Piotr Anderszewski

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Piotr Anderszewski Einführungstext von Michael Kube Program Note by Thomas May



PIOTR ANDERSZEWSKI Dienstag 14.

Dezember 2021 19.30 Uhr

Piotr Anderszewski Klavier

Johann Sebastian Bach (1685–1750) Das wohltemperierte Klavier Band II (1740/42) Präludien und Fugen – Auswahl I. C-Dur BWV 870 XII. f-moll BWV 881 XVII. As-Dur BWV 886 VIII. dis-moll BWV 877 XI. F-Dur BWV 880 XXII. b-moll BWV 891 VII. Es-Dur BWV 876 XVI. g-moll BWV 885 IX. E-Dur BWV 878 XVIII. gis-moll BWV 887 XXIII. H-Dur BWV 892 XXIV. h-moll BWV 893

Keine Pause

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„ … was für contrapunktische Künste anzubringen wären“ Bachs Wohltemperiertes Klavier

Michael Kube

Vielen Dank für die Wolken. Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel. Hans Magnus Enzensberger, Empfänger unbekannt – Retour à l’expéditeur

Für Robert Schumann war es das „Werk aller Werke“, Hans von Bülow sah in ihm gar das „Alte Testament“ des Klavierspiels (als Gegenstück zum „Neuen Testament“ der Beethovenschen Klaviersonaten). Kaum treffender und emphatischer lässt sich der Stellenwert beschreiben, der Bachs Wohltemperierten Klavier seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zukommt: kompositionstechnisch, ästhetisch wie auch pianistisch. Er spiegelt sich auch in einer zunehmenden Mytho­ logisierung der Komposition, die Ludwig Rellstab 1790 – ganz im Zeichen der allmählichen Ausprägung eines (auch politisch motivierten) nationalen Bach-Bildes – hervorhob als „das Erste und ­Bleibendste was die deutsche Nation als Musikkunstwerk aufzuzeigen hat.“ In Anlehnung an diese Formulierung sah der Bach-Biograph Johann Nikolaus Forkel gar „in beyden Theilen dieses Werks einen Schatz von Kunst enthalten, der gewiß nur in Deutschland gefunden wird“. Und dennoch tritt der zweite Teil mit seinem erneuten Durchgang durch alle 24 Dur- und Molltonarten, wiederum mit dem Satzpaar von Präludium und Fuge, in der Praxis des Klavierspiels seltsam hinter den ersten zurück. Im angelsächsischen Sprachraum hingegen bildete sich die ebenso liebevolle wie sachlich vollkommen korrekte Bezeichnung „the forty-eight“ aus.

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Non plus ultra und täglich Brot Weder zum öffentlichen noch zum privaten Vortrag, wohl aber als Studienwerk erlangte das Wohltemperierte Klavier schon früh herausragende Beachtung. So berichtete etwa Ernst Ludwig Gerber über das Studium seines Vaters Heinrich Nicolaus beim Leipziger Thomaskantor: „In der ersten Stunde legte er ihm seine Inventiones vor. Nachdem er dieses zu Bachs Zufriedenheit durchstudirt hatte, folgten eine Reihe Suiten und dann das temperirte Klavier. Dies letztere hat ihm Bach mit seiner unerreichbaren Kunst dreymal durchaus vorgespielt.“ Zahlreiche weitere Dokumente aus den nachfolgenden Jahrzehnten zeugen von der Verbreitung des Werkes sowohl zur Herausbildung praktischer pianistischer Fähigkeiten als auch zur schöpferischen Durchdringung der polyphonen Faktur. Dies tritt auf beispielhafte Weise zutage in der Wiener und Leipziger Traditionen verbindenden Form des Unterrichts von Georg Christoph Wagenseil, wie ihn Beethovens späterer Lehrer Johann Baptist Schenk in seiner Autobiographie erinnert: „Wagenseils Lehrmethode in der musikalischen Komposition war nach Johann Fuchs [Gradus ad Parnassum], welcher selbst sein Lehrer war [...]. Die Präludien und Fugen von Sebastian Bach, so auch die Claviersuiten von Händl, waren meine Übungswerke.“ Beethoven selbst soll im Alter von elf Jahren bereits weite Teile des Wohltemperierten Klaviers (allerdings wohl nur den ersten Teil) beherrscht haben, „welches ihm Herr Neefe unter die Hände gegeben. Wer diese Sammlung von Präludien durch alle Töne kennt, (welche man fast das ‚non plus ultra‘ nennen könnte,) wird wissen, was das bedeute.“ Auch Mozart habe nach Auskunft seines durch Constanze gut informierten Biographen Georg Nikolaus Nissen in den späten Wiener Jahren das Werk „immer auf seinem Claviere“ gehabt. Felix Mendelssohn Bartholdy lernte es durch seine Mutter Lea kennen (so die Erinnerungen von Adolf Bernhard Marx): „In ihr lebten Traditionen oder Nachklänge von Kirnberger her; von dorther war sie mit Seb. Bach bekannt geworden und hatte das unausgesetzte Spiel des temperirten Klaviers ihrem Hause eingepflanzt.“ Von Johannes Brahms ist durch die Pianistin Florence May über­ liefert, dass er gleich mehrere Druckausgaben des Werkes besaß und es zur Grundlage seines Unterrichts machte. Diese Beachtung und Wertschätzung des Wohltemperierten Klaviers vor allem im Kreis der von Carl Hermann Bitter so titulierten ­„Musiker von Rang und der Musikfreunde von tieferer Bildung“

