Philharmonisches Oktett Berlin

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Philharmonisches Oktett ­Berlin Einführungstext von Anne do Paço Program Note by Harry Haskell


PHILHARMONISCHES OKTETT BERLIN Mittwoch 22.

Dezember 2021 19.30 Uhr

Wenzel Fuchs Klarinette Mor Biron Fagott Stefan Dohr Horn Daishin Kashimoto Violine Romano Tommasini Violine Amihai Grosz Viola Christoph Igelbrink Violoncello Esko Laine Kontrabass


Franz Schubert (1797–1828) / Hans Abrahamsen (*1952) Vier Stücke aus Moments musicaux D 780 (1823–28) Bearbeitung für Oktett (2021) Deutsche Erstaufführung Nr. 1 C-Dur. Moderato Nr. 2 As-Dur. Andantino Nr. 3 F-Dur. Allegro moderato Nr. 6 As-Dur. Allegretto

Toshio Hosokawa (*1955) Texture für Oktett (2020)

Franz Schubert Oktett F-Dur D 803 (1824)

I. Adagio – Allegro II. Adagio III. Allegro vivace – Trio IV. Thema. Andante – Var. I–VII – Più lento V. Menuetto. Allegretto – Trio VI. Andante molto – Allegro – Andante molto – Allegro molto

Keine Pause

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Licht und Schatten, Töne und Schweigen Werke für Oktett von Abrahamsen, Hosokawa und Schubert

Anne do Paço

Es war die Strahlkraft eines erst lange nach dem Tod seines Schöpfers ins Repertoire gelangten Werks von außergewöhnlichem Anspruch, das vor mehr als 70 Jahren zur Gründung eines Ensembles führte, in dem bis heute die „ersten Pulte“ der Berliner Philharmoniker vereint sind: Franz Schuberts Oktett F-Dur D 803. Als Paradestück spielt es nicht nur eine zentrale Rolle in den Konzertprogrammen des Philharmonischen Oktetts Berlin, sondern dient immer wieder auch als kreativer Denkanstoß, Ausgangspunkt, Projektionsfläche, Dialogpartner – und repräsentiert nicht zuletzt den „State of the Art“. Das gilt auch für das heutige Programm, das dem Oktett zwei zeitgenössische Werke gegenüberstellt. „Wie Gedichte, kurz und präzise“ Hans Abrahamsen instrumentiert Schubert Klavier- oder Kammermusik Franz Schuberts für Ensemble oder Orchester zu bearbeiten hat gewissermaßen Tradition, seit Gustav Mahler das d-moll-Streichquartett D 810 („Der Tod und das Mädchen“) für Streichorchester instrumentierte und Franz Liszt die „Wanderer-Fantasie“ D 760 als großes symphonisches Werk für Klavier und Orchester umformte. Weit mehr als Mahlers Weitung des Quartetts zum Streicherensemble verlangte Liszts Bearbeitung

