Kirill Gerstein

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Kirill Gerstein EinfĂźhrungstext von Michael Horst Program Note by Gavin Plumley


KIRILL GERSTEIN Dienstag

13. Oktober 2020

Kirill Gerstein Klavier

Teil I 18.00 Uhr

Claude Debussy (1862–1918) Études (1915) I. Pour les cinq doigts d’après Monsieur Czerny. Sagement II. Pour les tierces. Moderato, ma non troppo III. Pour les quartes. Andantino con moto IV. Pour les sixtes. Lento V. Pour les octaves. Joyeux et emporté, librement rythmé VI. Pour les huit doigts. Vivamente, molto leggiero e legato VII. Pour les degrés chromatiques. Scherzando, animato assai VIII. Pour les agréments. Lento, rubato e leggiero IX. Pour les notes répétées. Scherzando X. Pour les sonorités opposées. Modéré, sans lenteur XI. Pour les arpèges composés. Dolce e lusingando XII. Pour les accords. Décidé, rythmé, sans lourdeur


Teil II 21.00 Uhr

Franz Liszt (1811–1886) Études d’exécution transcendante S 139 (1851) I. Preludio. Presto II. Molto vivace III. Paysage. Poco adagio – Un poco più animato IV. Mazeppa. Allegro V. Feux follets (Irrlichter). Allegretto VI. Vision. Lento VII. Eroica. Allegro – Tempo di marcia VIII. Wilde Jagd. Presto furioso IX. Ricordanza. Andantino – Un poco animato X. Allegro agitato molto – Stretta XI. Harmonies du soir. Andantino XII. Chasse-neige. Andante con moto



Poesie der Virtuosität Klavieretüden von Claude Debussy und Franz Liszt

Michael Horst

Übung macht den Meister – das gilt für Pianisten nicht weniger als für Angehörige anderer künstlerischer Disziplinen, ganz egal, ob sie sich als Amateure betätigen oder professionelle Ansprüche verfolgen. Der Weg zum großen Ziel ist zwangsläufig mit speziellen „Übungen“ gepflastert, die zur Bewältigung spieltechnischer Probleme unerlässlich sind. Pianisten hatten sich dieser Herausforderung ­vermehrt zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu stellen. Ist das Klavier in seiner heutigen Ausprägung – etwa im Vergleich zur ­Violine – doch ein verhältnismäßig junges Instrument: zum Vehikel für virtuosen Ausdruck begann es sich erst um 1820 zu entwickeln, ausgelöst nicht zuletzt durch das Vorbild Nicolò Paganinis, der in seinen Konzerten buchstäblich unerhörte technische Fähigkeiten auf der Geige vorführte und damit auch die „Clavierkünstler“ jener Zeit zu neuen Visionen für ihr eigenes Instrument inspirierte. Parallel zu diesem künstlerischen Aspekt erschloss die rasante Entwicklung des Klavierbaus immer neue klangliche Möglichkeiten. Besonders die Pariser Firma Érard tat sich hier hervor; die Erweiterung des Tonumfangs, die Verbesserung der Repetitionsmechanik sowie die kreuzseitige Bespannung der Klaviersaiten sorgten für spieltechnische Verbesserungen, die mit einem voluminöseren, basslastigeren Klang einhergingen. Kein Wunder, dass der Typus der „Clavier-Übung“ – gewöhnlich auf französisch mit „Étude“ oder „Exercice“ bezeichnet – sich sehr bald in zwei Richtungen entwickelte:

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jene der Unterrichts-Etüde, wie sie Carl Czerny, Schüler Beethovens und Lehrer Franz Liszts, in seiner Schule der Geläufigkeit exemplarisch vorgeführt hat, und der Konzert-Etüde, die Virtuosität mit künstlerischem Anspruch verknüpfte. Diese Konzert-Etüde erlebte im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts ihre große Blüte, zu der Mendelssohn und Schumann ebenso beitrugen wie etwa Sigismund Thalberg, Adolf Henselt und der Großmeister des virtuosen Klavierspiels, Franz Liszt. Ein spätromantisches Nachleben wurde der Gattung durch russische Komponisten wie Mili Balakirew, Anton Rubinstein und Alexander Skrjabin sowie den Polen Karol Szymanowski zuteil. Wegweisend in ihrer Mischung aus Brillanz, Klangfantasie und Poesie waren insbesondere auch die beiden Etüden-Zyklen op. 10 und op. 25, die Frédéric Chopin ­zwischen 1829 und 1836 komponierte. Sie wirkten lange nach – und wurden noch 1915 zum Bezugspunkt für Claude Debussy, dessen Etüden mit der Widmung „à la mémoire de Frédéric Chopin“ versehen sind.

