Ibragimova & Tiberghien

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Alina Ibragimova & Cédric Tiberghien

Einführungstext von Martin Wilkening Program Note by Harriet Smith


ALINA IBRAGIMOVA & CÉDRIC TIBERGHIEN Dienstag

7. Juni 2022 19.30 Uhr

Alina Ibragimova Violine Cédric Tiberghien Klavier


Franz Schubert (1797–1828) Fantasie für Violine und Klavier C-Dur D 934 (1827) Andante molto – Allegretto – Andantino – Tempo I – Allegro vivace – Presto

John Cage (1912–1992) Six Melodies für Violine und Klavier (1950) I. = 92 (rubato) II. = 54, legatissimo (in spite of the changing timbres) III. = 72 IV. = 96 V. = 46 VI. = 46

Pause

Richard Strauss (1864–1949) Sonate für Violine und Klavier Es-Dur op. 18 (1887) I. Allegro, ma non troppo II. Improvisation. Andante cantabile III. Finale. Andante – Allegro

Das heutige Konzert wird per Audio-Livestream auf Pierre Boulez Saal Online übertragen und dort zu einem späteren Zeitpunkt zum Nachhören veröffentlicht. boulezsaal.de/online

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Die Seele der Virtuosität Zum Duo-Programm von Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien

Mar tin Wilkening

Franz Schubert Ein Lied auf Abwegen Schuberts Fantasie für Violine und Klavier entstand Ende 1827 – im Jahr der Winterreise, der beiden späten Klaviertrios und mehrerer Sammlungen von Klavierstücken, Impromptus und Moments musicaux. Mit der Gattungsbezeichnung stellt Schubert die Kom­ position in einen Zusammenhang mit seinen Fantasien für Klavier, vor allem der sogenannten „Wanderer-Fantasie“, greift er doch in beiden Werken auf ein eigenes, fünf Jahre zuvor entstandenes Lied zurück (hier Sei mir gegrüßt, dort Der Wanderer). Als virtuoses ­Violinstück wiederum ist die Fantasie ein direkter Nachfolger des Rondos h-moll von 1826. Beide Kompositionen schrieb Schubert für den jungen Geiger Josef Slavík, der sie in Wien in eigenen Konzerten erstmals aufführte. Das demonstrative, zuweilen fast pompöse Hervortreten des virtuosen Moments tritt in der Violinfantasie in ein Spannungsverhältnis zu der gattungsästhetischen Innerlichkeit, die auch die Haltung des Liedes bestimmt, das Schubert im Zentrum des Werks wiedererscheinen lässt. Dessen erste Strophe lautet, in Friedrich Rückerts originaler Schreibweise und mit ihrer freien Anverwandlung arabischer Ghaselen, die immer wieder in dieselben Worte münden:

