Julia Kleiter & Michael Gees EinfĂźhrungstext von Michael Horst Program Note by Paul Thomason
Julia Kleiter & Michael Gees Donnerstag
19. April 2018 19.30 Uhr
Julia Kleiter Sopran Michael Gees Klavier
Franz Schubert (1797–1828) Die Macht der Liebe D 308 Die abgeblühte Linde D 514 Das Weinen D 926 Hänflings Liebeswerbung D 552 Nach einem Gewitter D 561 Sehnsucht „Nur wer die Sehnsucht kennt“ D 310 Mignon „Kennst du das Land“ D 321 Idens Schwanenlied D 317 Idens Nachtgesang D 227 Geist der Liebe D 233 Ganymed D 544 Pause Der Fischer D 225 Erster Verlust D 226 Der Abend „Der Abend blüht“ D 221 Liane D 298 Heimliches Lieben D 922 Luisens Antwort D 319 Das Sehnen D 231 Die Sternenwelten D 307 Iphigenia D 573 Vor meiner Wiege D 927 Abendbilder D 650
Edgar Degas, Landschaft / Landscape (Detail, 1892)
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Intimes musikalisches Tagebuch Lieder von Franz Schubert
Michael Horst
Edgar Degas, Hügel und Tal / Mountains and Valley (1890)
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Franz Schubert und seine Lieder – das war eine lebenslange Liebesbeziehung. Oder wie es Daniel Barenboim im Zusammenhang mit dem Schubert-Liederzyklus im Pierre Boulez Saal formuliert hat: „Ich habe den Eindruck, dass Beethovens intimes Tagebuch in den Klaviersonaten und den Streichquartetten zu finden ist, nicht in den Symphonien. Bei Schubert sind es ganz sicher die Lieder.“ Intimes Tagebuch – das darf man bei Schubert wörtlich nehmen. Denn oftmals hat er täglich ein Lied komponiert, an manchen Tagen, wie etwa dem 19. Oktober 1815, nicht weniger als sieben. Etwa 600 sind es im Laufe seiner 17 Schaffensjahre von 1811 bis zu seinem frühen Tod im Herbst 1828 geworden. Selbstverständlich spiegeln diese Kompositionen nicht seine eigene Seelenlage wieder; vor biographischen Parallelen zwischen Leben und Werk sollte man sich bei Komponisten Anfang des 19. Jahrhunderts tunlichst hüten. Denn nicht anders als Mozart komponierte auch Schubert in äußerlich bedrückenden Zeiten lebensprühende Werke; existenzielle Probleme wie etwa der Ausbruch seiner Syphiliserkrankung finden allenfalls in Äußerungen an Freunde, nicht aber in seiner Musik einen Widerhall. Nur so lässt sich das thematische Panorama nachvollziehen, das seine Liedproduktion im Allgemeinen prägt – und auch im heutigen Programm wiederzufinden ist. Liebeslieder jeglicher Ausprägung mischen sich mit Naturempfindung, abendliche Stimmungsbilder wechseln mit Reflexionen über den Lauf des Lebens. Und selbstverständlich dürfen in Zeiten großer Antiken begeisterung auch Figuren wie die griechische Königstocher Iphigenie und der Götterliebling Ganymed nicht fehlen … Was war es, das Schubert zur Vertonung eines Gedichtes reizte? Maurice J. E. Brown hat in seiner großen Biographie den Komponisten vor dem Vorwurf der Wahllosigkeit in Schutz genommen: „Er musste sich mit dem Zweitrangigen begnügen, da es nicht genügend Erstrangiges gab […]. Es gibt hinreichend Beweise dafür, dass Schubert aus den 5
Wechsel zwischen Hoffen und Vergehen
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poetischen Almanachen und Anthologien sowie den ge sammelten Gedichten, die in Wien verfügbar waren, eine sorgfältige und streng aussondernde Auswahl traf.“ Im Laufe der Jahre schälen sich dabei Lieblingsdichter heraus, zu denen neben den wenigen Großmeistern wie Goethe und Walter Scott vor allem persönliche Freunde wie Johann Mayrhofer und Franz von Schober zählen. Später kommt der Dessauer Wilhelm Müller dazu, Schöpfer der Schönen Müllerin und der Winterreise, ganz spät noch (in den Liedern des Schwanengesang) entdeckt Schubert das poetische Genie des gleichaltrigen Heinrich Heine für sich. Eher Ausnahmen in seinem musikalischen „Tagebuch“ bleiben einmalige „Einträge“ wie jene Lieder, die am Anfang dieses Konzertes stehen: Nicht selten waren es adlige Poeten aus den Provinzen Österreich-Ungarns, die in der Hauptstadt Wien auf literarischen Ruhm hofften – wie auch Johann Nepomuk Ritter von Kalchberg, eine Generation älter als Schubert, der sich mit mehreren Dramen einen bescheidenen Ruf in Wien erschrieben hatte. Seine pan theistische Weltsicht, wie sie in Die Macht der Liebe zum Ausdruck kommt, dürfte den 18-jährigen Komponisten unmittelbar angesprochen haben: Die Liebe, welche die ganze Natur „erfüllt, durchglüht, verjüngt und schmücket“, findet in dem zweistrophigen Lied unmittelbaren, von Freude beseelten Ausdruck. Noch eindeutiger lässt sich der Hintergrund für Die abgeblühte Linde klären. Hier war es der ungarische Adlige Ludwig Graf von Széchényi, der im Musikleben Wiens und insbesondere bei der Gesellschaft der Musikfreunde eine einflussreiche Rolle spielte. Dass Schubert das Gedicht vertonte und 1821 – mit Widmung an den Autor – zusammen mit einem weiteren Széchényi-Gedicht und dem sehr viel bedeutenderen Der Tod und das Mädchen als sein Opus 7 publizieren ließ, deutet Graham Johnson in seiner umfassenden Schubert-Liedanthologie als strategischen Schachzug: So habe sich der junge Komponist die Mitgliedschaft in der angesehenen Gesellschaft der Musikfreunde „er-komponiert“. Erstaunlich genug, wie Schubert aus den holprigen Versen des Dichters ein kleines Kunstwerk entstehen lässt. Nach der rezitativischen Einleitung findet er für die Phrase „Änderung ist das Kind der Zeit“ eine berührende Melodie, die sich – entsprechend der Einschränkung „wo mit Trennung uns bedroht“ – von Dur nach Moll eintrübt. Dieser Wechsel zwischen Hoffen und V ergehen bestimmt die Gefühle unter
Schuberts Autograph von Die Macht der Liebe (1815)
den Linde, doch es ist der Schlusssatz, der es Schubert besonders angetan hat: „Nur der Gärtner bleibt ihr treu, / Denn er liebt in ihr den Baum“ – diese Worte, mehrfach wiederholt, beschließen in hymnischer Verklärung das Lied. Dritter im Kreis jener Dichter, denen der Komponist nur punktuelle Aufmerksamkeit schenkte, war Friedrich Kind. Hänflings Liebeswerbung entstand im April 1817, vier Jahre bevor sich der sächsische Dichter als Librettist für Webers Freischütz einen festen Platz in der Operngeschichte sichern konnte. Das unkomplizierte Strophenlied mit der lebhaften Ländlerbegleitung versprüht den reizenden Charme des Biedermeier. Dass Schubert selbst es sehr geschätzt haben muss, zeigt die Tatsache, dass er Hänflings Liebeswerbung 1823 gemeinsam mit Friedrich Rückerts Daß sie hier gewesen und Ludwig Uhlands Frühlingsglaube als Opus 20 in Wien herausgab. In eine völlig andere Zeit, nämlich in Schuberts vorletztes Lebensjahr 1827, führen die beiden Lieder von Karl Gottfried 7
von Leitner, Das Weinen und Vor meiner Wiege, die heute eine Klammer zwischen Anfang und Ende des Liederabends bilden. Der Steiermärker Leitner, bisweilen auch als „österreichischer Uhland“ apostrophiert, wurde von Schubert insgesamt elfmal vertont; drei dieser Lieder blieben allerdings Fragment. Nicht zuletzt ein sommerlicher Besuch bei der Schubert-Verehrerin Marie Pachler in Leitners Heimat Graz dürfte sein Interesse an dessen Lyrik, die 1825 erstmals im Druck erschienen war, erneut geweckt haben. Das Weinen zeigt, wie Schubert auch in seinen reifen Jahren immer wieder zum Strophenlied zurückkehrte. Ein schlichter, choralartiger Hymnus prägt das Werk, das die „geheime Wunderkraft“, den „linden Balsamsaft“ des Weinens feiert, so wie es das Ich in seinem „Trauerland“, in der „Schwermut trübster Nacht“ selbst empfinden durfte. Vor meiner Wiege reflektiert ein weiteres Mal über die V ergänglichkeit des Lebens, über den Verlust der kindlichen Unschuld und mütterlichen Zuwendung. V or allem dies mag eine Saite im Inneren des Komponisten berührt haben, ist das Gedicht selbst doch keine Meisterleistung, wie auch Dietrich Fischer-Dieskau in seinem Buch Auf den Spuren der Schubert-Lieder urteilt: „So weit die Verse mit all ihren Unwahrscheinlichkeiten die Grenze der Sentimentalität überschreiten, Schubert ist ihr nicht verfallen.“ Ganz im Gegenteil: Schubert gliedert sehr geschickt, lässt nach den beiden ersten Mollstrophen das Hohelied auf den Gesang der Mutter in freudigem Dur erklingen. Er macht dann, bei dem Gedanken an den Tod, eine klare Zäsur, um mit der letzten Strophe in Verklärung das Lied ausklingen zu lassen – bemerkenswerterweise mit den höchsten Tönen zu den Worten „zur tiefsten Ruh“. Liebesverwirrungen eines Mecklenburger Pastors In andere Gefühlslagen wie auch in andere geographische Regionen führen die Gedichte von Ludwig T heobul Kosegarten. Der gebürtige Mecklenburger, der seinen Taufnamen Gotthard zum griechischen Theobul veredelte, war zuerst Pfarrer auf Rügen, später dann Philosophie professor an der Universität Greifswald. Kosegarten geriet in die Wirren der Napoleonischen Kriege und wurde, nach dem Sieg über den Eroberer in der sogenannten Völkerschlacht bei Leipzig von 1813, als allzu franzosenfreundlich 8
