Schubert Wochenende

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Schubert-Wochenende Thomas Hampson, Christiane Karg, Ludwig Mittelhammer, Wolfram Rieger & Jonathan Ware Einfßhrungstext von Wolfgang Stähr Program Note by Richard Wigmore Zeichnungen von / Drawings by Tamina Amadyar



THOMAS HAMPSON & WOLFRAM RIEGER Freitag

12. Januar 2018 19.30 Uhr

Thomas Hampson Bariton Wolfram Rieger Klavier

Franz Schubert (1797–1828) Der Sänger D 149 Am Flusse D 160 Trinklied „Ihr Freunde und du, gold’ner Wein“ D 183 Sehnsucht „Ach, aus dieses Tales Gründen“ D 52 Der Taucher D 77

Pause

Gebet während der Schlacht D 171 Amphiaraos D 166 Freiwilliges Versinken D 700 Memnon D 541 Der entsühnte Orest D 699 Der zürnenden Diana D 707 An die Leier D 737

18.30 – 19.15 Uhr Einführungsgespräch mit Prof. Hartmut Höll (Musikhochschule Karlsruhe) und Prof. Richard Stokes (Royal Academy of Music) Liedtexte / Song texts: S. / p. 47

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WORKSHOP & KONZERT Samstag

13. Januar 2018

11.00 Uhr Workshop 16.00 Uhr Konzert Theresa Pilsl Sopran Susan Zarrabi Mezzosopran Jessica Dandy Alt Kieran Carrel Tenor Jonas Böhm Bariton Jussi Juola Bassbariton Eun Hye Kang Klavier Jonathan Ware Klavier Thomas Hampson Künstlerische Leitung

Franz Schubert (1797–1828) Ausgewählte Lieder Das detaillierte Konzertprogramm wird kurzfristig bekanntgegeben.

In Zusammenarbeit mit der Festival Akademie des Internationalen Musikfestival Heidelberger Frühling

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CHRISTIANE KARG & WOLFRAM RIEGER Samstag

13. Januar 2018 20.00 Uhr

Christiane Karg Sopran Wolfram Rieger Klavier

Franz Schubert (1797–1828) Hoffnung „Es reden und träumen die Menschen“ D 637 Frühlingsglaube D 686 Das Rosenband D 280 Die Rose D 745 Die abgeblühte Linde D 514 Nachtviolen D 752 Viola D 786

Pause

Lied „Des Lebens Tag ist schwer und schwül“ D 788 Die Liebe hat gelogen D 751 Du liebst mich nicht D 756 Lieb Minna D 222 Thekla (Eine Geisterstimme) D 595 Strophe aus „Die Götter Griechenlands“ D 677 Iphigenia D 573 Vedi quanto t’adoro D 510

19.00 – 19.45 Uhr Einführungsgespräch mit Thomas Hampson und Prof. Richard Stokes (Royal Academy of Music) Liedtexte / Song texts: S. / p. 64

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LUDWIG MITTELHAMMER & JONATHAN WARE Sonntag

14. Januar 2018 11.00 Uhr

Ludwig Mittelhammer Bariton Jonathan Ware Klavier

Franz Schubert (1797–1828) Auf der Bruck D 853 Im Frühling D 882 Der Knabe D 692 Der Schmetterling D 633 Alinde D 904 Der Einsame D 800 An die untergehende Sonne D 457 Erlkönig D 328 Schäfers Klagelied D 121 Jägers Abendlied D 368 Heidenröslein D 257 Pilgerweise D 789 An den Mond „Geuß, lieber Mond“ D 193 An den Mond in einer Herbstnacht D 614 Sehnsucht „Ach, aus dieses Tales Gründen“ D 636

Dauer des Programms: etwa 60 Minuten. Keine Pause. The program will last approximately 60 minutes and will be performed without intermission. Liedtexte / Song texts: S. / p. 77

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Der Sänger Lauter Lieder von Franz Schubert

Wo l f g a n g S t ä h r

Franz Schubert trifft das Zauberwort. „Seit er in die Menschheit getreten ist, weiß sie erst richtig, was ein Lied ist“, sagt Egon Friedell, der Wiener Kulturhistoriker. „Wie von den Brüdern Grimm das deutsche Märchen geschaffen, nämlich nicht erfunden, aber zum Kunstwerk erhoben wurde, so hat Schubert das Volkslied geadelt und ebenbürtig neben die höchsten Tonschöpfungen gestellt“, befand Friedell in seiner Kulturgeschichte der Neuzeit. Nichts von Kunst sei zu spüren in Schuberts Vorstellungskraft: „Wie ein Vogel des Feldes, ein seliges Instrument Gottes ließ Schubert seine Lieder ertönen, eine unscheinbare graue Ackerlerche, aus der niederen Erdfurche aufsteigend.“ Friedell vergleicht ihn mit dem Eichendorffschen Taugenichts, der seine Freiheit mit Armut erkauft habe: „Und wie der ‚Taugenichts‘ war er eigentlich gar nicht faul, sondern sehr fleißig, freilich ohne daß er es selbst wußte: indem er immerzu sang, ein halbes Tausend Lieder!“ Ackerlerche und Taugenichts, und ein „linkischer bebrillter Dickkopf von Vorstadtlehrer“ – Friedell provoziert: zum Widerspruch. Wusste Schubert wirklich nicht, was er tat? Der 14-Jährige hatte Friedrich Schillers Wallenstein noch nicht einmal gelesen, noch ahnte er nichts von Thekla und Friedlands Sternen, da entdeckte er ein Gedicht des verstorbenen Klassikers, das ihn unwiderstehlich anzog: „Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn, / Das Mägdlein sitzet an Ufers Grün, / Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht, / Und sie seufzt hinaus in die finstere Nacht, / Das Auge von Weinen getrübet.“ Liebesklage, Todessehnsucht, peinigende Einsamkeit, diese literarischen Motive mögen dem empfindsamen Schüler aus der Seele gesprochen haben: „immer ernst und wenig freundlich“ erlebte ihn Josef von Spaun im Alltag des Internats. Zum überhaupt ersten Mal vertonte Schubert Verse Schillers, Des Mädchens Klage, aber anders als das erste Goethe-Lied, Gretchen am Spinnrade, 10


markiert dieser frühe Versuch keine „Stunde null“ der Musik­ geschichte. Eruptiv und beinah wie improvisiert bricht sich diese Komposition ihre gewundene Bahn, im (buchstäblich) hohen Ton und Sturm und Drang. Die Grundtonart d-moll sollte sich später in Schuberts Œuvre noch unlösbar mit dem Gedanken an den Tod und das Mädchen verketten. Der junge Komponist schuf freilich kein Lied im Sinne der ­konservativen Ästhetik, vielmehr eine imaginäre Szene oder ein „Seelendrama“. Den Lebenden und den Toten Schiller nahm dieses Rollengedicht, das Gebet einer zu Tode Verzweifelten an die himmlische Jungfrau, in den Musen-­ Almanach für das Jahr 1799 auf. Aber er integrierte es auch in sein Schauspiel Die Piccolomini, das zentrale Werk der Wallenstein-Trilogie. Dort greift die Tochter des Generalissimus, Thekla, Prinzessin von Friedland, nach einer Gitarre, um eben jenes schwermütige Lied anzustimmen.Wie Shakespeares Julia liebt sie den Sohn des Todfeindes ihres Hauses, den Oberst Max Piccolomini, dessen Vater in heimlicher Intrige, aber im Auftrag des Kaisers den Sturz des allzu machtbewussten, maßlos ehrgeizigen Wallenstein betreibt. Der junge Piccolomini wird an diesem Loyalitätskonflikt zerbrechen: Gehorsam gegen den Kaiser oder Treue zu ­Wallenstein, seinem Mentor und Idol. In einem selbstmörderischen Angriff auf das schwedische Lager sucht Max den Tod. Thekla folgt ihm nach auf seinem einzigen Ausweg: „Was ist das Leben ohne Liebesglanz? / Ich werf es hin, da sein Gehalt verschwunden.“ Für Thekla existiert nur ein Ziel noch in der Welt, das Grab des Gefallenen. Über ihr weiteres Schicksal kann für den Leser des Dramas kein Zweifel bestehen – und doch mochten die Zeitgenossen des Dichters über Theklas letzte Stunden nicht im Ungewissen bleiben. Deshalb ließ Schiller die „schöne Seele“ der Verstorbenen noch einmal in Erscheinung treten, als „Geisterstimme“ in einem Gedicht von 1802. Die Zeile „Hab ich nicht geliebet und gelebt?“ spielt auf Des Mädchens Klage an, dessen erste Strophen Thekla im dritten Akt der Piccolomini singt – in „böser Ahnung“ ihres nahen Todes. Und da Schubert bereits jenes ältere ­Gedicht komponiert hatte, zwei Jahre zuvor, mochte es für ihn naheliegen, die Fortsetzung 1813 ebenfalls in Musik zu bannen: Thekla (Eine Geisterstimme) D 73. Ein heikles Unterfangen: Schubert nähert sich der Geisterstunde in dieser 11


Eine wahre „Oper für Singstimme und Klavier“

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frühen Bearbeitung mit einem Exerzitium in freiwilliger musikalischer Armut. Tempo, Tonart und Dynamik – ­moderato, F-Dur, sempre pianissimo – bestimmen die Szene nahezu unwandelbar vom ersten bis zum letzten Takt. Die Stimme der entrückten Thekla erklingt in freien Rezitativen über lang ausgehaltenen Akkorden des ausschließlich im unteren System notierten Klavierparts – wir werden an die Accompagnati der Christus-Worte in den Passionsmusiken erinnert (in der Bach-Literatur als „Heiligenschein“ bezeichnet). Vier Jahre später nahm Schubert dieses Gedicht ein weiteres Mal zum Anlass und Inhalt einer Komposition (D 595). Dieses Mal aber setzte er die Strophen in der archaisierenden Manier einer spanischen Folia: Die Vokalstimme bewegt sich wie gebannt im engen Raum einer Quarte über dem formelhaft fixierten Bass im Klavier. Das historische Variationenmodell verleiht dem Lied nicht allein eine Suggestivkraft ohnegleichen (hypnotisch verstärkt durch die ununter­ brochene Pendelbewegung in der rechten Hand), sondern obendrein sogar eine „couleur locale“, denn dieser musikalische Anachronismus einer längst überlebten kompositorischen Mode führt zurück in die Epoche Wallensteins. Ab der dritten Zeile wechseln die drei Liedstrophen von c-moll nach C-Dur, ein harmonischer Schritt, der Welten versetze, wie Dietrich Fischer-Dieskau betonte: „Hier wie schon ­immer ist die rätselhafte Beziehung zwischen Lebenden und Toten in Schuberts Kontemplation gegenwärtig. Immer ­­hat er an ein Wiedersehen mit den Vorangegangenen geglaubt. Schillers schauerliche Geisterstimme rückt er gleichsam in vertraute Nähe; er scheut sich nicht, mit einem Lächeln die Kluft zu überbrücken, ein von permanentem Wechsel ­zwischen Dur und Moll herbeigezaubertes Lächeln.“ Schubert war „unmenschlich fleißig“, das wussten seine Freunde. Monate über Monate, nie zufrieden, nie am Ende, arbeitete er bis 1815 an Schillers Ballade vom Taucher, die ­er zu einer wahren „Oper für Singstimme und Klavier“ ­ausbaute, wie der Pianist Gerald Moore in gemischter Erinnerung an die allein schon konditionell enorme Herausforderung dieser 27 Strophen schrieb. Schubert sang seine Lieder nicht wie der Vogel auf dem Feld, er fand sie nicht „im Volk“, er schuf sie mit allem Wissen um die Perspektiven der Tonkunst, der gegenwärtigen und der historischen, mit genauester Kenntnis der Oper, des Melodrams, des Belcanto, der Oratorien. Und auch des Volksliedes, des „Volkstons“,


der freilich gar nichts Naturwüchsiges und Ursprüngliches an sich hatte, sondern einer literarischen wie musikalischen, alsbald national aufgeladenen Mode entsprang, die in den Salons der Hauptstädte und Residenzen wurzelte, und nicht in Wald und Feld. Aber, wie einen Gruß an die Welt, ein Zunftzeichen und Selbstportrait, vertonte Franz Schubert gleichwohl diese Verse: „Ich singe, wie der Vogel singt, / Der in den Zweigen wohnet; / Das Lied, das aus der Kehle dringt, / Ist Lohn, der reichlich lohnet.“ Am Ende also doch – ein Bekenntnis zur „Kunstlosigkeit“, zur zweiten Natur des unverbildeten, unvermittelten, unbewussten Gesangs? Das zitierte Lied handelt vom Sänger (und heißt auch so, D 149 von 1815), seinem Auftritt vor dem König, vor edlen Herren und schönen Damen. Mit eben diesen in eine stilisierte Vergangenheit transponierten Strophen stellt sich der Harfner vor, in Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. „Gebt uns etwas, das Herz und Geist zugleich mit den Sinnen ergötze“, fordert Wilhelm „den Alten“ zum Singen auf, um zuvor noch sein (im Klartext: Goethes) konservatives Liedideal zu propagieren: „Das Instrument sollte nur die Stimme begleiten; denn Melodien, Gänge und Läufe ohne Worte und Sinn scheinen mir Schmetterlingen oder schönen bunten Vögeln ähnlich zu sein, die in der Luft vor unsern Augen herumschweben, die wir allenfalls haschen und uns zueignen möchten; da sich der Gesang dagegen wie ein Genius gen Himmel hebt und das bessere Ich in uns ihn zu begleiten anreizt.“ Spätestens mit Schubert, dem Sänger, der eben doch nicht sang wie der Vogel in den Zweigen, bezeichnete diese Haltung einen überwundenen Standpunkt: dass ein Instrument, die Harfe, die Laute, das Klavier, nur zur Begleitung tauge und Melodien ohne Worte keinen Sinn ergäben. Und dass überhaupt der Sinn untrennbar an Worte gebunden sei. Der Dichter schweigt Manche der Autoren, deren Gedichte Franz Schubert im Laufe seines kurzen, aber unfassbar produktiven Lebens vertonte, wären ohne seine Musik längst vergessen oder allenfalls noch Eingeweihten bekannt. Die Goethe-Vertonungen dagegen zählen zu jenen Liedern, in denen sich das literarische und das musikalische Genie begegnen. Im ­wirklichen Leben allerdings fand diese Begegnung keine 13


„...da sich der Gesang wie ein Genius gen Himmel hebt“

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Entsprechung: Der gewaltige Abstand zwischen dem Weimarer Olympier und seinem Wiener Zeitgenossen, eine Distanz des Alters, des Ruhmes und der gesellschaftlichen Stellung, erwies sich als unüberwindlich. Im April 1816 erhielt der 66-jährige Goethe ein handgeschriebenes Album mit Liedern des 19-jährigen Schubert, darunter Schäfers Klagelied, Erlkönig und Gretchen am Spinnrade. Schubert hoffte auf eine wohlwollende Antwort und auf die Erlaubnis, diese Kompositionen mit einer Widmung an Goethe veröffentlichen zu dürfen, doch wagte er es nicht, sich mit seinem Anliegen persönlich an den über alles bewunderten Dichter zu wenden. Josef von Spaun verfasste für ihn das Begleitschreiben und trug an seiner Stelle die Bitte um Einverständnis vor. Er empfahl seinen Freund als einen Musiker, „dem die Natur die entschiedensten Anlagen zur Tonkunst von zartester Kindheit an verlieh“ und der sich, „wie nicht zu bezweifeln ist, in kurzer Zeit auf jene Stufe unter den deutschen Tonsetzern schwingen wird, die ihm seine vorzüglichen Talente anweisen“. Es seien aber gerade die „herrlichen Dichtungen“ Goethes, denen der junge Komponist „nicht nur allein die Entstehung eines großen Teils“ seiner Lieder, „sondern wesentlich auch seine Ausbildung zum deutschen Sänger“ verdanke. Und so schloss Spaun diesen Brief mit den Zeilen: „Sollte der Künstler so glücklich sein, auch den Beifall desjenigen zu erlangen, dessen Beifall ihm mehr als der irgend eines ­Menschen in der weiten Welt ehren würde, so wage ich die Bitte, mir die angesuchte Erlaubnis mit zwei Worten gnädigst melden zu lassen.“ Auf diese Worte aber und auf die Einwilligung zu einer Widmungsausgabe warteten er und Schubert vergebens: Die Lieder wurden ihnen aus Weimar kommentarlos zurückgeschickt. 1825 unternahm Schubert einen zweiten Versuch, Goethes Aufmerksamkeit zu erlangen. Er sandte ihm zwei Prachtausgaben seines in Wien gedruckten Opus 19, ein Sammelwerk mit drei Liedern – An Schwager Kronos, An Mignon, Ganymed –, das er, diesmal ohne vorherige Anfrage, dem Dichterfürsten zugeeignet hatte. Anders als 1816 wandte sich Schubert jetzt, neun Jahre älter und mit gewachsenem Selbstvertrauen, direkt an Goethe: Und wieder keine Antwort. Alles Rätselraten, weshalb Goethe von der Musik Franz Schuberts so vollständig unberührt blieb, von Vertonungen seiner Gedichte, deren künstlerischer Ausnahmerang kaum je wieder erreicht, geschweige denn übertroffen wurde, alle Spekulationen über Goethes Gleichgültigkeit erweisen sich letzten Endes


als müßig. Wer sagt, dass sich hinter jenem Schweigen ein Urteil oder gar eine ablehnende Haltung verberge? Welche dieser Lieder hat Goethe tatsächlich zu Gesicht bekommen oder, besser gesagt, zu Gehör: Über das Notenbild allein hätte er sich keine Meinung erlauben können. Mit wem hat er sich, wenn überhaupt, darüber ausgetauscht? Oder sind die Sendungen aus Wien über anderen Pflichten und Auf­ gaben, die Goethe oft bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit beanspruchten, einfach nur vergessen worden? Als ihm die junge Wilhelmine Schröder-Devrient im Frühjahr 1830 den Erlkönig vorsang, gestand Goethe: „Ich habe die Komposition früher einmal gehört, wo sie mir gar nicht zusagen wollte, aber so vorgetragen gestaltet sich das Ganze zu einem sichtbaren Bilde.“ In seinem Tagebuch notierte Schubert am 27. März 1824 den trostlosen Gedanken: „Keiner, der den Schmerz des ­Andern, und Keiner, der die Freude des Andern versteht! Man glaubt immer, zu einander zu gehen, und man geht immer nur neben einander. O Qual für den, der dieß erkennt!“ Dachte er dabei an Johann Mayrhofer, den Dichter des Memnon („Gewohnt zu schweigen immer und zu ­trauern“), den verlorenen Freund? Zwei Jahre lang hatten sie ein düsteres Zimmer bei der Witwe Sanssouci in der Wipplinger Straße geteilt, ehe ihr musikalisch-literarisches Bündnis zerbrach. Für Schuberts Biographen blieb es ohnehin ein unlösbares Rätsel, weshalb sich der Komponist zu diesem misanthropischen Sonderling hingezogen fühlte, der zu allem Unglück noch für die staatliche Zensur arbeitete. Aber von keinem Lyriker außer Goethe hat Schubert mehr Werke vertont als von Mayrhofer: 47 Lieder waren es am Ende – nach dem Ende ihrer Freundschaft. Doch Schuberts Freundeskreis wurde auch von anderen, denkbar entgegengesetzten Naturen beherrscht, allen voran der leichtlebige Franz von Schober, ein Bonvivant und ­Dilettant in allerlei Künsten, einschließlich der Poeterei. Seine Blumenballade Viola verlockte Schubert im März 1823 zu einem Lied, das schon wegen seiner Aufführungsdauer den Raritäten zuzurechnen ist, wenn nicht gar den Kuriositäten: Als Gartenschau, Blumenkatalog und Naturkunde­ unterricht wurde das Werk verspottet. Dagegen urteilte (nicht nur) Gerald Moore: „Dieses Lied ist voller Erfindung und atmet Schuberts Liebe zur Natur; es fällt nirgends ab und ist ewig frisch.“ Als „Starautor“ müsste man den Leipziger Schriftsteller Friedrich Rochlitz titulieren, der zu seinen 15