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O du Entrissne mir und meinem Kusse! Sey mir gegrüßt! Sey mir geküsst! Erreichbar nur meinem Sehnsuchtsgruße! Sey mir gegrüßt! Sey mir geküsst! Die Fantasie beginnt mit einer durchgehend pianissimo gehaltenen langsamen Einleitung: Über tremolierenden Klangflächen des ­Klaviers erscheint wie schwebend eine weitgespannte, zunächst im Hören metrisch kaum bestimmbare Melodielinie der Violine. Dem folgt ein längeres Allegretto mit zwei Themen im Wechsel von Moll und Dur, deren zupackender rhythmischer Charakter an ­stilisierte ungarische Idiome erinnert, wie sie bei Schubert häufiger erscheinen. Den mittleren Abschnitt bildet das Lied mit Variationen. Im Anschluss daran erklingt als Rückblende noch einmal die ­langsame Einleitung, die damit eine doppelte Funktion gewinnt: Im Nachhinein entpuppt sich die melodische Bewegung ihrer ­Violinstimme als Vorform der Liedmelodie, und aus ihr ist auch das schlagkräftige, fast gassenhauerartige Thema des folgenden Schluss­ teils abgeleitet. Dieses Allegro vivace trägt den Charakter ­eines Marsches oder Hymnus. Es wird noch einmal durch eine Ein­ blendung des variierten Liedes unterbrochen und steigert sich nach ­diesem retardierenden Moment zu einer Presto-Stretta, die mit ­ausgreifendem Schwung den gesamten Klangraum des Klaviers und der Violine in Anspruch nimmt. Der unaufgelöste Gegensatz zwischen der Innerlichkeit des ­Fantasierens und des verwendeten Liedes zur Äußerlichkeit des virtuosen Auftritts vermag ähnlich zu irritieren wie die Form dieser Fantasie, die gegenüber Schuberts anderen Werken dieser Gattung etwas buntscheckig wirkt. Vor kurzem erst hat die Musikwissenschaftlerin Roberta Vidic in einem Aufsatz einen ganz neuartigen Ansatz zum Umgang mit diesen Widersprüchen gefunden. Sie bietet ein schlüssiges Verständnis der Form jenseits klassischer Kunstmusik-­ Modelle an – auf der Grundlage des traditionellen ungarischen ­Verbunkos. Dessen typische Folge langsam-schnell wird hier in drei Zyklen steigernd wiederholt: langsame Einleitung und „ungarisches“ Allegretto, Andantino-Lied und dessen figurativ beschleunigte ­Variationen, wiederholte Einleitung und abschließender Marsch. Diese Deutung ist verbunden mit dem Vorschlag, Schuberts Fantasie als eine imaginäre Szene von Auftritten verschiedener Typen von

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Virtuosen zu sehen. Dessen Vorbilder reichen vom anonymen ­Straßenmusiker über den Primas einer ungarischen Kapelle bis zu Paganini (dessen Ruf seinem lange erwarteten Erscheinen in Wien 1828 vorauseilte). Es scheint fraglich, ob Schubert solche ironischen Distanzierungen tatsächlich reflektierend seiner Musik einschrieb. Doch die zeitliche Nähe der Violinfantasie zur Winterreise weckt die Erinnerung daran, wie dort im letzten Lied ebenfalls eine Begegnung des inneren Subjekts der Musik mit der Musik eines Straßenmusikers, des Leiermanns, gestaltet wird. „Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?“ fragt dort der Sänger-Komponist – der in der Fantasie sein Lied zu den virtuosen Arpeggien des Geigers singt. John Cage Musik als Gelegenheit zur Selbstveränderung John Cages aus dem Jahr 1950 stammende Six Melodies stehen am Schluss jener Periode in seinem Komponieren, die der Ent­ deckung und konsequenten Anwendung des Zufalls in der Musik unmittelbar vorausging. Cages Arbeit seit den späteren 1930er Jahren war zunächst durch Musik für Schlagzeugensembles und dann für präpariertes Klavier bestimmt, beides auch in Verbindung mit Tanz. Zwei wichtige Erfahrungen aus diesen Kompositionen finden in den Six Melodies ihren Niederschlag: die Formbildung mit Reihen von Zeiteinheiten und eine melodische Bewegung innerhalb einer festen Skala von Tönen bzw. Zusammenklängen, deren Lagen nicht transponiert werden. Die festgelegte Auswahl dieser Töne und Klänge wirkt wie ein Filter, sie bildet gewissermaßen die „Präparierung“ der beiden Instrumente, ihre Verwandlung in zwei neue ­I­nstrumente, tendenziell sogar ein einziges Instrument. Die Töne A und E etwa erklingen in der Lage, die den beiden leeren Saiten der Violine entspricht, niemals in deren Stimme, dafür aber umso beharrlicher als Quintklang im Klavier. Die Six Melodies sind zwar für eine klassische Besetzung geschrieben, doch die Violine ist nicht die der Schubert-Fantasie oder der Strauss-Sonate; die Verfremdung, in der das gleichwohl klassische Duo hier erscheint, vereint in sich Spielerisches und große Strenge, sie besitzt eine reinigende Kraft, deren Intention Cage einmal so formulierte: „Manchmal halten die Menschen die Künste für ­Gelegenheiten zum Selbstausdruck. Ich stelle sie mir als Gelegenheit zur Selbstveränderung vor.“ Ihre Art der Verfremdung einer kulturell