angeschwärzt. 1816 kam es auf der Wartburg sogar zur Verbrennung seiner Schriften durch nationalistisch gesinnte Studenten, darunter Friedrich Ludwig Jahn. All das passierte, als sich der 18-jährige Schubert, zwei Generationen jünger als der Dichter, in Wien im Juli 1815 förmlich auf Kosegartens Lyrik stürzte. Auch sie war größtenteils eine Frucht aus dessen jungen Jahren; darin hatte der Theologe seinen amourösen Empfindungen breitesten Raum gelassen, ob die angeschwärmte Geliebte nun Emma, Odalia, Molly, Rosa – oder eben Ida hieß. Idens Schwanenlied wie auch Idens Nachtgesang ähnlich sich stark in der formalen Anlage und ihrem musikalischen Charakter, wie überhaupt Graham Johnson allen Kosegarten-Vertonungen übereinstimmend „klassische Schlichtheit und Würde“ („classical simplicity and dignity“) attestiert. Idens Schwanenlied illus triert in düsterem f-moll die Klage der unglücklichen Ida, die nichts als den Liebestod herbeisehnt. Optimistischer gibt sie sich in ihrem Gesang an die Nacht, der sie ihr Liebesglück anvertraut. Singstimme und Klavier untermalen das auf kleinem Raum mit zärtlichen Details. Hatte Schubert Idens Nachtgesang – zusammen mit drei weiteren Liedern – am 7. Juli zu Papier gebracht, folgte einen Tag später bereits Das Sehnen. Wehmut, Qual, Gram und Ängste – alle Formen einer tiefen Depression sind in Kosegartens V ersen untergebracht, dessen innere Unruhe der Komponist mit einer aufgeregten Gesangslinie über fortlaufender Klavierbegleitung eindringlich aufnimmt. Nur eine Woche später entscheidet er sich für das feierlich ge tragene Der Abend, dessen suggestiven V ersen – den Bildern von Kosegartens Freund Caspar David Friedrich nicht unähnlich – er mit wenig Aufwand zu intensiver Wirkung verhilft. Gebrochene Dreiklänge, eine schlichte Melodie, ein paar harmonische Rückungen – wie so oft braucht es bei Schubert nicht mehr. Am selben Tag entstand auch Der Geist der Liebe, das Kosegartens Lieblingsthema einmal in abstraktere Höhen wendet („Nur der ist gut und edel, / Dem du den Bogen spannst …“). Einen Nachzügler bildete dann noch – wie Idens Schwanenlied – das im Oktober 1815 komponierte Luisens Antwort. Kosegarten müssen die Verse leicht aus der Feder geflossen sein; eine natürliche Eleganz ist ihnen nirgendwo abzusprechen. Luisens Antwort an den ungetreuen Wilhelm breitet sich über nicht weniger als 19 Strophen aus; doch auch die von Julia Kleiter ausgewählten vier machen
Klassische Schlichtheit und Würde
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den Weg von der Beteuerung ewiger Liebe („Und nimmer, Wilhelm, nimmer / Vergißt Luisa dich“) bis zur letzten Vereinigung nach dem Tode („Doch auch im Grab’, im Himmel, / O Wilhelm, liebt’ ich dich!“) deutlich. Goethes Mignon-Lieder: Prüfstein für viele Komponisten
Sprachliche Musikalität und Bilderreichtum
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Von Ludwig Theobul Kosegarten bestehen direkte Verbindungslinien zu Johann Wolfgang von Goethe: Zum einen fühlte sich der Weimarer Dichter anscheinend verpflichtet, ein Epitaph auf den 1818 verstorbenen Dichterkollegen zu schreiben. Zum anderen, und sicherlich wich tiger, ist die fachliche Beratung, die Goethe durch einen Sohn Kosegartens, einen Orientalisten, für seinen West- östlichen Divan erhielt. Wie sehr Schubert von den Gedichten Goethes fasziniert war, ist bekannt; nicht weniger als 75 hat er, über fast seine ganze Schaffenszeit verteilt, vertont, und auch der Misserfolg seiner Zusendung von ausgewählten Goethe-Vertonungen an den Weimarer Staatsminister, die kommentarlos zurückgeschickt wurde, konnte den Enthusiasmus des Komponisten zu keiner Zeit bremsen. Formschönheit wie Formvielfalt, sprachliche Musikalität, Bilderreichtum – es gibt vielerlei Eigenschaften, die Goethes Lyrik auszeichnen. Nicht zuletzt die Texte der eingescho benen Lieder Mignons und des Harfners in Wilhelm Meisters Lehrjahre fanden immer wieder neue Bewunderer – von Reichardt, Zelter und Beethoven über Carl Loewe und Robert Schumann bis zu Hugo Wolf. Auch Schubert kam mehrfach auf die berühmten Verse von Sehnsucht zurück, immer auf der Suche nach einer noch überzeugenderen Lösung. Seine allererste Fassung vom 18. Oktober 1815 versucht mit allen melodischen und harmonischen Mitteln die extremen Gefühle Mignons in Musik zu setzen; schon in der zweiten Fassung – vom selben Tag – nimmt er einiges davon wieder zurück. Mit dem zweiten Mignon-Lied D 321, dessen Anfangszeile „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn“ für alle Ewigkeit zum Inbegriff deutscher Italiensehnsucht geworden ist, kam der 18-Jährige deutlich besser zurecht. Den Kontrast zwischen Mignons verhaltener Frage und der enthusiastischen Antwort („Dahin möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn“) nutzt er zu einer großartigen
Franz Schubert, Portrait von August Wilhelm Rieder (1825)
Steigerung, die auf dem hohen A kulminiert, wobei er gleichzeitig die vielgeliebte Triolenbegleitung in der rechten Hand des Klaviers als verbindende Klammer einsetzt. Die drei weiteren Goethe-Gedichte zeigen einmal mehr die emotionale Vielfalt des Dichters wie auch die kongeniale Umsetzung durch den Liedkomponisten Schubert. Un zweifelhaft eine seiner großartigsten Goethe-Vertonungen ist Ganymed vom Frühjahr 1817. Der große literarische Entwurf, in dem der Dichter über die Figur des Götter lieblings Ganymed hinaus einen Hymnus auf den Morgen mit Nachtigallengesang und schwebenden Wolken anstimmt, findet im Lied seine Entsprechung: Aus dem idyllischen Anfang heraus lässt Schubert nach und nach einen inneren musikalischen Sog, eine enthusiastische Atemlosigkeit entstehen, die in der überlangen – und von Sängern gefürch teten – Kantilene über den „alliebenden Vater“ zu einem überwältigenden Ende gebracht wird. Sehr viel schlichter, aber deswegen nicht weniger eindrucksvoll sind das Strophenlied Der Fischer mit den berühmt gewordenen Versen „halb 11
Hymne auf die abendliche Natur
schließlich ist sozusagen Goethes Drama aus Mayrhofers Feder: Die Klage der auf der Insel Tauris auf Rettung wartenden Königstochter Iphigenie teilt sich in drei Abschnitte; während der mittlere Teil die aufgewühlte Klage Iphigenies widerspiegelt, mündet das Lied zuletzt in eine hoffnungs frohe Anrufung der Göttin Artemis. Bleibt als besinnlicher Ausklang des Liederabends noch eine der vielen abendlichen Impressionen Schuberts – von Abend über Abendlied bis zu Im Abendrot und Abendröte –, für die der Komponist immer wieder neue Farben gefunden hat. In Abendbilder von Johann Peter Silbert sind es die später im Lindenbaum aus der Winterreise berühmt gewordenen Begleitfiguren im Klavier, die durchgehend das Blätter rauschen imaginieren. Aber alles bleibt dezent, der Klang des „Abendglöckleins“ genauso wie der Blick auf die „Leichensteine“. In der Mitte, bei dem Blick auf die „tausend Himmelssiegel“, hellen sich die Farben auf, und am Ende lässt Schubert die Hymne auf die abendliche Natur in einer Apotheose des göttlichen Erlösers kulminieren.