Lebzeiten mit Erzählungen, Lyrik und Theaterstücken enorme Erfolge feierte. In die Musikgeschichte ging er als Redakteur der Allgemeinen musikalischen Zeitung und Erfinder populärer Mozart-Anekdoten ein. Die vier Strophen der Alinde – ein ungeduldiger Liebhaber wartet auf die Dame seines Herzens – inspirierten Franz Schubert im Januar 1827 zu einer zarten, halb anekdotischen, leicht komödiantischen Serenade. „Schöne Welt, wo bist du?“

Weltschmerz und Desillusio­ nierung

Die letzten Lieder nach Gedichten seines Freundes Mayrhofer komponierte Schubert im März 1824, in den wenigen Tagen zwischen der Vollendung seines Streichquartetts in a-moll D 804 und dem Beginn des Schwesterwerks, des d-moll-Quartetts D 810. Und diese Instrumentalmusik ist reich an verschwiegenen Botschaften und Anspielungen auf ältere Lieder. Im Menuett des a-moll-Quartetts wird, zuerst vom Cello, mit der Tonfolge e–d–e die melodische Keimzelle jener Strophe von Schiller aus Die Götter Griechenlands zitiert, die Schubert im November 1819 vertont hatte: „Schöne Welt, wo bist du?“ Das Trio (in A-Dur) lässt daraus die Worte „Kehre wieder, holdes Blütenalter der Natur“ ­anklingen. Schillers Verse, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelöst, besaßen für Schubert eine beklemmend persönliche Bedeutung. „Damit Dich diese Zeilen nicht vielleicht verführen, zu glauben, ich sey nicht wohl, oder nicht heiteren Gemüthes, so beeile ich mich, Dich des ­Gegentheils zu versichern“, schrieb er im Sommer 1824 an seinen älteren Bruder Ferdinand, der ihn um mehr als 30 Jahre überleben sollte. „Freylich ists nicht mehr jene glückliche Zeit, in der uns jeder Gegenstand mit einer jugendlichen Glorie umgeben scheint, sondern jenes fatale Erkennen ­einer miserablen Wirklichkeit, die ich mir durch meine Phantasie (Gott sey’s gedankt) so viel als möglich zu verschönern suche.“ Aus diesen Zeilen spricht nicht bloß der Weltschmerz des empfindsamen Jünglings – sie bezeugen die tiefste Desillusionierung. „Schöne Welt, wo bist du?“ Nach der Diagnose einer venerischen Krankheit hatte sich Schubert im vorangegangenen Herbst zur stationären ­Behandlung in das Wiener Allgemeine Krankenhaus begeben. Im Spital musste er sich Dampfbädern aus giftigen Quecksilberdünsten aussetzen, die zu Fieberschüben, Speichelfluss und Haarausfall führten. Des Nachts schlief er in einem Saal


mit 90 Betten; am Tage konnte er sich auf kargen Rasenplätzen und geschlossenen Höfen zwischen den Gebäudetrakten ergehen. Miserable Wirklichkeit – nach dieser ­heillosen Ernüchterung gab es keine Rückkehr mehr in das frühere Leben. „Man glaubt an dem Orte, wo man einst glücklicher war, hänge das Glück, indem es doch nur in uns selbst ist“, gestand er seinem Bruder. „Wo ich beim ersten Frühlingsstrahl einst, ach, so glücklich war“ – diese Worte, die Schubert im März 1826 vertonte, sprachen ihm zweifellos aus der Seele. Das unwandelbare Naturidyll – „denn alles ist wie damals noch, die Blumen, das Gefild“ – kontrastiert unversöhnlich mit der labilen menschlichen Existenz, der von der Liebe am Ende nur das Leid übrig bleibt. Und die Flucht in die Phantasie: „O wär ich doch ein Vöglein nur dort an dem Wiesenhang!“ Franz Schubert nannte sein Lied Im Frühling und fügte es in die traditionsreiche Form der Ostinato-Variationen über einen „gehenden“ Bass (inklusive einer dramatischen Minore-­ Variation kurz vor Schluss). Die strenge Tonkunst spielt sich völlig autonom im Klavier ab, das mitnichten nur begleitet, sondern seine eigenen Kreise zieht und auf den Gesang so gut verzichten könnte wie die Natur auf den Menschen. Am Ende ist der Sänger eben doch kein Vogel, kein Vöglein, keine Ackerlerche; der Weg zurück in den Stand der kreatür­ lichen Unschuld, der vorbewussten Natürlichkeit bleibt ihm ein für alle Mal verschlossen. Aber er besitzt das Zauberwort, die Wirklichkeit zu vergessen, zu verschönern, zu verwandeln – oder durch eine andere, „beßre Welt“ zu erhellen. Schubert ist der Sänger. Welch ein Glück, dass er in die Menschheit trat, die seither erst richtig weiß, was ein Lied ist.

Wolfgang Stähr, geboren 1964 in Berlin, schreibt über Musik und Literatur für ­Tageszeitungen, Rundfunkanstalten, die Festspiele in Salzburg, Luzern und Dresden, Orchester wie die Berliner und die Münchner Philharmoniker, Schallplatten­ gesellschaften und Opernhäuser. Er verfasste mehrere Buchbeiträge zur Bach- und ­Beethoven-Rezeption, über Haydn, Schubert, Bruckner und Mahler.

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Ausdruckswille und Leidenschaft Ein Gespräch mit Thomas Hampson

Herr Hampson, Sie haben sich im Verlauf Ihrer Karriere i­mmer wieder auf die unterschiedlichste Weise mit der deutschen Liedtradition b­ eschäftigt – eine Tradition, die mit Schubert beginnt, auch wenn es bereits vor ihm Komponisten gab, die Lieder ­geschrieben haben. Was macht sein Werk so einzigartig und so ­ungeheuer ­einflussreich? Vielleicht kann man Schubert und seine Lieder mit zwei unterschiedlichen Metaphern beschreiben: zum einen, dass er die Muse war für alle Liedkomponisten, die nach ihm kamen. Zum anderen, dass er sozusagen den Stamm bildet des blühenden Baums, der das klassische Lied darstellt, oder besonders das deutsche Lied. Die ersten Schallplatten, die ich als Student von meiner Lehrerin in die Hand bekam, waren Schubert-Lieder mit dem großen Fischer-Dieskau, und ich war davon völlig überwältigt. Ich muss ungefähr 17 oder 18 gewesen sein, und seitdem lässt mich die Faszination von vertonter Dichtung, von Wort und Musik nicht mehr los. Ich glaube, bei Schubert geht es nicht nur um die ­Qualität, den bleibenden Zauber dieser Lieder. Zu Lebzeiten hat man ihn ja sogar dafür kritisiert, dass er zu originell war zu risikofreudig. Natürlich gab es vor Schubert gewisse Anzeichen, wohin die Entwicklung gehen würde, in manchen von Beethovens Liedern, vor allem An die ferne Geliebte, und einigen sehr schönen, atmosphärischen Liedern von Mozart. Und man darf auch Reichardt oder Zumsteeg oder Zelter nicht vergessen. Aber Schubert kam und brachte etwas ­hinein, das man vielleicht am ehesten als außermusikalische Elemente bezeichnen kann. Er drückt etwas aus mit den Mitteln musikalischer Sprache, das nichts Musikalisches ist. Er verleiht z.B. einem psychologischen Aspekt eines Liedes Ausdruck oder dem, was sich tatsächlich abspielt, während die Gedanken oder die Ereignisse des Gedichts stattfinden. Wenn Sie an Gretchen am Spinnrade denken oder den Erl­ könig, um nur zwei ganz offensichtliche Beispiele zu nennen, dann erinnert man sich als erstes an das unregelmäßige ­Drehen des Spinnrads oder an die galoppierenden Pferdehufe. Schubert spiegelt in der Musik den realen, physischen 19


Kontext wider, in dem sich jemand in diesem bestimmten Gedicht mitteilt. An a­ nderen Stellen, und mit einer ganz erstaunlichen, manchmal geradezu aggressiven harmonischen und melodischen Erfindungsgabe, drückt er romantische Ironie aus: man sagt etwas und meint eigentlich etwas ganz Anderes, etwas zutiefst I­ nnerliches. Das sind für mich die beiden Bereiche, die Schubert in seinem sehr kurzen Leben plötzlich und nachhaltig verändert hat, und in denen er ­vermutlich mehr e­ ntdeckt hat, als wir selbst nach 200 Jahren richtig verstanden haben. Was sie sagen, trifft auf die eine oder andere Weise auf praktisch alle Lieder Schuberts zu.Trotzdem ist es gar nicht so leicht festzumachen, was ein Schubert-Lied tatsächlich ausmacht, oder was wir in seiner Muik finden, das uns bei anderen Komponisten nicht begegnet. Für mich ist es eigentlich ein Widerspruch in sich, von „dem Schubert-Lied“ zu sprechen. Das sagt gar nichts, weil es so viele unterschiedliche Arten von Schubert-Liedern gibt und er so viele Meisterwerke in den verschiedensten Untergattungen geschrieben hat. Selbst wenn er nur für seine Strophenlieder bekannt wäre, oder für volksliedartige Stücke oder dramatische Szenen oder Balladen, würde er trotzdem einer der größten Komponisten in diesem bestimmten Genre bleiben. Ich glaube nicht, dass all diese unterschiedlichen Ansätze und die Art und Weise, mit der Schubert Elemente verschiedener Liedformen kombiniert hat, wirklich wahr­ genommen werden, ganz sicher nicht vom Publikum. Darum ist dieser Liedzyklus hier im Pierre Boulez Saal auch so wichtig und sehr zeitgemäß – und wenn es nur deshalb ist, um die unglaubliche Freude zu haben, über mehrere Jahre ein paar hundert Lieder zu hören statt nur die 35 altbekannten. Sie haben zwei von Schuberts berühmtesten Goethe-­ Vertonungen angesprochen. Er hat aber auch eine Menge Lieder auf Texte weniger bekannter Dichter komponiert, von denen einige zu seinen engsten Freunden gehörten, z.B. Johann Mayrhofer. Mehrere dieser Lieder hören wir in Ihrem Programm… Was ich so wunderbar finde, wenn man sich mit der Welt von Schubert und seinem Freundeskreis beschäftigt, ist, dass dort immer ein sehr reger Austausch stattfand über das Leben und über Psychologie und menschliche Emotionen. All diese Freunde waren ungeheuer lebhaft und sehr aktiv in ihrem jeweiligen Feld – die Dichter, die Schriftsteller, 20


e­ inige bildende Künstler waren auch dabei. Und dann gab es natürlich ein paar besondere Freundschaften, in denen zwei ganz persönliche Perspektiven zusammentrafen und denen wir deshalb ein paar große Liedmeisterwerke zu verdanken haben. Das gilt besonders für die schwierige Freundschaft, die Schubert mit Mayrhofer verband, einem Mann mit dunkler Persönlichkeit und vielen Problemen, der sich schließlich das Leben nahm. Die Mayrhofer-Ver­ tonungen in meinem Konzert gehören hauptsächlich zu den sogenannten Antikenliedern, die mir besonders nahe stehen – nicht nur, weil ich Mythologie liebe, sondern auch, weil Mythologie im metaphorischen Sinn immer ein Spiegel menschlichen Verhaltens ist. Ob es dabei um diesen Gott geht oder um jenen Helden, spielt eigentlich gar keine so große Rolle. Diese Geschichten und Lieder erlauben uns einen Blick auf sehr heutige menschliche Emotionen. Zur Zeit Schuberts im frühen 19. Jahrhundert wurden gerade die antiken Ruinen wiederentdeckt und das ganze Thema der griechischen Mythologie war sehr beliebt. Ich glaube auch, dass es in Schuberts Kreis manchmal darum ging, die Unmoral der Politik der damaligen Zeit zu diskutieren, ­indem man sich mit Themen wie Macht und ihrem Missbrauch in der Welt der Mythologie und in antiken Balladen beschäftigt hat. Mayrhofer kam aus dieser Richtung, und ich glaube, Schubert fühlte sich davon angesprochen. Was ich andererseits musikalisch an diesen Stücken so liebe ist, dass sie unsere Vorstellung davon, was ein Lied ist, eigentlich völlig sprengen. Sie sind nicht nur sehr „szenisch“, es sind wirklich kleine Arien. Ich möchte jetzt nicht missverstanden werden, aber sie sind Mahlers Liedern insofern ähnlich, als sie einen in sich abgeschlossenen Kosmos bilden – sie ­beginnen und enden in ihrem eigenen Kontext.Viele dieser Stücke sind durchkomponiert und fangen in einer anderen Tonart an als sie enden. Das ist für die frühen 1820er Jahre wirklich außerordentlich. Schubert zeigt uns da schon eine neue Richtung. Durch Ihr Programm ziehen sich mehrere thematische ­ eitlinien: die Antikenlieder, die unterschiedlichen Dichter, das L Bild das Sängers am Anfang und am Schluss. Gibt es einen ­Aspekt, der Ihnen besonders wichtig ist? Einer der wichtigsten Schlüssel zur deutschen Literatur der Romantik ist für mich das Bewusstsein von Schicksal. Wenn ich diesem Liederabend einen Titel geben müsste, 21


würde ich sagen „Auseinandersetzung mit dem Schicksal“. Die blumige Art und Weise, mit der sich deutsche Dichter, und ganz sicher Schuberts Freundeskreis, diesem Thema ­nähern, vermittelt uns heute einen falschen Eindruck, indem wir diese musikalische Sprache als sentimental empfinden. Ich glaube, in Wahrheit ist Sentimentalität das genaue Gegenteil von Schicksalsbewusstsein. In der deutschen Literatur werden oft die herzzerreißendsten Dinge gesagt ohne eine einzige Träne, ohne ein Lächeln oder ein Stirnrunzeln. Es ist dann einfach, was es ist – was dem „Ich“ in seiner arm­ seligen Existenz vom Leben auferlegt ist. Ich weiß nicht, wie oft sich in diesem Liedprogramm jemand einer Sache ergibt – manchmal ist das betreffende Wort Gott, manchmal ist es Schicksal. Egal wie wir es nennen, es steht metaphorisch für den grundlegenden Glauben daran, dass es etwas gibt, das wir nicht kontrollieren können. Wir können nur tun, was richtig ist, und daran glauben, dass wir an der richtigen Stelle herauskommen. Ich mag das deutsche Wort Wehmut sehr. Elisabeth Schwarzkopf hat es immer als „Lächeln unter Tränen“ beschrieben – Mut durch Schmerz, nicht wegen des Schmerzes. Manche Lieder in diesem Programm waren Teil des Zyklus hier im Pierre Boulez Saal und mir deshalb vorgegeben, aber mit dem Sänger zu beginnen und mit An die Leier zu enden, ist eine sehr bewusste Entscheidung von mir. An die Leier hat diese Mayrhofersche Atmosphäre, ist aber ­tatsächlich von einem anderen Dichter namens Bruchmann. Ein Mann steht da, möchte heldenhaft sein und kämpfen und in die Schlacht ziehen, aber wenn er ganz ehrlich mit sich selbst ist, sprechen seine Seele und sein Herz nur von Liebe und Musik. Ich glaube, dieses Programm ergibt insgesamt eine raue, aber schöne Landschaft, in der viele unterschiedliche Perspektiven dieser Gedanken zum Tragen kommen. Es gibt sicher nicht viele Lieder, die eine weitere Landschaft – oder besser gesagt einen tieferen Blick ins Meer – eröffnen, als die 27 Strophen des Tauchers.Wie gehen Sie an so ein Stück heran? Auf den Knien. Ganz im Ernst, auf der einen Seite kann es einem schon Angst machen, auf der anderen Seite ist es unglaublich faszinierend, sich mit diesem Genre von dramatischen Szenen zu beschäftigen, die Schubert wirklich wie Opern im Wohnzimmer verstanden hat. Ich glaube, das Wichtigste ist es, die Geschichte zu erzählen. Ich verbringe sicherlich mehr Zeit mit dem Text und den unterschiedlichen Blickwinkeln der einzelnen Figuren als mit der Musik. An 22