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geht auf ein vorrangiges Interesse an den in diesem Werk versammelten historischen Stilen und kompositionstechnischen Verfahren zurück. So kulminierte die damit verbundene theoretische Aus­ einandersetzung, die sich vor allem auf formale Momente des ­linearen Satzes konzentriert, schon früh in Hugo Riemanns sprödem Katechismus der Fugen-Komposition (ab 1890), der in seinen ersten ­beiden Teilen laut Untertitel nichts anderes als eine „Analyse des wohltemperierten Klaviers“ darstellt. Die Bedeutung des Werks als Kompendium für die Ausbildung polyphonen Denkens im ­praktischen wie auch im schöpferischen Sinne hielt allerdings schon 1848 Robert Schumann in seinen Musikalischen Haus- und Lebensregeln mit geradezu religiösem Impetus fest: „Das Wohltemperierte Klavier sei dein täglich Brot. Dann wirst du gewiß ein tüchtiger Musiker.“ Die Handschrift: ein Portfolio Im Gegensatz zum ersten Teil, der in einer von Bach selbst mit 1722 datierten Reinschrift vorliegt, befindet man sich hinsichtlich der Entstehung und Überlieferung des zweiten Teils auf unsicherem Boden. Hier nämlich existiert keine verbindliche Fassung „letzter Hand“, sondern nur das unvollständig überlieferte Autograph einer früheren Fassung. Es erscheint sogar fraglich, ob die heute gängige, durch eine wichtige Abschrift bezeugte Bezeichnung der Sammlung als „zweiter Teil“ überhaupt auf Bach selbst zurückgeht. Hatte Bach beim ersten Durchgang durch alle Dur- und Molltonarten auf ältere Werke zurückgegriffen, diese erweitert, revidiert und ­transkribiert, um auch die entfernten Tonarten zu bestücken, so war der im ersten Teil noch zu erobernde „wohltemperierte“ Tonraum für den um 1740 angelegten zweiten Durchgang selbstverständlich verfügbar geworden. Zyklische Strukturen lassen sich ­überdies kaum ausmachen, vielmehr scheint Bach wirklich eine „Sammlung“ ­angelegt zu haben. Das so genannte Londoner ­Autograph besteht aus einer Folge von einzelnen, ungehefteten ­Papierbögen, die sich leicht für das Spiel am Klavier aus der Mappe bzw. dem Portfolio ­herausnehmen ließen: Auf der vorderen Doppelseite ist jeweils das Präludium notiert, auf der durch einfaches ­Wenden zu erreichenden Rückseite die dazugehörige Fuge.