Edgar Degas, Bewaldete Landschaft / A Wooded Landscape (um 1890)
zog sie ihn, halb sank er hin“ und die mit der Vortrags bezeichnung „wehmütig“ überschriebene Miniatur Erster Verlust, in der Dur-Moll-Wechsel und Chromatik einmal mehr zur Schilderung des Liebeskummers eingesetzt werden. Eine ähnliche Anhänglichkeit wie zu Goethe zeigte Schubert auch zu seinem engsten Freund, Johann Mayrhofer, über dessen literarisches Werk der Dichterkollege Franz Grillparzer urteilte: „Mayrhofers Gedichte sind immer wie Text zu einer Melodie.“ Das mag es – bei allen verunglückten poetischen Formulierungen sowie einem Hang zur Sentimentalität – gewesen sein, was Schubert am meisten angeregt hat. Zu den wenig bekannten Mayrhofer-Vertonungen zählt Nach einem Gewitter, eine der unzähligen Allegorien der Natur als Spiegelbild seelischer Erschütterungen. Nach dem Unwetter ist allerdings wieder innere Harmonie eingekehrt, was Schubert in lieblichen F-Dur-Klängen ausmalt. Eine kleine, träumerische Szene mit R ezitativ und Arioso entfaltet Schubert in Liane, seinem einzigen MayrhoferLied aus dem überaus produktiven Jahr 1815. Und Iphigenia 12
Michael Horst schreibt als freier Kulturjournalist für Zeitungen, Radio und Fachmagazine. Außerdem publizierte er Opernführer über Puccinis Tosca und Turandot und übersetzte Bücher von Riccardo Muti und Riccardo Chailly aus dem Italienischen.
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“His Own Garden with an Array of Flowers” Songs by Franz Schubert
Paul Thomason
The year 1815—when more than half of the songs on tonight’s program were written—was nothing short of miraculous for Franz Schubert. He was 18, back living in his father’s house, and (rather reluctantly) working as teacher at his school. He was just beginning to make a name for himself as a composer and to meet people who would remain important to him for the rest of his life, both professionally and personally. It was the year in which he wrote 150 of his approximately 600 lieder—to say nothing of finishing two symphonies and composing music for solo piano and string quartet. Pianist and Schubert authority Graham Johnson refers to “the fevered and exalted creativity that blazed within Schubert” during 1815. “The boy had not yet begun to live, in the accepted sense perhaps; he was an idealistic teenager still sleeping under his strict father’s roof… At this age, some young men discover sex; Schubert discovered poetry. He did better than take it to bed with him every night; he gave himself to it almost each and every day. In his father’s house he conducted a torrid love affair with literature, coupling his genius with that of the poets, which had all the hallmarks of a young man’s passion; the insatiable curiosity, the unselfconscious promiscuity, and the tender return to those areas that had given him the greatest pleasure.” Dietrich Fischer-Dieskau put it this way in his book Schubert’s Songs: “There is really little to tell of Schubert’s life; he lived it from within, under the compulsion of composition which was his attempt to impose a form on his life. He needed to imagine what he could not experience. That is why he loved poets above all others. They gave him in spiration and stimulus, they offered him pictures and shapes, a reality which he would otherwise have never known. Led by them, he could enter the realm of the world, and could Edgar Degas, Dämmerung in den Pyrenäen / Sunset in the Pyrenees (Detail, 1890)
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The most inspiring poet of all
Franz Schubert, undated lithograph by Josef Teltscher
enjoy such an intimate relationship with them because he so rarely thought of himself.” Almost all of Schubert’s lieder are based on the works of poets who were alive when Schubert set their words to music. It was a contemporary artistic experience, telling us about being alive at this time. The poets—many of them young men—were writing about things that mattered to them, that moved this emotionally, and Schubert, inspired by their words, matched this with his own response through music. There is an immediacy to the emotion of these songs that comes from the fact that they spring from individuals who are all experiencing the same things. “Perhaps he was interpreting in music the day-dreams of his friends,” Fischer-Dieskau suggests.
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The most inspiring poet of all for Schubert was Johann Wolfgang von Goethe—a revered authority figure, but still writing when Schubert set more than 70 of his poems to music, more than with any other author. “The intellectual experience that was Goethe was to shed its unchanging light over Schubert for the rest of his days,” notes Fischer- Dieskau. Five of the songs in tonight’s concert are based on Goethe poems. The playful Der Fischer, dedicated to Antonio Salieri with whom Schubert had studied, and the poignant Erster Verlust were both written on the same day, July 5, 1815, along with several other compositions. Several weeks later Schubert composed two different versions of Sehnsucht on the same October day (we hear the second of them). He was obviously enormously drawn to this poem from Goethe’s Wilhelm Meister’s Apprenticeship about Mignon’s plight since he returned to it four more times, twice in 1816 and twice again ten years later. “Sehnsucht,” longing, was something Schubert felt deeply throughout his life. By 1814 or 1815 he had fallen in love with Therese Grob, charmed by her agreeable nature and her sweet soprano voice (she was the first person to sing Gretchen am Spinnrade). There seems to be no doubt the couple wanted to marry, but Austria had passed a law that men had to get approval from the state before marrying. Aristocrats and major property owners were exempt from this, but those of more humble circumstance—like Schubert—had to prove they were able to support a wife and children. Schubert’s efforts to obtain a salaried position that would allow him to satisfy the legal requirements were in vain. Therese married a baker in 1820 and Schubert never recovered from the loss of his first love. No wonder he set at least five other poems by various authors, all entitled Sehnsucht. A few days after composing his two versions of Goethe’s words, Schubert again returned to Wilhelm Meister for Mignon’s famous “Kennst du das Land?”, a lyric that has attracted numerous composers including Hugo Wolf. Ganymed comes from 1817 and is a good example of how Schubert had evolved his own style of a through-composed song: using more than one enticing melody to convey the text, shifting harmonies and rhythms that mirror changing moods, and writing music for the piano that goes way beyond “accompanying” the singer, first setting the scene of the glory and peace of morning and then firmly leading 17
the listener through the pulsating emotion of the poem, right down to sometimes illustrating the text (as in the trills of the morning breezes or the descending 16th notes of the nightingale). Schubert’s genius was in recognizing exactly what musical language would best convey the world of the poem, to tell its message. This was not the sort of music Goethe recognized as “appropriate” for his words. He much preferred the more conventional way his friend Carl Friedrich Zelter set his poems, once complimenting Zelter for writing music that was “immediately identical with my songs; the music simply lifts the balloon aloft like a stream of gas.” So the two attempts Schubert and his friends made to establish contact with the great man by sending him some of Schubert’s music came to nothing.