diese großen Lieder muss man wirklich herangehen im ­Sinne von „erster Akt, erste Szene, zweiter Akt, dritter Akt“ – man muss die Grundstruktur der Geschichte freilegen, und dabei hilft einem natürlich der Komponist, wenn es ein genialer Komponist wie Schubert war. Er hat diese Lieder Anfang des 19. Jahrhunderts als sehr junger Mann geschrieben, aber es sind in jeglicher Hinsicht sehr reife Werke, und man trifft darin auf teilweise extrem unerwartete harmonische Räume. Manchmal muss man auch einfach den Kopf Kopf sein lassen und Schritt für Schritt gehen und die Geschichte sich selbst erzählen lassen. Ich glaube übrigens nicht, dass es richtig wäre, diese Lieder auswendig zu singen. Es sind wirklich Erzählungen, oder erzählerische Darstellungen menschlicher Wesenszüge, wie ein Gedichtvortrag in musikalischer Sprache, nicht so sehr verinnerlichtes Liedersingen. Bei all diesen Unternehmungen im Liedrepertoire ist Wolfram Rieger schon seit vielen Jahren Ihr musikalischer Partner. Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit? Wir lernen diese Stücke nicht gemeinsam, wir bereiten uns jeder für sich vor und setzen uns dann zusammen. Als Sänger und Erzähler ist der Ausgangspunkt wahrscheinlich eher meine Perspektive – wie ich die Geschichte verstehe und wie ich sie erzählen möchte, im Kontext dessen, was Schubert geschrieben hat. Beim ersten gemeinsamen Durchspielen geht es dann darum, dass wir uns unmissverständlich darüber klar sind, was in den Noten steht und was Schubert, im Sinne von objektiven Angaben, gemeint hat – Tempo, Dynamik, Artikulation… „Mäßig“ kann ganz unterschiedliche Dinge bedeuten: ein Gefühl von Andante, das Tempo muss eine gewisse Bewegung haben, aber schluss­ endlich wird es vom Verständnis der Syntax des Gedichts vorgegeben. Dieses Grundtempo ist wirklich wie ein Herzschlag, der einem zeigt, wo man steht im Leben als die Person, um die es geht in einem bestimmten Lied. Wenn man das gefunden hat, kommt a­ lles Andere dazu – die Zäsuren, die Pausen, die unterschiedlichen Stimmen der ­verschiedenen Rollen – und entwickelt ein Eigenleben. Das vielleicht wichtigste Ziel bei allen Liedern, an denen wir arbeiten, egal ob Mahler oder Schubert oder was auch immer, ist, dass man an einem bestimmten Punkt, wenn man alles ­getan hat, was machbar ist, zur Seite treten muss. Man kann ein Lied überinterpretieren, aber man sollte es nie tun. Man muss das Stück für sich selbst sprechen lassen. Was ich singe, 23


ist viel wichtiger als ich es bin als Sänger. Ich versuche, wenn Sie so wollen, das Außerordentliche, das in der Sprache der Musik und in Worten und Dichtung existiert, für so viele Ohren wie möglich erlebbar zu machen. Und ich weiß, dass Wolfram Rieger genauso denkt. Bei diesen riesigen Stücken ist das schon eine Aufgabe – zuerst den richtigen Ton zu finden und das Ganze dann loszulassen. Aber es ist ein wunderbarer Prozess, sehr offen und ohne Eitelkeit, sehr intensiv und konzentriert, wenn wir hinter verschlossenen Türen arbeiten. Es ist ganz sicher eine der schönsten Arbeitsbeziehungen, die ich in meiner Laufbahn erlebt habe. Während der Woche, die Sie hier im Pierre Boulez Saal v­ erbringen, werden Sie auch einen Meisterkurs leiten und einen ­öffentlichen Workshop geben. Auf welche Qualitäten kommt es ­Ihnen an, wenn Sie mit jungen Sängern arbeiten? Zuallererst muss ich sagen: So gern ich unterrichte, ich finde es besonders schön, wenn man die Chance hat, dass eine Meisterklasse über mehrere Tage geht, anstatt ­irgendwo an eine Hochschule zu kommen, wo dann ein junger Student furchtbar nervös ist. Man kann auch in 20 Minuten etwas erreichen, aber ich freue mich sehr auf die Zeit in Berlin, weil wir drei Tage zusammen verbringen werden. Man kann dann richtig in die Arbeit eintauchen. Ich bin der Barenboim-Said Akademie sehr dankbar dafür, das alles ermöglicht zu haben, zusammen mit der Festival Akademie beim Heidelberger Frühling, wo ich künstlerischer Leiter bin. Das Wichtigste für mich ist, dass es beim Unterrichten nicht darum geht, sozusagen die Steintafeln der Weisheit vom Parnass herunterzutragen und sie jemandem hinzuhalten. Ich sehe es viel mehr als einen lebendigen Austausch von Fähigkeiten, vor allem wenn es um Musik oder darstellende Kunst geht. Es sind meine jüngeren Kollegen, mit denen ich arbeite. Sie haben noch viele Wege vor sich, die ich schon gegangen bin, und manchmal möchte ich, ­gewissermaßen als älterer, erfahrener Onkel, sagen, „Pass auf, diesen Weg kenne ich, das ist eine Sackgasse, geh da nicht rein.“ Außerdem ist es mir sehr wichtig, beim Singen wie beim Unterrichten, den eigenen Körper richtig einzusetzen, denn ­dadurch schützt man die Schönheit der Stimme und vor allem auch die Langlebigkeit der Fähigkeit zum Singen. Das Ziel in jedem Unterricht ist es, die Balance zu finden zwischen den einzelnen Elementen eines bestimmten Gedichts und der Musik und der eigenen physischen Fähigkeit, 24


sie hörbar und verstehbar zu machen für ein Publikum. Das ist die Grundperspektive. Wenn ich eine junge Sängerin oder einen jungen Sänger höre, und vor allem jemandem, den ich in eine Meisterklasse aufnahme, dann muss eins von zwei Dingen gegeben sein: eine besondere, einmalige, oder ich würde sagen außergewöhnliche stimmliche Präsenz. Es muss im Gesanglichen ­etwas geben, das einen jungen Künstler heraushebt und das mich aufhorchen lässt. Oder ein i­mmanenter, brennender Wunsch, ein Ausdruckswille, eine bestimmte Vorstellungskraft, die sagt: „Ich glaube, darum geht es, und das möchte ich hörbar machen.“ Es kann gut sein, dass diese beiden ­Seiten nicht unbedingt in einer Person zusammenkommen. Aber letztendlich hat das stimmliche Moment Priorität. Mir sind sehr musikalische junge Menschen begegnet, die die Leidenschaft hatten, denen aber die physische Begabung fehlte. Eine stimmliche Begabung ist ein Geschenk, das muss man anerkennen. Jeder kann singen, aber nicht jeder möchte es zum Beruf machen. Diese ­Leidenschaft zu kommunizieren, dieser Ausdruckswille kann aber auch auf eine Stimme einwirken, die noch wie ein u ­ ngeschliffener ­Diamant ist. Das heißt man kann von beiden Seiten darauf hinarbeiten. Ich hatte über die Jahre fantastische Möglichkeiten, mit anderen Künstlern zu arbeiten und von ihnen zu lernen, und immer wenn ich im Laufe meiner Karriere unterrichtet habe, war ich sehr dankbar, diese Dinge weiterzugeben zu können – Dinge, die für mich wichtig waren oder die mir durch die Erfahrung anderer geschenkt wurden und die ich mir auf meiner persönlichen Ebene zueigen gemacht habe. Ich glaube, es ist wichtig für junge Künstler zu begreifen, wo unsere individuellen Instinkte und Talente herkommen. Das ist keine willkürliche Disziplin. Daniel Barenboim hat es wunderbar ausgedrückt: Im Moment des Musikmachens kommt alles, was man in seinem Leben angesammelt hat, für diesen einen Moment zusammen. Wenn das am Donnerstag nachmittag um 3 Uhr passiert, dann ist das eben so.  Aber ganz egal wer oder was man ist – wenn man sich diesem Moment hingibt, kommt es nur auf den einzigen Augenblick des musikalischen Ausdrucks an.

Die Fragen stellte Philipp Brieler.

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A Life in Song Schubert the Lied Composer

Richard Wigmore

Schubert wrote his first songs in 1811, at the age of 14. By the time of his premature death in November 1828, his tally of Lieder numbered over 600, many among the most precious creations of W   estern art. In his instrumental music he was deeply conscious of his Viennese predecessors Haydn, Mozart, and Beethoven, by 1810 enshrined as the great Classical trinity. In song, the medium in which he produced his earliest masterpieces, Schubert had only modest precedents. He did, though, have the suggestive power of the fast-developing fortepiano, whose dramatic and expressive potential had been richly explored by Beethoven, and the stimulus of German Romantic poetry, much of which­ ­—including Goethe’s early poems, long deemed immoral— had only recently become readily available in conservative Vienna. As a student at the Stadtkonvikt, the Imperial Seminary run by Piarist monks, Schubert found consolation from the spartan regime in the school’s rich musical life: he played violin in the orchestra, learning the symphonies of Haydn, Mozart, and Beethoven from the inside, and sang songs and part songs with his fellow students. When funds allowed, there were also occasional visits to one or other of Vienna’s opera houses. At 16, Schubert had already seen Die Zauberflöte, Gluck’s Iphigénie en Tauride (both lifelong favorites), and operas by Cherubini, Spontini, Boieldieu, and others. The influence of opera generally, and of Gluck and Mozart in particular, would permeate many songs of Schubert’s teens and beyond. Another early influence was the Swabian composer Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802), whose extended ballads—essentially unstaged one-man operas, with piano-­ as-orchestra—were eagerly devoured and imitated by the young Schubert. The first song he completed, in March 1811, was the sprawling biblical ballad Hagars Klage, modelled 27


overtly on Zumsteeg. Over the next few years he composed a whole raft of ballads, most of them spectacularly improbable tales of derring-do set in the age of knights bold and maidens fair. Most improbably melodramatic of all is Friedrich von Schiller’s 27-verse epic Der Taucher, set by the 16-year-old Schubert in 1813 and radically revised a year later.With its mix of heroism, horror, and cliff-hanging suspense, Schiller’s poem was an instant success—though it is amusing to learn that the poet had never even seen a waterfall, let alone the ocean. Like all Schubert’s ballads, Der Taucher is built on the free alternation of declamatory recitative and arioso, by turns lyrical and turbulent. The latter sometimes sounds like silent-­ movie music, especially in the evocation of the swirling torrent in verse 12 (“Es wallet und siedet”). The hero’s lurid account of the monsters of the deep (from verse 17, “Es riss mich hinunter blitzeschnell”) inspires a sequence of chilling modulations that climax in awesome hammer blows.Yet amid this feverish Sturm und Drang are necessary pools of respite: the noble arioso (“Und atmete lang und atmete tief ”) after the diver has been spotted alive, or the princess’s tender plea to her father to spare the youth a second ordeal (“Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl”).

By the time he revised Der Taucher, at the end of 1814, Schubert had set his first Goethe poem, Gretchen am Spinnrade. After this unprecedented outpouring of erotic passion in song, the floodgates opened, and by May 1817 Schubert had produced more than 50 Goethe songs, many of them among the world’s best-loved. What evidently excited him about Goethe’s poetry was its spontaneity of feeling and ­impulsive eagerness to seize and glorify the moment (a ­contemporary English critic dubbed all his poetry “more or less immoral”). Then there was the uniquely musical quality of Goethe’s verses, with many of his poems written to be sung. One such is the ballad Der Sänger, sung by the mysterious blind Harper in Goethe’s semi-autobiographical novel ­Wilhelm Meisters Lehrjahre and set by Schubert in his miraculously prolific Liederjahr of 1815. Mingling recitative and quasi-Mozartian arioso (the opening could be the ­beginning of a Mozart sonata), this is the most courtly and dignified ­ of Schubert’s ballads. Harking back to an imagined world of 28


Wide-ranging choice of poetry

medieval chivalry, the old man hymns a noble, quixotic ideal: that the act of artistic creation is its own reward, and can only be sullied by financial considerations. Schubert, at 18, was still young enough to take the idealism seriously. While many of the finest songs of 1815, including Erlkönig, the first Wandrers Nachtlied, and the beguilingly simple lyric Am Flusse, are settings of Goethe, the teenaged Schubert ranged wide in his choice of poets. One of these was the Dresden-born Theodor Körner, who got to know Schubert through their mutual friend Josef von Spaun. In March 1813 the passionately patriotic Körner volunteered for the Austrian army in the war against Napoleon. In August he died, aged just 21, of wounds received at the skirmish of Gadebusch. As a tribute to the poet who, according to Spaun’s ­memoirs, had “encouraged Schubert to live for his art, which would make him happy,” he set 11 Körner poems in 1815. Among these is the stirring Gebet während der Schlacht, from Körner’s collection Leier und Schwert (“Lyre and Sword”), and the episodic ballad Amphiaraos. In Greek myth, the ­warrior Amphiaraus (as he is usually spelled in English) was something of a male Cassandra, gifted by Zeus with the power of prophecy. He was forced by his wife Eriphyle to take part in the expedition of the Seven against Thebes, which he foresaw would end in disaster. Before he departed he charged his sons to avenge his imminent death by killing their mother. Schubert has a field day depicting the gory scene, above all in the thunderous battle music, in which the piano heroically simulates a one-man orchestra.

In 1815 Schubert was still employed as a reluctant— and by all accounts pretty ineffectual—teacher at his father’s school. The following year he made his first bid for freedom, left the family home, and moved in with his wealthy friend Franz von Schober. Three friendships were particularly ­important for Schubert in his newly acquired independence. One was Schober, a hedonistic dilettante who throughout his long life (he outlived Schubert by 55 years) dabbled at everything and stuck at nothing. The influence of the ­feckless Schober on the young composer has been endlessly debated, though as usual with Schubert, speculation far outweighs firm evidence. 29


The world’s first great lieder duo

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A counterweight to Schober’s frivolity was Schubert’s growing friendship with the melancholy, taciturn Johann Mayrhofer, a real poet whose verses, often on classical themes, inspired more songs—a total of 20—in 1817 than any other writer. Mayrhofer and Schubert lodged together for a time in 1818–20. The third crucial figure in Schubert’s life that year was the famous opera singer Johann Michael Vogl, whom the young composer had first seen as Orestes in Gluck’s Iphigénie en Tauride. Schubert was introduced to Vogl through Schober and Spaun; and while the baritone’s initial attitude was distinctly condescending (“There is something in you, but you are too little of a comedian, too little of a charlatan,” he remarked), he soon turned into a ­devoted friend and a fervent champion of Schubert’s songs. He and Schubert became the world’s first great lieder duo. As Mayrhofer recalled,Vogl “not only took good care of Schubert materially, but in truth furthered him also spiritually and artistically,” becoming his “second father.” A recurring theme in Mayrhofer’s pessimistic verses is the unbridgeable gulf between reality and the imagination, the artist and society. In Freiwilliges Versinken the poet implicitly likens the artist’s lot to that of the sun god Helios (“I do not take; I am wont only to give”). Evoking first the sunrise and then the moonrise, Schubert’s song is a grandly solemn arioso that combines a Baroque dignity (enhanced by the deep keyboard trills) with a harmonic daring that looks ahead to Wagner and Wolf. Another Mayrhofer poem, Memnon, likewise uses Greek legend as an allegory of the artist as tragic outsider, trapped in an alien destiny. Memnon, son of the dawn goddess Aurora—commemorated in the giant colossus in Thebes—was slain in the Trojan Wars but allowed by Zeus to revive once a day at the sun’s rays. Schubert’s song majestically depicts the breaking dawn, warming from recitative to bel canto aria as the sun disperses the mists. Given their shared classical tastes, it seems likely that Vogl encouraged Schubert and Mayrhofer to collaborate on Greek-inspired songs. Der entsühnte Orest was evidently a tribute to the singer who had been the most famous Orestes of his day. In the song, Orestes, ritually purified after his murder of his mother Clytemnestra and her lover Aegisthus, arrives on the shores of his homeland, Argos.  Alternating arioso and recitative, the the piece begins with a mighty, Wotanesque utterance over surging keyboard arpeggios and


culminates in a solemn—and distinctly Gluckian—prayer to his “savior” Diana. The protective goddess then turns vengefully destructive in Der zürnenden Diana, a grandly scaled paean to reckless, masochistic love, whose formal freedom is typical of so many Schubert songs of this period. In myth, Actaeon (the poem’s “I”) was torn to pieces by a pack of 50 hounds after he had rashly looked on Diana as she bathed naked.

“Impressing the poet’s fancy on the listener’s heart”

In the years 1819–22 Schubert seemed to have all to play for: his operatic prospects looked good; his songs and piano pieces were in constant demand at Viennese soirées; and, crucially, his songs, championed by Vogl, were beginning to appear in print. When the firm of Cappi & Diabelli published the first volumes of Schubert songs in 1821, reviews were enthusiastic. “Not often has a composer possessed so large a share of the gift for impressing the poet’s fancy so deeply on the sympathetic listener’s heart,” was the verdict of Leipzig’s Allgemeine musikalische Zeitung. By the time of Schubert’s death, the promise of wider fame seemed assured. Indeed, the next two decades saw the burgeoning of a ­lucrative (especially for publishers) Schubert industry, with hundreds of his songs printed for the first time and numerous arrangements and medleys, most famously Liszt’s entertainingly over-the-top piano transcriptions. In 1820, a time of heady optimism, Schubert had good reason to echo the sentiments of Ludwig Uhland’s Frühlingsglaube. In the composer’s hands, though, the poet’s untrammeled optimism becomes tender, tremulous hope, with ­minor-keyed shadows at the heart’s remembered pain before a climax of ecstatic longing. In the same period, doubtlessly encouraged by mutual friends, Schubert set a dozen poems by Friedrich von Schlegel, who with his elder brother August had been a flagbearer of the new German Romanticism. Ironically, by this time Friedrich had distanced himself from his euphoric early nature poetry and morphed from rebellious Romantic to rectionary éminence grise. Schubert set 11 poems from Schlegel’s Abendröte (“Sunset”) cycle, where in a spirit of rapturous pantheism, the poet c­ reates “characters” from the natural world (birds, a river, a rose, a shepherd, and so on) who join to celebrate the oneness of creation. In the 31


exquisite miniature Die Rose, the prematurely wilting flower symbolizes both the loss of maidenly virtue and the cruelty of early death. By the time Schubert composed another floral song, Nachtviolen, in April 1822, his friendship with Mayrhofer had cooled. Some have speculated that the song is a nostalgic memento of that friendship rather than a mere floral ode. Whatever inspired it, Nachtviolen has the assuaging tenderness of a lullaby.

Between this song and Viola of March 1823 came the critical period in Schubert’s short life, when he became infected with syphilis, tantamount to a death sentence in those days. And though there were to be extended periods of ­remission, the composer knew that his health would be permanently undermined. Biographical speculation is always a risky game with Schubert. But it is surely not far-fetched to suggest that when he wrote Viola he closely identified with his friend Schober’s sentimental “floral ballad” of crushed innocence. The upshot is the most tender and reflective of all his episodic ballads, full of picturesque detail and subtly constructed, with thematic links between the sections and a recurring motto theme. Near the end, as the violet is found, pale and wilted, Schubert conjures a piercingly expressive modulation for the sad final refrain. A biographical link also suggests itself with Lied (“Des Lebens Tag ist schwer und schwül”), composed in that same fateful spring of 1823 and sometimes known by the title Die Mutter Erde. Whether or not Schubert consciously associated ­Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg’s contemplation of mortality with his own personal crisis, this beautiful song has a noble solemnity, with the opposing i­mages of oppressive day and cool, easeful death painted by Schubert’s beloved contrasts of minor and major. The previous year, before the crisis, Schubert had set two poems by the aristocratic poet and political idealist August von Platen, encouraged by their mutual friend Franz von Bruchmann. Tortured obsessiveness is the keynote of both Die Liebe hat gelogen and Du liebst mich nicht, symbolized ­musically by inexorable rhythms and, in the masochistic Du liebst mich nicht, an astonishing sequence of frenzied 32


modulations: a reminder that while Schubert is rightly cherished ­as one of the world’s greatest melodists, he is increasingly r­evered for his innovative, even visionary, approach to ­harmony.