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Entscheidungen darüber, wie sich der Klavierklang auf ein differenziertes Instrumentarium übertragen lässt. Diesen Adaptionen folgten weitere wie jene der Sechs Deutschen Tänze D 820 durch Anton Webern oder die Orchesterversion der Fantasie f-moll für zwei ­Klaviere D 940 von Rolf Liebermann. Und auch Hans Abrahamsens Oktett-Bearbeitung von vier Stücken aus den Moments musicaux steht in dieser Tradition – ist aber zugleich aufs Engste mit persönlichen Fragestellungen und Erlebnissen des Komponisten verbunden. Geboren 1952 im dänischen Lyngby, zählt Abrahamsen zu den singulären Stimmen der musikalischen Avantgarde. Die Faszination seiner Musik liegt in ihrer unmittelbaren Expressivität, die jedes ­Pathos scheut und ihre Kraft aus einem äußerst präzisen Blick auf das musikalische Material und großer Klarheit und Transparenz in der Ausgestaltung bezieht. Eine Art Schneise durch sein Schaffen zieht sich in den Jahren von 1990 bis 1998 – eine Zeit der schöpfe­r ischen Krise, die Abrahamsen selbst im Rückblick als seinen „­ Winterschlaf“ bezeichnete. In dieser Phase wandte er sich intensiv dem Studium anderer Komponisten wie Johann Sebastian Bach, György Ligeti, Carl Nielsen, Robert Schumann, Arnold Schönberg oder Claude Debussy zu – Auseinandersetzungen, aus denen mehrere Bearbeitungen hervorgingen. Und auch 2019 diente Abrahamsen, wie er in seinem Werkkommentar schreibt, die Instrumentierung ­einer fremden Partitur zur „Überbrückung“, um mit der Arbeit an seinem Hornkonzert voranzukommen: Schuberts Moments musicaux, die ihm seit seiner Kindheit aufs engste vertraut sind und aus denen er nun vier Stücke für Oktett setzte. Wie bei seinem Hornkonzert hatte er auch bei dieser Bearbeitung den Hornisten Stefan Dohr im Blick – und mit ihm das Philharmonische Oktett, das nach der Uraufführung im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins die vier Stücke heute in Berlin zur deutschen Erstaufführung bringt. Schubert publizierte die Moments musicaux in seinem letzten Lebensjahr 1828, doch die Sammlung ist über einen längeren Zeitraum entstanden: Bereits 1823 war das dritte Stück unter dem Titel „Air russe“ erschienen, ein Jahr später das sechste als „Plaintes d’un troubadour“. Zusammen mit Beethovens Bagatellen op. 126 legten die Moments musicaux den Grundstein für jene Form des Charakterstücks, die für die nachfolgenden Generationen ein so großes kompositorisches Feld eröffnete. Und bis heute faszinieren die Stücke in ihrer Bandbreite an Stimmungen und ihrem Spiel mit den für Schubert so ­typischen „Lichtwechseln“. Mit „Gedichten, kurz und präzise und sehr poetisch im Ausdruck“ vergleicht Abrahamsen die Miniaturen,

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deren Klavierklang er auf höchst einfallsreiche Weise mit den aus Schuberts Oktett abgeleiteten instrumentalen Farben koloriert, ohne ihnen etwas von ihrer Substanz zu nehmen oder Fremdes von außen aufzudrücken. Schönheit aus dem Wissen um die Vergänglichkeit Toshio Hosokawas Texture Der aus Hiroshima stammende Toshio Hosokawa schöpft seine Musiksprache aus dem Spannungsfeld zwischen westlicher Avantgarde und traditioneller japanischer Kultur, dem aktiven Gestalten der Zeit, wie es für die abendländische Musik typisch ist, und ihrer „fließenden“ Ausdehnung, wie sie der Zen-Buddhismus begreift. Musik ist für ihn eine Kunstform, in der sich „Töne und Schweigen“ begegnen. Als Student der Fächer Komposition und Klavier in ­Tokio war Hosokawas Blick zunächst vor allem auf die westliche Musik gerichtet. Im Alter von 21 Jahren übersiedelte er 1976 nach Deutschland, um bei Isang Yun in Berlin und Klaus Huber in Freiburg in die Lehre zu gehen. Über diesen „Umweg“ erwachte sein Interesse an den vielfältigen Stilen und dem Instrumentarium der Musik seiner Heimat. Texture zählt zu den jüngsten Kompositionen Hosokawas und entstand im Auftrag der Stiftung Berliner Philharmoniker und der Japan Art Corporation für das Philharmonische Oktett. Die für Mai 2020 im Rahmen der Philharmonischen Kammermusik geplante Uraufführung musste pandemiebedingt auf ein Konzert ohne Publikum in der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker am 6. Juni 2020 verschoben werden. Wie Hosokawa in einem Gespräch mit dem Konzertmeister Daishin Kashimoto erläutert, hatte er bei der Komposition die acht Interpreten des Ensembles fest im Blick: „Der Titel Texture bedeutet etwas Gewobenes. Jeder Interpret ist wunderbar und jeder Musiker soll zur Geltung kommen. Zugleich sollen alle Interpreten zusammenwirken, sodass ein wunderschönes Gewebe entsteht.“ Im vierfachen Pianissimo und „con sordino“, mit Dämpfer, spannen Viola und Violoncello eine Tritonus-Klangfläche auf, über der die beiden Violinen um ein Achtel versetzt Figuren entfalten, denen die Dynamik kalligraphischer Pinselstriche innewohnt. Vorschläge, Triolen und Vierundsechzigstel-Läufe verbreiten Nervosität: eine ­latente Unruhe wie die Angst vor einer unbekannten Katastrophe.