Mitten im Ersten Weltkrieg, im Sommer 1915, fand Debussy in der Abgeschiedenheit der Normandie die Muße, innerhalb von zwei Monaten ein Werk zu vollenden, das über die Assoziation an Chopin hinaus neue Spieltechniken aufgreift und damit auch ein Kompendium des pianistischen Universums darstellt, wie es Debussy mit seinem Klavierwerk geschaffen hat. Franz Liszt dagegen wird komplett ignoriert: nicht die Virtuosität als solche oder eine quasi-­ symphonische Klangfülle sind für Debussy relevant, sondern die Geschicklichkeit des Pianisten, herausgefordert nicht zuletzt durch den kompositorischen Ehrgeiz, sich eine ganze Etüde lang mit einem einzigen technischen Problem auseinanderzusetzen. Auffällig ist die klare Zweiteilung der Sammlung: Hält sich Debussy in den ersten sechs Etüden noch an diese traditionelle Vorgabe, so stehen im zweiten Buch (Nr. 7–12) Klänge und Klangfarben im Mittelpunkt. Der erste Band beginnt mit einer ironischen Hommage an den Großmeister der Klavier-Etüde, Carl Czerny, und seine ­berühmt-berüchtigte Kunst der Fingerfertigkeit op. 740, wobei das originale Fünf-Finger-Motiv der allerersten Etüde umgehend durch fremde Töne, überraschende Schlenker und brüske Einwürfe ad ­absurdum geführt wird. Entsprechend dem Titel Pour les tierces

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b­ eschäftigt sich die zweite Etüde auf geradezu monomanische ­Weise mit Terzläufen und Terzakkorden, die, typisch für Debussys Spätstil, frei und ohne Ruhepunkt durch die Tonarten wandern. Die ebenso konsequente Anwendung des gewöhnlich eher ­gemiedenen Quartintervalls in Pour les quartes zeigt Debussys un­ erschöpfliche Kombinationsgabe, die aus der strengen Vorgabe ein an impressionistisch-exotischem Parfüm reiches Stück zaubert. Entsprechend dem „harmonischeren“ Charakter der Sext fällt die vierte Etüde dagegen eher konventionell aus, während die fünfte den T ­ itel Pour les octaves bewusst großzügig auslegt. Denn die Oktaven werden gespickt mit „Fülltönen“, die der Etüde zusätzlichen harmonischen Reiz verleihen, während die rasanten Tempovorgaben („tumultueux“, „strepitoso“) dem Pianisten das Leben schwer machen. Acht flinke Finger schließlich – ohne die Daumen! – sind in Nr. 6 Pour les huit doigts gefragt, die wie ein rasendes Perpetuum mobile dem Ende des ersten Buchs entgegensteuert. Die siebte Etüde Pour les degrés chromatiques (Für die chromatischen Fortschreitungen) weist dagegen in neue Richtungen. Tonale ­Bezüge lösen sich auf, alles bleibt in Andeutung, das Ende gleicht einem auskomponierten Fragezeichen. Pour les agréments (Nr. 8) widmet sich den Verzierungen: Debussy füllt dieses Thema mit aller ihm zu Gebote stehenden Fantasie aus; immer neue und raffiniertere Schnörkel umspielen die melodischen Elemente. Der Komponist selbst gab dem nüchternen Titel noch eine poetische Note und deutete diese Etüde als „eine Art Barcarole auf einem italienischen Meer“. Mit dem neunten Stück Pour les notes répétées greift Debussy die Idee der repetierenden Noten auf, die besonders im 18. Jahrhundert, bei den französischen Clavecinisten ebenso wie bei Domenico Scarlatti, außerordentlich beliebt war. Die Tür zur Moderne weit auf stößt er dagegen mit der Etüde Nr. 10 Pour les sonorités opposées (Über die gegensätzlichen Klangwelten) auf. Nahezu unverbunden stehen die Klänge der tiefen und hohen Register nebeneinander, geheimnisvolle statische Gebilde, die nur sich selbst und ihrem ­besonderen Zauber genügen. Ganz anders dagegen die elfte Etüde Pour les arpèges composées: Den Arpeggien, also den gebrochenen Akkorden, gewinnt Debussy ein Höchstmaß an Abwechslung ab; mal kraftvoll, mal dezent-lasziv, spiegeln sie eine enorme Bandbreite an Emotionen auf kleinstem Raum. Bleibt die letzte Etüde Pour les accords, auch das letzte Klavierstück Debussys überhaupt, das noch einmal exemplarisch die beiden Gesichter dieses Komponisten vor