When Schubert returned to a poem he had set earlier, his instincts were usually towards greater concentration and concision. So it is with Thekla (Eine Geisterstimme), in which the spirit voice of Thekla, heroine of Schiller’s Wallenstein trilogy, sings of her blissful reunion in heaven with her father and her beloved, Max Piccolomini. In 1813, during his ballad phase, Schubert had set the poem as an unstaged opera, in mingled recitative and arioso. Four years later he wrote a fragile, touching setting that hovers between major and minor. Another song that lives on Schubert’s favorite major-­ minor contrasts is Strophe aus “Die Götter Griechenlands”, whose yearning for the vanished glories of antiquity—and, by ­association, for an ideal world of the Romantic imagination —is a recurrent motif in Schiller’s poetry, as it was in the poems of Johann Mayrhofer. In addition to the many poets that inspired Schubert, classical opera seria was a pervasive influence on his songs, early and late. The saturnine Mayrhofer would doubtlessly have identified with the exile’s lament in Iphigenia, set by Schubert as an aria whose dignified beauty is ruffled by anxious undercurrents. Gluck seems a distant model here. With the Italian dramatic scena Vedi quanto t’adoro (taken from a libretto by Pietro Metastasio) the 19-year-old composer pays homage to his former teacher Antonio Salieri, who himself had been a protégé of Gluck. Moving from plaintive recitative to a despairing F-minor aria replete with broken, sighing phrases and climaxing in a top C, the piece recalls both Haydn’s cantata Arianna a Naxos and Elettra’s searing final outburst in Mozart’s Idomeneo. Schubert sent the fair copy of Vedi quanto t’adoro to Salieri for his approval, perhaps with an eye to enlisting his help in securing an operatic post. He had already failed to land an operatic appointment in Laibach (today’s Ljubljana) in ­Slovenia. Hopes remained high in Vienna over the next few years. But by the end of 1823 his operatic ambitions had come to nothing in a city intoxicated by Rossini. 33


A decade earlier, while Salieri was trying to turn Schubert into a cosmopolitan Italianate composer, he urged him to give what he called “the barbaric German language� a wide berth. The teenaged Schubert, who had already caught the lieder bug, remained undeterred, to the eternal gratitude of posterity.

Richard Wigmore is a writer, broadcaster, and lecturer specializing in Romantic and Classical chamber music and lieder. He writes for Gramophone, BBC Music Magazine, and other journals, and has taught at Birkbeck College, the Royal Academy of Music, and the Guildhall. His publications include Schubert: The Complete Song Texts and The Faber Pocket Guide to Haydn.

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The Passionate Will to Express A Conversation with Thomas Hampson

Mr. Hampson, throughout your career you’ve been immersed, in many d­ ifferent ways, in the German lied tradition—a tradition that ­begins with Schubert, even though there were others before him writing songs.What is it that sets his work apart and made it so hugely influential? You could say that there are two metaphors for Schubert and his lieder: one is that he was the muse for all song composers who came after him. The other is that he is the trunk of what became that rich, blossoming tree of classic song, or German lied in particular. When I was a student, the first classical records my teacher gave me were Schubert lieder with the great Fischer-Dieskau, and I was completely flabbergasted. I must have been about 17 or 18 years old, and ever since I’ve been fascinated with the phenomenon of poetry set to music. With Schubert, I think it’s not just the quality, the enduring listenability of these songs. In fact, surprisingly enough, he was criticized during his life for being too inventive and risk-taking. Before him, there were mild indications of where things were going with some of ­Beethoven’s songs, An die ferne Geliebte most famously, and some very beautiful, atmospheric songs by Mozart. And we shouldn’t forget Reichardt or Zumsteeg or Zelter. But Schubert came along and offered what we might call extra-­ musical elements. In other words, he’s articulating something other than music in a musical language. He is giving voice to a psychological conundrum in the song, or to the physical happenings of what is going on while the thoughts of the poem are taking place. If you think of Gretchen am Spinnrade or Erlkönig, just to name two of the most obvious examples, the first thing we remember is this rather uneven undulation of the spinning wheel, or the galloping hooves. So what Schubert was doing is to express, in music, the real, physical context of a human being articulating themselves in that poem. Or, at times through quite abrasive and astounding harmonic and melodic invention, he would give voice to what we call Romantic irony—which essentially is saying something and meaning something else, something deeply 36


interior. To me, these are the two landscapes that Schubert simply burst upon in his very short life, and of which he probably explored more corners than we have properly ­digested even 200-something years later. These aspects apply to virtually all of his songs, in one form or another, but at the same time it’s hard to pin down what actually makes a Schubert lied, or what we find in his music that even later composers don’t have. In a way, to talk about “the Schubert lied” to me is a contradiction in terms. It doesn’t mean anything because there are so many different kinds of Schubert lieder. He wrote such a large number of extraordinary masterpieces in so many sub-genres that, were he only known for the strophic song or the quasi-folk song or the dramatic scene or the ballad, he would remain famous in history as one of the great composers of that genre. The fact that he did so many of these things, and combined elements of different song structures, I think is not properly recognized, certainly not by the public. That’s why I think this series at the Pierre Boulez Saal is extraordinarily important and very timely to have, if nothing else just for the phenomenal enjoyment of embracing hundreds of songs over several years instead of just the 35 very well-known ones. You’ve mentioned two of Schubert’s most famous Goethe s­ettings. But he also composed many songs based on texts by lesser known poets, some of which were his close friends, including Johann Mayrhofer. Y   ou’ll be singing several of these songs… What I find so marvelous when you immerse yourself in the world of Schubert and his circle of friends is that you always find a very engaged exchange about life and psycho­ logy and human emotions. All of these friends were extremely lively and active in their own abilities—the poets, the writers, and there were some visual artists as well. And then of course we have a few deeper friendships, in which the synthesis of real inner perspective came to give us great masterpieces of song. This is especially true for the tortured friendship Schubert had with Mayrhofer, who was a very dark personality and a troubled man who eventually took his own life. The Mayrhofer settings in my program are mainly focused on the “Antikenlieder,” which I’m particularly fond of, not only because I love mythology, but because any mythology is highly representative, in a metaphorical sense, 37


of essential elements of human behavior. Whether it’s this god or that hero almost becomes secondary. Through these stories and songs we can examine very contemporary human emotions. Around Schubert’s time in the early 19th century, the ancient ruins were being rediscovered and the whole Greek mythology flavor was very popular. I also think Schubert’s circle found a wonderful way to articulate the ­indecency of contemporary politics through an exploration of abuse and power in the world of mythology and antique ballads. This is where Mayrhofer was coming from, and I believe Schubert responded to that. The other thing I adore about these songs musically is that they explode past the context of what we think a song is. They really are, in so many ways, not just very scenic, they’re actually little arias. I don’t want to be misunderstood on this, but they’re similar to Mahler’s songs in that they represent a self-contained cosmos—they start and finish within the context of themselves. Most of these songs are through-composed and ­several of them begin and end in different keys, which is also quite amazing in the early 1820s. Schubert is already pointing us in that direction. There are several thematic threads running through your p­ rogram—the Antikenlieder, the different poets, the image of the singer at the beginning and the end. Is there one aspect that is ­particularly important to you? For me one of the biggest keys to German Romantic literature is this sense of Schicksal, the sense of fate. If there was a title I’d have to put on this recital, it would be “Auseinandersetzung mit dem Schicksal,” which you could translate as “Examining Fate.” The flowery way with which German poets, and certainly Schubert’s circle, could approach that subject has given us a false feeling because today we ­interpret that musical language to be sentimental, when in fact I think sentimentality is exactly the opposite of Schicksalsbewusstsein, of being aware of fate. German literature very ­often says the most amazingly heartrending things without cracking a tear, a smile, or a frown. It’s just what it is—it’s what the “I,” in its miserable existence, have been given to live through. I don’t know how many times in this program a person gives him- or herself up to something—sometimes the word is god, sometimes the word is fate. Whatever we call it, it’s metaphorical for the essential belief that there’s something we can’t control, we can only do what’s right and 38


b­ elieve we will land in the right place. I love the German word Wehmut. Elisabeth Schwarzkopf used to describe it as smiling through tears—courage through pain, not because of pain. Some of the songs in this program were part of the Boulez Saal cycle and were handed to me, but starting with Der Sänger and ending with An die Leier is very intentional on my part. In An die Leier, which has that Mayrhofer atmos­ phere but is in fact by another poet named Bruchmann, a man stands there and wants to be heroic and wants to fight and wants to go to battle, but his soul and his heart, when he’s honest with himself, speaks only of love and music. I think with this program we’ve created a rather rugged, beautiful landscape that will show us many perspectives of all of these different aspects. Few songs paint a wider landscape, or rather seascape, than the 27 verses of Der Taucher. How do you approach a piece like that? On my knees. Seriously, on the one hand it’s incredibly intimidating, on the other, to become acquainted with this genre of dramatic scenes that Schubert really meant as sort of drawing-room operas is very exciting. I think the essential issue is to set out to tell the story. I’m certainly spending more time on the text and the different perspectives of the characters than I am necessarily spending on the music. What you have to do with these big songs is to take them as act one, scene one, act two, act three—you have to break it down into what the elemental structure of the story is, and of course the composer can help you with that if he’s a ­genius like Schubert. He wrote these songs early in the 19th century when he was very young, but they’re very ­mature works by any standard, and they carry with them harmonic landscapes that can be extremely unexpected. Sometimes you also have to get your head out of the way, take it one step at a time, and let the story tell itself. By the way, I think it would be inappropriate to sing these songs memorized. They really are narrations, a narrative exposition of human traits, more like poetry-reading in a musical language than song-singing of an internal nature. In all of these endeavors,Wolfram Rieger has been your ­musical partner for many years.Tell us about your collaboration. We don’t learn the songs together, we each do our homework and then come to one another with our discov39


eries. As the singer and narrator, the point of departure is probably my perspective of what I think the story is and how I want to tell it, within the context of what Schubert has written. Our first reading together is about making sure we are totally connected with everything that’s on the page and that Schubert, in the objective sense of music-writing, meant and left us as a structure—tempo, dynamics, articulation… “Mässig” can mean a lot of different things: you’re going to have a feeling of “andante,” the tempo needs to have a motion to it, but it must be, in the last analysis, dictated by the clarity and understanding of the syntax of the poem. This Grundtempo is really about what the heartbeat is, where we are in our life, as the person in the song. Once we get that, all the other things, the rests, the pauses, the different voicings of different characters start taking on their own life. Perhaps the overriding goal we have in all of the songs that we do, whether it’s Mahler or Schubert or something else, is that at some point, once you’ve done as much as you can, you need to get out of the way.You can over-interpret, and you shouldn’t.You must let the piece speak for itself. I feel very passionately about that. What I sing is far more important than me as a singer. I try to make extraordinary things that exist in a language called music, and in words of a poetic form, digestible for many ears, if you will. And I know Wolfram feels the same way. So we have a lot of ground to cover with these enormous pieces—first to get it right and then to try and release it. It’s a wonderful process, extremely ego-less, extremely open, very intense and concentrated when we work together behind closed doors. ­It’s been one of the most joyous work relationships of my ­career, without question. Over the course of the week you’ll be spending here at the Pierre Boulez Saal, you’ll also be teaching a master class, including a workshop that’s open to the public.When you listen to a young singer, what are the qualities you look for? First of all I want to say that as much as I love teaching, I especially enjoy a master class environment that goes over a couple of days, instead of just landing in some college and having a poor young student be horribly nervous.You can achieve something in 20 minutes, but I’m really looking forward to my time in Berlin because we’ll have three days together. It will be a real immersion, and I applaud the Barenboim-Said Akademie for making this possible, in co­ 40


operation with the Festival Akademie at the Heidelberger Frühling, of which I am the artistic director. The most important thing to me is that teaching is not about someone bringing the stone tablets of knowledge down from the Mountain Parnassus and handing them to somebody. I see it as a much more lively exchange of abilities, especially in the performing arts. These are my younger colleagues. They have many paths in front of them that I’ve already traveled, so in some ways, as a protective uncle, I want to say, “Look, I’ve seen that path, I know it’s a cul-de-sac, don’t go down there.” What’s also very important to me in my singing and my teaching is the proper use of body, because that’s what protects the beauty of voice and certainly the longevity of the ability to sing. The goal of any class is to somehow ­balance the specific ­elements of a particular poem and music with the physical ability to make them audible and digestible in a public sense. That’s the basic perspective. So when I l­isten to a young singer, and certainly one that I select for a master class, one of two things has to be apparent: a special or unique—I suppose the word is extraordinary— vocal presence. There has to be something in their vocalism that sets them apart, that’s going to catch my ear. Or an innate, passionate intention, a will to express, a certain amount of imagination that says, “This is what I think this is about, and I’m going to make that hear-able.” And these two things may very well not be in the same person. But I have to say that the vocalism takes priority. I have met some very musical and extremely passionate young people who just don’t ­possess the physical talent. A special vocal talent is a gift, and we must recognize that. Everyone can sing, but not everyone necessarily wants to be a professional singer. Sometimes this passion to communicate, this will to express can dominate a voice that is still in a rough diamond form. So you can work on it from both sides. I’ve had extraordinary opportunities over the years to work with other musicians and learn from them, and I am very grateful in all the teaching that I’ve done throughout my career to pass that on—to hand off things that made sense to me or that came to me because of other people’s vast experience and that I embraced on my own personal level. I think it’s important for young artists to understand where our individual instincts and talents come from. This is not an arbitrary discipline. Daniel Barenboim said it ­beautifully: In a moment of music-making, it’s everything 41


you a­ ccumulate in your life for that one moment. If that’s Thursday afternoon at 3 o’clock, so be it. But whatever you are, when you enter into that moment, all that matters is this one instant of music that you are performing.

Interview: Philipp Brieler

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Thomas Hampson & Wolfram Rieger Freitag, 12. Januar, 19.30 Uhr

Der Sänger

The Minstrel

„Was hör’ ich draußen vor dem Tor, Was auf der Brücke schallen? Lass den Gesang vor unserm Ohr Im Saale widerhallen!“ Der König sprach’s, der Page lief, Der Page kam, der König rief: „Laßt mir herein den Alten!“

“What do I hear outside the gate, What sounds are those on the bridge? Let that gong echo in our ears Throughout the hall!” Thus spake the king, the page ran out; The page returned, the king cried: “Let the old man enter!”

„Gegrüßet seid mir, edle Herrn, Gegrüßt ihr schönen Damen! Welch’ reicher Himmel! Stern bei Stern! Wer kennet ihre Namen? Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit Schließt Augen euch, hier ist nicht Zeit, Sich staunend zu ergötzen.“

“Greetings, noble lords, Greetings, fair ladies! How rich is this galaxy! Star upon star! Who can know their names? In this hall of pomp and splendor Close, eyes; now is not the time To feast yourselves in wonder.”

Der Sänger drückt’ die Augen ein Und schlug in vollen Tönen; Die Ritter schauten mutig drein, Und in den Schoß die Schönen. Der König, dem es wohlgefiel, Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel, Eine goldne Kette holen.

The minstrel closed his eyes And sang in resonant tones; Resolutely the knights looked on, While the fair ladies looked down into their laps. The king, well pleased with the song, Sent for a gold chain To reward him for his singing.

„Die goldne Kette gib mir nicht, Die Kette gib den Rittern, Vor deren kühnem Angesicht Der Feinde Lanzen splittern. Gib sie dem Kanzler, den du hast, Und lass ihn noch die goldne Last Zu andern Lasten tragen. Ich singe, wie der Vogel singt, Der in den Zweigen wohnet; Das Lied, das aus der Kehle dringt,

“Do not give the golden chain to me But to your knights, Before whose bold countenance Enemy lances shatter. Give it to your chancellor And let him bear its golden burden With his other burdens. “I sing as the bird sings Who lives among the branches; 45


Ist Lohn, der reichlich lohnet. Doch darf ich bitten, bitt’ ich eins: Lass mir den besten Becher Weins In purem Golde reichen.“ Er setzt’ ihn an, er trank ihn aus: „O Trank voll süßer Labe! O, wohl dem hochbeglückten Haus, Wo das ist kleine Gabe! Ergeht’s euch wohl, so denkt an mich Und danket Gott so warm, als ich Für diesen Trunk euch danke.“ Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)

The song that pours from my throat Is its own rich reward. But if I may, I will ask one thing: Bring me your best wine In a chalice of pure gold.” He raised it to his lips and drained it: “O draught of sweet refreshment! Happy the blessed house Where that is but a trifling gift! If you fare well, think of me, And thank God as warmly as I Thank you for this drink.”

Am Flusse

By the River

Verfließet, vielgeliebte Lieder, Zum Meere der Vergessenheit! Kein Knabe sing’ entzückt euch wieder, Kein Mädchen in der Blütenzeit.

Flow away, beloved songs, Into the sea of oblivion. No enraptured youth, no maiden in the springtime of life Will ever sing you again.

Ihr sanget nur von meiner Lieben; Nun spricht sie meiner Treue Hohn. Ihr wart ins Wasser eingeschrieben; So fließt denn auch mit ihm davon. Johann Wolfgang von Goethe

You told only of my beloved, Now she pours scorn on my constancy. You were inscribed upon the water; Then with the water flow away.

Trinklied

Drinking Song

Ihr Freunde und du, gold’ner Wein! Versüßet mir das Leben: Ohn’ euch, Beglücker, wäre fein Ich stets in Angst und Beben. Ohne Freunde, ohne Wein, Möcht’ ich nicht im Leben sein.

You, friends, and you, golden wine, Make my life sweeter. Without you, bestowers of joy, I would live in fear and trembling. Without friends, without wine, I should not wish to live!

Wer Tausende in Kisten schließt, Nach Mehrerem nur trachtet, Der Freunde Not und sich vergißt, Sei reich von uns verachtet.