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Die Viola greift das motivische Material auf, dann das Cello, ­schließlich die drei Bläser und der Kontrabass, den Hosokawa wie in den alten serenadenhaften Harmoniemusiken der Bläsergruppe und nicht dem Streichquartett zuordnet. Immer mehr verdichten sich die Stimmen und bleiben doch in dem stets transparenten ­Gewebe als Individualitäten präsent – bis es zu einer Wendung kommt, einer Beruhigung in eine Es-Dur-Umgebung, in die hinein die ­Klarinette Vogelstimmen erklingen lässt. Wie in vielen Werken ­Hosokawas bilden auch in Texture die Gesetzmäßigkeiten des Lebens zwischen Werden und Vergehen eine Quelle der Inspiration, um schlussendlich in der Musik zu einer Poesie zu gelangen, deren Schönheit im Wissen um ihre Vergänglichkeit und im Respekt vor den Wundern und Geheimnissen der Natur verankert ist. Neue Wege Franz Schuberts Oktett Angesichts der überbordenden Fülle seines Schaffens überrascht es, wie sehr Franz Schubert immer wieder mit Blockaden zu kämpfen hatte, mit dem Gefühl, in der Musik sei schon alles gesagt. Vor allem dem großen Vorbild Ludwig van Beethoven versuchte er gegenüberzutreten – und wich der Begegnung zunächst aus, indem er sich beispielsweise in das Studium der Werke Mozarts oder Rossinis flüchtete. Mit einer Reihe von „Instrumental-Sachen“ wollte er sich schließlich „den Weg zur großen Sinfonie bahnen“ – und näherte sich Beethoven gleichsam mit dessen eigenen Mitteln. Die Anregung dazu erhielt er durch den Amateur-Klarinettisten Ferdinand Graf Troyer, der sich ein Pendant zu Beethovens berühmtem Septett wünschte. Schubert griff diesen Kontext auf, ergänzte die Besetzung um eine zweite Violine zum Oktett und fand im Rekurs auf Beethovens Werk den Schlüssel, um eigene kompositorische Räume zu betreten. Mit seinen sechs Sätzen steht das Oktett D 803 in der Tradition der unbeschwerten Divertimenti, doch in seiner motivisch-thematischen Arbeit, den weiträumigen Modulationen und beeindruckenden ­Dimensionen der einzelnen Teile trägt es symphonische Züge. Wie befreit stürzte sich Schubert auf dem neu gefundenen Weg in einen regelrechten Schaffensrausch, berichtet Moritz von Schwind irritiert über das ungewohnt kurz angebundene Betragen seines Freundes: Schubert „ist unmenschlich fleißig. […] Jetzt schreibt er schon an einem Oktett mit dem größten Eifer. Wenn man unter