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hochgradig aufgeladenen klassischen Besetzung teilen die Six Melodies mit dem Streichquartett, das Cage in dem relativ langen Zeitraum von 1949/50 komponiert. Die Entstehung des Werks für Violine und Klavier fällt mit der Vollendung des String Quartet in Four Parts zusammen, und Cage bezeichnete die Melodies in einem Brief an Pierre Boulez, mit dem er in jener Zeit einen intensiven Gedankenaustausch zwischen New York und Paris pflegte, als „Postscriptum zu dem Quartett“. Cages Ablehnung von Musik als Selbstausdruck hat hier allerdings nicht die Ablehnung von Ausdruck schlechthin zum Ziel. Vielmehr sucht er nach einem Ausdruck jenseits von Vorlieben und Abneigungen, von festen kulturellen und individuellen Prägungen. Über seine Situation in den 1940er Jahren schrieb er: „Ich bemerkte, dass es unvermeidlicherweise zwei Arten von Ausdruck gab, den­ jenigen, der aus der Persönlichkeit des Komponisten rührte und denjenigen, der aus der Natur und aus dem Zusammenhang des Materials entstand. Ich empfand den Ausdruck als stärker und ­feiner, wenn ich mich nicht darum bemühte, Ausdruck bewusst zu erzeugen, sondern ihm ermöglichte, auf natürliche Weise zu ­ent­stehen.“ Die Natur, der Zusammenhang des Materials, ist in den Six Melodies durch die Festlegungen der Zeitstruktur und die ­Filterung der möglichen Töne und Klänge gegeben. Beides wird in der Komposition aber auch mit gewissen Freiheiten und subjektiven Entscheidungen entfaltet. In einem kurzen Vorwort nennt Cage die Zeitreihe, auf der alle sechs Stücke basieren, die jedoch keine ­manifesten Rhythmen vorgibt, sondern abstrakte Proportionen von Taktgruppen. Auf die Gesamtzahl dieser Einheiten lässt sich die Dauer einzelner Abschnitte wie auch der einzelnen Sätze beziehen. Die sechs unterschiedlichen Einheiten entsprechen zudem den sechs Sätzen. Diese Spiegelung von Mikro- und Makrokosmos durch Zahlen und Proportionen prägt alle Kompositionen von Cage bis zum Anfang der 1950er Jahre. Das kurze Vorwort der Melodies nennt auch die Auswahl der Klänge, die Cage den einzelnen Saiten der Violine zuordnet. Für die A-Saite sind es insgesamt sechs: Drei davon bestehen in normal ­gegriffenen und gestrichenen Tönen (D–H–B), dazu kommt das gestrichene C, das immer gleichzeitig mit einem linkshändigen ­pizzicato-Klang der leeren D-Saite erscheint (hier wird die Erfahrung des präparierten Klaviers am gleichsam gebrochenen Einzelklang deutlich). Schließlich gehören als natürliche Flageoletts auf der A-Saite auch die Töne E und A dazu. Als leere Saiten allerdings