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Augen führt: einerseits der (oft übersehene) Motoriker, anderseits der Klangzauberer, der in immer neuen Anläufen die unerschöpfliche Welt der Akkorde erkundet hat.

„Jeder Zugang zu Liszts Klaviermusik sollte mit den Etüden beginnen“, stellt der namhafte französische Liszt-Forscher Serge Gut fest, „die sowohl die beachtlichen technischen Errungenschaften des Komponisten demonstrieren als auch seinen Sinn für den virtuosen Klavierklang in vollem Umfang entfalten.“ Diese Aussage ist umso bemerkenswerter, als für Liszt in den ersten drei Jahrzehnten seiner Laufbahn die Klaviermusik unangefochten im Vordergrund des Schaffens stand, mit einer kaum zu überschauenden ­Anzahl von Kompositionen wie Rhapsodien, Opernparaphrasen, Reiseimpressionen und geistlichen wie weltlichen Hymnen. Bis hin zu den rätselhaft-verknappten Klavierstücken seiner allerletzten ­Lebensjahre widmete er sich der pianistischen Soloform. Die Bedeutung der Études d’exécution transcendante lässt sich allerdings schon daran ermessen, dass sie den Komponisten über mehr als 25 Jahre beschäftigt haben und in drei Fassungen vorliegen, die sehr genau das jeweilige künstlerische Anliegen Liszts widerspiegeln. Den Anfang machte der erst 15-Jährige, den seine brillante ­pianistische Entwicklung nach den Wiener Anfängen bei Carl Czerny nach Paris geführt hatte. „Études en 48 exercices“ lautet der ursprüngliche Titel dieser Komposition, der die Absicht spiegelt, die Etüden durch alle Tonarten in Dur und Moll „durchzudeklinieren“. Es blieb jedoch bei einem ersten Band mit zwölf Etüden, die Liszt 1837, auf dem Höhepunkt seiner Pianistenlaufbahn, erneut hervorholte und in großem Umfang erweiterte, um ihnen ein – nur von ihm selbst zu bewältigendes – virtuoses Gewand zu verpassen. 14 Jahre später, inzwischen in Weimar zur Ruhe gekommen, nahm Liszt sich ein drittes Mal dieser Werke an; diesmal erfuhren die ­Etüden, nicht anders als etwa die Klaviersammlungen der Années de pèlerinage, eine selbstkritische Straffung, der manches Rankenwerk zum Opfer fiel, so dass die musikalische Substanz der Etüden sehr viel deutlicher hervortritt. Erstmals versah Liszt die meisten der zwölf Stücke mit poetischen Titeln – zum einen, um eine Inspirationsquelle anzudeuten, zum anderen als Hinweis zur Interpretation der Werke.