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Tags zu ihm kommt, sagt er grüß dich Gott, wie geht’s? ‚gut‘ und schreibt weiter, worauf man sich entfernt.“ Eröffnet wird das Oktett durch eine gewichtige langsame Ein­ leitung. Ihre punktierten Rhythmen erweisen sich als zentrales ­Element der gesamten Komposition, verdichten sich im folgenden Allegro zu einem energischen ersten Thema und bestimmen auch das lyrischere Seitenthema, das in der Durchführung dann zum ­Ausgangspunkt für großangelegte Steigerungen wird. Das Adagio im schwingenden Sechsachteltakt beginnt mit einem frei sich aus­ singenden Thema der Klarinette, das im weiteren Verlauf auch von den anderen Instrumenten aufgegriffen wird, immer wieder aber ­geradezu schockhafte Abbrüche erfährt. Tonrepetitionen bringen ­einen drängenden Gestus in die zarte Lyrik, beginnen den sich verströmenden Gesang unter Druck zu setzen. Wie so oft bei Schubert ist auch die Schönheit dieses Adagios zerbrechlich, lauert Wehmut hinter der Heiterkeit. Könnten diese beiden Sätze auch Teil einer Symphonie sein, so tragen die nun folgenden eher serenadenhafte Züge: Von volkstümlicher Lebhaftigkeit ist das Scherzo, zu dem der behutsame Charakter des Trios einen Gegenpol bildet. Dem Variations­satz legte Schubert ein Thema aus seiner Jugendoper Die Freunde von Salamanca von 1815 zugrunde, das dort zu den ­Mayrhofer-Versen „Wer Liebe fand, der ist geborgen / Von jedem Schmerz, von allen Sorgen“ erklingt. In den folgenden sieben ­Variationen, die allen Instrumenten schönsten Raum zur Entfaltung bieten, beschwören diese Worte mit ihrem Zweifel an der Realität irdischen Glücks tragische Aspekte herauf: etwa wenn sich in das ­zunächst anmutige Spiel bald schon ein dunkler Ton mischt, wenn in der zweiten Variation die punktierten Rhythmen aus dem ersten Satz energisch zupacken oder wenn die fünfte Variation das naive Thema nicht nur nach Moll, sondern hinein in eine düstere Gehetzt­ heit treibt. Wie ein Schattenspiel des einst höfischen Tanzes wirkt das Menuett, dem ein volkstümlicher Ländler als Trio gegenübersteht. Die langsame Einleitung des Finales hebt mit einem Tremolo der tiefen Streicher wie fernes Donnergrollen an, bevor die übrigen Instrumente in signalartigen Klangstößen geradezu aufschreien. Und auch die Idylle des fröhlich-ausgelassenen Allegro bleibt trügerisch: Der Weg, der hier eingeschlagen wird, hat kein Ziel mehr, die ­Musik kreist immer wieder um sich selbst, bis kurz vor Schluss die düstere Stimmung des Beginns noch einmal hereinbricht. Die Premiere des Oktetts fand – kurz nach Vollendung der Partitur am 1. März 1824 – im Rahmen einer Privataufführung im Hause

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Ferdinand von Troyers statt. Der Graf selbst spielte Klarinette, Ignaz Schuppanzigh und sein berühmtes Streichquartett waren seine ­Partner. 1826 folgte eine zweite, ebenfalls private Aufführung im Hause des Komponisten Franz Lachner. Erst am 16. April 1827 setzte Schuppanzigh das Oktett schließlich aufs Programm eines seiner Abonnementskonzerte im damaligen Musikvereins-Gebäude in der Tuchlauben – zusammen mit Beethovens Liederzyklus An die ferne Geliebte und einer Bearbeitung von dessen ­Klavierkonzert Nr. 5 für zwei Klaviere und Streichquartett. Beim Publikum löste Schuberts Werk Befremden aus: Die Wiener A ­ llgemeine Theaterzeitung be­ zeichnete das Oktett in ihrer Kritik vom 26. April 1827 zwar als „lichtvoll, angenehm und interessant“, bemerkte aber auch, dass „die Aufmerksamkeit der Hörer durch die lange Zeitdauer vielleicht über die Billigkeit in Anspruch genommen“ werde. In der Tat hatte Schubert mit einer Spieldauer von mehr als 50 Minuten alle ­Dimensionen, die man von einer solchen Kompo­sition gewohnt war, gesprengt. Als er dem Leipziger Breitkopf & Härtel-Verlag das Werk 1826 „gegen billiges Honorar“ anbot – „in der Hoffnung, dass Ihnen mein Name nicht ganz unbekannt ist“ –, wurde ihm mitgeteilt, dass man „keinen merkantilen Erfolg“ für das Unternehmen sehe. Und auch der Wiener Verleger Diabelli, mit dem Schuberts Bruder Ferdinand nach dem Tod des Komponisten über eine ­Veröffentlichung des Oktetts ins Gespräch zu kommen versuchte, lehnte ab. Erst 1853 erschien das Werk im Druck – allerdings ohne den vierten und fünften Satz, in welchen man einen den Rahmen der Komposition sprengenden Appendix sah. Die Erst­veröffent­ lichung der vollständigen Partitur folgte 1875 und bahnte endlich ­einem Werk den Weg ins Repertoire, in dem sich in meister­hafter Verwirklichung all das wiederfindet, was Schuberts Komponieren ausmacht: weiträumige Architektonik, eigenwillige Modulationen, der so oft brüchige Boden der schönsten Idyllen – und die Liebe zum Gesang.