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erscheinen diese nicht in der Violinskala, sondern stattdessen, wie schon erwähnt, im Klavier, dessen Stimme auf einer ähnlichen ­Skalenauswahl beruht, die Cage im Vorwort allerdings nicht nennt. Das tonale Gravitationszentrum der Skalen ist der Ton D. Die Kombinatorik der melodischen Bausteine aus diesen Skalen wirkt einerseits ziellos kreisend, zufällig sozusagen, andererseits ­besitzt sie auch Züge, in denen gewohnte Muster motivischer ­Gestaltung, Satztechnik und Harmonik aufscheinen, allerdings befreit vom Zwang klassischer Entwicklungslogik. Die Dynamik, inklusive crescendo und decrescendo, verstärkt oft ausdruckshafte Tendenzen, auch in Bezug auf die Gesamtform, die die Vorstellung einer ­Steigerung im fünften Stück und eines allmählichen Verklingens im sechsten erzeugt. In diesen beiden letzten Nummern findet ­außerdem eine Verlangsamung des genau bezeichneten Tempos statt. Grundsätzlich bleibt dies für jeweils ein Stück gleich, mit der ­bezeichnenden Ausnahme des ersten, für das Cage ein Tempo rubato mit Beschleunigung und Verlangsamung innerhalb eines Pulses von 76 bis 108 vorschreibt. Das Ziel der Gesamtentwicklung scheint von innerer Bewegtheit im ersten Stück über verschiedene Stadien der Beruhigung und erneuten Verdichtung hin zum Pol der Ruhe zu führen – Ruhe als höchste Empfindungsqualität der indischen Philosophie, die Cage in den 1940er Jahren intensiv studierte und von der er sich in dieser Zeit leiten ließ. Richard Strauss Musik als Selbstausdruck Im allgemeinen Bewusstsein ist Richard Strauss als Komponist von symphonischen Dichtungen, Opern und Liedern verankert. Seine übrigen Instrumentalwerke stehen demgegenüber im Hintergrund, und nur am Rande tritt er auch als Kammermusik-Kom­ ponist in Erscheinung. All seine Werke dieser Art lassen sich ­ausnahmslos der ersten Schaffensperiode zuordnen, deren Ausklang mit Strauss’ ersten Engagements als Kapellmeister in Meiningen und München zusammenfällt. Für den jungen Komponisten bildete ­diese Phase den Ausgangspunkt für eine persönliche Entwicklung, die er gern als Spiegelung der gesamten Musikgeschichte betrachtete. Mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein erklärte er 1943 im Rückblick auf sein Schaffen: „Ich kann nur in Musikgeschichte denken, und da gibt es nur den einen ganz schroffen Wagnerschen Stand-

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punkt: die Klassiker von Bach bis Beethoven, von da nur die eine Linie, Liszt, Berlioz, Wagner und meine bescheidene Wenigkeit. Diese Linie habe ich bewusst seit 60 Jahren eingehalten. Mit 19 Jahren schrieb ich meine einzige, letzte Sinfonie, mit 20 das Klavierquartett, mit 20 die Violinsonate – dann Schluss, und meine Sinfonischen Dichtungen waren nur Vorbereitungen zur Salome.“ Durch die Hervorhebung des bestimmten Artikels betont Strauss den Status exemplarischer Einzelwerke, in denen er den klassisch-romantischen Kanon abarbeitete, und seine Aufzählung ließe sich noch ergänzen durch das Streichquartett, das Klavierquartett oder die Cellosonate. Die Violinsonate von 1887 ist das letzte seiner kammermusikalischen Werke; tatsächlich war der Komponist schon 23 Jahre alt und zur Entstehungszeit bereits mit der ersten seiner symphonischen Dichtungen beschäftigt – die Partitur des Macbeth legte er zugunsten der Sonate noch einmal zur Seite. Nach der Vollendung dieser ­beiden Werke entwickelte sich dann in rascher Folge die Reihe der symphonischen Dichtungen, beginnend mit Don Juan und Tod und Verklärung. Ab diesem Zeitpunkt steht Strauss als Persönlichkeit vor uns, die den musikalischen Diskurs ihrer Zeit wirkungsmächtig mitbestimmt. In jenen Jahren, bevor er sich der Gattung der symphonischen Dichtung zuwandte, bildete Johannes Brahms Strauss’ Leitstern. Die Violinsonate teilt ihre Entstehungszeit genau mit den beiden späten Brahms-Violinsonaten, und in ihrem konzentrierten, ebenso zurückhaltenden wie innerlich gespannten Anfangsthema lässt sich eine deutliche Reverenz an den älteren Komponisten ausmachen. Was Strauss’ Werk aber von dessen Sonaten deutlich abhebt, ist die ­Dreisätzigkeit (statt Brahms’scher Viersätzigkeit) und ihre durchaus nach Glanz strebende Virtuosität, die den Bereich des Kammer­ musikalischen verlässt. Mit dieser Verbindung von kompakterem Umfang und virtuosem Zuschnitt nähert Strauss seine Sonate der Form des Konzertstücks an. Andererseits findet auch das viersätzige Modell von Sonate (und Symphonie) hier noch sein Echo, denn in die Durchführung des dritten Satzes integriert Strauss einen längeren Abschnitt, der mit seinen intrikaten Rhythmen die Bezeichnung „scherzando“ trägt und so den fehlenden Scherzo-Satz vertritt. Überhaupt sind alle drei Sätze von starken Binnenkontrasten geprägt. Eher konventionell angelegt ist dieser Gegensatz im Andante cantabile, in dem die verträumten Außenteile einen verdüsterten Mittelabschnitt umrahmen. Im ersten und letzten Satz aber scheint die Vielfalt der Charaktere bereits den Ausdruck einer erzählerischen

