP MY FEIERABENDLAUF TEXT . Denis Wischniewski FOTOS . Daniel Simon

SEIT WANN GEHÖREN KAFFEE UND STRUDEL ZUM LAUFSPORT ?


Y M P M I P . REPORT

F. U A L D N E FEIERAB


Sprung aus dem Alltag. Das Bßro liegt hinter mir – die Alpen vor mir!


Das Abenteuer nach Feierabend, zwischen Familie und dem Wochenende. Wie soll das gehen? Ich gab mir 24 Stunden und pimpte meine Laufrunde zum Mini-Aktivurlaub. TEXT VON DENIS WISCHNIEWSKI FOTOS VON DANIEL SIMON

Das war schon komisch. Da lieg ich in diesem dichten Tannenwald zwischen Wolfratshausen und Bad Tölz in meinem Ein-Mann-Zelt und drücke die Play-Taste um die letzten zehn Stunden dieses Tages im Kopf abzuspielen, als mein Abenteuertrip durch schlechten Großraum-Diskotheken-Electrosound gestört wird. Die Ruhe des oberbayrischen Isarumlandes lässt den Konservenbass über viele Kilometer bis in mein Nachtlager vordringen. Na klasse, um sich so richtig von der Menscheit

zu verabschieden bleibt wohl nur noch Kanada oder die Mongolei. Meine Absicht an diesem Freitag war etwas anders und die Rechnung ging am Ende voll auf. Der Plan: Eine ganze Arbeitswoche liegt hinter mir, der Kopf ist voll und ich will raus. Frische Luft, ein langer Lauf, Natur. Am besten ein kleines Abenteuer ohne dabei das komplette Wochenende dadurch zu ruinieren. Freitag Mittag um genau 14 Uhr verabschiedet sich

Das Glück des Trail-Runners auf dem Rücken komprimiert: Zelt, Schlafsack, Wechselklamotten und ein Kocher.


der letzte Pixel meines Computers ins Rechnergehäuse zurück und ich stehe in gut durchdachter Laufausrüstung auf dem Parkplatz unseres grundhässlichen Bürokomplexes. 30 Liter Rucksack, ein Schlafsack, mein nagelneues MarmotZelt, ein Kocher, zwei Trinkflaschen, warme Unterwäsche und eine halbe Isomatte. Etwas Hygiene und ein paar Riegel und Bargeld. Sieben Kilogramm insgesamt. Ein kleines bisschen will ich unter dem Motto “was kann man in 24 Stunden erleben” laufen. Oder treffender “Ich pimp up mein Trail-lauf zu einem kleinen Abenteuer”. Ich will loslaufen, die Isar entlang in Richtung Alpen, wenn ich Lust auf ein Stück Kuchen habe mal anhalten, wenn ich müde bin einfach schlafen und spätestens am nächsten Tag zur gleichen Uhrzeit bei der Familie zu Hause sein. Genau so will ich das machen. Das Wetter hat ähnlich konkrete Vorstellung von sich und will Ende Mai nicht mehr als 14 Grad rausrücken. Ich renne los. München Süd, Sendling am Tierpark Hellabrunn. Zum ersten mal treffe ich meine charmante Begleiterin-Isar! Sie fließt dort stadteinwärts, ganz knapp, am Wildgehege vorbei. Ihrem Strom entgegen soll es für mich bis nach Lenggries gehen. Von dort kann ich dann mit der BOB, der bayrischen Oberlandbahn, für 10,60 Euro an meinen Startpunkt zurückfahren. Nach Grünwald unter der Großhesseloher-Selbstmörderbrücke durch, lauf ich noch immer mit dem Eindruck eine Großstadt zu verlassen. Mit jedem Meter mehr, verlieren sich Nordic Walker, Jogger und Biker. Der Lärm der Stadt wird stückweise in Vogelzwitschern eingetauscht, und die Isar gibt jetzt den Ton an. Bei Kloster Schäftlarn tausche ich den grünen Naturfluss in den Isarkanal um - weniger schön, aber der direktere Weg nach Wolfratshausen, nach Edmund-City. Jetzt greift die Ideologie meines 24 Stunden-Abenteuer-Trailruns. Es beginnt zu regnen und die Temperatur sinkt empfindlich. Wirtshaus. Wie gelegen. Kommt gerade recht. Nach rund 25 Kilometern betrete ich das in Eichenholz geschalte Lokal, gönne mir eine Cola, heisse Schokolade und Apfelstrudel mit Sauce. Solls doch regnen. Ich habe Zeit. Es geht weiter und mit diesem “Stop and GoKonzept” kann man auf die übliche Energieriegel Zeremonie während des Laufens verzichten – die Speicher sind randvoll. Die Laune auch. Nach Wolfratshausen wirds öde, denn anstatt epischer Isartrails muss ich mich mit breiten Forstwegen des Via Bavarica, dem Isarwanderweg, abgeben. Sicherheit statt Risikobereitschaft. Ein Fehler. Über Geretsried bis zum Ort Königsdorf zieht