Anne do Paço studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik in Berlin. Nach Engagements am Staatstheater Mainz und der Deutschen Oper am Rhein ist sie seit ­September 2020 Chefdramaturgin des Wiener Staatsballetts. Sie veröffentlichte Aufsätze zur Musik- und Tanzgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und war als Autorin u.a. für die Kammerphilharmonie Bremen, das Wiener Konzerthaus und die Opéra National de Paris tätig.

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Ich kenne Schuberts Moments musicaux seit meiner Kindheit; mein Vater, ein Amateurpianist, spielte diese Stücke oft. Später, als ich selbst ­Klavier spielte, liebte ich sie sehr. Diese musikalischen Momente sind wie Gedichte; kurz und präzise und sehr poetisch im Ausdruck. Später, als junger Hornstudent, führte ich oft Schuberts unvergleichliches Oktett auf. Es ist ein Juwel für diese Besetzung, die Blasund Streichinstrumente kombiniert. Schuberts Orchestrierungen sind übrigens äußerst originell – nicht zuletzt in seinen späten ­Symphonien, deren letzte einige absolut fantastische Stellen enthält, an denen die Vielschichtigkeit der Musik Dimensionen von ganz neuer Tiefe und Aktivität erzeugt. Im Herbst 2018, während ich an meinem Hornkonzert arbeitete (einen Auftragswerk für Stefan Dohr und die Berliner Philharmo­ niker), besuchte ich ein Konzert, in dem die dänische Pianistin Amalie Malling (für die ich 1983 meine Sieben Studien für Klavier ­geschrieben hatte) die Moments musicaux spielte. Dies weckte bei mir vielerlei Erinnerungen an meine Zeit als Hornist (ich habe das Instrument seit den späten 1980ern nicht mehr angerührt), und bei der weiteren Arbeit an meinem Hornkonzert fielen mir die vielen wunderbaren Hornstellen im Oktett wieder ein; nicht zuletzt die Abschiedsmelodie des Horns am Ende des ersten Satzes, aber auch viele andere. Anfang 2019 hatte ich den ersten Satz des Hornkonzerts fertig­ gestellt und war dabei, mit dem zweiten anzufangen. Bevor ich ­damit jedoch beginnen konnte, brauchte ich einen Umweg oder eine Ersatzaktivität – da tauchten die Moments musicaux auf, denn ich hatte schon seit vielen Jahren vorgehabt, eine Bearbeitung davon für die Besetzung des Schubert-Oktetts anzufertigen.


In seinen musikalischen Momenten setzt Schubert eine Welt (wie Beethoven in seinen späten Bagatellen), die zu den kurzen, kom­ primierten Stücken der zweiten Wiener Schule von Schönberg und nicht zuletzt Webern hinführt, der ebenfalls Schubert orchestrierte (seine Deutschen Tänze D 820). Schuberts Momente sind nicht so kurz wie Weberns, aber sie sind ebenso hochaufgelöste Momente, Momente der Ewigkeit. Ich meine mich zu erinnern, dass Webern schrieb, er habe Schubert so orchestriert, wie Schubert selbst es getan hätte. Dies habe auch ich in meiner Oktett-Version der Moments musicaux versucht, indem ich die Instrumente einsetze, von denen ich mir vorstelle, dass ­Schubert sie gewählt hätte. Ich habe vier von Schuberts sechs Stücken ausgewählt, die ersten drei und das letzte, unter Auslassung der Nummern 4 und 5, die recht pianistisch sind. Beim Transkribieren der Moments musicaux war ich mitten in der Arbeit an meinem Hornkonzert, daher beschäftigte mich das Horn stark. In meiner Oktett-Version der Moments musicaux schreibe ich für das Horn der Schubert-Zeit – ohne Ventile. Natürlich weiß ich, dass das Stück heute auf einem modernen Ventilhorn gespielt werden kann und wird, aber mein Gefühl ist, dass einen das Schreiben mit dieser Herausforderung und Beschränkung sehr nah an die Seele des Instruments führt. Mit demselben Ansatz schrieb ich an den folgenden Sätzen meines Hornkonzerts für Stefan Dohr weiter. Ich hatte daran gedacht, Stefan Dohr zu fragen, ob er das Werk mit dem Philharmonischen Oktett Berlin aufführen würde und bin zutiefst dankbar, dass dies nun geschieht. Hans Abrahamsen