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Präludien und Fugen: Typen und Stile Eigenartigerweise ist es gerade die Heterogenität sowohl der beiden Teile im Allgemeinen als auch der 48 Satzpaare im Besonderen, die am Wohltemperierten Klavier bis heute fasziniert. Denn abgesehen vom übergeordneten chromatischen Durchgang durch alle Tonarten enthielt sich Bach weiterer Systematisierungen. Vielmehr machte er sich die Umstände der Entstehung der einzelnen Stücke zunutze: Zu älteren, die wieder aufgenommen, erweitert und revidiert ­wurden, kamen auch neue hinzu. So war eine gestalterische Freiheit gegeben, die überhaupt erst in einer querschnittartigen Bündelung der all­gemein verfügbaren Stile und Formen ganz individuelle Satzpaare ermöglichte. Dies gilt vor allem für die Präludien, doch auch die ­Fugen weisen mit der Vielfalt der thematischen Gestalten eine Fülle auf, die das Werk in den Rang eines Kompendiums erhob (erst später realisierte Bach in der Kunst der Fuge eine Steigerung dieses Prinzips, indem er schrittweise die gestalterischen Möglichkeiten ­eines musikalischen Subjekts auslotete). Zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Wohltemperierten Klaviers lässt sich zudem der allgemeine stilistische Wandel beobachten, der sich im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts allmählich vollzog. Die Eckpunkte dieses Prozesses markieren zum einen die frühen, wie improvisiert erscheinenden Stücke, die dem Klavierunterricht für Wilhelm Friedemann entstammen (beispielhaft das bekannte Präludium C-Dur aus dem ersten Teil), zum anderen jene zweiteilig angelegten Sätze aus dem zweiten Teil, die bereits dem galanten Stil verpflichtet sind – so etwa das zwischen Konzert- und Sonatensatz stehende Präludium f-moll (Nr. 12) und das außerordentlich ­klavieristisch gesetzte Präludium gis-moll (Nr. 18). Wieder andere Sätze lassen sich als Sonate oder Concerto en miniature denken, als Adaptionen von Satztechniken, die sonst eher in geringstimmiger Kammermusik oder konzertanten Werken für größere Ensembles anzutreffen sind. Das Präludium b-moll (Nr. 22) beispielsweise weist die Faktur „à 3“ einer italienischen Triosonate für zwei Violinen und Basso continuo im Stile Arcangelo Corellis auf. Deutlich kontra­ punktischer (und in diesem Sinne „ganz Bach“) ist das Präludium a-moll (Nr. 22) gestaltet. Obwohl nur zweistimmig, wirkt es mit ­seiner expressiven, auf einem Lamentobass basierenden Chromatik und dem zu einem Netzwerk verdichteten Stimmtausch mit ­Umkehrung ebenso kunstvoll wie kalkuliert, so dass Hermann Keller noch 1965 von einer „Verstandesmusik höchster Ordnung“ sprechen

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Ich habe mich lange gefragt, bis zu welchem Ausmaß Bachs Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier für das Konzertpodium geeignet sind. Obgleich sie bewusst in einer ­logischen chromatischen Abfolge veröffentlicht wurden, scheint mir, dass die Stücke in dieser Anordnung emotional und musikalisch nicht zwangsläufig so auf­ einanderfolgen müssen. Abgesehen davon möchte ich Werke von einer derart großartigen Architektur und Ausdrucksvielfalt – Werke, die dem Interpreten und dem Hörer ­nahezu grenzenlosen Raum zur Erkundung bieten – unbedingt spielen und mit dem Publikum teilen. Schaut man hinter den gelehrten Kontrapunkt, den diese Werke entfalten, stellen sie sich für mich als Charakterstücke dar, und ­während ich sie studiert habe, erkannte ich, wie wichtig es ist, jedem Fugenthema einen jeweils eigenen Charakter zuzuteilen (Bach lässt uns hier völlige Freiheit, es gibt keinerlei Angaben des Komponisten). Ich bin überzeugt, dass man, um die ganze architektonische Präzision und Schönheit dieser Werke zu zeigen, ihre bestimmten Eigenarten von der ersten Stimme an, die jede Fuge einleitet, bis zum Ende des Stückes möglichst streng durchführen muss. Ich habe mich dafür entschieden, zwölf Präludien und Fugen aus Teil 2 in einer von mir gewählten Abfolge zusammenzustellen, die manchmal auf der Verwandtschaft von Tonarten beruht, die auf eine natürliche Weise miteinander funktionieren, und manchmal auf Kontrasten, die die Stücke unwiderstehlich miteinander zu ­verbinden scheinen. Indem ich diese Werke in dieser besonderen Abfolge spiele, möchte ich eine Dramatik erzeugen, die einen Zyklus andeutet: zwölf Charaktere, die miteinander konversieren und einander ­spiegeln. Piotr Anderszewski