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Doch was ist mit der Formulierung „exécution transcendante“ gemeint? In den gängigen Schulwerken jener Zeit wird damit auf den ansteigenden Schwierigkeitsgrad der Übungen verwiesen; diese Klassifizierung ist jedoch in Liszts Etüdensammlung hinfällig, denn Stücke wie die gewaltige Nr.4 Mazeppa oder die höchst knifflige Nr. 5 Feux follets stehen in den technischen Anforderungen weit über späteren Nummern wie etwa Ricordanza (Nr. 9). Mit der Bezeichnung „transcendante“ erklärt sich eher Liszts Anspruch, über den Aspekt der technischen Brillanz hinaus die musikalische – oder gar, im Sinne von Transzendenz, die spirituelle – Dimension der Werke zu betonen. Sein Ehrgeiz ging außerdem dahin, diesen Klavier­kompositionen über den pianistischen Charakter hinaus ein symphonisches Gepräge zu geben – jenen Symphonischen Etüden op. 13 für Klavier nicht unähnlich, die Robert Schumann ebenfalls 1837 publiziert hatte. (Die zweite wie auch die dritte Fassung der Lisztschen Etüden sind übrigens dem verehrten Lehrer Carl Czerny gewidmet.) Geordnet hat Liszt seine Sammlung, schon seit der ersten Ausgabe, nach dem absteigenden Quintenzirkel, d.h. auf die beiden Etüden in C-Dur und a-moll folgen jene in F-Dur und d-moll, danach B-Dur und g-moll etc. Kirill Gerstein weist im Einführungstext zu seiner Gesamtaufnahme darauf hin, dass auch musikalisch dadurch jeweils Paare entstünden, die im Hinblick auf die Kontraste und die musikalische Dramaturgie dem Pianisten helfen, den zyklischen Charakter der zwölf Stücke stärker hervorzuheben. Bei den ersten beiden Etüden ist die Paarung offensichtlich: Nr. 1, mit Preludio ­bezeichnet, dient als „Warm-up“, als kurzer, aber selbstbewusster Einstieg ohne besonderes thematisches Profil. Nr. 2, nur mit der Tempobezeichnung „Molto vivace“ überschrieben, wird vom ersten Takt an durchgehend von einem pochenden Motiv geprägt, wobei die brillanten Oktavgänge und Arpeggien mit insistierender ­Chromatik und heftigen Dissonanzen gewürzt werden. Paysage (Nr. 3) knüpft in seiner Stimmung an ähnliche berühmte „Pastoral“-Kompositionen wie Beethovens Sechste Symphonie oder den Mittelsatz von Berlioz’ Symphonie fantastique an, verweist aber zugleich auf eine Ode Victor Hugos, welche die Einsamkeit des Ichs in einer friedlichen Landschaft preist. Im Sechsachteltakt sanft dahingleitend, ist Paysage vor allem eine Herausforderung im Hinblick auf perfektes Legato und fein abgestuften Anschlag. Der im 19. Jahrhundert überaus populäre Hugo gab auch den Stoff für die vierte Etüde vor, der in der bildkräftigen Musik Liszts unmittel-

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bar nachvollziehbar ist: der Ritt des auf sein Pferd gebundenen ­Mazeppa, sein Sturz, der Tod des Pferdes und die Rettung Mazeppas. Über die dramatische Geschichte hinaus (die zuerst durch das ­Gedicht von Lord Byron popularisiert worden war) steht Mazeppa jedoch auch als Symbol für den geknechteten, doch schließlich ­triumphierenden Künstler – vor allem daraus erklärt sich das geradezu pompöse Finale dieser Etüde. Ansonsten wird an technischen Herausforderungen alles aufgeboten, was die Zeitgenossen Liszts das Staunen (und Fürchten) lehrte: donnernde Doppeloktaven, Glissandi über mehrere Oktaven, vor allem aber die Aufteilung der Klaviatur in wuchtige akkordische Außenstimmen und wüste Terzverläufe in der Mitte – dem Sog dieses mitreißenden Miniaturdramas kann man sich nur schwer entziehen. Ein weiteres interessantes Gegensatzpaar bieten die Nummern 5 und 6. Der Titel Feux follets (Irrlichter) beschreibt zutreffend den Charakter dieses in einem flirrenden Wirbel an Auge und Ohr vorbeiziehenden Spuks; mit Hilfe eines höchst diffizilen Klaviersatzes mit beständig wechselnden Akkordkombinationen – zu spielen größtenteils im Pianissimo – schuf Liszt ein quasi impressionistisches Klanggemälde. Weniger raffiniert, dafür ganz auf majestätische Wucht berechnet ist Vision: Das marschähnliche Thema wird von immer größeren Klangmassen umbrandet, wobei sich gewaltige ­Arpeggien und dramatische Tremoli den Rang des stärksten Effekts gegenseitig streitig machen. Bewundernswert ist, wie es Liszt gelingt, in der Nr. 7 Eroica (in Anspielung auf die Symphonie Beethovens) den Marschrhythmus unbeirrt von Anfang bis Ende beizubehalten, während in immer wieder veränderten Umspielungen die unerschöpfliche Klangphantasie des Komponisten zum Ausdruck kommt. Im Presto furisoso stürmt danach die Wilde Jagd (Nr. 8) auf den Zuhörer ein. Erst im Dur-­ Mittelteil beruhigt sich die Szenerie ein wenig, doch der Puls drängender Unruhe – Liszt wechselt mehrfach Taktart und Rhythmus – treibt das Stück unentwegt weiter, dem siegreichen Ende in C-Dur entgegen. In eine völlig andere Welt taucht die Musik mit Ricordanza ein. Ferruccio Busoni hat diese Etüde mit einem „Bündel verblasster Liebesbriefe“ verglichen – und damit anscheinend unfreiwillig ­genau seinen Charakter getroffen. Denn wie in keiner anderen der zwölf Etüden greift Liszt hier auf die allererste Fassung von 1826 zurück. Im poetischen As-Dur scheint die Welt eines Frédéric Chopin wieder aufzuerstehen, mit Belcanto-Melodien, sehnsuchts-