Schubertian Echoes Octets for Winds and Strings

Har r y Haskell

The process of resurrecting Franz Schubert’s music began almost immediately after his untimely demise in 1828. Mendelssohn, Schumann, Liszt, and other latter-day Schubertians made it their business to perform, edit, publish, and arrange works that had failed to make it into print during the composer’s lifetime. Even so, many of Schubert’s greatest and most ambitious works—including the monumental Octet in F major, as well as the bulk of his symphonies and string quartets—were unaccountably neglected for decades after his death. The process of posthumous rediscovery continued well into the 20th century. Meanwhile, a cadre of modern composers appropriated Schubert’s music for their own creative purposes. Among the latest exemplars of this trend are Toshio Hosakawa and Hans Abrahamsen, whose re-envisionings of two of the Viennese master’s most beloved works precede the Octet on tonight’s program. Musical Moments The six Moments musicaux date from the last five years of Schubert’s life, a period when the composer, though fighting a losing battle with syphilis, produced some of his greatest masterworks. These alluring “Musical Moments”—among the hundreds of dances, impromptus, and other short piano pieces he wrote over the course of his career—are typical of the character pieces that came into vogue in the early Romantic era. Schubert composed two M ­ oments musicaux in 1823–4, added four more by early 1828,

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and assembled the set for publication that summer, only a few weeks before his death. The pieces range from two to seven minutes in length, and from unpretentious airs to miniature tonal dramas. Numbers 2 and 6 first appeared in albums of moderately difficult pieces marketed to amateur pianists under the fetching titles “Air russe” (Russian Air) and “Les Plaintes d’un troubadour” (A Troubadour’s Complaints). Tonally, the set is evenly balanced, with three pieces each in major and minor keys. The same qualities that made Schubert a great song composer— his seemingly bottomless stockpile of melody, his ability to invest the simplest of musical phrases with dramatic significance, his quicksilver changes of keys and moods—are apparent in his solo piano music. A contemporary account of his playing attests the warmly lyrical, human-scaled tone he coaxed from the piano. After performing at a private musical soirée in Vienna, Schubert proudly reported that more than one listener had come up to him to say that “the keys became singing voices under my hands.” In Hans Abrahamsen’s brand-new transcription of four of the ­Moments musicaux, Schubert’s “singing voices” are deftly transferred from the piano to an octet of wind and string instruments. The Danish composer has carried out similar operations before in his ­arrangements of keyboard works by Bach and Debussy, and like most transcriptions, this one promises to reveal as much about the arranger as about the original composer. East and West Over the past three decades, Toshio Hosokawa has cultivated a hybrid identity as a builder of musical bridges between his native Japan and the Western concert-hall tradition. Weaned on a diet of the Viennese classics—Mozart, Beethoven, and Schubert were his favorite composers as a child—he first encountered Europe’s musical avant-garde when he came to West Berlin in 1976 to study with Isang Yun at the University of the Arts. Even as it expanded his musical vocabulary, that experience led, paradoxically, to a new appreciation of his own artistic roots. Hosokawa’s cultural synthesis eventually bore fruit in works like Visions of King Lear, a mash-up of European opera and Japanese Noh theater, and Voiceless Voice in Hiroshima, an oratorio inspired by the atomic bomb that devastated his birthplace ten years before he was born.