Melancholy and the pain of solitude
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Six of the songs on the program are settings of poems by Ludwig Theobul Kosegarten, a Lutheran pastor on the Baltic isle of Rügen. Between June and October 1815 Schubert composed 20 songs to Kosegarten’s texts, writing seven of them in a single day, October 19. The songs are all strophic, meaning that each verse is set to the same music. For all of Kosegarten’s charms, his poems can be lengthy—two songs about the loss of love, Idens Schwanenlied and Luisens Antwort, have 17 and 19 verses, respectively. (Singers today usually judiciously cut the songs, offering enough verses to convey the meaning of the poem.) In Idens Nachtgesang, the singer extols the virtues of her beloved, the opposite of Das Sehnen, which is suffused with melancholy, and the pain of solitude. Nature is the subject of Der Abend and an Enlightenment sense of the ennobling power of love itself permeates Geist der Liebe. Schubert met Johann Mayrhofer in December 1814. The two men became close friends, even living together from the end of 1818 until Schubert moved out at the end of 1820. There is considerable speculation that Mayrhofer and Schubert may well have been lovers for a period, but whatever the nature of their relationship, Mayrhofer seems to have never recovered from Schubert’s death, becoming deeply despondent and eventually committing suicide. The writer Franz Grillparzer, a contemporary of both men, once observed, “Mayrhofer’s poems always resemble a text to a melody,” which is probably one reason why
Schubert‘s autograph of Der Abend (1815)
Schubert was so inspired by them. Altogether, he set 47 of Mayrhofer’s poems to music, more than any other author except for Goethe. Three of these settings are included in tonight’s program. The strophic song Nach einem Gewitter dates from May 1817 and is one of Mayrhofer’s few happy poems, a quality Schubert matches wholeheartedly in his music. The bucolic Liane from October 1815 begins with a recitative, moves into an arioso and, by the time Liane is gliding across the lake, Schubert is writing a marvelous aria. “This is stately water music,” Graham Johnson quipped, “we can surely hear the movement of oars in deep water.” Iphigenia, written in July 1817, is Mayrhofer’s version of Goethe’s “Kennst du das Land?” heard earlier in the program, only here it is Iphigenia who has been marooned on Tauris and is longing for her homeland, rather than Goethe’s Mignon. Johann Nepomuk von Kalchberg’s Die Macht der Liebe and Johann Georg Fellinger’s Die Sternenwelten are just two 19
of seven songs Schubert composed on October 15, 1815. The first is a charming, if rather slight, hymn of praise to love that infuses all of Creation. The second, a more profound celebration of a deity at the center of the universe, was originally written by the Slovene poet Urban Jarnik and translated into German by Fellinger, an army officer who, like Mayrhofer, took his own life.
A deep yearning for lasting friendship
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Three of the songs on tonight’s program are the result of a visit Schubert made to Graz in September 1827 where he stayed with the Pachler family. The mother, Marie, was an accomplished pianist, even praised by Beethoven who said, “I have never found anyone who could perform my works as well as you can, the great pianists not excepted… You are the true guardian on my brainchildren.” It was Marie Pachler who recommended Heimliches Lieben by Karoline Luise von Klenke as well as poems by Karl Gottfried von Leitner, a writer much admired by the Pachlers. In all, Schubert set eight of Leitner’s poems. The two on tonight’s program, Das Weinen and Vor meiner Wiege, Schubert published later in 1827 as a set with Heimliches Lieben, dedicated to Marie Pachler. Some writers have been dismissive of Hänflings Liebes werbung from April 1817, with its repeated evocations of the linnet’s “chirp chirp” (“ahidi” in German). But Schubert obviously found the poem by Johann Friedrich Kind, later the librettist of Weber’s opera Der Freischütz, to be a delight, and he wrote music for it that is equally fun. Another—but quite different—song from 1817 is Die abgeblühte Linde by Count Ludwig von Széchényi. Schubert met the poet that year, though the exact date he composed the song is unclear. The poem’s deep yearning for lasting friendship clearly touched Schubert’s soul, given the very detailed way he mixed recitative and arioso, creating a haunting song that can linger in the listener’s mind long after it is finished. The program ends with Abendbilder, written in February 1819. The poem is by Johann Peter Silbert, who was Pro fessor of French at the Vienna Polytechnic Institute. At the time, Silbert was a very well-known author, his works esteemed highly by the Viennese public, though his reputation has slipped today. Schubert responded to the dreamy poem
with a song that looks forward to the famous Der Lindenbaum in Winterreise. There are numerous illustrative moments in the piano part—the raven’s cawing in the downward movement of the left hand, the repeated clanging of the Vesper bells in the right hand, the moonlight in the left hand’s line—and yet none of these detract from the song’s overall musical substance. “[Schubert] patiently cultivated his own garden with an array of flowers that the great composers before him had not bothered to plant,” Graham Johnson wonderfully summed up the substance of Schubert’s lieder. “With this pioneering work in song, Schubert truly laid the foun dations of his immortality.”
Paul Thomason writes for numerous opera companies, symphony orchestras, and cultural institutions in the U.S. and Europe. He is based in New York City.
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Die Macht der Liebe
The Power of Love
Überall wohin mein Auge blicket, Herrschet Liebe, find’ ich ihre Spur, Jedem Strauch und Blümchen auf der Flur Hat sie tief ihr Siegel eingedrücket.
Wherever my eyes turn Love reigns: everywhere I find its trace. On every bush and flower in the meadows It has deeply imprinted its seal.
Sie erfüllt, durchglüht, verjüngt und schmücket Alles Lebende in der Natur; Erd’ und Himmel, jede Kreatur, Leben nur durch sie, von ihr beglücket.
It pervades, warms, rejuvenates and adorns All that lives in nature. Heaven, earth, and all creatures Live and find happiness through love alone.
Johann Nepomuk von Kalchberg (1765–1827)
Die abgeblühte Linde
The Faded Linden Tree
Wirst du halten, was du schwurst, Wenn mir die Zeit die Locken bleicht? Wie du über Berge fuhrst, Eilt das Wiedersehn nicht leicht.
Will you abide by what you pledged to me When time has made my hair white? Since you went away over the mountains Reunions are not easy.
Änd’rung ist das Kind der Zeit, Womit Trennung uns bedroht, Und was uns die Zukunft beut, Ist ein bläßer’s Lebensrot. Sieh, die Linde blühet noch, Als du heute von ihr gehst: Wirst sie wieder finden, doch Ihre Blüten stiehlt der West. Einsam steht sie dann, vorbei Geht man kalt, bemerkt sie kaum. Nur der Gärtner bleibt ihr treu, Denn er liebt in ihr den Baum. Ludwig von Széchényi (1781–1855)
Change is the child of time With which parting threatens us; And what the future offers us Is a paler gleam of life. See, the linden tree is still blooming As you leave here today; You will find it again Though the west wind steals its blossoms. Then it will stand alone, people will Pass by, indifferent, scarcely noticing it. Only the gardener will remain true, Since he loves the tree for itself.
Edgar Degas, Landschaft mit felsigen Klippen / Landscape with Rocky Cliffs (Detail, 1890)
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Das Weinen
Weeping
Gar tröstlich kommt geronnen Der Tränen heil’ger Quell, Recht wie ein Heilungs-Bronnen, So bitter, heiß und hell. Darum du Brust voll Wunden, Voll Gram und stiller Pein, Und willst du bald gesunden, So tauche da hinein.
The sacred source of tears Flows comfortingly, Like a healing spring So bitter, hot and clear. Therefore, my heart, full of wounds, Grief and silent pain, If you would recover quickly Immerse yourself there.
Das hab’ ich selbst empfunden Hier in dem Trauerland, Wenn ich, vom Flor umwunden, An lieben Gräbern stand. Da schalt in irrem Wähnen Ich selbst auf meinen Gott, Es hielten mir die Tränen Der Hoffnung Schiffchen flott.