The man who locks thousands in his chest, Who endeavors only to increase them, Forgetting himself and the plight of his friends,

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Ohne Freunde, ohne Wein, Mag ein Andrer Reicher sein! Ohn’ allen Freund, was ist der Held? Was sind des Reichs Magnaten? Was ist ein Herr der ganzen Welt? Sind alle schlecht beraten! Ohne Freunde, ohne Wein, Mag ich selbst nicht Kaiser sein! Und muß einst an der Zukunft Port Dem Leib die Seel’ entschweben: So wink’ mir aus der Sel’gen Hort Ein Freund und Saft der Reben: Sonst mag ohne Freund und Wein Ich auch nicht in Himmel sein. Alois Zettler (1778–1828)

Let him be rich, despised by us! Without friends, without wine, Let another man be rich! What is the hero without a friend? What are the great men of the realm? What is the master of the whole world? They are all poorly counselled! Without friends, without wine, I should not even wish to be Emperor! And if one day in the future My soul must leave my body, Then let a friend and the juice of the vine Greet me in the refuge of the blessed. Otherwise, without a friend and without wine I should not even wish to be in heaven!

Sehnsucht

Longing

Ach, aus dieses Tales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt’ ich doch den Ausgang finden, Ach, wie fühlt’ ich mich beglückt! Dort erblick’ ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt’ ich Schwingen, hätt’ ich Flügel, Nach den Hügeln zög’ ich hin.

Ah, if only I could find a way out From the depths of this valley, Oppressed by cold mists, How happy I would feel! Yonder I see lovely hills, Ever young and ever green! If I had pinions, if I had wings, I would fly to those hills.

Harmonien hör’ ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu, Gold’ne Früchte seh’ ich glühen, Winkend zwischen dunkelm Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub.

I hear harmonious sounds, Notes of sweet, celestial peace, And the gentle breezes bring me The scent of balsam. I see the golden fruits glowing, Beckoning amid dark leaves, And the flowers which bloom there Will never be winter’s prey.

Ach wie schön muß sich’s ergehen Dort im ew’gen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen,

Ah, how beautiful it must be to wander There in the eternal sunshine; And the air on those hills, 47


O wie labend muß sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust, Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust.

How refreshing it must be. But I am barred by the raging torrent Which foams angrily between us; Its waves tower up, Striking fear into my soul.

Einen Nachen seh ich schwanken, Aber ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken, Seine Segel sind beseelt. Du mußt glauben, du mußt wagen, Denn die Götter leih’n kein Pfand, Nur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland.

I see a boat pitching, But, alas! There is no boatman. Jump in without hesitation! The sails are billowing. You must trust, and you must dare, For the gods grant no pledge; Only a miracle can convey you To the miraculous land of beauty.

Friedrich Schiller (1759–1805)

Der Taucher

The Diver

Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, Zu tauchen in diesen Schlund? Einen goldnen Becher werf ich hinab, Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund. Wer mir den Becher kann wieder zeigen, Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.

“Who will dare, knight or squire, To dive into this abyss? I hurl this golden goblet down, The black mouth has already devoured it. He who can show me the goblet again May keep it, it is his.”

Der König spricht es und wirft von der Höh Der Klippe, die schroff und steil Hinaushängt in die unendliche See, Den Becher in der Charybde Geheul. Wer ist der Beherzte, ich frage wieder, Zu tauchen in diese Tiefe nieder? Und die Ritter, die Knappen um ihn her Vernehmen’s und schweigen still, Seh’n hinab in das wilde Meer, Und keiner den Becher gewinnen will. Und der König zum drittenmal wieder fraget: Ist keiner, der sich hinunter waget?

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Thus the king speaks, and from the top Of the cliff, which juts abruptly and steeply Into the infinite sea, He hurls the goblet into the howling Charybdis. “Who is there brave enough, I ask once more, To dive down into the depths?” And the knights and squires around him Listen, and keep silent, Looking down into the turbulent sea, And none desires to win the goblet. And the king asks a third time: “Is there no one who will dare the depths?”


Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor, Und ein Edelknecht, sanft und keck, Tritt aus der Knappen zagendem Chor, Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg, Und alle die Männer umher und Frauen Auf den herrlichen Jüngling verwundert schaun.

But all remain silent as before; Then a young squire, gentle and bold, Steps from the hesitant throng, Throws off his belt and his cloak, And all the men and women around him Gaze in astonishment at the fine youth.

Und wie er tritt an des Felsen Hang, Und blickt in den Schlund hinab, Die Wasser, die sie hinunter schlang, Die Charybde jetzt brüllend wiedergab, Und wie mit des fernen Donners Getose Entstürzen sie schäumend dem finstern Schoße.

And as he steps to the cliff ’s edge And looks down into the abyss, The waters which Charybdis devoured She now regurgitates, roaring, And, as if with the rumbling of distant thunder, They rush foaming from the black womb.

Und es wallet und siedet und brauset und zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Flut auf Flut sich ohn’ Ende drängt, Und will sich nimmer erschöpfen und leeren, Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.

The waters seethe and boil, rage and hiss As if they were mixed with fire, The steaming spray gushes up to the heavens, And flood piles on flood, ceaselessly, Never exhausting itself, never emptying, As if the sea would beget another sea.

Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt, Und schwarz aus dem weißen Schaum Klafft hinunter ein gähnender Spalt, Grundlos, als ging’s in den Höllenraum, Und reißend sieht man die brandenden Wogen Hinab in den strudelnden Trichter gezogen. Jetzt schnell, eh’ die Brandung wiederkehrt, Der Jüngling sich Gott befiehlt, Und – ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört, Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült;

But at length the turbulent force abates, And black from the white foam A yawning rift gapes deep down, Bottomless, as if it led to hell’s domain, And you see the tumultuous foaming waves, Sucked down into the seething crater. Now swiftly, before the surge returns, The youth commends himself to God, And—a cry of horror is heard all around— The whirlpool has already borne him away.

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Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer Schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer. Und stille wird’s über dem Wasserschlund, In der Tiefe nur brauset es hohl, Und bebend hört man von Mund zu Mund: Hochherziger Jüngling, fahre wohl! Und hohler und hohler hört man’s heulen, Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.

And over the bold swimmer mysteriously The gaping abyss closes; he will never be seen again. Calm descends over the watery abyss. Only in the depths is there a hollow roar, And the words falter from mouth to mouth. “Valiant youth, farewell!” The roar grows ever more hollow, And they wait, anxious and fearful. Even if you threw in the crown itself, And said: “Whoever brings me this crown Shall wear it and be king”— I would not covet the precious reward. What the howling depths may conceal No living soul will tell me.

Und wärfst du die Krone selber hinein, Und sprächst: wer mir bringet die Kron, Er soll sie tragen und König sein, Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn. Was die heulende Tiefe da unten verhehle, Many a vessel, caught by the whirlpool, Das erzählt keine lebende glückliche Has plunged sheer into the depths, Seele. Yet only wrecked keels and masts Have struggled out of the all-consuming Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel grave— gefasst, Like the rushing of a storm, Schoß gäh in die Tiefe hinab, The roaring grows ever closer and Doch zerschmettert nur rangen sich more vivid. Kiel und Mast Hervor aus dem alles verschlingenden The waters seethe and boil, rage and hiss, Grab – As if they were mixed with fire, Und heller und heller wie Sturmes The steaming spray gushes up to Sausen the heavens Hört man’s näher und immer näher And flood piles on flood, ceaselessly, brausen. And, as if with the rumbling of distant thunder, Und es wallet und siedet und brauset The waters rush foaming from und zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, the black womb. Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Well’ auf Well’ sich ohn’ Ende drängt, Und wie mit des fernen Donners Getose Entstürzt es brüllend dem finstern Schoße. 50


Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß Da hebet sich’s schwanenweiß, Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß, Und er ist’s, und hoch in seiner Linken Schwingt er den Becher mit freudigem Winken. Und atmete lang und atmete tief, Und begrüßte das himmlische Licht. Mit Frohlocken es einer dem andern rief, Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht. Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle Hat der Brave gerettet die lebende Seele. Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schaar, Zu des Königs Füßen er sinkt, Den Becher reicht er ihm knieend dar, Und der König der lieblichen Tochter winkt, Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande; Und der Jüngling sich also zum König wandte: Lange lebe der König! Es freue sich, Wer da atmet im rosigten Licht! Aber da unten ist’s fürchterlich, Und der Mensch versuche die Götter nicht, Und begehre nimmer und nimmer zu schauen, Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.

But look! From the black watery womb A form rises, as white as a swan, An arm and a glistening neck are revealed, Rowing powerfully, and with energetic zeal, It is he! And high in his left hand He joyfully waves the goblet. He breathes long, he breathes deeply, And greets the heavenly light. Rejoicing they call to each other: “He’s alive! He’s here! The abyss did not keep him! From the grave, the swirling watery cavern, The brave man has saved his living soul.” He approaches, the joyous throng surrounds him, And he falls down at the king’s feet; Kneeling, he hands him the goblet, And the king signals to his charming daughter, Who fills it to the brim with sparkling wine; Then the youth turns to the king: “Long live the king! Rejoice, Whoever breathes this rosy light! But down below it is terrible, And man should never tempt the gods Nor ever desire to see What they graciously conceal in night and horror. “It tore me down as fast as lightning— Then, from a rocky shaft A torrential flood poured towards me:

Es riß mich hinunter blitzesschnell, Da stürzt’ mir aus felsigtem Schacht Wildflutend entgegen ein reißender Quell, 51


Mich packte des Doppelstrom’s wütende Macht, Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen Trieb mich’s um, ich konnte nicht widerstehn. Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief, In der höchsten schrecklichen Not Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff, Das erfaßt’ ich behend und entrann dem Tod, Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen, Sonst wär’ er ins Bodenlose gefallen. Denn unter mir lag’s noch, bergetief, In purpurner Finsternis da, Und ob’s hier dem Ohre gleich ewig schlief, Das Auge mit Schaudern hinunter sah, Wie’s von Salamandern und Molchen und Drachen Sich regte in dem furchtbaren Höllenrachen. Schwarz wimmelten da, im grausen Gemisch, Zu scheußlichen Klumpen geballt, Der stachlichte Roche, der Klippenfisch, Des Hammers greuliche Ungestalt, Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne. Und da hing ich und war mir’s mit Grausen bewußt, Von der menschlichen Hilfe so weit, Unter Larven die einzige fühlende Brust, Allein in der gräßlichen Einsamkeit, Tief unter dem Schall der menschlichen Rede Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.

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I was seized by the double current’s raging force, And, like the giddy whirling of a top, It hurled me round; I could not resist. “Then God, to whom I cried, Showed me, at the height of my dire distress, A rocky reef, rising from the depths; I swiftly gripped it and escaped death— And there, too, the goblet hung on coral lips, or else It would have fallen into the bottomless ocean. “For below me still it lay, fathomlessly deep, There in purple darkness. And even if, for the ear, there was eternal calm here, The eye looked down with dread, At the salamanders and dragons Inhabiting the terrifying caverns of hell. “Black, in a ghastly melee, Massed in horrifying clumps, Teemed the stinging roach, the fish of the cliff, The hammer-head, hideously misshapen, And, threatening me with his wrathful teeth, The gruesome shark, the hyena of the sea. “And there I hung, terrifyingly conscious How far I was from human help, Among larvae the only living heart, Alone in terrible solitude, Deep beneath the sound of human speech With the monsters of that dismal wilderness.


Und schaudernd dacht ich’s, da kroch’s heran, Regte hundert Gelenke zugleich, Will schnappen nach mir, in des Schreckens Wahn Laß ich los der Koralle umklammerten Zweig, Gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben, Doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben. Der König darob sich verwundert schier Und spricht: Der Becher ist dein, Und diesen Ring noch bestimm’ ich dir, Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein, Versuchst du’s noch einmal und bringst mir Kunde, Was du sahst auf des Meer’s tief unterstem Grunde.

“And, with a shudder, I thought it was creeping along, Moving hundreds of limbs at once, It wanted to grab me—in a terrifying frenzy I let go of the coral’s clinging branch: At once the whirlpool seized me with raging force, But it was my salvation, pulling me upwards.” At this the king is greatly amazed, And says, “The goblet is yours, And this ring, too, I will give you, Adorned with the most precious stones, If you try once more, and bring me news Of what you have seen on the deepest sea’s deepest bed.”

His daughter hears this with tenderness, And implores with coaxing words: “Father, let the cruel game cease! Das hörte die Tochter mit weichem He has endured for you what no other Gefühl, Und mit schmeichelndem Munde sie fleht: could endure, And if you cannot tame the desire of Laßt,Vater, genug sein das grausame your heart, Spiel, Er hat euch bestanden, was keiner besteht, Then let the knights shame the squire.” Und könnt ihr des Herzens Gelüsten Thereupon the king quickly seizes nicht zähmen, the goblet, So mögen die Ritter den Knappen And hurls it into the whirlpool: beschämen. “If you return the goblet to this spot, Drauf der König greift nach dem Becher You shall be my noblest knight, And you shall embrace as a bride schnell, this very day In den Strudel ihn schleudert hinein, The one who now pleads for you with Und schaffst du den Becher mir wieder tender pity.” zur Stell, So sollst du der trefflichste Ritter mir sein, Und sollst sie als Ehgemahl heut noch umarmen, Die jetzt für dich bittet mit zarten Erbarmen.

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Da ergreift’s ihm die Seele mit Himmelsgewalt, Und es blitzt aus den Augen ihm kühn, Und er siehet erröten die schöne Gestalt, Und sieht sie erbleichen und sinken hin, Da treibt’s ihn, den köstlichen Preis zu erwerben, Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben. Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück, Sie verkündigt der donnernde Schall, Da bückt sich’s hinunter mit liebendem Blick, Es kommen, es kommen die Wasser all, Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder, Den Jüngling bringt keines wieder.

Now his soul is seized with heavenly power, And his eyes flash boldly, And he sees the fair creature blush, Then grow pale and swoon— This impels him to gain the precious prize, And he plunges down, to life or death. The foaming waves are heard, they return, Heralded by the thunderous roar— She leans over with loving gaze: The waves keep on returning, Surging, they rise and fall, Yet not one will bring back the youth.

Friedrich Schiller

Gebet während der Schlacht Vater, ich rufe dich! Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze, Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze. Lenker der Schlachten, ich rufe dich! Vater du, führe mich! Vater du, führe mich! Führ’ mich zum Siege, führ’ mich zum Tode: O Herr, ich erkenne deine Gebote; Herr, wie du willst, so führe mich. Gott, ich erkenne dich! Gott, ich erkenne dich! So im herbstlichen Rauschen der Blätter, Als im Schlachtendonnerwetter, 54

Prayer During Battle Father, I cry unto you! The smoke of roaring guns envelops me; Explosive flashes dart all around me. Lord of battles, I cry unto you! Father, guide me! Father, guide me! Lead me to victory; lead me to death. Lord, I acknowledge your commands; Lead me, Lord, where you will. God, I acknowledge you! God, I acknowledge you! In the autumnal rustling of leaves, As in the thunder of battle; Source of grace, I acknowledge you! Father, grant me your blessing!


Urquell der Gnade, erkenn’ ich dich! Vater du, segne mich! Vater du, segne mich! In deine Hand befehl’ ich mein Leben, Du kannst es nehmen, du hast es gegeben; Zum Leben, zum Sterben segne mich! Vater, ich preise dich! Vater, ich preise dich! S’ist ja kein Kampf für die Güter der Erde; Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte: Drum, fallend und siegend, preis’ ich dich! Gott, dir ergeb’ ich mich! Gott, dir ergeb’ ich mich! Wenn mich die Donner des Todes begrüßen, Wenn meine Adern geöffnet fließen: Dir, mein Gott, dir ergeb’ ich mich! Vater, ich rufe dich!

Father, grant me your blessing! Into your hands I commend my life; You may take it, for you gave it. Whether for life or death, grant me your blessing! Father, I praise you! Father, I praise you! This is no battle for the riches of this earth; With the sword we defend that which is most sacred; Therefore, whether dying or victorious, I praise you. God, I surrender myself to you! God, I surrender myself to you! If the thunder of death greets me, If my open veins flow, To you, my God, I surrender myself! Father, I cry unto you!

Theodor Körner (1791–1813)

Amphiaraos

Amphiaraus

Vor Thebens siebenfach gähnenden Toren Lag im furchtbaren Brüderstreit Das Heer der Fürsten zum Schlagen bereit, Im heiligen Eide zum Morde verschworen. Und mit des Panzers blendendem Licht Gerüstet, als gält’ es, die Welt zu bekriegen, Träumen sie jauchzend von Kämpfen und Siegen, Nur Amphiaraos, der Herrliche, nicht.

Outside Thebes’ seven gaping gates Lay, in grim fraternal strife, The princes’ armies, ready for battle, And pledged to murder in sacred oath. Clad in dazzling armor, As if intent on conquering the world, They dream joyfully of battle and victory. All but the noble Amphiaraus.

Denn er liest in dem ewigen Kreise der Sterne, Wen die kommenden Stunden feindlich bedrohn.

For in the eternal course of stars he reads Whom the coming hours threaten with a hostile fate. The mighty offspring of the sun’s master 55


Des Sonnenlenkers gewaltiger Sohn Sieht klar in der Zukunft nebelnde Ferne. Er kennt des Schicksals verderblichen Bund Er weiß, wie die Würfel, die eisernen, fallen, Er sieht die Möira mit blutigen Krallen; Doch die Helden verschmähen den heiligen Mund. Er sah des Mordes gewaltsame Taten, Er wußte, was ihm die Parze spann. So ging er zum Kampf, ein verlor’ner Mann, Von dem eig’nen Weibe schmählich verraten. Er war sich der himmlischen Flamme bewußt, Die heiß die kräftige Seele durchglühte; Der Stolze nannte sich Apolloide, Es schlug ihm ein göttliches Herz in der Brust.

Sees clearly into the mists of the distant future. He understands destiny’s pernicious bond; He knows how the iron dice fall; He beholds Fate with her bloody claws; Yet the heroes scorn his sacred words. He saw monstrous deeds of murder; He knew what Fate was spinning for him. Thus he went to battle, a man doomed, Shamefully betrayed by his own wife. He was aware of the heavenly flame Which burned fiercely through his great soul; The proud man called himself the son of Apollo; A godlike heart beat in his breast.