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vollen Schnörkeln – und einigen virtuosen, quasi-improvisatorischen Einsprengseln Lisztscher Natur. Mehr zum eigentlichen Etüden-­ Charakter, gespickt mit technischen Bravourstückchen, kehrt die Nr. 10 zurück, der Liszt dementsprechend auch nur die Tempo­ bezeichnung „Allegro agitato molto“ mitgegeben hat. Nach einer solchen Flut pianistischer Exaltationen kehrt das letzte Etüden-Paar in die Gefilde sinnlicher Poesie zurück. Was in Harmonies du soir (Abendstimmung) mit Glockenklang und Harfen zart beginnt, steigert sich nach und nach in einen machtvollen Hymnus, wobei auch hier die technischen Herausforderungen der vollgriffigen, weitgespreizten Akkorde nur Mittel zum Zweck für betörende Klangwirkungen sind. Nicht weniger anspruchsvoll ist auch das letzte Stück, Chasse-neige, in welcher noch einmal eine brillante Mischung aus Tremoli, chromatischen Skalen und weitgefächerten Sprüngen ein Schneetreiben von geradezu beängstigender Dichte suggeriert. Es beschließt diese ebenso imposante wie suggestive Etüdensammlung – und eröffnet zugleich einen Blick auf die musikalische Zukunft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Der Berliner Musikjournalist Michael Horst arbeitet als Autor und Kritiker für Zeitungen, Radio und Fachmagazine. Außerdem publizierte er Opernführer über Puccinis Tosca und Turandot und übersetzte Bücher von Riccardo Muti und Riccardo Chailly aus dem Italienischen.

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Sonority and Virtuosity Piano Etudes by Debussy and Liszt

Gavin Plumley

One of the many victims of 2020 has been K. Anders Ericsson, a Swedish-born psychologist based at Florida State University, who died suddenly in June. Over the course of his impressive career, he pioneered research into “expertise and expert performance.” His work spanned a variety of disciplines—sport, the arts and science— but most famously gave birth to the idea that the mastery of a musical instrument takes 10,000 hours of concerted work. Such effort not only concerns the learning of repertoire, outwardly the most appealing aspect of any such process, but also the unavoidable and, indeed, essential task of acquiring solid technique. As keyboard instruments developed, so too did the focus on technical aspects of their mastery. Following the example of Baroque composers who included technical studies—or studies in technique —within volumes of their work, including the pedagogical texts of Bach and Couperin, publications by Clementi, Czerny (Liszt’s erstwhile teacher), Hanon, and others might have proved drier in musical terms but were no less exacting in their demands. They certainly challenged both ambitious domestic musicians and professionals at the beginning of the 19th century. Alongside these deliberately instructive texts, other volumes combined writing for and to the instrument, but it was not until later in the 1800s, specifically with Liszt and Chopin, that works were written expressly to fuse technical exercises and a level of ­invention matching other genres. In the young Liszt’s Étude en