I have felt this myself Here in this land of sorrow, When, swathed in crepe, I stood at the graves of dear ones. There, in demented frenzy, I cursed my God; Only my tears kept The ship of hope afloat.
Drum, hält dich auch umfangen Der Schwermut trübste Nacht, Vertrau’ in allem Bangen Der Tränen Zaubermacht. Bald, wenn vom heißen Weinen Dir rot das Auge glüht, Wird neu der Tag erscheinen, Weil schon der Morgen blüht.
Therefore, when you too are ensnared In the darkest night of sorrow, In your anguish trust The magic power of tears. Soon, when from bitter weeping Your eyes glow red, A new day will appear, For already morning is radiant.
Karl Gottfried von Leitner (1800–1890)
Hänflings Liebeswerbung
The Linnet’s Wooing
Ahidi! ich liebe. Mild lächelt die Sonne, Mild wehen die Weste, Sanft rieselt die Quelle, Süß duften die Blumen. Ich liebe, Ahidi!
Chirp, chirp, I am in love! The sun smiles gently, The west wind blows mild, The stream murmurs softly, The flowers’ scent is sweet! I am in love, chirp, chirp!
Ahidi! ich liebe. O sieh, wie die Blumen Sich liebevoll grüßen,
Chirp, chirp, I am in love! See how the flowers Lovingly greet one another,
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Sich liebevoll nicken! O liebe mich wieder! Ich liebe, Ahidi!
Lovingly nod to each other! Love me in return! I am in love, chirp, chirp!
Johann Friedrich Kind (1768–1843)
Nach einem Gewitter
After a Storm
Auf den Blumen flimmern Perlen, Philomelens Klagen fließen; Mutiger nun dunkle Erlen In die reinen Lüfte sprießen.
Pearls glisten on the flowers; Philomel’s lament pours forth. More boldly now, dark alders Shoot up into the pure air.
Und dem Tale, so erblichen, Kehret holde Röte wieder, In der Blüten Wohlgerüchen Baden Vögel ihr Gefieder.
And to the valley, grown so pale, A fair flush returns. In the fragrance of the flowers Birds bathe their plumage.
Hat die Brust sich ausgewittert, Seitwärts lehnt der Gott den Bogen, Und sein golden Antlitz zittert Reiner auf versöhnten Wogen.
When the storm has ceased within the heart God tilts his bow sideways, And his golden countenance glitters More clearly upon the stilled waves.
Johann Mayrhofer (1787–1836)
Sehnsucht
Longing
Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß, was ich leide! Allein und abgetrennt Von aller Freude, Seh’ ich an’s Firmament Nach jener Seite. Ach! der mich liebt und kennt Ist in der Weite. Es schwindelt mir, es brennt Mein Eingeweide. Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß, was ich leide!
Only he who knows longing Knows what I suffer. Alone, cut off From all joy, I gaze at the firmament In that direction. Ah, he who loves and knows me Is far away. I feel giddy, My vitals are aflame. Only he who knows longing Knows what I suffer.
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
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Mignon
Mignon
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, Im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht, Kennst du es wohl? Dahin! Dahin Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.
Do you know the land where lemon trees blossom; Where golden oranges glow amid dark leaves? A gentle wind blows from the blue sky, The myrtle stands silent, the laurel tall: Do you know it? There, O there I desire to go with you, my beloved!
Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach, Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach, Und Mamorbilder stehn und sehn mich an: Was hat man dir, du armes Kind, getan? Kennst du es wohl? Dahin! Dahin Möcht’ ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
Do you know the house? Its roof rests on pillars, The hall gleams, the chamber shimmers, And marble statues stand and gaze at me: What have they done to you, poor child? Do you know it? There, O there I desire to go with you, my protector!
Do you know the mountain and its clouded path? The mule seeks its way through the mist, Kennst du den Berg und seinen In caves the ancient brood of dragons Wolkensteg? dwells; Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg; The rock falls steeply, and over it the In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut; torrent. Es stürzt der Fels und über ihn die Flut, Do you know it? Kennst du ihn wohl? There, O there Dahin! Dahin Lies our way. O father, let us go! Geht unser Weg! o Vater, laß uns ziehn! Johann Wolfgang von Goethe
Idens Schwanenlied
Ida’s Swan Song
Wie schaust du aus dem Nebelflor O Sonne, bleich und müde! Es schwirrt der Heimchen heis’rer Chor Zu meinem Schwanenliede.
O sun, how pale and weary You gaze from your misty veil! The hoarse chorus of crickets Chirrups to my swan song.
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Entblättert steht der Erlenhain, Entlaubt der graue Garten, Wo er und ich im Mondenschein Einander bang erharrten.
The alder grove stands leafless The bleak garden stripped of greenery Where he and I in the moonlight Anxiously awaited one another.
Wo ich, gelehnt an seine Brust, In süße Träume nickte, Und holder Wahn und Edens Lust Die Träumende durchzückte.
Where, leaning against his breast, I drifted into sweet reverie, Where blissful delirium and the pleasures of Eden Thrilled through me as I dreamed.
Ach, klagt um eure Schwester, klagt Ihr Rosen und ihr Nelken! Wie bald, und hin ist meine Pracht, Und meine Blüten welken. Verstreut ist all mein grünes Laub, Geknickt mein schlanker Stengel, Mein Staub gebettet in den Staub, Mein Geist gereift zum Engel! Triumph! Auf Herbstesdämmerung Folgt milder Frühlingsschimmer. Auf Trennung folgt Vereinigung, Vereinigung auf immer! Ludwig Theobul Kosegarten (1758–1818)
Mourn for your sister, mourn, Roses and carnations! How quickly my splendor is gone, And my blossoms fade. Scattered are all my green leaves. Snapped is my slender stem. My dust is bedded in dust, And my spirit has become an angel! Rejoice! After the dusk of autumn Comes spring’s gentle radiance. After separation comes reunion, Eternal reunion!
Idens Nachtgesang
Ida’s Song to the Night
Vernimm es, Nacht, was Ida dir vertrauet, Die satt des Tags in deine Arme flieht. Ihr Sterne, die ihr hold und liebend auf mich schauet, Vernehmt süßlauschend Idens Lied.
Hear, night, what Ida confides to you; Sated with the day, I fly to your arms. Stars, gazing down sweetly and lovingly upon me, Listen fondly to Ida’s song.
Den ich geahnt in liebevollen Stunden, Dem sehnsuchtskrank mein Herz entgegenschlug, O Nacht, o Sterne, hört’s, ich habe ihn gefunden, Des Bild ich längst im Busen trug.
O night, O stars, I have found him, Whom I dreamed of in hours of bliss, For whom my yearning heart beat, And whose image I have long carried within me.
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Beloved, you are mine not for the short journey That leads through life’s labyrinth; Behold the yonder spheres, the ever-lovely circles Where our bond will be tightened.
Ganymed
Ganymede
Wie im Morgenglanze Du rings mich anglühst, Frühling, Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne Sich an mein Herze drängt Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl, Unendliche Schöne!
How your glow envelops me In the morning radiance, Spring, my beloved! With love’s thousandfold joy The hallowed sensation Of your eternal warmth Floods my heart, Infinite beauty!
Geist der Liebe
Spirit of Love
Daß ich dich fassen möcht’ In diesen Arm!
O that I might clasp you In my arms!
Wer bist du, Geist der Liebe, Der durch das Weltall webt? Den Schoß der Erde schwängert, Und den Atom belebt? Der Elemente bindet, Der Weltenkugeln ballt, Aus Engelharfen jubelt Und aus dem Säugling lallt?
Who are you, spirit of love, Who are at work throughout the universe, Sowing the seed in the earth’s womb, And giving life to the atom? Who are you, who bind the elements, Fashion the spheres, Rejoice with angels’ harps, And lisp from the infant’s mouth.
Ach, an deinem Busen Lieg’ ich und schmachte, Und deine Blumen, dein Gras Drängen sich an mein Herz. Du kühlst den brennenden Durst meines Busens, Lieblicher Morgenwind! Ruft drein die Nachtigall Liebend mach mir aus dem Nebeltal.