“What? I, whom the gods have addressed, Bathed in the holy scent of truth, „Wie? – ich, zu dem die Götter geredet, Am to perish in mean battle, Den der Wahrheit heilige Düfte umwehn, Slain by Periclymenos’ hand? I wish to die by the power of Ich soll in gemeiner Schlacht vergehn, my own hand. Von Periklymenos’ Hand getötet? Verderben will ich durch eigene Macht, Future ages will hear, amazed, From the sacred lips of minstrels Und staunend vernehm’ es die How I plunged boldly into eternal night.” kommende Stunde Aus künftiger Sänger geheiligtem Munde, And when the bloody fight commenced, Wie ich kühn mich gestürzt in die And the plain echoed with murderous ewige Nacht.“ cries, He called in despair: “What unerring Und als der blutige Kampf begonnen, fate has spun Und die Eb’ne vom Mordgeschrei For me now approaches with widerhallt, mighty force. So ruft er verzweifelnd: „Es naht mit But divine blood flows in my breast, Gewalt, Was mir die untrügliche Parze gesponnen. Thus will my death be worthy of my progenitor.” Doch wogt in der Brust mir And he turned his horses, for life or ein göttliches Blut, for death, Drum will ich auch wert des Erzeugers And sped to the river’s surging flood. verderben.“ 56


Und wandte die Rosse auf Leben und Sterben, Und jagt zu des Stromes hochbrausender Flut. Wild schnauben die Rosse, laut rasselt der Wagen, Das Stampfen der Hufe zermalmet die Bahn. Und schneller und schneller noch rast es heran, Als gält’ es, die flüchtige Zeit zu erjagen. Wie wenn er die Leuchte des Himmel geraubt, Kommt er in Wirbeln der Windsbraut geflogen; Erschrocken heben die Götter der Wogen Aus schäumenden Fluten das schilfichte Haupt. Und plötzlich, als wenn der Himmel erglühte, Stürzt ein Blitz aus der heitern Luft, Und die Erde zerreißt sich zur furchtbaren Kluft; Da rief laut jauchzend der Apolloide: „Dank dir, Gewaltiger! fest steht mir der Bund. Dein Blitz ist mir der Unsterblichkeit Siegel; Ich folge dir, Zeus!“ – und er faßte die Zügel Und jagte die Rosse hinab in den Schlund.

The stallions snort fiercely, the chariot rattles loudly, Stamping hooves pound the track. Faster and faster they approach, As if striving to catch fleeting Time itself. As if he had stolen the torch of heaven He rushes onwards in a seething whirlwind. Horrified, the gods of the waves raise Their reed-covered heads from the foaming floods. But suddenly, as if the heavens were ablaze, A thunderbolt falls from the clear air, the earth Is ripped open, a terrifying chasm appears. Then, in jubilation, the son of Apollo cried aloud: “I thank you, mighty one! My covenant stands firm. Your thunderbolt is my seal of immortality. I follow you, Zeus!” And he seized the reins And spurred his horses down into the abyss.

Theodor Körner

Freiwilliges Versinken

Voluntary Oblivion

Wohin, o Helios? In kühlen Fluten Will ich den Flammenleib versenken, Gewiß im Innern, neue Gluten Der Erde Feuerreich zu schenken.

Whither, O Helios? In cool waters I will immerse my burning body, Inwardly certain that I can bestow New warmth upon the earth’s fires. 57


Ich nehme nicht, ich pflege nur zu geben; Und wie verschwenderisch mein Leben, Umhüllt mein Scheiden gold’ne Pracht, Ich scheide herrlich, naht die Nacht.

I do not take; I am wont only to give. As prodigal as my life, My parting is bathed in golden splendor; I depart in glory when night draws near.

Wie blass der Mond, wie matt die Sterne! Solang ich kräftig mich bewege; Erst wenn ich auf die Berge meine Krone lege, Gewinnen sie an Mut und Kraft in weiter Ferne.

How pale the moon, how faint the stars, As long as I move on my powerful course; only when I lay down my crown upon the mountains do they Gain strength and courage in the far distance.

Johann Mayrhofer (1787–1836)

Memnon

Memnon

Den Tag hindurch nur einmal mag ich sprechen, Gewohnt zu schweigen immer und zu trauern: Wenn durch die nachtgebor’nen Nebelmauern Aurorens Purpurstrahlen liebend brechen.

Constant silence and grieving are my wont; The whole day long I may speak but once: When Aurora’s tender crimson rays Break through the night-begotten walls of mist.

Für Menschenohren sind es Harmonien. Weil ich die Klage selbst melodisch künde Und durch der Dichtung Glut das Rauhe ründe, Vermuten sie in mir ein selig Blühen. In mir, nach dem des Todes Arme langen, In dessen tiefstem Herzen Schlangen wühlen; Genährt von meinen schmerzlichen Gefühlen Fast wütend durch ein ungestillt Verlangen: Mit dir, des Morgens Göttin, mich zu einen, Und weit von diesem nichtigen Getriebe, Aus Sphären edler Freiheit, aus Sphären reiner Liebe, Ein stiller, bleicher Stern herab zu scheinen. Johann Mayrhofer

To men’s ears this is music. Since I proclaim my very grief in song, And transfigure its harshness in the fire of poetry, They imagine that joy flowers within me. Within me, to whom the arms of death stretch out, As serpents writhe deep in my heart; I am nourished by my anguished thoughts, And almost frenzied with unquiet longing. Oh to be united with you, goddess of morning, And, far from this vain bustle, To shine down as a pale, silent star From spheres of noble freedom and pure love.


Der entsühnte Orest

Orestes Purified

Zu meinen Füßen brichst du dich, O heimatliches Meer, Und murmelst sanft: „Triumph,Triumph!“ Ich schwinge Schwert und Speer.

You break at my feet, Sea of my homeland, And softly murmur: “Triumph! Triumph!” I wield my sword and spear.

Mykene ehrt als König mich, Beut meinem Wirken Raum, Und über meinem Scheitel saust Des Lebens goldner Baum.

Mycenae honors me as King, Offers me freedom for my actions; And above my head rustles The golden tree of life.

Mit morgendlichen Rosen schmückt Der Frühling meine Bahn, Und auf der Liebe Wellen schwebt Dahin mein leichter Kahn.

Spring adorns my path With fresh roses, And my boat glides lightly along On waves of love.

Diana naht; o Retterin, Erhöre du mein Fleh’n! Lass mich, das Höchste wurde mir, Zu meinen Vätern geh’n!

Diana approaches; my savior, Hear my prayer! Let me know the highest joy: Let me return to my fathers.

Johann Mayrhofer

Der zürnenden Diana

To the Angry Diana

Ja, spanne nur den Bogen, mich zu töten, Du himmlisch Weib! im zürnenden Erröten Noch reizender. Ich werd’ es nie bereuen, Daß ich dich sah am buschigen Gestade Die Nymphen überragen in dem Bade, Der Schönheit Funken in die Wildnis streuen.

Yes, draw your bow to slay me, Divine lady! In the flush of wrath You are still more enchanting. I shall never regret That I saw you on the flowering bank, Outshining the nymphs as they bathed, Spreading rays of beauty through the wilderness.

Den Sterbenden wird noch dein Bild erfreuen. Er atmet reiner, er atmet freier, Wem du gestrahlet ohne Schleier. Dein Pfeil, er traf, doch linde rinnen Die warmen Wellen aus der Wunde; Noch zittert vor den matten Sinnen Des Schauens süße letzte Stunde.

Your image will gladden me even as I die. He who has beheld your unveiled radiance Will breathe more purely and more freely. Your arrow hit its mark, yet warm waves Flow gently from the wound. My failing senses still tremble In contemplation of this last sweet hour.

Johann Mayrhofer

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An die Leier

To My Lyre

Ich will von Atreus’ Söhnen, Von Kadmus will ich singen! Doch meine Saiten tönen Nur Liebe im Erklingen.

I would sing of Atreus’s sons, Of Cadmus, But my strings bring forth Only sounds of love.

Ich tauschte um die Saiten, Die Leier möcht ich tauschen! Alcidens Siegesschreiten Sollt ihrer Macht entrauschen!

I have changed the strings, I should like to change the lyre! Alcides’ victorious march should ring out from its might!

Doch auch die Saiten tönen Nur Liebe im Erklingen! So lebt denn wohl, Heroen! Denn meine Saiten tönen Statt Heldensang zu drohen, Nur Liebe im Erklingen.

But these strings, too, Bring forth only sounds of love! Farewell, then, heroes! For my strings, Instead of threatening with heroic songs, Bring forth only sounds of love.

Franz von Bruchmann (1798–1867) Translations: © Richard Wigmore With thanks to Hyperion Records

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Christiane Karg & Wolfram Rieger Samstag, 13. Januar, 20.00 Uhr

Hoffnung

Hope

Es reden und träumen die Menschen viel Von bessern künftigen Tagen, Nach einem glücklichen goldenen Ziel Sieht man sie rennen und jagen; Die Welt wird alt und wird wieder jung, Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Men talk and dream Of better days to come. You see them running and chasing After a happy, golden goal. The world grows old, and young again, But man forever hopes for better things.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein, Sie umflattert den fröhlichen Knaben, Den Jüngling begeistert ihr Zauberschein, Sie wird mit dem Greis nicht begraben; Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf, Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf. Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn, Erzeugt im Gehirne des Toren, Im Herzen kündet es laut sich an: Zu was Besserm sind wir geboren! Und was die innere Stimme spricht, Das täuscht die hoffende Seele nicht.

Hope leads man into life. It hovers around the happy boy; Its magic radiance inspires the youth, Nor is it buried with the old man. For though he ends his weary life in the grave, Yet on that grave he plants his hope. It is no vain, flattering illusion, Born in the mind of a fool. Loudly it proclaims itself in men’s hearts: We are born for better things. And what the inner voice tells us Does not deceive the hopeful soul.

Friedrich Schiller (1759–1805)

Frühlingsglaube

Faith in Spring

Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang!

Balmy breezes are awakened; They stir and whisper day and night, Everywhere creative. O fresh scents, O new sounds!

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Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden.

Now, poor heart, do not be afraid. Now all must change.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal: Nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich alles, alles wenden.

The world grows fairer each day; We cannot know what is still to come; The flowering knows no end. The deepest, most distant valley is in flower. Now, poor heart, forget your torment. Now all must change.

Ludwig Uhland (1787–1862)

Das Rosenband

The Rosy Ribbon

Im Frühlingsgarten fand ich sie, Da band ich sie mit Rosenbändern: Sie fühlt’ es nicht und schlummerte.

I found her in the spring garden, And bound her with rosy ribbons; Oblivious, she slept on.

Ich sah sie an; mein Leben hing Mit diesem Blick an ihrem Leben: Ich fühlt’ es wohl und wußt’ es nicht.

I looked at her; with that gaze My life was bound to hers: This I felt, yet did not know.

Doch lispelt’ ich ihr leise zu Und rauschte mit den Rosenbändern. Da wachte sie vom Schlummer auf.

But I whispered softly to her And rustled the rosy ribbons. Then she woke from her slumber.

Sie sah mich an; ihr Leben hing Mit diesem Blick an meinem Leben, Und um uns ward Elysium.

She looked at me; with that gaze Her life was bound to mine, And all around us was paradise.

Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803)

Die Rose

The Rose

Es lockte schöne Wärme, Mich an das Licht zu wagen, Da brannten wilde Gluten; Das muß ich ewig klagen. Ich konnte lange blühen In milden heitern Tagen; Nun muß ich frühe welken, Dem Leben schon entsagen.

Lovely warmth tempted me To venture into the light. There fires burned furiously; I must forever bemoan that. I could have bloomed for long In mild, bright days. Now I must wither early, Renounce life prematurely. 63


Es kam die Morgenröte, Da ließ ich alles Zagen Und öffnete die Knospe, Wo alle Reize lagen. Ich konnte freundlich duften Und meine Krone tragen, Da ward zu heiß die Sonne, Die muß ich drum verklagen.

The red dawn came; I abandoned all timidity And opened the bud In which lay all my charms. I could have spread sweet fragrance And worn my crown … Then the sun grew too hot— Of this I must accuse it.

Was soll der milde Abend? Muß ich nun traurig fragen. Er kann mich nicht mehr retten, Die Schmerzen nicht verjagen. Die Röte ist verblichen, Bald wird mich Kälte nagen. Mein kurzes junges Leben Wollt’ ich noch sterbend sagen.

Of what avail is the mild evening? I must now ask sadly. It can no longer save me, Or banish my sorrows. My red coloring is faded; Soon cold will gnaw me. As I die I wish to tell once more Of my brief young life.

Friedrich von Schlegel (1772–1829)

Die abgeblühte Linde

The Faded Linden Tree

Wirst du halten, was du schwurst, Wenn mir die Zeit die Locken bleicht? Wie du über Berge fuhrst, Eilt das Wiedersehn nicht leicht.

Will you abide by what you pledged to me When time has made my hair white? Since you went away over the mountains Reunions are not easy.

Änd’rung ist das Kind der Zeit, Womit Trennung uns bedroht, Und was die Zukunft beut, Ist ein blässer’s Lebensrot. Sieh, die Linde blühet noch, Als du heute von ihr gehst: Wirst sie wieder finden, doch Ihre Blüten stiehlt der West. Einsam steht sie dann, vorbei Geht man kalt, bemerkt sie kaum. Nur der Gärtner bleibt ihr treu, Denn er liebt in ihr den Baum. Ludwig von Széchényi (1781–1855)

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Change is the child of time With which parting threatens us; And what the future offers us Is a paler gleam of life. See, the linden tree is still blooming As you leave here today; You will find it again Though the west wind steals its blossoms. Then it will stand alone, people will Pass by, indifferent, scarcely noticing it. Only the gardener will remain true, Since he loves the tree for itself.


Nachtviolen

Dame’s Violets

Nachtviolen, Nachtviolen, Dunkle Augen, seelenvolle, Selig ist es, sich versenken In dem samtnen Blau.

Dame’s violets, Dark, soulful eyes, It is blissful to immerse myself In your velvety blue.

Grüne Blätter streben freudig, Euch zu hellen, euch zu schmücken; Doch ihr blicket ernst und schweigend In die laue Frühlingsluft.

Green leaves strive joyously To brighten you, to adorn you; But you gaze, solemn and silent, Into the mild spring air.

Mit erhabnen Wehmutsstrahlen Trafet ihr mein treues Herz, Und nun blüht in stummen Nächten, Fort die heilige Verbindung.

With sublime shafts of melancholy You have pierced my faithful heart, And now, in silent nights, Our sacred union blossoms.

Johann Mayrhofer (1787–1836)

Viola

Violet

Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du, Läutest in dem stillen Hain, Läute immer, läute zu!

Snowdrop, snowdrop, You ring through the meadows, You ring in the silent grove. Ring on, ring on for ever!

Denn du kündest frohe Zeit, Frühling naht, der Bräutigam, Kommt mit Sieg vom Winterstreit, Dem er seine Eiswehr nahm.

For you herald a time of joy; Spring approaches, the bridegroom, Victorious from his struggle with winter, From whom he wrested his icy weapon.

Darum schwingt der goldne Stift, Daß dein Silberhelm erschallt, Und dein liebliches Gedüft Leis’ wie Schmeichelruf entwallt:

So your golden rod swings That your silver bell shall resound, And your sweet fragrance wafts gently away, Like an enticing call:

Daß die Blumen in der Erd, Steigen aus dem düstern Nest, Und des Bräutigams sich wert Schmücken zu dem Hochzeitsfest.

So that the flowers in the earth Rise from their gloomy nests, And to prove worthy of the bridegroom Adorn themselves for the wedding feast.

Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du,

Snowdrop, snowdrop, You ring through the meadows, 65


Läutest in dem stillen Hain, Läut’ die Blumen aus der Ruh’!

You ring in the silent grove, Ring the flowers from their sleep!

Du Viola, zartes Kind, Hörst zuerst den Wonnelaut, Und sie stehet auf geschwind, Schmücket sorglich sich als Braut,

Violet, tender child, Is the first to hear the joyful sound; She rises quickly, And adorns herself carefully as a bride.

Hüllet sich in’s grüne Kleid, Nimmt den Mantel sammetblau, Nimmt das güldene Geschmeid, Und den Brilliantentau.

She wraps herself in a green gown, Takes a velvety blue mantle, Her golden jewels And her dewy diamonds.

Eilt dann fort mit mächt’gem Schritt, Nur den Freund im treuen Sinn, Ganz von Liebesglück durchglüht, Sieht nicht her und sieht nicht hin.

Then she hastens forth with powerful gait, With thoughts only of her beloved in her faithful Heart, inflamed with ardent love, Looking neither this way nor that.

Doch ein ängstliches Gefühl Ihre kleine Brust durchwallt, Denn es ist noch rings so still, Und die Lüfte weh’n so kalt. Und sie hemmt den schnellen Lauf, Schon bestrahlt von Sonnenschein, Doch mit Schrecken blickt sie auf, Denn sie stehet ganz allein. Schwestern nicht – nicht Bräutigam – Zugedrungen! und verschmäht! – Da durchschauert sie die Scham, Fliehet wie vom Sturm geweht, Fliehet an den fernsten Ort, Wo sie Gras und Schatten deckt, Späht und lauschet immerfort, Ob was rauschet und sich regt. Und gekränket und getäuscht Sitzet sie und schluchzt und weint, Von der tiefsten Angst zerfleischt, Ob kein Nahender erscheint.

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But a feeling of apprehension Troubles her tiny breast, For all around it is still so quiet, And the winds blow so cold. She checks her rapid course. Already the sun shines on her, But she looks up in terror, For she is quite alone. No sisters! No bridegroom! She has been too pressing! She has been rejected! Then she shudders with shame And flees, as if swept away by the storm. She flees to the remotest spot, Where grass and shade conceal her; She constantly peers and listens To see if anything rustles or stirs. Hurt and disappointed She sits sobbing and weeping, Tormented by the profound fear That no one will appear.


Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du, Läutest in dem stillen Hain, Läut die Schwestern ihr herzu!

Snowdrop, snowdrop, You ring through the meadows, You ring in the silent grove; Call her sisters to her.

Rose nahet, Lilie schwankt, Tulp’ und Hyazinthe schwellt, Windling kommt daher gerankt, Und Narciss’ hat sich gesellt.

The rose approaches, the lily sways, The tulip and hyacinth swell; The bindweed trails along, And the narcissus joins them.

Da der Frühling nun erscheint, Und das frohe Fest beginnt, Sieht er alle, die vereint, Und vermißt sein liebstes Kind.

And now, as spring appears And the happy festival begins, He sees them all united, But misses his dearest child.

Alle schickt er suchend fort, Um die eine, die ihm wert, Und sie kommen an den Ort, Wo sie einsam sich verzehrt.

He sends them all off to search For the one he cherishes, And they come to the place Where she languishes alone.

Doch es sitzt das liebe Kind Stumm und bleich, das Haupt gebückt, Ach! der Lieb’ und Sehnsucht Schmerz Hat die Zärtliche erdrückt.

But the sweet creature sits there Dumb and pale, her head bowed; Alas, the pain of love and longing Has crushed the tender one.

Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du, Läutest in dem stillen Hain, Läut Viola sanfte Ruh’!

Snowdrop, snowdrop, You ring through the meadows, You ring in the silent grove; Ring for Violet’s sweet repose!