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konnte. Eigenartig, dass seit Bachs Zeit eher die als äußerst kompliziert empfundene Harmonik im Vordergrund der Betrachtungen steht. Bereits Johann Philipp Kirnberger versuchte in seiner 1773 ­gedruckten Schrift über Die wahren Grundsätze zum Gebrauch der Harmonie den Verlauf der ersten Takte auf das Gerüst eines bezifferten Generalbasses zurückzuführen, statt linear zu lesen und zu hören. Mit dem letzten Präludium h-moll (Nr. 24) verknüpft Bach dann aber seine Gegenwart mit der Zukunft. Durch die Gliederung in ­Ritornelle und Episoden formal ein Konzertsatz und motivisch der ­Invention verwandt, gleicht die Anlage des Satzes über weite Strecken der einer „Sonata à 2“. Hinzu kommt jedoch eine in ihrer Strenge verblüffend periodische Gliederung des Verlaufs in jeweils paarweise auftretende, vier Takte umfassende Gruppen, mit der Bach wohl jüngere Stilentwicklungen reflektierte. Auch in den Fugen zeigt sich Bach von einer überraschend vielfältigen Seite, obgleich er auf zwei- oder fünfstimmige Sätze, wie sie sich noch im ersten Teil des Wohltemperierten Klaviers finden, verzichtet. Sie sind im zweiten Teil durchweg drei- oder vierstimmig angelegt, zeichnen sich aber durch eine unterschiedliche Dichte aus. Die Fuge c-moll (Nr. 2) mit nur 28 Takten Umfang weist etwa ein knapp formuliertes Subjekt auf, dessen Einsätze markant hervor­ treten und das im weiteren Verlauf Augmentation (Vergrößerung der Notenwerte) und Umkehrung (der Bewegungsrichtung) zulässt. Weitaus umfangreicher präsentieren sich demgegenüber die aus zwei Themen gestalteten Doppelfugen cis-moll (Nr. 4) und gis-moll (Nr. 18) sowie die drei Themen vereinende Tripelfuge fis-moll (Nr. 14). Ob die einzelnen Stücke darüber hinaus stark ­diatonisch geprägt (B-Dur, Nr. 21), chromatisch angereichert (d-moll, Nr. 6) oder im stile antico geschrieben sind (E-Dur, Nr. 9), ist nicht dem Zufall überlassen – ganz so, wie dies Carl Philipp ­Emanuel Bach in einer biographischen Notiz über seinen Vater ­festgehalten hat: „Bey Anhörung einer starck besetzten und vielstimmigen Fuge, wuste er bald, nach den ersten Eintritten des Thematum, vorherzusagen, was für contrapunktische Künste möglich ­anzubringen wären u. was der Componist auch von Rechtswegen anbringen müste, und bey solcher Gelegenheit, wenn ich bey ihm stand, und er seine Vermuthungen gegen mich geäußert hatte, freute er sich und stieß mich an, als seine Erwartungen eintrafen.“