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Idee zu suggerieren. Deutlich erinnert die Fanfare, mit der das ­Finale nach einer kurzen Einleitung in Bewegung kommt, an das Eröffnungsthema des wenig später entstehenden Don Juan. Diese Fanfare wiederum greift auf den ersten Satz zurück: Ihr aufstrebender Charakter bildet ein Echo des letzten von insgesamt vier Themen, die den Kopfsatz tragen. Dieses Thema, ein strahlend und schwärmerisch in die Höhe steigender Hymnus, gewinnt erst im Verlauf des Satzes seine Bedeutung. In der Exposition erscheint es nur kurz, wie ein Vorschein des Triumphs, den es am Schluss in der Coda entfaltet – in Es-Dur, der heroischen Tonart seit Beethoven. Das erste, eher ernste Thema spielt zwar als Basis und gedanklicher Anstoß des gesamten ersten Satzes eine Rolle, doch wirkt es eher unscheinbar gegenüber dem elegisch fließenden zweiten Gedanken und dem weit ausgeführten dritten Thema, einem mit „appassionato“ bezeichneten und durch den Wechsel des Metrums abgehobenen Walzer. Vor dessen Eintritt lässt Strauss Violine und Klavier gleichzeitig in zwei verschiedenen Taktarten spielen auf eine Art und Weise, die ebenso experimentell wie thesenhaft-programmatisch wirkt: Während sich der Walzer in wechselnd eingeschobenen Dreiertakten bereits andeutet, werden die beiden vorausgegangenen Themen noch einmal ineinander montiert. In nuce deutet sich hier schon der reife Strauss mit der exzentrischen Kombinatorik der Elektra oder des Don Quixote an.

Martin Wilkening, geboren 1959 in Hannover, lebt seit 1977 in Berlin, unterbrochen von mehrjährigen Aufenthalten in Korea und Albanien. Er studierte Musik und Literaturwissenschaft und arbeitet seit 1981 als Autor, Musikkritiker, Dozent, Lektor und Verleger.

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Endings and New Beginnings Music for Violin and Piano by Schubert, Strauss, and Cage