sich die Strecke. 50 Kilometer stecken in meinen Beinen. Nicht schlecht für einen Feierabendlauf. Es wird dunkel und es wird hunger! Option 1: Zelt aufbauen, Fertigpasta kochen. Option 2: Bayrische Küche in Wirtshaus Nummer 2 im Dorfzentrum von Königsdorf. Ich entscheide mich wiederum für die Stammtisch Variante und geniesse zwischen Forellenaquarium und Hirschgeweih den Seniorenteller mit einem kalten Spezi. Ganz offensichtlich begreifen die anderen Gäste nicht so recht was ich hier mache – ein Läufer mit Rucksack und Stirnlampe. Hier, Freitag Nachts. Sie glotzen, aber fragen tut keiner. Das Weissbier ist Unterhaltung genug.

Seit wann gehört kaffee und strudel zum laufsport? bei distanzen jenseits der 50 km ohne startnummer eine pflicht!

Die Wampe ist voll und ich suche jetzt mein Nachtlager, ein schickes Plätzchen für mich und mein schmuckes Zelt. Am besten direkt am Isarufer. Doch ich finds nicht. Nach zwei Stunden der Suche – es ist nach zwölf Uhr und stockendunkel – fängt es wieder an zu schütten. Der Idee, das Zelt im Wald aufzuschlagen, weil es dort trockener


Isartrails zwischen Bad Tรถlz und Lenggries.




sein könnte, gebe ich nach und boxe mich in einen dichten Tannenwald der direkt neben der Strasse liegt. Eine Gute Nacht auf einem weichen Boden, der Pilzfreunde in Entzücken versetzen würde. Eine Flasche helles Bier zum einschlafen. Ich bin weg um sechs Stunden später wieder da zu sein. Der nächste Tag grüßt mit Sonnenschein. Ich trage das Leichtgewichtzelt am Zeigefinger aus dem Schattenwald in eine Blumenwiese. Aufwärmen, Tee trinken und das Trikot trocknen. Die ersten Schritte fallen schwer, dann wird es runder und Bad Tölz, die Stadt der Flößer und Siebmacher liegt vor mir – da gäbe es viel zu sehen, aber die grösste Sehenswürdigkeit ist gegenwärtig eine einfache Bäckerei. Boxenstopp in dieser sehr schönen Kreisstadt. Kaffee, Semmel, Eistee, Mohnschnittchen. Die letzten 10 Kilometer nach Lenggries machen die Morchelnacht unter Tannen schnell vergessen. Meine Trails führen direkt am Ufer,d er hier wilden Isar, entlang. Das Wasser leuchtet

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als trail-runner darf man wild campen, weil wir dazu einfach „nachtlager“ sagen. türkis, im Hintergrund grüßen die Alpen. Es ist 12 Uhr als ich am Bahnhof in Lenggries ankomme und in die Bayrische-Oberlandbahn in Richtung München einsteige. Mehr als 70 Kilometer war ich unterwegs. Nicht am Stück und nicht in Renntempo, aber durchgehend mit Genuß und Blick für die Umgebung. Genau 24 Stunden nach dem ich vom Firmenparkplatz trabte, stehe ich vor der Haustüre und meine Frau empfängt mich mit Gulasch, Sauerkraut und Kartoffeln. “Essen lecker, wie gut das riecht!”. “Du musst ja auch Hunger haben, oder?” Wenn sie wüsste was ich alles gegessen habe. Es hat geklappt. Das war wie eine Antivirus Software. Meine Festplatte ist gereinigt, wie sonst nach 14 Tagen Urlaub. Ich bin mir sicher. Das könnte mein Sommer der 24 Stunden Trail-Abenteuer werden. Bayern ist gross, Bayern ist schön.

Ausrüstung

www.marmot.de www.invia.de www.salomonrunning.com/de wwww.patagonia.com


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