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Nachwehen im 19. und 20. Jahrhundert Zuvor nur handschriftlich und vielfach in Auszügen überliefert, erlangten die insgesamt 48 Werkpaare beider Teile des Wohltemperierten Klaviers nach der Drucklegung in den Jahren 1801/02 nicht nur rasch große Verbreitung, sondern dienten bald auch vielen Komponisten als Bezugspunkt für eigene Werke. Bemerkenswert ist dabei allerdings die auffällige Veränderung bei der Disposition der Tonarten, die auch über das gewandelte Verständnis der Harmonik des erschlossenen Tonraums Auskunft gibt. Die bei Bach noch einem linearen, an Tonstufen orientierten Denken entsprungene chromatische Abfolge (C–c–Cis– cis–D–d usw.) wurde zugunsten einer Ordnung im aufsteigenden Quintenzirkel aufgegeben, wie sie sich in den Préludes von Chopin, Stephen Heller und Schostakowitsch (op. 34) findet. Entsprechend der funktionsharmonisch ausgerichteten Gesamt­disposition veränderte sich auch die Paarbildung der Tonarten. So folgt der Durtonart nicht länger die auf dem gleichen Grundton ­basierende Mollvariante, ­sondern die Parallele auf der VI. Stufe (C–a–G–e–D–h usw.). Noch einen Schritt weiter gingen Ignaz Moscheles (24 Etüden op. 70) und Hans Huber (Präludien und Fugen in allen Tonarten op. 100), die auf eine Ordnung der verfügbaren Tonarten ganz verzichteten. Und mit der Auflösung und Erweiterung des tonalen Dur-Moll-Systems im 20. Jahrhundert eröffneten sich ­weitere Möglichkeiten: So unterschied Paul von Klenau in seinen 12 Präludien und Fugen von 1939/41 nicht länger zwischen den ­alten Tongeschlechtern, und Ivan Wyschnegradsky adaptierte den Durchgang per omni toni gar für seine „ultrachromatische Vierteltonleiter“, ein Klangsystem von 24 gleich weit voneinander entfernten Tönen innerhalb einer Oktave, auf dem seine 1935 entstandenen 24 Préludes basieren. Als unmittelbarer Reflex auf das Wohltemperierte Klavier sind hingegen Paul Hindemiths zunächst pädagogisch motivierter Zyklus Ludus ­tonalis von 1942 wie auch Schostakowitschs 1950/51 komponierte 24 Präludien und Fugen op. 87 anzusehen – beide Werke wurden von den Feierlichkeiten zum Bach-Gedenkjahr 1950 und einem ­Besuch in Leipzig angeregt.

PD Dr. Michael Kube ist Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe, Herausgeber zahlreicher Urtext-Ausgaben und Mitarbeiter des auf klassische Musik spezialisierten Berliner Streaming-Dienstes Idagio. Seit 2015 konzipiert er die Familienkonzerte der Dresdner Philharmoniker. Er ist Juror beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik und lehrt an der Musikhochschule Stuttgart sowie an der Universität in Würzburg.

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Curating The Well-Tempered Clavier Piotr Anderszewski’s “Characters Conversing”

Thomas May

The term “encyclopedic,” frequently used to depict Johann Sebastian Bach’s preoccupation with exhaustive, all-encompassing systems, seems particularly well-suited to the project known as Das wohltemperierte Klavier (The Well-Tempered Clavier). Having already traversed the universe of both major and minor keys for each of the twelve tones of the chromatic scale in Book I (completed in 1722), Bach returned to the idea in the 1730s and compiled a whole second cycle, which he finished no later than 1744. Metaphors of Bach’s scholarly, scientific endeavors to survey and add to the sum of human knowledge have been extended to suggest spiritual revelation—most famously, in the conductor Hans von Bülow’s comparison of the Well-Tempered Clavier to the Old Testament, with Beethoven’s 32 piano sonatas comprising the New. (“We must believe in both,” he added.) One of the dangers of such composer worship, ironically, is that it sells Bach’s artistic achievement short, to the extent that it implies notions of ­completed revelation, “the last word,” a closed canon. What if we approached Bach as a source of open-ended— indeed, never-ending—revelation instead? That is precisely what Piotr Anderszewski has set out to do in the unique program he has curated from the abundance of the Well-Tempered Clavier’s Book II; the program also appears on his most recent recording, which he made in Berlin at the end of 2019 and in the summer of 2020. Even though the paired preludes and fugues “were deliberately published in a logical chromatic order,” observes the pianist, “it seems to me that that order is not one in which the pieces follow each other with an emotional, musical inevitability.”