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48 exercices of 1826–7 (of which only 12 were written and published, the progenitors of the 12 Études d’exécution transcendante) and Chopin’s Grandes Études Op. 10, published in 1833, and Études Op. 25, issued four years later, emphasis was frequently placed on a specific aspect of pianism, but it was far from the composition’s sole purpose. Technique, and a formidable technique at that, was to exist within the score—these were not, after all, works for the domestic sphere. As a result, Liszt and Chopin’s concert studies left an indelible mark on the recital repertoire, even coming to suggest yet higher goals than mastery of the piano. Fittingly, it was to Chopin that Debussy dedicated his own Études during the summer of 1915. The two books (containing six pieces each) follow Chopin’s example of uniting aspects of pianistic and compositional technique. Between an exercise for five fingers, “after Monsieur Czerny,” and one for eight, the first book centers on particular intervals: thirds, fourths, sixths, and octaves. The second book, on the other hand, is guided by harmonic and motivic schemes, or their execution: chromatic degrees, ornaments, repeated notes, opposing sonorities, composite arpeggios, and chords. Outwardly, the Études are part and parcel of Debussy’s tendency towards Classicism during the summer of 1915. Based at Pourville on the Normandy coast, he composed En blanc et noir that year and began work on his (uncompleted) sequence of Sonates pour divers ­instruments, including the Cello Sonata and the Sonata for Flute, Viola, and Harp. Yet despite a seeming lack of programmatic flair or the type of poetic titles found in his earlier books of Préludes (1909–10; 1912–3), the Études are just as imaginative and challenging, often more so, as any of Debussy’s works for the keyboard. Following the example of Doctor Gradus ad Parnassum from Children’s Corner of 1908, Pour les cinq doigts d’après Monsieur Czerny lampoons one of the masters of pianistic study. The “ben legato” left hand provides the epitome of tedium, against which a cussed A flat sounds its scorn. The latter nonetheless gives birth to a much richer palette, which Debussy described as the “flowers of harmony” beneath the technical aspects of the work. Contrastingly, Pour les tierces may strike us as an exercise in harmony—it likewise has an “alien” note in the opening bar, challenging the tonal primacy of the piece—yet the etude demands much of the pianist in terms of sustaining legato chains of thirds and balancing the work’s inner voices. An air of nonchalance or otherworldliness breathes through Pour les quartes, not a million miles from La Fille aux cheveux de lin,

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though soon encompassing much broader textures and timbres. The opening of Pour les sixtes suggests a motivic link with its predecessor, while the juxtaposition of D-flat major and a jarring A natural ­recalls the second piece in the book. Here, however, a freer, almost improvisatory mood is conjured. Indeed, in one of his typically ironic commentaries, Debussy suggested that “the continuous use of sixths gave me the feeling of pretentious demoiselles embroidering sulkily in a salon.” Such a space also feeds into Pour les octaves, with the melody of its wild waltz doubled, parodying the coarser aspects of contemporary palm court orchestration. The first book then closes with a definite challenge: that the pianist not use his thumbs in the playing of Pour les huit doigts, even though Debussy was given to applaud contemporary rule-breaking performances of this ever-spooling piece. Pour les degrés chromatiques, the title of the opening etude of Book II, may falsely suggest that diatonicism has been at the core of everything preceding it, though here Debussy’s focus is not necessarily chromaticism itself but the vibrant delivery of such passages. In the eighth of the Études, Debussy looks beyond his Romantic dedicatee to earlier exponents of keyboard technique, namely Couperin and Rameau, as Pour les agréments concentrates on ornamentation as an essential aspect of expression. Less expansive is Pour les notes répétées, the driving magic and ­mechanics of which derived their inspiration from a railway journey Debussy had been obliged to take from Paris to the comparative safety of Angers at the outbreak of World War I. As has already been apparent, not least in Pour les tierces, Debussy constantly poses challenges of balance and voicing across his piano output, with various sonorities sounding at any one time. And it is to such a range that Pour les sonorités opposées speaks, a score littered with articulation and performance markings. There is a cool beauty to the opening of Pour les arpèges composés, though this etude soon reveals an alter ego, familiar from the variety hall acts of Debussy’s other compositions. Its theatrics are paving the way for the finale, Pour les accords, as the performer moves away from the footlights and takes to a trapeze for a last imposing dare, challenging even those performers with, as Debussy described, “formidable hands.”