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In Texture, Hosokawa builds a different kind of bridge—a bridge across time—to connect with Schubert’s Octet of 1824. Commissioned by the Berliner Philharmoniker Foundation and the Japan Arts Corporation, Texture had its “virtual” premiere last June on the Philharmonic’s Digital Concert Hall. Like Schubert’s masterpiece, it is scored for an ensemble of eight string and wind instruments. In juxtaposing a standard string quartet with a combo of clarinet, bassoon, horn, and double bass, Hosokawa sets up a yin-yang–like opposition between high and low sounds, light and darkness. “The title Texture means something woven,” he explains, adding that “every player should play his own role. At the same time, all those single players should work together to create a beautiful fabric. [The work] begins as a duo, and then becomes a trio, a quartet, it gets bigger and bigger, and in the end all become ­soloists.” Texture features harmonics, fluttertonguing, muted sounds, and other special tonal effects, which Hosokawa applies in a painterly manner that has been likened to calligraphic brushstrokes. Just before the end, the clarinet plays a brightly colored melody ­inspired by the Japanese bush warbler—another bridge, perhaps, this time leading to Olivier Messiaen and his obsession with birdsong. Symphonic Aspirations In early March 1824, a friend happened upon Schubert in his studio and reported that “he has now long been at work on an octet, with the greatest zeal. If you go to see him during the day, he says ‘Hullo, how are you?—Good!’ and goes on writing, whereupon you depart.” Schubert’s feverish distraction is understandable, for he had recently embarked on an ambitious project that he envisioned as the capstone of his career. The Octet for Strings and Winds was to be a kind of preparatory sketch for a symphony on the majestic scale of Beethoven’s Ninth. In a letter to his friend Leopold Kupelwieser in Rome, Schubert wrote, “I have tried my hand at several instrumental works, for I wrote two string quartets and an octet, and I want to write another quartet; in fact, I intend to pave the way towards a grand symphony in that manner. The latest in Vienna is that Beethoven is to give a concert at which he is to produce his new symphony, three movements from the new Mass, and a new overture. God willing, I too am thinking of giving a similar concert

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next year.” Schubert attended the premiere of the Ninth Symphony later that spring and made his debt to Beethoven clear in a series of works that paid homage to the older composer. Although Schubert’s “grand symphony” was destined to remain on the drawing board, much of the chamber music he composed in the last four years of his life bespeaks a fundamentally symphonic conception in its expansive proportions, emotional complexity, and elaborate thematic development. Schubert modeled his Octet on Beethoven’s popular Septet Op. 20, supplementing the ensemble of clarinet, bassoon, horn, and strings (violin, viola, cello, and double bass) with a second violin to produce an even fuller orchestral sonority. But while Schubert was intent on plowing new ground and “striving after the highest in art,” Beethoven considered his Septet little more than a crowd pleaser. He had featured the work on a concert he produced for his own benefit in Vienna in 1800 and joked about making an arrangement for the benefit of amateur flutists, who “would swarm around and feed on it like hungry insects.” The Septet’s popularity eventually came to grate on Beethoven’s nerves. In later years, a friend recalled, “he could not endure his Septet and grew angry because of the universal applause with which it was received.” Schubert’s Octet was commissioned by his clarinetist friend Count Ferdinand Troyer, a member of Archduke Rudolph’s household staff. (As Beethoven’s composition pupil, lifelong friend, and most magnanimous patron, the archduke provided one of several indirect links between the two composers.) Judging from the challenging part that Schubert wrote for Troyer in the Octet, the count was a highly accomplished musician. His skills were displayed in the placid clarinet theme that opens the second movement. It is one of Schubert’s loveliest melodies, and he milks it for all it is worth, parceling it out among the various instruments and briefly digressing to explore its darker implications before finally restating the tune in its pristine simplicity. The clarinet also features prominently in the Octet’s other slow movement, a genial and richly imaginative theme-and-variations (seven of them) based on a duet that Schubert had written for one of his operas. Like Beethoven’s Septet, the Octet has six movements in all, making it something of a throwback to the multisectional divertimenti of the 18th century. Clocking in at nearly an hour, it is one of Schubert’s most expansive chamber works and clearly reflects his desire to work on an outsized, symphonic scale. Both the first