Ah, on your breast I lie languishing, And your flowers, your grass Press close to my heart. You cool the burning Thirst within my breast, Sweet morning breeze, As the nightingale calls Tenderly to me from the misty valley.
Ich komm’, ich komme! Ach wohin, wohin?
I come, I come! But whither? Ah, whither?
Hinauf! strebt’s hinauf! Es schweben die Wolken Abwärts, die Wolken Neigen sich der sehnenden Liebe. Mir! Mir! In eurem Schoße Aufwärts! Umfangend umfangen! Aufwärts An deinem Busen, Alliebender Vater!
Upwards! Strive upwards! The clouds drift Down, yielding To yearning love, To me, to me! In your lap, Upwards, Embracing and embraced! Upwards To your bosom, All-loving Father!
Freund, du bist mein, nicht für die kurze Reise, Die durch das Labyrinth des Lebens führt; Sieh, sieh die Sphären dort, die ewig schönen Kreise, Wo fester unser Band sich schnürt. Ludwig Theobul Kosegarten
Wer bist du, Kraft der Kräfte, Die Greisesaugen hellt? Der Jünglingswangen rötet, Und Mädchenbusen schwellt? Der Liebe beut und fordert, Um Liebe ringt und wirbt, Und Messiaden dichtet, Und Brutustode stirbt? Nur der ist gut und edel, Dem du den Bogen spannst. Nur der ist groß und göttlich, Den du zum Mann ermannst. Sein Werk ist Pyramide, Sein Wort ist Machtgebot. Ein Spott ist ihm die Hölle. Ein Hohn ist ihm der Tod. Ludwig Theobul Kosegarten
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Who are you, power of powers, Who light up the eyes of old men, Who bring a blush to young men’s cheeks And swell maidens’ chests? Who are you, who offer and ask for love Who strive and woo for love, Who compose epics, And die the death of Brutus? He alone is good and noble Whose bow is drawn by you; He alone is great and godlike Who through you attains true manhood. His work is a pyramid, His word a mighty command; He mocks hell And scorns death.
Johann Wolfgang von Goethe
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Der Fischer
The Fisherman
Erster Verlust
First Loss
Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll, Ein Fischer saß daran, Sah nach dem Angel ruhevoll, Kühl bis ans Herz hinan. Und wie er sitzt und wie er lauscht, Teilt sich die Flut empor; Aus dem bewegten Wasser rauscht Ein feuchtes Weib hervor.
The waters murmured, the waters swelled, A fisherman sat on the bank; Calmly he gazed at his rod, His heart was cold. And as he sat and listened The waters surged up and divided; From the turbulent flood A water nymph arose.
Ach, wer bringt die schönen Tage, Jene Tage der ersten Liebe, Ach, wer bringt nur eine Stunde Jener holden Zeit zurück! Einsam nähr’ ich meine Wunde, Und mit stets erneuter Klage Traur’ ich ums verlorne Glück, Ach, wer bringt die schönen Tage, Jene holde Zeit zurück!
Ah, who will bring back those fair days, Those days of first love? Ah, who will bring back but one hour Of that sweet time? Alone I nurture my wound And, forever renewing my lament, Mourn my lost happiness. Ah, who will bring back those fair days, That sweet time?
She sang to him, she spoke to him: “Why do you lure my brood With human wit and guile Up into the fatal heat? Ah, if you only knew how contented The fish are in the depths, You would descend, just as you are, And at last be made whole.
Johann Wolfgang von Goethe
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm: „Was lockst du meine Brut Mit Menschenwitz und Menschenlist Hinauf in Todesglut? Ach wüßtest du, wie’s Fischlein ist So wohlig auf dem Grund, Du stiegst herunter, wie du bist, Und würdest erst gesund. Labt sich die liebe Sonne nicht, Der Mond sich nicht im Meer? Kehrt wellenatmend ihr Gesicht Nicht doppelt schöner her? Lockt dich der tiefe Himmel nicht, Das feuchtverklärte Blau? Lockt dich dein eigen Angesicht Nicht her in ew’gen Tau?“ Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll, Netzt’ ihm den nackten Fuß; Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll, Wie bei der Liebsten Gruß. Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm; Da war’s um ihn geschehn: Halb zog sie ihn, halb sank er hin, Und ward nicht mehr gesehn. Johann Wolfgang von Goethe
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“Do not the dear sun and moon Refresh themselves in the ocean? Do not their countenances emerge doubly beautiful From breathing the waters? Are you not enticed by the heavenly deep, The transfigured, watery blue? Are you not lured by your own face Into this eternal dew?” The waters murmured, the waters swelled, Moistening his bare foot; His heart surged with such yearning, As if his sweetheart had called him. She spoke to him, she sang to him, Then it was all over; She half dragged him, he half sank down And was never seen again.
Der Abend
The Evening
Der Abend blüht, Temora glüht Im Glanz der tiefgesunknen Sonne. Es küßt die See Die Sinkende, Von Ehrfurcht schaudernd und von Wonne.
The evening blossoms, Temora glows In the light of the setting sun. As it sinks It kisses the sea, Which trembles in awe and ecstasy.
Nacht hüllt den Strand, Temora schwand. Verlodert sind des Spätrots Gluten. Das Weltmeer grollt, Und glutrot rollt Der Vollmond aus den düstern Fluten.
Night shrouds the shore; Temora has vanished; The sunset’s last glow has faded. The ocean roars, And gleaming red, The full moon rolls from the dark waves.
Ludwig Theobul Kosegarten
Liane
Liane
„Hast du Lianen nicht gesehen?“ „Ich sah sie zu dem Teiche gehn.“ Durch Busch und Hecke rennt er fort, Und kommt an ihren Lieblingsort.
“Have you seen Liane?” “I saw her walking to the pond.” He runs off, through bush and h edgerow, Until he reaches her favorite spot.
Die Linde spannt ihr grünes Netz, Aus Rosen tönt des Bachs Geschwätz;
The lime tree stretches its green net, The brook babbles among the roses; 31
Die Blätter rötet Sonnengold, Und alles ist der Freude hold.
Golden sunlight tinges the leaves, And everything is touched with joy.
Liane fährt auf einem Kahn, Vertraute Schwäne nebenan. Sie spielt die Laute, singt ein Lied, Wie Liebe in ihr selig blüht.
Liane glides along in a boat, Her beloved swans accompany her. She plays her lute, and sings Of the blissful love that blossoms within her.
Das Schifflein schwanket, wie es will, Sie senkt das Haupt und denket still An ihn, der im Gebüsche ist, Sie bald in seine Arme schließt. Johann Mayrhofer
The boat rocks as it pleases, She lets her head sink, and thinks silently Of him who is in the bushes, And who will soon enfold her in his arms.
Heimliches Lieben
Secret Love
O du, wenn deine Lippen mich berühren, So will die Lust die Seele mir entführen; Ich fühle tief ein namenloses Beben Den Busen heben.
When your lips touch me, Desire all but bears away my soul; I feel a nameless trembling Deep within my breast.
Mein Auge flammt, Glut schwebt auf meinen Wangen; Es schlägt mein Herz ein unbekannt Verlangen; Mein Geist, verirrt in trunkner Lippen Stammeln, Kann kaum sich sammeln.
My eyes flame, a glow tinges my cheeks; My heart beats with a strange longing; My mind, lost in the stammering of my drunken lips, Can scarcely compose itself.
Mein Leben hängt in einer solchen Stunde An deinem süßen, rosenweichen Munde, Und will, bei deinem trauten Arm umfassen, Mich fast verlassen.
At such a time my life hangs On your sweet lips, soft as roses, And, in your beloved embrace, Life almost deserts me.
O! daß es doch nicht außer sich kann fliehen, Die Seele ganz in deiner Seele glühen! Daß doch die Lippen, die voll Sehnsucht brennen, Sich müssen trennen! 32
Oh that my life cannot escape from itself, With my soul aflame in yours! Oh that lips ardent with longing Must part!
Daß doch im Kuß mein Wesen nicht zerfließet, Wenn es so fest an deinen Mund sich schließet, Und an dein Herz, das niemals laut darf wagen, Für mich zu schlagen!
Oh that my being may not dissolve in kisses When my lips are pressed so tightly to yours, And to your heart, which may never dare To beat aloud for me!