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Believing that these works “offer both the interpreter and the listener almost limitless scope for exploration,” Anderszewski altered the usual perspective by “looking beyond the contrapuntal science they display” in order to treat them above all as “character pieces”— in particular, to ascribe “a specific character” to each fugue. “I am convinced that in order to reveal all their architectural rigor and beauty, these distinct characters must be carried from the first voice introducing each fugue right through to the end of the piece, as implacably as possible,” he explains. Anderszewski’s selection of half of the 24 preludes and fugues from Book II overrides and contrasts with the logically predictable pattern of Bach’s original layout, which ascends the chromatic ladder in semitone sequence as it presents the major-minor binary for each tonic. Instead, Anderszewski has chosen a “subjective” ­sequence “based sometimes on key relationships that work naturally with one another, at other times on contrasts which seem to draw the pieces irresistibly together,” he writes. “The idea behind playing these works in this specific order is to create a sense of drama suggestive of a cycle: 12 characters conversing, mirroring each other.” The Origins of The Well-Tempered Clavier Book II What was the impetus for Bach to return, in his maturity and on the threshold of his late period, to a compositional challenge he had already met with such surpassing brilliance in Book I? The practice of following a given opus with a “second take” based on the same idea as the original was, according to the Bach expert Christoph Wolff, “an absolute anomaly in the composer’s oeuvre.” Yet by this point in his career—after completing the monumental projects of his first decade in Leipzig—Bach was reassessing and ­reaffirming his legacy. The very success of The Well-Tempered Clavier Book I since its completion in 1722 as a didactic text—it was well known among his circle—may have prompted Bach nearly two decades on to ­consider enhancing what he had achieved there. At the same time, Wolff observes, the composer was at first careful to distinguish the new effort from its companion. He even considered using the French titles “Prélude” and “Fugue” (as opposed to the Latin ­“Praeludium” and “Fuga”) “presumably in order to suggest the ­modernity of the new pieces relative to the more traditional styles of the first set,”

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though eventually he opted for the same academic Latin headings he had used in Book I. Not until the 1744 manuscript prepared by his copyist did the title Well-Tempered Clavier, Second Part appear. No fair copy of Book II in Bach’s own hand has survived. This book has a more complicated manuscript history overall than its predecessor from 1722, the final year before the composer began his Leipzig tenure. Bach likely began putting together this second collection starting in the late 1730s, drawing on earlier pieces, which he revised for this new context, but also incorporating brand-new compositions. The preludes and fugues are presented as integral pairs, whereas they are numbered separately in Book I. Bach deliberately takes account of “the preferences and needs of a younger generation of students” in Book II, observes Wolff, but the volume’s overall style also reveals “the shifting priorities of the composer himself,” which might be summed up as a “general ­stylistic trend toward leaner polyphony”—hence the dominance of three-part fugues (15 of the 24), with only nine of the fugues composed for “the more traditional four parts.” The principle of a systematic journey across all possible keys—a kind of tonal circumnavigation—was not unprecedented. There had been collections in previous centuries covering the spectrum of modes, for example, while as recently as 1702, Bach’s older con­ temporary Johann Caspar Ferdinand Fischer had published a ­collection of prelude-fugue pairs for organ, titled Ariadne musica, that ascend the chromatic scale, though his work does not account for all 24 keys. But it took Bach to find a way through the complete labyrinth. “In practice,” according to Wolff, no one before Bach had so thoroughly demonstrated “the musical manageability of all 24 chromatic keys, a system that earlier had been considered only theoretically.” The inspiration for this undertaking can be attributed to “the general spirit of discovery spurred by the Scientific Revolution,” which in Bach’s early youth “had prompted a new spurt of mathematical and physical research … to expand and systematize the ­conventional tonal system.” The Well-Tempered Clavier thus represents, on one level, an epic verification of a new kind of tuning system whose “implications for chromatic harmony would take another century to be fully realized.” A quick note of caution is in order: Bach’s celebration of “well-tempered” tuning is not to be equated with the equal temperament of modern keyboards, which divides the octave into twelve uniformly spaced semitones. Exactly what