Harriet Smith

In their different ways, all three pieces on tonight’s program are valedictory: Franz Schubert had less than a year to live when he wrote the Fantasy for Violin and Piano, while for John Cage, the Six Melodies were among his last compositions before turning to a completely aleatoric style. Richard Strauss’s Sonata was to be his ­final work in a traditional genre; he subsequently turned to less ­abstract, more pictorial works, whether tone poems or operas. The C-major Fantasy was written in December 1827. Schubert had just finished Winterreise and still to come were the three last ­piano sonatas, the C-major String Quintet, and Schwanengesang, the posthumously compiled collection of songs. It is striking that, ­although the Fantasy and the Quintet are nominally in C major— that most straightforward of keys—Schubert subverts it in unexpected ways in both works, not least with a prevarication between major and minor. What is also immediately apparent in this Fantasy is the way Schubert has moved beyond the practicalities and physical limitations of the instruments for which he is writing. This can be heard at the very outset, with the piano’s figuration sounding suspiciously like a string tremolo. Although Schubert himself was proficient as both violinist and violist, sonatas for strings do not feature much in his output, with his focus instead on string quartets; even when he did

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write violin sonatats, he tended to dub them “sonatinas” and, in truth, they do not begin to approach this Fantasy in terms of scale, ambition, or depth. The work falls into four sections, launched by a relatively slow introduction that immediately grabs the attention; this is followed by a faster Hungarian-tinged theme, gleefully led off by the violin, then turning into a canon between the two instruments, in which Schubert conceals its technical cleverness beneath a good-natured vivacity. The work’s heart, both in terms of duration and emotional impact, is a set of variations on a theme adapted from a song Schubert had written five years earlier to a text by Friedrich Rückert, Sei mir gegrüsst! (I greet you). His inclusion of it in the Fantasy was ­deliberate—it had become immensely popular and would have provided a point of familiarity for his Viennese audience (interestingly, he had done a similar thing a few years earlier in his great Fantasy for piano, the “Wanderer”). In adapting the song, Schubert not only altered the melody itself but also added a harmonic twist that heightens its plangency. What follows are four variations that initially seem a vehicle for the violinist to display technical prowess, with increasingly brilliant figuration. The final one, however, harks back to the mood of the original song theme, and Schubert re-colors it both melodically and harmonically to great effect. Then—in another stroke of compositional genius—he brings us back to the Fantasy’s opening, with a reminiscence of its introduction (though altered, so that the piano tremolos are now more widely spaced and the violin enters an octave lower than previously, situating itself firmly in the middle of the texture rather than above it). This grows to a gnawing peak of intensity before the mood is lightened by the final section —a playfully swaggering Allegro vivace featuring a catchily banal melody. But the composer springs a further surprise: an Allegretto interlude that turns out to be another variation on the song theme, but now with a harmonic twist that allows the music to move from A flat back home to C major. The piece ends in a mercurial, joyous Presto section that spares the players nothing in terms of digital dexterity. This level of virtuosity was specifically designed to showcase the talents of a Czech violinist named Josef Slavík, who had caused a considerable stir when he arrived in Vienna in 1826. Schubert had already written the B-minor Rondo for him, and Chopin (not a man given to hyperbole) later dubbed him a “second Paganini.” And so he might have been, had Slavík not died aged just 27, when

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he succumbed to influenza. He premiered the Fantasy at a concert in January 1828; at the piano was Schubert’s friend Karl Maria von Bocklet—evidently no mean artist as he went on to play the premieres of both of the composer’s piano trios. But the performance of the Fantasy did not go down well. As one Viennese critic admitted with rare frankness: “The hall gradually emptied, and the writer confesses that he too is unable to say anything about the conclusion of this work.” The British critic for the journal The Harmonium was pretty much a lone voice when he described the music as “far above the common order.”