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One such pianist was Liszt, whom Debussy met and heard play in Rome in 1885, not long before the Hungarian composer’s death. Liszt had managed to remain a prodigious virtuoso, just as he had been at the age of 14, when he began writing what would become his Études d’exécution transcendante. By that time, in 1826, Liszt had already studied with Czerny in Vienna —“never before had I had so eager, talented or industrious a student”—met Beethoven, moved to Paris, and performed throughout England. And there is something aptly compendious about the original Étude en 48 exercices. But as with so much of Liszt’s output, the score was subject to constant revision, gradually changing from youthful flourish to genre-shattering masterpiece. Significantly expanding the demands and scope of the Étude en 48 exercices, Liszt created the 12 Grandes Études in 1837–9—around the time he “dueled” in concert with rival virtuoso Sigismond Thalberg—before, finally, creating the Études d’exécution transcendante. They were published in 1852, by which time Liszt had settled in Weimar, where he revised many early compositions. The final title echoes the six-part Études d’exécution transcendante d’après Paganini (eventually published as the Grandes Études de Paganini), though the work’s 12-part nature reminds us of its original purpose. Like Bach and others before him, as well as Chopin during his own era, Liszt had intended to create a comprehensive, all-key collection of pieces that tested a pianist’s technical facility. So taxing were they, in fact, that Schumann’s review of the 1837–9 version not only noted that they were “fit for ten or 12 players in the world” but also described them as “studies in storm and dread.” In the final version, Liszt answered both observations: by “simplifying” some of the most demanding passages; and by adding poetic titles— he may well have had a program in mind from the start. Of all the Études, however, the first remains the least programmatic, though its whipping arpeggios may be interpreted as the stirring of a muse’s harp, an introductory gesture taken to vertiginous ends. There is a similarly Mephistophelean spirit to the edgy waltz of the second piece, recalling Liszt’s various responses to Lenau’s Faust. Rapid alternation of hands generates the propulsive energy of this danse macabre, the textures of which become denser as it hurtles ­towards a somewhat abrupt conclusion. Originally, the third piece, Paysage, took the form of an equally virtuoso toccata, but Liszt eventually created a song without words. It is still highly demanding, however, thanks to its organ-like touch. And there is tension

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too, between the richness of the palette and the doggedness of the harmonic pedals underpinning the texture. Marked “sempre fortissimo e con strepito” (always very loud and with a sense of uproar), the charging ritornello of Mazeppa features chains of double octaves, constantly switching between “lead voice” and accompaniment. A more reflective section follows, derived from the same material, though it is the charge of the eponymous future Cossack leader’s horse, galloping all the way to Ukraine and promptly dying, that commands our attention—shades here of Schubert’s ­Erl­könig, which Liszt transcribed. As feather-light and mercurial as ­Mazeppa is strident, Feux follets nonetheless proves equally intricate, before building, like the restive Vision, to a series of towering climaxes. While in Weimar, Liszt conducted Beethoven’s “Eroica,” and there is no doubt that the title of the seventh of his transcendental studies evokes that work, even his own performance. The characteristic dotted rhythm of the Symphony’s Marcia funebre is echoed too, though perhaps speaking more of an enduring heroism than providing further laurels for the strengthless dead. And as if the link were not clear enough, the cadence at the end of this stunning display of double octaves brings us firmly to E-flat major, the key of Beethoven’s original, before more triggers ring out in the trenchant C minor and dotted rhythms of Wilde Jagd, now disavowing the previous model. Originally composed in 1826, at the beginning of Rossini’s dominance of the Paris opera scene—Le Siège de Corinthe had its premiere that year—the melodic line of Ricordanza suggests bel canto by way of grand opera, though its angular chromaticism looks much further ahead. And then comes a final dose of Classicism in the sonata-form Allegro agitato molto, which originally included a Beethovenian coda. Having peered into the past, Liszt looks defiantly into the future in the final two pieces. Harmonies du soir predicts both the nocturnal world of Wagner’s Tristan und Isolde and Debussy’s gossamer pianism. Yet its occasionally queasy combination of velvet eroticism and hymnic piety is, Parsifal notwithstanding, Liszt’s very own. There follow more forward-looking gestures, in a “più lento con intimo sentiment” section, capped by an unequivocally “trionfante” coda in D-flat major. Following Liszt’s overall tonal scheme—major keys are trailed by their relative minors, before falling a fifth for the next in the chain—the elation of Harmonies du soir turns to the shivering B-flat

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minor of Chasse-neige, as another of Liszt’s Schubertian transcriptions is evoked: the fittingly epitaphic Winterreise. This last study begins quietly if insidiously, before Liszt unleashes a hellish blizzard, with all hope of transcendence vanishing in the snow.

Gavin Plumley is a writer and broadcaster specializing in the music and culture of Central Europe. He appears frequently on the BBC and writes for newspapers, magazines, and opera, concert, and festival programs worldwide. He also commissions and edits the English-language program notes for the Salzburg Festival.

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