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temperament system Bach used remains a matter of debate: its “cheating” of natural harmonics allowed for a compromise he found ideal, making it possible to play and modulate among all 24 keys, while at the same time preserving the unique timbral ­character and “mood” traditionally associated with each key— a dimension that was sacrificed by the adoption of real equal-­ temperament systems. Celebration of Variety Major/minor is not the only binary at issue here. Formally, the pairing of a prelude and a fugue in the major (“tertia maior”) and minor (“tertia minor”) key for each of the twelve tones entails an intriguing comparison/contrast between two dramatically contrasting styles of composition. The quasi-improvisatory character of the prelude is juxtaposed with the discipline and order of the fugue, which demands tight compositional control. Yet Book II’s preludes (like its fugues) are generally longer and more elaborate than their counterparts in Book I. Nearly half of the Book II preludes are in bipartite form, approaching the character of the mid-century sonata cultivated by Bach’s sons—a form that would later gain precedence as developed in Classical style. Some of the preludes even include fugal elements. Both the preludes and the fugues of Book II moreover combine tonal variety—the cycling through all 24 keys— with enormous stylistic and compositional variety. This is the other “encyclopedic” aspect to the Well-Tempered Clavier: the way in which these pieces survey the range of historic and contemporary styles available in Bach’s day, along with their associated affects. Piotr Anderszewski’s chosen sequence—his personal anthology—highlights the extremes of this variety. Anchored by a bass octave pedal, the Prelude in C major launches the proceedings with the confident radiance of a new dawn (all the more pronounced as an implied response to the darkness of the B-minor Prelude and Fugue that had brought Book I to its conclusion). The three-part fugue presents a characteristically ingenious subject that resonates with internal echoes. From here, Anderszewski forges ahead to the F-minor pair that mark the end of the first half of Book II—with the subjective empfindsamer Stil pioneered by the composer’s son Carl Philipp Emanuel, as evident in the “sighing” motif of the prelude. The fugue seems well-suited to a concerto.

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Another, smaller tonal leap brings us to the Prelude and Fugue in A-flat major, which together form a veritable epic in miniature. The pair also bring together Book II’s disparate sources: the prelude is a newly fashioned piece, while the fugue, which presents two countersubjects, derives from an earlier work. Anderszewski then turns back in Bach’s tonal scheme to the D sharp–minor Prelude and Fugue—the unusual key signature signaling the versatility made possible by the well-tempered system, in which D sharp is equivalent to E flat. This prelude is a two-part invention, while the fugue ­contains arguably the profoundest emotions in Book II— indeed, it has inspired comparisons with Aeschylean tragedy or with Bach’s own Passion settings. Mozart took particular note of this music in his studies of Bach. The F-major pair begins with the marvelously expansive architecture of the prelude, only to culminate in the merriment of the fugue, a boisterous gigue notated in 6/16 meter. What a dramatic leap from here to the B flat–minor Prelude and Fugue. The trio style of the prelude prepares the way for the longest and most ­ascetic of Book II’s fugues, with its masterful use of stretto. This is where Bach is looking ahead to his own great late-period projects, such as The Art of Fugue. The Prelude and Fugue in E-flat major in themselves embody a powerful contrast, moving from the dancing galant gestures of the prelude to the stile antico homage of the fugue—one of Book II’s four-part examples—with its nobly ascending fifth. The musicologist Wilfrid Mellers noted the numerological significance of the three flats in E-flat major for Bach, which symbolized “the peace of mind that flows from the Trinity. Earthly matters return in the G-minor Prelude’s dotted figures, suggesting pomp and ceremony; but these give way to another powerful anticipation of Bach’s final years in the corresponding fugue, whose subject makes expressive use of ­silences. The E-major pair begins with a calm, placid prelude ­followed by a dignified fugue that echoes stile Antico. The Prelude and Fugue in G-sharp minor leads from empfindsamer Stil sighs to a complex three-part double fugue. As imitate and interior as the B flat–minor Fugue had been, the Prelude in B major opens up an extroverted perspective appropriate to the public style of concerto playing. The ensuing fugue is in four parts, opening with a subject that rises and descends. Concerto style is again invoked in the Fugue in B minor with which Bach concludes Book II—and Anderszewski his personal selection.

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­ ollowing a beautifully balanced pairing of voices in the two-part F invention that comprises the prelude, the three-part fugue issues an invitation to the dance, deploying the rhythmic energy of the passepied. Alongside their didactic, scholarly, encyclopedic attainments, both books of the Well-Tempered Clavier celebrate discipline as the catalyst for a breathtaking liberation of creativity.

Thomas May is a writer, critic, educator, and translator whose work appears in The New York Times, Gramophone, and many other publications. The English-language editor for the Lucerne Festival, he also writes program notes for the Ojai Festival in California.

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