Franz von Schober (1796–1882)

Lied

Song

Des Lebens Tag ist schwer und schwühl, Des Todes Atem leicht und kühl, Er wehet freundlich uns hinab, Wie welkes Laub in’s stille Grab.

Life’s day is heavy and sultry, The breath of death is light and cool; Fondly it wafts us down, Like withered leaves, into the silent grave.

Es scheint der Mond, es fällt der Tau Auf ’s Grab wie auf die Blumenau; Auch fällt der Freunde Trän hinein Erhellt von sanfter Hoffnung Schein.

The moon shines, the dew falls On the grave as on the flowery meadow; The tears of friends also fall, Lit by the gleam of gentle hope. 67


Uns sammelt alle, klein und groß. Die Mutter Erd’ in ihren Schoß; O säh’n wir ihr ins Angesicht, Wir scheuten ihren Busen nicht! Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg (1750–1819)

Mother Earth gathers us all, great and small, In her lap; If we would only look upon her face We should not fear her bosom.

Die Liebe hat gelogen

Love Has Lied to Me

Die Liebe hat gelogen, Die Sorge lastet schwer, Betrogen, ach, betrogen Hat alles mich umher!

Love has lied; Care weighs heavily upon me. Alas, I am deceived, deceived By all around me!

Es fließen heiße Tropfen Die Wange stets herab, Lass ab, mein Herz, zu klopfen, Du armes Herz, lass ab.

Hot tears flow Ceaselessly down my cheek. Heart, beat no more; Poor heart, beat no more!

August von Platen (1796–1835)

Du liebst mich nicht

You Love Me Not

Mein Herz ist zerrissen, du liebst mich nicht! Du ließest mich’s wissen, du liebst mich nicht! Wie wohl ich dir flehend und werbend erschien, Und liebebeflissen, du liebst mich nicht! Du hast es gesprochen, mit Worten gesagt, Mit allzu gewissen, du liebst mich nicht! So soll ich die Sterne, so soll ich den Mond, Die Sonne vermissen, du liebst mich nicht! Was blüht mir die Rose, was blüht der Jasmin, Was blühn die Narzissen, du liebst mich nicht!

My heart is broken; you do not love me. You gave me to know that you do not love me. Though I appeared before you, entreating, wooing, Zealously loving, you do not love me. You told me so, you said it in words, All too explicitly: you do not love me. Then I must forego the stars, the moon And the sun.You do not love me. What is it to me that the rose blooms, The jasmine and the narcissus? You do not love me.

August von Platen

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Lieb Minna

Darling Minna

„Schwüler Hauch weht mir herüber, Welkt die Blum’ an meiner Brust. Ach, wo weilst du, Wilhelm, Lieber? Meiner Seele süße Lust! Ewig Weinen, Nie Erscheinen! Schläfst wohl schon im kühlen Schoße, Denkst auch mein noch unterm Moose?“

“A sultry breeze wafts across to me, The flower at my breast withers. Ah, where do you linger, Wilhelm dearest, My soul’s sweet delight? I weep eternally, You never appear! Perhaps you already sleep in the earth’s cool womb; Do you still think of me beneath the moss?”

Minna weinet, es verflogen Mählig Wang- und Lippenrot. Wilhelm war hinausgezogen Mit den Reihn zum Schlachtentod. Von der Stunde Keine Kunde! Schläfst wohl längst im kühlen Schoße, Denkt dein Minna, unterm Moose. Liebchen sitzt im stillen Harme, Sieht die gold’nen Sternlein ziehn, Und der Mond schaut auf die Arme Mit leidsvollen Blickes hin. Horch, da wehen Aus den Höhen Abendlüftchen ihr herüber: Dort am Felsen harrt dein Lieber. Minna eilt im Mondenflimmer Bleich und ahnend durch die Flur, Findet ihren Wilhelm nimmer, Findet seinen Hügel nur. „Bin bald drüben Bei dir Lieben, Sagst mir aus dem kühlen Schoße: ‚Denk’ dein, Minna, unterm Moose.‘“ Und viel tausend Blümchen steigen Freundlich aus dem Grab herauf. Minna kennt die Liebeszeugen, Bettet sich ein Plätzchen drauf. „Bin gleich drüben Bei dir Lieben!“

Minna wept; gradually the crimson drained From her cheeks and lips. Wilhelm had departed With the ranks to death in battle. From that hour There was no news. Your Minna thinks: perhaps you have long Been sleeping beneath the cool moss. The sweet maiden sits in silent grief, Watching the motion of the golden stars, And the moon looks upon the poor creature With compassionate gaze. Hark, evening breezes Waft across her From the heights: Your beloved is waiting there by the cliff. Pale and filled with foreboding, Minna hastens Across the meadows in the shimmering moonlight. But she does not find her Wilhelm; She finds only his grave. “Soon I shall be there With you, beloved, If from the cool womb you tell me: ‘I am thinking of you, Minna, beneath the moss.’” And many thousands of flowers spring Tenderly from the grave. 69


Legt sich auf die Blümchen nieder Findet ihren Wilhelm wieder. Albert Stadler (1794–1888)

Minna understands this testimony of love, And makes a little bed upon them. “Very soon I shall be there With you, beloved!” She lies down upon the flowers And finds her Wilhelm again.

Thekla (Eine Geisterstimme) Thekla (A Phantom Voice) Wo ich sei, und wo mich hingewendet, Als mein flücht’ger Schatte dir entschwebt? Hab’ ich nicht beschlossen und geendet, Hab’ ich nicht geliebet und gelebt? Willst du nach den Nachtigallen fragen, Die mit seelenvoller Melodie Dich entzückten in des Lenzes Tagen? Nur so lang’ sie liebten, waren sie. Ob ich den Verlorenen gefunden? Glaube mir, ich bin mit ihm vereint, Wo sich nicht mehr trennt, was sich verbunden, Dort, wo keine Träne wird geweint. Dorten wirst auch du uns wieder finden, Wenn dein Lieben unserm Lieben gleicht; Dort ist auch der Vater, frei von Sünden, Den der blut’ge Mord nicht mehr erreicht. Und er fühlt, daß ihn kein Wahn betrogen, Als er aufwärts zu den Sternen sah; Den wie jeder wägt, wird ihm gewogen, Wer es glaubt, dem ist das Heil’ge nah.

You ask me where I am, where I turned to When my fleeting shadow vanished. Have I not finished, reached my end? Have I not loved and lived? Would you ask after the nightingales Who, with soulful melodies, Delighted you in the days of spring? They lived only as long as they loved. Did I find my lost beloved? Believe me, I am united with him in the place Where those who have formed a bond are never Separated, where no tears are shed. There you will also find us again, When your love is as our love; There too is our father, free from sin, Whom bloody murder can no longer strike. And he senses that he was not deluded When he gazed up at the stars. For as a man judges so he shall be judged; Whoever believes this is close to holiness.

There, in space, every fine, deeply-felt belief Will be consummated; Dort gehalten wird in jenen Räumen Dare to err and to dream: Jedem schönen gläubigen Gefühl; Often a higher meaning lies behind Wage du, zu irren und zu träumen: Hoher Sinn liegt oft im kind’schen Spiel. childlike play. Friedrich Schiller (1759–1805)


Strophe aus „Die Götter Griechenlands“

Stanza from “The Gods of Greece”

Schöne Welt, wo bist du? Kehre wieder, Holdes Blütenalter der Natur! Ach, nur in dem Feenland der Lieder Lebt noch deine fabelhafte Spur. Ausgestorben trauert das Gefilde, Keine Gottheit zeigt sich meinem Blick, Ach, von jenem lebenwarmen Bilde Blieb der Schatten nur zurück.

Fair world, where are you? Return again, Sweet springtime of nature! Alas, only in the magic land of song Does your fabled memory live on. The deserted fields mourn, No god reveals himself to me; Of that warm, living image Only a shadow has remained.

Friedrich Schiller

Iphigenia

Iphigenia

Blüht denn hier an Tauris Strande, Aus dem teuren Vaterlande keine Blume, Weht kein Hauch Aus den seligen Gefilden, Wo Geschwister mit mir spielten? Ach, mein Leben ist ein Rauch!

Does no flower from my beloved homeland Bloom here on the shore of Tauris? Does no breeze blow From the blessed fields Where my brothers and sisters played with me? Ah, my life is but smoke!

Trauernd wank’ ich in dem Haine, Keine Hoffnung nähr’ ich – keine, Meine Heimat zu erseh’n, Und die See mit hohen Wellen, Die an Klippen sich zerschellen, Übertäubt mein leises Fleh’n. Göttin, die du mich gerettet, An die Wildnis angekettet, – Rette mich zum zweitenmal; Gnädig lasse mich den Meinen, Lass’ o Göttin! mich erscheinen In des großen Königs Saal! Johann Mayrhofer

Sadly, hesitantly, I walk through the grove; I cherish no hope—none— Of ever seeing my homeland. And the sea, with its mighty waves Crashing against the cliffs, Drowns my soft pleas. Goddess who rescued me And chained me in this wilderness, Rescue me a second time; Mercifully grant, O goddess, That I may appear before my own people In the hall of the great king!

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Vedi quanto t’adoro Recitativo Vedi quanto t’adoro ancora, ingrato. Con un tuo sguardo solo Mi togli ogni difesa, e mi disarmi. Ed hai cor di tradirmi? E puoi lasciarmi? Aria Ah, non lasciarmi, no, Bell’ idol mio; Di chi mi fiderò Se tu m’inganni? Di vita mancherei Nel dirti addio; Chè viver non potrei Fra tanti affanni. Pietro Metastasio (1698–1782) (aus Didone abbandonata)

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Sieh, wie sehr ich dich noch anbete

See How Much I Still Love You

Rezitativ Sieh, wie sehr ich dich noch immer anbete, Undankbarer. Mit einem einzigen Blick Nimmst du mir jeden Schutz und entwaffnest mich. Und du hast das Herz, mich zu verraten? Und mich dann zu verlassen?

Recitative See how much I love you, ungrateful man! With a single glance You remove all my defences, and disarm me. Do you have the heart to betray me? And then to leave me?

Arie Ah! Verlasse mich nicht, nein, Mein schöner Geliebter: Wem soll ich vertrauen Wenn du mich betrügst? Mein Leben würde vergehen, Wenn ich dir Lebewohl sagte, Ich könnte nicht leben Mit solchen Schmerzen.

Aria Ah, do not leave me, My beloved. Whom shall I trust If you deceive me? My life would fail me As I said farewell to you. I could not live With such grief. Translations: © Richard Wigmore With thanks to Hyperion Records

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Ludwig Mittelhammer & Jonathan Ware Sonntag, 14. Januar, 11.00 Uhr

Auf der Bruck

At Bruck

Frisch trabe sonder Ruh und Rast, Mein gutes Ross, durch Nacht und Regen! Was scheust du dich vor Busch und Ast Und strauchelst auf den wilden Wegen? Dehnt auch der Wald sich tief und dicht, Doch muß er endlich sich erschließen, Und freundlich wird ein fernes Licht Uns aus dem dunkeln Tale grüßen.

Trot briskly on, my good horse, Without pause for rest, through night and rain! Why do you shy at bush and branch And stumble on the wild paths? Though the forest stretches deep and dense It must at last open up, And a distant light will greet us warmly From the dark valley.

Wohl könnt’ ich über Berg und Tal Auf deinem schlanken Rücken fliegen Und mich am bunten Spiel der Welt, An holden Bildern mich vergnügen. Manch Auge lacht mir traulich zu Und beut mir Frieden, Lieb’ und Freude. Und dennoch eil’ ich ohne Ruh Zurück, zurück zu meinem Leide. Denn schon drei Tage war ich fern Von ihr, die ewig mich gebunden, Drei Tage waren Sonn’ und Stern Und Erd’ und Himmel mir verschwunden. Von Lust und Leiden, die mein Herz Bei ihr bald heilten, bald zerrissen, Fühlt’ ich drei Tage nur den Schmerz, Und ach! die Freude mußt’ ich missen! Weit sehn wir über Land und See Zur wärmern Flur den Vogel fliegen; Wie sollte denn die Liebe je In ihrem Pfade sich betrügen? Drum trabe mutig durch die Nacht! Und schwinden auch die dunkeln Bahnen,

I could cheerfully speed over mountain and valley On your lithe back, And enjoy the world’s varied delights, Its fair sights. Many an eye smiles at me affectionately, Offering peace, love and joy. And yet, restlessly, I hasten Back to my sorrow. For three days now I have been far From her to whom I am eternally bound; For three days sun and stars, Earth and heaven, have vanished for me. Of the joy and sorrow which, when I was with her, Now healed, now tore my heart, I have for three days felt only the pain. Alas, the joy I have had to forgo! We watch the bird fly far away over land and sea To warmer pastures.

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Der Sehnsucht helles Auge wacht, Und sicher führt mich süßes Ahnen. Ernst Schulze (1789–1817)

How, then, should love ever Be deceived in its course? So trot bravely on through the night! Though the dark tracks may vanish, The bright eye of longing is awake, And sweet presentiment guides me safely onwards.

Im Frühling

In Spring

Still sitz ich an des Hügels Hang, Der Himmel ist so klar, Das Lüftchen spielt im grünen Tal, Wo ich beim ersten Frühlingsstrahl Einst, ach, so glücklich war.

I sit silently on the hillside. The sky is so clear, The breezes play in the green valley Where once, in the first rays of spring, I was, oh, so happy.

Wo ich an ihrer Seite ging So traulich und so nah, Und tief im dunkeln Felsenquell Den schönen Himmel blau und hell, Und sie im Himmel sah.

Where I walked by her side, So tender, so close, And saw deep in the dark rocky stream The fair sky, blue and bright, And her reflected in that sky.

Sieh, wie der bunte Frühling schon Aus Knosp’ und Blüte blickt! Nicht alle Blüten sind mir gleich, Am liebsten pflückt’ ich von dem Zweig, Von welchem sie gepflückt.

See how the colorful spring Already peeps from bud and blossom. Not all the blossoms are the same to me: I like most of all to pluck them from the branch From which she has plucked.

Denn alles ist wie damals noch, Die Blumen, das Gefild; Die Sonne scheint nicht minder hell, Nicht minder freundlich schwimmt im Quell Das blaue Himmelsbild.

For all is still as it was then, The flowers, the fields; The sun shines no less brightly, And no less cheerfully, The sky’s blue image bathes in the stream.

Es wandeln nur sich Will und Wahn, Es wechseln Lust und Streit, Vorüber flieht der Liebe Glück, Und nur die Liebe bleibt zurück, Die Lieb’ und ach, das Leid!

Only will and delusion change, And joy alternates with strife; The happiness of love flies past, And only love remains; Love and, alas, sorrow.

O wär ich doch ein Vöglein nur Dort an dem Wiesenhang!

Oh, if only I were a bird, There on the sloping meadow!

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Dann blieb’ ich auf den Zweigen hier, Und säng ein süßes Lied von ihr, Den ganzen Sommer lang.

Then I would stay on these branches here, And sing a sweet song about her All summer long.

Ernst Schulze

Der Knabe

The Boy

Wenn ich nur ein Vöglein wäre, Ach, wie wollt’ ich lustig fliegen, Alle Vögel weit besiegen.

If only I were a bird, Ah, how joyfully I would fly, Far outstripping all other birds.

Wenn ich so ein Vogel bin, Darf ich alles, alles haschen, Und die höchsten Kirschen naschen; Fliege dann zur Mutter hin. Ist sie bös in ihrem Sinn, Kann ich lieb mich an sie schmiegen, Ihren Ernst gar bald besiegen.

If I were a bird I could get everything And nibble the highest cherries. Then I’d fly back to mother. If she were angry I could nestle sweetly up to her And soon overcome her sternness.

Bunte Federn, leichte Flügel Dürft’ ich in der Sonne schwingen, Daß die Lüfte laut erklingen, Weiß nichts mehr von Band und Zügel. Wär’ ich über jene Hügel, Ach, dann wollt’ ich lustig fliegen, Alle Vögel weit besiegen.

Colored feathers, light wings, I could flap them in the sunlight, So that the air resounded loudly, I would no longer be curbed and shackled. If I were beyond those hills, Ah, how joyfully I would fly, Far outstripping all other birds.

Friedrich von Schlegel (1772–1829)

Der Schmetterling

The Butterfly

Wie soll ich nicht tanzen, Es macht keine Mühe; Und reizende Farben Schimmern hier im Grünen. Immer schöner glänzen Meine bunten Flügel, Immer süßer hauchen Alle kleinen Blüten. Ich nasche die Blüten, Ihr könnt sie nicht hüten.

Why should I not dance? It costs me no effort, And enchanting colors Shimmer here amid the verdure. Ever lovelier My brightly-colored wings glisten; Ever sweeter is the scent From each tiny blossom. I sip from the blossoms; You cannot protect them. 77


Wie groß ist die Freude. Sei’s spät oder frühe, Leichtsinnig zu schweben Über Tal und Hügel. Wenn der Abend säuselt, Seht ihr Wolken glühen; Wenn die Lüfte golden, Scheint die Wiese grüner. Ich nasche die Blüten, Ihr könnt sie nicht hüten.

How great my joy, Be it early or late, To flit so blithely Over hill and dale. When the evening murmurs You see the clouds glow; When the air is golden The meadows are more radiantly green. I sip from the blossoms; You cannot protect them.

Friedrich von Schlegel

Alinde

Alinda

Die Sonne sinkt ins tiefe Meer, Da wollte sie kommen. Geruhig trabt der Schnitter einher, Mir ist’s beklommen. „Hast, Schnitter, mein Liebchen nicht gesehn? Alinde, Alinde!“ „Zu Weib und Kindern muß ich gehn, Kann nicht nach andern Dirnen sehn; Sie warten mein unter der Linde.“

The sun sinks into the deep ocean, She was due to come. Calmly the reaper walks by. My heart is heavy. “Reaper, have you not seen my love? Alinda! Alinda!” “I must go to my wife and children, I cannot look for other girls. They are waiting for me beneath the linden tree.”

Der Mond betritt die Himmelsbahn, Noch will sie nicht kommen. Dort legt der Fischer das Fahrzeug an, Mir ist’s beklommen. „Hast, Fischer, mein Liebchen nicht gesehn? Alinde, Alinde!“ „Muß suchen, wie mir die Reusen stehn, Hab nimmer Zeit nach Jungfern zu gehn, Schau, welch einen Fang ich finde.“

The moon entered its heavenly course, She still does not come. There a fisherman lands his boat. My heart is heavy. “Fisherman, have you not seen my love? Alinda! Alinda!” “I must see how my oyster baskets are, I never have time to chase after girls; Look what a catch I have!”