Karoline Luise von Klenke (1754–1812)
Luisens Antwort
Louisa’s Answer
Wohl weinen Gottes Engel, Wenn Liebende sich trennen, Wie werd’ ich leben können, Geliebter, ohne dich! Gestorben allen Freuden, Leb’ ich fortan den Leiden, Und nimmer, Wilhelm, nimmer Vergißt Luisa dich.
God’s angels weep When lovers part. How shall I be able to live Without you, beloved? Dead to all joys I shall henceforth live for sorrow, And never, William, never Shall Louisa forget you.
Ich kann dich nicht vergessen. Mit jedem goldnen Morgen Erwacht mein zärtlich Sorgen, Mein Seufzen, ach, um dich! „Wo weilst du itzt, du Einer? Was denkst du itzt, du Meiner? Denkst du auch an Luisen? Luisa denkt an dich!“
I cannot forget you. With each golden morning My tender concern for you, My anxious sighs are awakened. “Where are you now, my One and Only? What are you thinking now, you who are mine? Are you thinking of Louisa too? Louisa is thinking of you!”
Selbst, wenn du falsch und treulos An fremde Brust dich schmiegtest, In fremdem Arm dich wiegtest, Vergessend Schwur und Pflicht In fremden Flammen brenntest, Luisen gar verkenntest, Luisen gar vergäßest – Ich, ach! vergäß’ dich nicht! Verachtet und vergessen, Verloren und verlassen, Könnt’ ich dich doch nicht hassen; Still grämen würd ich mich,
Even if you nestled, false and faithless, On another’s breast, Cradled in another’s arms, Forgetting your vows and your duty, Burning in another’s flames, Even if you ceased to recognize Louisa, Even if you forgot Louisa, I, alas, would not forget you! If I were despised and forgotten, Lost and forsaken, I still could not hate you; 33
Bis Tod sich mein erbarmte, Das Grab mich kühl umarmte – Doch auch im Grab’, im Himmel, O Wilhelm, liebt’ ich dich! Ludwig Theobul Kosegarten
I should grieve silently Until death took pity on me In the grave’s cool embrace. But even in the grave, even in heaven I should still love you, William!
Das Sehnen
Longing
Wehmut, die mich hüllt, Welche Gottheit stillt Mein unendlich Sehnen! Die ihr meine Wimper nässt, Namenlosen Gram entpresst, Fließet, fließet Tränen!
Melancholy envelops me; What god can still My boundless longing? It moistens my eyelashes, And draws from me nameless grief. Flow, tears, flow!
Leise Schauer wehn, Süßes Liebeflehn Girrt um mich im Düstern. Rosen und Violenduft Würzen rings die Zauberluft, Holde Stimmen flüstern.
The air quivers gently, The sweet entreaty of love Coos around me in the dusk. The scent of roses and violets Spices the enchanted air, And sweet voices whisper.
Ist denn, ach, kein Arm, Der in Freud’ und Harm Liebend mich umschlösse? Ist denn, ach, kein fühlend Herz, Keines, drin in Lust und Schmerz Meines sich ergösse?
Is there no arm To embrace me fondly In joy and sorrow? Is there, alas, no tender heart To which I may pour out my own In pleasure and in pain?
Ludwig Theobul Kosegarten
Die Sternenwelten
The Starry Worlds
Oben drehen sich die großen Unbekannten Welten dort, Und dem Sonnenlicht umflossen, Kreisen sie die Bahnen fort; Traulich reihet sich der Sterne Zahlenloses Heer ringsum, Sieht sich lächelnd durch die Ferne, Und verbreitet Gottes Ruhm.
High above, the great Unknown worlds revolve; Bathed in the sun’s light They circle in their course. Around them, in harmonious array, Spreads the numberless host of stars; Smiling, they gaze at each other from afar And proclaim widely the glory of God.
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Jene Sternenheere weisen, Schöpfer! deine Majestät! Selig kann nur der sich preisen, Dessen Geist zu dir entweht; Nur dein Loblied wird er singen, Wohnen ob dem Sphärengang, Freudig sich durch Welten schwingen Trinkend reinen Engelsang.
Creator, those starry hosts Reveal your majesty! Only he whose spirit wafts towards you Can consider himself blessed; He will sing in praise of you alone, Who dwell beyond the spheres, Soaring joyfully through the worlds, Drinking the pure song of angels.
Johann Georg Fellinger (1781–1816)
Iphigenia
Iphigenia
Blüht denn hier an Tauris Strande Aus dem teuren Vaterlande keine Blume, Weht kein Hauch Aus den seligen Gefilden, Wo Geschwister mit mir spielten? Ach, mein Leben ist ein Rauch!
Does no flower from my beloved homeland Bloom here on the shore of T auris? Does no breeze blow From the blessed fields Where my brothers and sisters played with me? Ah, my life is but smoke!
Trauernd wank’ ich in dem Haine, Keine Hoffnung nähr’ ich – keine, Meine Heimat zu erseh’n, Und die See mit hohen Wellen, Die an Klippen sich zerschellen, Übertäubt mein leises Fleh’n. Göttin, die du mich gerettet, An die Wildnis angekettet, – Rette mich zum zweitenmal; Gnädig lasse mich den Meinen, Laß’ o Göttin! mich erscheinen In des großen Königs Saal! Johann Mayrhofer
Sadly, hesitantly, I walk through the grove; I cherish no hope—none— Of ever seeing my homeland. And the sea, with its mighty waves Crashing against the cliffs, Drowns my soft pleas. Goddess who rescued me And chained me in this wilderness, Rescue me a second time; Mercifully grant, O goddess, That I may appear before my own people In the hall of the great king!
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Vor meiner Wiege
At My Cradle
Abendbilder
Nocturne
Das also, das ist der enge Schrein, Da lag ich einstens als Kind darein, Da lag ich gebrechlich, hilflos und stumm Und zog nur zum Weinen die Lippen krumm.
So this is the narrow chest Where I once lay as a baby; Where I lay, frail, helpless and dumb, Twisting my lips only to cry.
Still beginnt’s im Hain zu tauen; Ruhig webt der Dämm’rung Grauen Durch die Glut Sanfter Flut, Durch das Grün umbuschter Auen, So die trunk’nen Blicke schauen.
Softly, dew begins to fall in the grove; Gently the grey dusk Weaves through the red glow Of the calm waters, and through The green meadows, fringed with bushes, That distort before the eye.
Sieh! der Raben Nachtgefieder Rauscht auf ferne Eichen nieder. Balsamduft Haucht die Luft; Philomelens Zauberlieder Hallet zart die Echo wieder.
See, the ravens’ nocturnal flight Descends with a swish on distant oaks; The air breathes A balmy fragrance. Echo tenderly repeats Philomel’s magic songs.
Horch! des Abendglöckleins Töne Mahnen ernst der Erde Söhne, Daß ihr Herz Himmelwärts, Sinnend ob der Heimat Schöne, Sich des Erdentands entwöhne.
Hark! The vesper-bell Solemnly urges the sons of earth To forego all earthly dross And turn their hearts Towards heaven, Reflecting upon that fair dwelling-place.
Durch der hohen Wolken Riegel Funkeln tausend Himmelssiegel, Lunas Bild Streuet mild In der Fluten klaren Spiegel Schimmernd Gold auf Flur und Hügel.
A thousand celestial stars Sparkle through chinks in the barrier of high clouds; The moon Shines gently In the clear mirror of the waters, Tingeing hill and meadow with gold.