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and last movements are prefaced by slow, spacious introductions that inject an ominous note of mystery into the prevailing sunny F-major tonality. The third and fifth movements share a more ­conventional two-part minuet-and-trio format but are strikingly dissimilar in character, the former a jaunty romp, the latter a stately dance. True to his symphonic aspirations, Schubert treats the winds and strings as separate but equal “choirs”; the endlessly varied and unpredictable instrumental combinations are one of the Octet’s chief delights. History does not record Count Ferdinand’s reaction to Schubert’s masterpiece, but it is known that he participated in the first performance of the Octet at his Vienna residence in the spring of 1824. The public premiere took place some three years later, on a ­subscription concert series organized by the great violinist Ignaz Schuppanzigh—who, as it happened, had taken part in the premiere of Beethoven’s Septet a quarter-century earlier. Vienna’s leading theatrical newspaper, the Theaterzeitung, described Schubert’s music as “luminous, agreeable and interesting,” but qualified its praise by adding that “too great a claim may have been made on the hearer’s attention by its long duration.” Modern listeners may beg to differ.

A former performing arts editor for Yale University Press, Harry Haskell is a program annotator for Carnegie Hall in New York, the Edinburgh Festival, and other venues, and the author of ­several books, including The Early Music Revival: A History, winner of the 2014 Prix des Muses awarded by the Fondation Singer-Polignac.

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I have known Schubert’s Moments musicaux since childhood when my father, an amateur pianist, often played these pieces. Later, when I myself played the piano, I loved them very much. These musical moments are like poems; short and precise and so poetic in their expression. Later, as a young horn student, I performed Schubert’s in­ comparable Octet many times. It is a jewel for this ensemble with its writing for winds and strings. Schubert is, by the way, a deeply original orchestrator; not least in his late symphonies, the last of which has some absolutely fantastic places with a multi-layered music which creates a dimension of new depth and activity. During the autumn of 2018, while I was working on my horn concerto (a commission from Stefan Dohr and the Berliner ­Philharmoniker) I attended a concert with the Moments musicaux performed by the Danish pianist Amalie Malling (for whom I wrote my Seven Studies for piano back in 1983). This evoked many memories in me from my horn-playing days (I have not touched the instrument since the late 1980s) and, as I continued working on my horn concerto, the many wonderful places for the horn in the Octet came to mind; not least the horn’s farewell line at the end of the first movement, but also many other instances. By the beginning of 2019, I had finished the first movement of the horn concerto and was about to begin the second. But before I could get started with this, I needed a detour or displacement ­activity—here the Moments musicaux appeared, as for many years I had had it in mind to create a version for the Schubert Octet lineup.

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In his musical moments (as with Beethoven in his late Bagatelles), Schubert sets a world that leads to the short and condensed pieces of the Second Viennese school of Schoenberg and not least Webern, who also orchestrated Schubert (his Deutsche Tänze D 820). Schubert’s moments, however, are not short as Webern’s, but as moments magnified up, as moments of eternity. As I recall, Webern tells us that he orchestrated Schubert as Schubert himself would have done. I have also tried to do this in my octet version of the Moments musicaux, where I use the ­instruments that I imagine Schubert might have used. I selected four of Schubert’s six pieces, the first three and the last, leaving out numbers four and five as they are relatively pianistic. When transcribing the Moments musicaux, I was in the middle of writing of my horn concerto and therefore the horn was very much in my mind. In my octet version of the Moments musicaux I am writing for the horn as the instrument was in the time of Schubert—­without valves. Of course, I know that today it can and will be played on the modern valve horn, but I feel that by writing with this challenge and limitation you get very close to the soul of the instrument. I continued with this approach in my work on the ­subsequent movements of my horn concerto for Stefan Dohr. I was thinking of asking if Stefan Dohr would perform them with the Berlin Philharmonic Octet and I am deeply grateful that this has become a reality. —Hans Abrahamsen

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