Die lichten Sterne ziehn herauf, Noch will sie nicht kommen. Dort eilt der Jäger in rüstigem Lauf, Mir ist’s beklommen. „Hast, Jäger, mein Liebchen nicht gesehn? 78

The bright stars appear, She still does not come. The huntsman rides swiftly along. My heart is heavy. “Huntsman, have you not seen my love? Alinda! Alinda!” “I must go after the brown roebuck,


Alinde, Alinde!“ „Muß nach dem bräunlichen Rehbock gehn, Hab nimmer Lust nach Mädeln zu sehn; Dort schleicht er im Abendwinde.“ In schwarzer Nacht steht hier der Hain, Noch will sie nicht kommen. Von allen Lebend’gen irr ich allein, Bang und beklommen. „Dir, Echo, darf ich mein Leid gestehn: Alinde, Alinde!“ „Alinde,“ ließ Echo leise herüberwehn; Da sah ich sie mir zur Seite stehn: „Du suchtest so treu, nun finde!“

I never care to look for girls; There he goes in the evening breeze!” The grove lies here in blackest night, She still does not come. I wander alone, away from all mankind, Anxious and troubled. “To you, Echo, I confess my sorrow: Alinda! Alinda!” “Alinda,” came the soft echo; Then I saw her at my side. “You searched so faithfully. Now you find me.”

Johann Friedrich Rochlitz (1769–1842)

Der Einsame

The Solitary

Wenn meine Grillen schwirren, Bei Nacht, am spät erwärmten Herd, Dann sitz’ ich mit vergnügtem Sinn Vertraulich zu der Flamme hin, So leicht, so unbeschwert.

When my crickets chirp At night, by the late-glowing hearth, I sit contentedly, Confiding in the flame, So light-hearted and untroubled.

Ein trautes, stilles Stündchen Bleibt man noch gern am Feuer wach, Man schürt, wenn sich die Lohe senkt, Die Funken auf und sinnt und denkt: „Nun abermal ein Tag!“

For one cozy, peaceful hour It is pleasant to stay awake by the fire, Kindling the sparks when the blaze dies down, Musing and thinking, “Well, yet another day!”

Was Liebes oder Leides Sein Lauf für uns dahergebracht, Es geht noch einmal durch den Sinn; Allein das Böse wirft man hin, Es störe nicht die Nacht. Zu einem frohen Traume, Bereitet man gemach sich zu, Wenn sorgenlos ein holdes Bild Mit sanfter Lust die Seele füllt, Ergibt man sich der Ruh.

What joy or grief Its course has brought us We run once again through our mind. But the bad is discarded Lest it disturb the night. We gently prepare ourselves For pleasant dreams. When a sweet image Fills our carefree soul with gentle pleasure 79


Oh, wie ich mir gefalle In meiner stillen Ländlichkeit! Was in dem Schwarm der lauten Welt Dar irre Herz gefesselt hält, Gibt nicht Zufriedenheit. Zirpt immer, liebe Heimchen, In meiner Klause eng und klein. Ich duld’ euch gern: ihr stört mich nicht, Wenn euer Lied das Schweigen bricht, Bin ich nicht ganz allein. Karl Lappe (1773–1843)

We succumb to rest. Oh, how unhappy I am With my quiet rustic life. What in the bustle of the noisy world Keeps the heart fettered Does not bring contentment. Chirp on, dear crickets, In my narrow little room. I like to hear you: you don’t disturb me. When your song breaks the silence I am not completely alone.

An die untergehende Sonne To the Setting Sun Sonne, du sinkst, Sonne, du sinkst, Sink in Frieden, o Sonne!

Sun, you are sinking. Sun, you are sinking. Sink in peace, O sun!

Still und ruhig ist deines Scheidens Gang, Rührend und feierlich deines Scheidens Schweigen. Wehmut lächelt dein freundliches Auge, Tränen entträufeln den goldenen Wimpern; Segnungen strömst du der duftenden Erde. Immer tiefer, Immer leiser, Immer ernster, feierlicher Sinkest du den Äther hinab.

Calm and tranquil is your parting, Touching and solemn that parting’s silence. Sadness smiles from your kindly eyes; Tears fall from your golden lashes; You pour blessings upon the fragrant earth. Ever deeper, Ever softer, Ever more grave and solemn, You sink in the heavens.

Sonne, du sinkst, Sonne, du sinkst, Sink in Frieden, o Sonne! Es segnen die Völker, Es säuseln die Lüfte, Es räuchern die dampfenden Wiesen dir nach; Winde durchrieseln dein lockiges Haar; 80

Sun, you are sinking. Sun, you are sinking. Sink in peace, O sun! The people bless you, The breezes whisper; Mist drifts towards you from the hazy meadows; The winds blow through your curly hair,


Wogen kühlen die brennende Wange; Weit auf tut sich dein Wasserbett. Ruh’ in Frieden, Ruh’ in Wonne! Die Nachtigall flötet dir Schlummergesang.

The waves cool your burning cheeks; Your watery bed opens wide. Rest in peace, Rest in joy! The nightingale is singing you lullabies.

Sonne, du sinkst, Sonne, du sinkst, Sink in Frieden, o Sonne!

Sun, you are sinking. Sun, you are sinking. Sink in peace, O sun!

Ludwig Theobul Kosegarten (1758–1818)

Erlkönig

The Erlking

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind: Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Who rides so late through the night and wind? It is the father with his child. He has the boy in his arms; He holds him safely, he keeps him warm.

„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“ „Siehst,Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif?“ „Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.“

“My son, why do you hide your face in fear?” “Father, can you not see the Erlking? The Erlking with his crown and tail?” “My son, it is a streak of mist.”

„Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir; Manch’ bunte Blumen sind an dem Strand, Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“

“Sweet child, come with me. I’ll play wonderful games with you. Many a pretty flower grows on the shore; My mother has many a golden robe.”

„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, Was Erlenkönig mir leise verspricht?“ „Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind: In dürren Blättern säuselt der Wind.“

“Father, father, do you not hear What the Erlking softly promises me?” “Calm, be calm, my child: The wind is rustling in the withered leaves.”

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? “Won’t you come with me, Meine Töchter sollen dich warten schön; my fine lad? My daughters shall wait upon you;

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Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“ „Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort?“ „Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau.“ „Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ „Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan!“

My daughters lead the nightly dance, And will rock you, and dance, and sing you to sleep.” “Father, father, can you not see Erlking’s daughters there in the darkness?” “My son, my son, I can see clearly: It is the old grey willows gleaming.” “I love you, your fair form allures me, And if you don’t come willingly, I’ll use force.” “Father, father, now he’s seizing me! The Erlking has hurt me!” The father shudders, he rides swiftly, He holds the moaning child in his arms; With one last effort he reaches home; The child lay dead in his arms.

Dem Vater grausets, er reitet geschwind, Er hält in Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Mühe und Not: In seinen Armen das Kind war tot. Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)

Schäfers Klagelied

Shepherd’s Lament

Da droben auf jenem Berge, Da steh’ ich tausendmal, An meinem Stabe hingebogen, Und schaue hinab in das Tal.

On yonder hill I have stood a thousand times, Leaning on my staff And looking down into the valley.

Dann folg’ ich der weidenden Herde, Mein Hündchen bewahret mir sie. Ich bin herunter gekommen Und weiß doch selber nicht wie.

I have followed the grazing flocks, Watched over by my dog, I have come down here And do not know how.

Da steht von schönen Blumen Da steht die ganze Wiese so voll. Ich breche sie, ohne zu wissen, Wem ich sie geben soll.

The whole meadow is so full Of lovely flowers; I pluck them, without knowing To whom I shall give them.

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Und Regen, Sturm und Gewitter Verpass’ ich unter dem Baum, Die Türe dort bleibet verschlossen; Doch alles ist leider ein Traum.

From rain, storm and tempest I shelter under a tree. The door there remains locked; For, alas, it is all a dream.

Es stehet ein Regenbogen Wohl über jenem Haus! Sie aber ist fortgezogen, Und weit in das Land hinaus.

There is a rainbow Above that house! But she has moved away, To distant regions.

Hinaus in das Land und weiter, Vielleicht gar über die See. Vorüber, ihr Schafe, nur vorüber! Dem Schäfer ist gar so weh.

To distant regions and beyond, Perhaps even over the sea. Move on, sheep, move on! Your shepherd is so wretched.

Johann Wolfgang von Goethe

Jägers Abendlied

Huntsman’s Evening Song

Im Felde schleich’ ich, still und wild, Gespannt mein Feuerrohr. Da schwebt so licht dein liebes Bild, Dein süßes Bild mir vor.

I stalk through the fields, grim and silent, My gun at the ready. Then your beloved image, Your sweet image hovers brightly before me.

Du wandelst jetzt wohl still und mild Durch Feld und liebes Tal, Perhaps you are now wandering, silent Und ach mein schnell verrauschend Bild, and gentle, Through field and beloved valley; Stellt sich dir’s nicht einmal? Ah, does my fleeting image Des Menschen, der die Welt durchstreift, Not even appear before you? Voll Unmut und Verdruß, Nach Osten und nach Westen schweift, The image of the man who roams Weil er dich lassen muß. the world, Sullen and frustrated, Mir ist es, denk’ ich nur an dich, Who wanders east and west Als in den Mond zu sehn; Because he must leave you. Ein stiller Friede kommt auf mich, Weiß nicht wie mir geschehn. Whenever I think of you It is as if I were gazing at the moon; Johann Wolfgang von Goethe A silent peace descends upon me, I know not how.

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Heidenröslein

The Wild Rose

Sah ein Knab’ ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden, War so jung und morgenschön, Lief er schnell, es nah zu sehn, Sah’s mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

A boy saw a wild rose Growing in the heather; It was so young, and as lovely as the morning. He ran swiftly to look more closely, Looked on it with great joy. Wild rose, wild rose, wild rose red, Wild rose in the heather.

Knabe sprach: Ich breche dich, Röslein auf der Heiden! Röslein sprach: Ich steche dich, Daß du ewig denkst an mich, Und ich will’s nicht leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. Und der wilde Knabe brach ’s Röslein auf der Heiden; Röslein wehrte sich und stach, Half ihm doch kein Weh und Ach, Mußt es eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

Said the boy: I shall pluck you, Wild rose in the heather! Said the rose: I shall prick you So that you will always remember me. And I will not suffer it. Wild rose, wild rose, wild rose red, Wild rose in the heather.

Johann Wolfgang von Goethe

And the impetuous boy plucked The wild rose from the heather; The rose defended herself and pricked him, But her cries of pain were to no avail; She simply had to suffer. Wild rose, wild rose, wild rose red, Wild rose in the heather.

Pilgerweise

Pilgrim’s Song

Ich bin ein Waller auf der Erde Und gehe still von Haus zu Haus, O reicht mit freundlicher Gebärde Der Liebe Gaben mir heraus!

I am a pilgrim on this earth And go silently from house to house. O bestow on me the gifts of love With a friendly gesture!

Mit offnen teilnahmsvollen Blicken, Mit einem warmen Händedruck Könnt ihr dies arme Herz erquicken, Und es befrei’n von langem Druck.

With open, sympathetic glances, With a warm grasp of the hand You can refresh this poor heart And free it from long oppression.

Doch rechnet nicht, daß ich euch’s lohnen,

But do not count on me rewarding you, Or repaying you with service in return;

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Mit Gegendienst vergelten soll; Ich streue nur mit Blumenkronen, Mit blauen, eure Schwelle voll. Und geb’ ein Lied euch noch zur Zither, Mit Fleiß gesungen und gespielt, Das euch vielleicht nur leichter Flitter, Ein leicht entbehrlich Gut euch gilt – Mir gilt es viel, ich kann’s nicht missen, Und allen Pilgern ist es wert; Doch freilich ihr, ihr könnt nicht wissen, Was den beseligt, der entbehrt. Vom Überfluß seid ihr erfreuet, Und findet tausendfach Ersatz; Ein Tag dem andern angereihet Vergrößert euren Liebesschatz. Doch mir, so wie ich weiter strebe An meinem harten Wanderstabe, Reißt in des Glückes Lustgewebe Ein Faden nach dem andern ab. Drum kann ich nur von Gaben leben, Von Augenblick zu Augenblick, O wollet vorwurfslos sie geben, Zu eurer Lust, zu meinem Glück. Ich bin ein Waller auf der Erde Und gehe still von Haus zu Haus, O reicht mit freundlicher Gebärde Der Liebe Gaben mir heraus!

I shall only strew your thresholds With wreaths of blue flowers. And I shall give you a song, to my zither, Sung and played with vigor, Which will seem to you, perhaps, like flimsy tinsel, Something easily done without. To me it means much, I cannot do without it, And it is valued by every pilgrim; But you, of course, cannot know What makes him happy who does without. You rejoice in abundance, Which can be replenished a thousandfold; Each successive day Increases the treasury of your love. But for me, as I strive onwards With my hardy pilgrim’s staff, One thread after another is torn In the tissue of my happiness. So I can only live on gifts, From moment to moment. O give them without reproach, For your pleasure, for my happiness.

Franz von Schober (1796–1882)

I am a pilgrim on this earth And go silently from house to house. O bestow on me the gifts of love With a friendly gesture!

An den Mond

To the Moon

Geuß, lieber Mond, geuß deine Silberflimmer Durch dieses Buchengrün, Wo Phantasien und Traumgestalten Immer vor mir vorüberfliehn.

Beloved moon, shed your silver radiance Through these green beeches, Where fancies and dreamlike images Forever flit before me.

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Enthülle dich, daß ich die Stätte finde, Wo oft mein Mädchen saß, Und oft, im Wehn des Buchbaums und der Linde, Der goldnen Stadt vergaß.

Unveil yourself, that I may find the spot Where my beloved sat, where often, In the swaying branches of the beech and lime, She forgot the gilded town.

Enthülle dich, daß ich des Strauchs mich freue, Der Kühlung ihr gerauscht, Und einen Kranz auf jeden Anger streue, Wo sie den Bach belauscht.

Unveil yourself, that I may delight in the whispering Bushes that cooled her, And lay a wreath on that meadow Where she listened to the brook.

Dann, lieber Mond, dann nimm den Schleier wieder, Und traur um deinen Freund, Und weine durch den Wolkenflor hernieder, Wie dein Verlassner weint!

Then, beloved moon, take your veil once more, And mourn for your friend. Weep down through the hazy clouds, As the one you have forsaken weeps.

Ludwig Hölty (1748–1776)

An den Mond in einer Herbstnacht

To the Moon on an Autumn Night

Freundlich ist dein Antlitz, Sohn des Himmels! Leis sind deine Tritte Durch des Äthers Wüste, Holder Nachtgefährte!

Your face is kind, Son of heaven. Softly you move Through the airy waste, Fair companion of the night.

Dein Schimmer ist sanft und erquickend, Wie das Wort des Trostes Von des Freundes Lippe, Wenn ein schrecklicher Geier An der Seele nagt.

Your shimmering light is gentle and refreshing, Like a word of comfort From the lips of a friend When a terrifying vulture Gnaws at the soul.

Manche Träne siehst du, Siehst so manches Lächeln, Hörst der Liebe trauliches Geflüster, Leuchtest ihr auf stillem Pfade; Hoffnung schwebt auf deinem Strahle, Herab zum stillen Dulder, Der verlassen geht auf bedorntem Weg. 86

You see many a tear And many a smile; You hear lovers’ intimate whispers As you shine for them on their quiet way; On your beams hope streams down


Du siehst auch meine Freunde, Zerstreut in fernen Landen; Du gießest deinen Schimmer Auch auf die frohen Hügel, Wo ich oft als Knabe hüpfte, Wo oft bei deinem Lächeln Ein unbekanntes Sehnen Mein junges Herz ergriff. Du blickst auch auf die Stätte, Wo meine Lieben ruhn, Wo der Tau fällt auf ihr Grab, Und die Gräser drüber weh’n In dem Abendhauche. Doch dein Schimmer dringt nicht In die dunkle Kammer, Wo sie ruhen von des Lebens Müh’n, Wo auch ich bald ruhen werde! Du wirst geh’n und Wiederkehren, Du wirst seh’n noch manches Lächeln, Dann werd’ ich nicht mehr lächeln, Dann werd’ ich nicht mehr weinen, Mein wird man nicht mehr gedenken Auf dieser schönen Erde. Aloys Wilhelm Schreiber (1761–1841)

To the silent sufferer, Wandering all alone on the thorny path. You see my friends, too, Scattered in distant lands; You shed your light Upon the happy hills Where I often played as a boy, And where, as you smiled down, An unknown longing Often seized my youthful heart. You gaze also upon the place Where my loved ones rest, Where the dew falls on their graves And the grass above them Blows in the evening breeze. But your light does not penetrate The dark chamber Where they rest from life’s toil, And where I, too, shall soon rest. You will go and return again, You will see many more smiles. Then I shall smile And weep no more; I will no longer be remembered On this fair earth.

Sehnsucht

Longing

Ach, aus dieses Tales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt’ ich doch den Ausgang finden, Ach, wie fühlt’ ich mich beglückt! Dort erblick’ ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt’ ich Schwingen, hätt’ ich Flügel, Nach den Hügeln zög’ ich hin.

Ah, if only I could find a way out From the depths of this valley, Oppressed by cold mists, How happy I would feel! Yonder I see lovely hills, Ever young and ever green! If I had pinions, if I had wings, I would fly to those hills.

Harmonien hör’ ich klingen, Töne süßer Himmelsruh’, Und die leichten Winde bringen

I hear harmonious sounds, Notes of sweet, celestial peace, And the gentle breezes bring me 87


Mir der Düfte Balsam zu, Gold’ne Früchte seh’ ich glühen, Winkend zwischen dunkelm Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub.

The scent of balsam. I see the golden fruits glowing, Beckoning amid dark leaves, And the flowers which bloom there Will never be winter’s prey.

Ach wie schön muß sich’s ergehen Dort im ew’gen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen, O wie labend muß sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust, Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust.

Ah, how beautiful it must be to wander There in the eternal sunshine; And the air on those hills, How refreshing it must be. But I am barred by the raging torrent Which foams angrily between us; Its waves tower up, Striking fear into my soul.

Einen Nachen seh ich schwanken, Aber ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken, Seine Segel sind beseelt. Du mußt glauben, du mußt wagen, Denn die Götter leih’n kein Pfand, Nur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland.

I see a boat pitching, But, alas! There is no boatman. Jump in without hesitation! The sails are billowing. You must trust, and you must dare, For the gods grant no pledge; Only a miracle can convey you To the miraculous land of beauty.

Friedrich Schiller (1759–1805)

Translations: © Richard Wigmore With thanks to Hyperion Records

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