Ich konnte nichts fassen mit Händchen zart, Und war doch gebunden nach Schelmenart; Ich hatte Füßchen und lag doch wie lahm, Bis Mutter an ihre Brust mich nahm. Dann lachte ich saugend zu ihr empor, Sie sang mir von Rosen und Engeln vor, Sie sang und sie wiegte mich singend in Ruh, Und küßte mir liebend die Augen zu. Sie spannte aus Seide, gar dämmerig grün, Ein kühliges Zelt hoch über mich hin. Wo find ich nur wieder solch friedlich Gemach? Vielleicht, wenn das grüne Gras mein Dach! O Mutter, lieb’ Mutter, bleib’ lange noch hier! Wer sänge dann tröstlich von Engeln mir? Wer küßte mir liebend die Augen zu Zur langen, zur letzten und tiefesten Ruh’? Karl Gottfried von Leitner
I could grip nothing with my tiny, tender hands, Yet I was bound like a rogue; I possessed little feet, and yet lay as if lame, Until mother took me to her breast. Then I laughed up at her as I suckled, And she sang to me of roses and angels; She sang and with her singing lulled me to sleep, And with a kiss lovingly closed my eyes. She spread a cool tent Of dusky green silk above me. Where shall I find such a peaceful chamber again? Perhaps when the green grass is my roof! O mother, dear mother, stay here a long time yet! Who else would sing to me comforting songs of angels? Who else would close my eyes lovingly with a kiss For the long, last and deepest rest?
Von des Vollmonds Wiederscheine Blitzet das bemooste kleine Kirchendach. Aber ach! Ringsum decken Leichensteine Der Entschlummerten Gebeine. Ruht, o Traute! von den Wehen, Bis beim großen Auferstehen Aus der Nacht Gottes Macht Einst uns ruft, in seiner Höhen Ew’ge Wonnen einzugehen. Johann Petrus Silbert (1772–1884)
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The mossy roof of the little church Gleams in the reflection Of the full moon. But all around Tombstones cover The bones of the departed. Rest, beloved ones, from your cares, Until, at the Great Resurrection, God in his might Calls us from the night To eternal bliss On high. 37
inaldo in Chicago. Dabei arbeitete R Julia Kleiter mit Dirigenten wie Zubin Mehta, Daniel Barenboim, Fabio Luisi, Riccardo Muti, Thomas Hengelbrock, René Jacobs, Daniel Harding, Claudio Abbado und Nikolaus Harnoncourt zusammen. Im vergangenen Herbst gab sie ihr Rollendebüt als Agathe in Webers Freischütz am Teatro alla Scala. Auch als Lied- und Konzertsängerin gastiert sie in den großen Musikzentren der Welt. Zuletzt war sie u.a. in Schumanns Das Paradies und die Peri, Brahms Ein deutsches Requiem und Haydns Schöpfung zu hören.
Julia Kleiter Die gebürtige Limburgerin Julia Kleiter erhielt ihre Ausbildung bei William Workman in Hamburg und Klesie Kelly-Moog in Köln. Ihr internationales Operndebüt gab sie 2004 als Pamina in Die Zauberflöte an der Opéra Bastille in Paris. In dieser Rolle gastierte sie in den folgenden Jahren u.a. bei den Festspielen in Edinburgh und Salzburg, in New York, München und Zürich. Wichtige Stationen in der jüngsten Vergangenheit waren außerdem Gräfin Almaviva in Le nozze di Figaro an der Mailänder Scala, Fiordiligi in Così fan tutte in Salzburg, Eva in Die Meistersinger von Nürnberg in Paris und an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, Emma in Schuberts Fierrabras ebenfalls in Salzburg, Donna Elvira in Don Giovanni und Zdenka in Arabella in Zürich sowie Almirena in Händels 38
Born in Limburg, Germany, Julia Kleiter studied voice with William Workman in Hamburg and Klesie Kelly-Moog in Cologne. She made her international operatic debut in 2004 as Pamina in Die Zauberflöte at the Opéra Bastille in Paris and subsequently performed the role at the Edinburgh and Salzburg festivals and in New York, Munich, and Zurich, among others. Important milestones of recent seasons have also included appearances as Countess Almaviva in Le nozze di Figaro at Milan’s La Scala, Fiordiligi in Così fan tutte in Salzburg, Eva in Die Meistersinger von Nürnberg in Paris and at Berlin’s Staatsoper Unter den Linden, Emma in Schubert’s Fierrabras once again in Salzburg, Donna Elvira in Don Giovanni and Zdenka in Arabella in Zurich, and Almirena in Handel’s Rinaldo in Chicago. Julia Kleiter has collaborated with conductors such as Zubin Mehta, Daniel Barenboim, Fabio Luisi, Riccardo Muti, Thomas Hengelbrock, René Jacobs, Daniel Harding, Claudio Abbado, and Nikolaus Harnoncourt. This past fall she made her role debut
as Agathe in Weber’s Der Freischütz at La Scala. As a concert and lied singer, she has also appeared in the leading music centers around the world, most recently performing Schumann’s Das Paradies und die Peri, Brahms’s Ein deutsches Requiem, and Haydn’s Creation.
Michael Gees Michael Gees gewann bereits als Achtjähriger den Steinway Wettbewerb und erhielt ein Stipendium am Mozarteum in Salzburg. Später setzte er seine Ausbildung an den Musikhochschulen in Wien und Detmold fort. Im Alter von 15 Jahren entfloh er der vorgezeichneten Pianistenlaufbahn, arbeitete als archäologischer Helfer und fuhr anschließend zwei Jahre lang zur See. 1974 nahm er sein Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover wieder auf. Seitdem ist er als Pianist und Komponist tätig und insbesondere als Liedbegleiter international gefragt. Im Jahr 2001 rief er in Gelsenkirchen das Consol Theater ins Leben, das sich künstlerischer und kreativer Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen widmet. Michael Gees hat eine Reihe von Aufnahmen vorgelegt, darunter Schuberts Die schöne Müllerin mit Christoph Prégardien, eine Einspielung, die mit dem MIDEM Classical Award ausgezeichnet wurde. Aktuell beschäftigt er sich mit Solo programmen, Liederabenden, Melo dramen und Bühnenmusiken.
in Salzburg before continuing his education at the music academies in Vienna and Detmold. At the age of 15 he escaped a predestined pianistic c areer, working as an archeological assistant and then as a sailor for two years. In 1974, he took up his studies again at the Hanover Musikhochschule, and since then has been active as a pianist and composer. He is particularly in demand internationally as a lied accompanist. In 2001, he started the Theater Consol in Gelsenkirchen, Germany, which focuses on artistic and creative work with children, teenagers, and adults. Michael Gees has released a number of CDs, including a record ing of Schubert’s Die schöne Müllerin with Christoph Prégardien that won the MIDEM Classical Award. His current projects include solo and song recitals as well as incidental music and melodramas.
As an eight-year-old, Michael Gees won the Steinway Competition and received a scholarship at the Mozarteum 39
Das Konzert im Radio.
92,4
die kunst zu hören
Konzert Sonntag bis Freitag, 20.03 Uhr Oper Samstag, 19.05 Uhr
bundesweit und werbefrei DAB+, Kabel, Satellit, Online, App deutschlandfunkkultur.de
Aus Opernhäusern, Philharmonien und Konzertsälen. Jeden Abend.
Demnächst im Pierre Boulez Saal
Sämtliche Violinsonaten von Mozart Mozart’s Complete Violin Sonatas
Renaud Capuçon & Kit Armstrong 5./6. & 12./13. Mai 2018
Impressum Herausgeber Pierre Boulez Saal Gründer Daniel Barenboim Intendant Ole Bækhøj Redaktion Philipp Brieler, Christoph Schaller Gestaltung Annette Sonnewend, Gabriele Schuster Marketing Stefan Wollmann Marketingassistenz Clara Stein
Textnachweis Die Werkeinführungen von Michael Horst und Paul Thomason sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.
Musik in einem roten Kleid erleben Experience Music in a Red Dress
Pekka Kuusisto 29. Mai – 1. Juni 2018
Bildnachweise Richard Kendall, Degas Landscapes. New Haven 1993 (S. 2, 4, 12, 14, 22) • Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung (S. 7, 19) • Historisches Museum der Stadt Wien, reproduziert in: Ernst Hilmar, Schubert. Graz 1989 (S. 11) • Staatsbibliothek zu Berlin (S. 16) • Theodora Richter (S. 38) • Herrmann und Clärchen Baus (S. 39) Im Fall bestehender und nicht berücksichtigter Urheberrechte bitten wir den oder die Rechteinhaber um Nachricht. Herstellung Ruksaldruck, Berlin Redaktionsschluss: 13. April 2018
Upcoming Highlights
Pierre Boulez Saal Barenboim-Said Akademie gGmbH Rektor Michael Naumann Geschäftsführer Carsten Siebert Französische Straße 33d 10117 Berlin