John Cage was a figure who came in for more than his fair share of criticism, and, as with all visionaries, many of his ideas were sound, but ahead of their time. “There is no such thing as an empty space or an empty time. There is always something to see, something to hear. In fact, try as we may to make a silence, we cannot.” Statements such as this ring absolutely true with hindsight, and this way of thinking was demonstrated not only by his most infamous piece 4’33’’ but also in his creation of “happenings.” Central to Cage’s mindset was an endless curiosity. He had explored various career paths before becoming a composer—painting, poetry, architecture among them—and he was also influenced by the example of his ­father, who was an inventor. Cage explained: “He told me that if someone says ‘can’t’ that shows you what to do.” This sort of problemsolving undoubtedly passed down to his son, and one example of it surrounds the circumstances in which Cage created the prepared ­piano. Tasked with writing music for an African-style dance, he had at his disposal only the theater’s piano, so, as he explained, “I finally realized I had to change the piano. I did so by placing objects ­between the strings … transforming it into a percussion orchestra.” Also seminal were Cage’s experiences at Black Mountain College, a liberal arts college that had been set up in the 1930s in North ­Carolina. It attracted a roster of outstanding European artists and designers who had fled the Nazis, notably leading figures of the Bauhaus movement, including Josef and Anni Albers, who between them revolutionized painting and textile art respectively. When combined with leading lights on the American cultural scene such

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as Robert Rauschenberg, Elaine and Willem de Kooning, ­Buckminster Fuller, Merce Cunningham, and David Tudor (who premiered 4’33’’), the mix turned out to be potent indeed. And Cage celebrated his friendship with Josef and Anni Albers when he dedicated his Six Melodies to them. He composed them in 1950, though they had to wait nine years for their premiere, in Cambridge, Massachusetts. The pieces are closely related to his String Quartet in Four Parts (which was unveiled at Black Mountain College in 1950) and they are among the very last non-indeterminate pieces Cage conceived. Both the Quartet and these Melodies employ a technique he had invented in which he used building blocks of sonorities ­created out of single tones, intervals, and aggregates that he named “gamuts.” Put simply, it was a way of avoiding traditional harmony and development, something composers had been wrestling with since Debussy’s Prélude à l’après-midi d’un faune. But to appreciate these Six Melodies you do not need to know the theory behind them. Each one is modest in duration, and Cage instructed the violinist to play without vibrato and with a light bow. The first has a folk-like quality, and though there is a predominant motif, Cage destabilizes it rhythmically. The second, in which the violin dominates, is a study in sustained textures. In the third, the violin is set against a ­piano part dominated by open fifths, which appear to give the piece a rootedness even while the string player takes off with improvisatory-sounding roulades. The fourth Melody picks up where the third left off: again the pianist plays open fifths, but this time the violin sails higher, as if the constancy of the accompaniment gives it con­ fidence. But then the piano, bored of its accompanimental role, dares to sing a hint of a motif, replete with trills, with which the violin duets. The fifth piece has the instruments reverting to the status quo, confident violin against subservient piano, the string instrument exploring wide-ranging phrases. And the sixth Melody echoes the very first piece, although with subtle changes.

“We need not destroy the past. It is gone.” So opined Cage, yet the past was, in a sense continuing in the form of Richard Strauss, who completed his valedictory masterpiece, the Four Last Songs in 1948 at the very time Cage was seeking out new paths at Black Mountain College. But the Strauss we hear tonight is from

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the other end of his career: the Violin Sonata is the work of a young man in the throes of joyous love, having just met his wife-to-be, the soprano Pauline de Ahna. And whether the work’s ardent emotionalism is a direct result of that love affair, we can only speculate, tempting though it is to marry life and work. Strauss was himself a competent violinist (and had even written a Violin Concerto while still in his teens), but this piece was to be his last foray in the sonata genre, following ones for piano and for cello. Even if he has learnt from the examples of Brahms and Schumann, the copmposer shows he is very much his own man at 23, for the harmonic and melodic language is recognizably Straussian, and into a traditional sonata-form first movement he sows a rich seam of themes, treating the two instruments very much as equals. A majestic and impassioned first idea gives way to a songful one of lyrical beauty and a third that is heartfelt and filled with longing. The drive and irrepressible energy of this movement is stilled in the Andante cantabile, which Strauss labelled “Improvisation”: here is a sublime demonstration of the great song composer Strauss already was, with a luscious melody in which the violin gets to sing ardently, disturbed only by a shift to the minor for a more agitated inner ­section; as we return to the opening melody, Strauss generously adorns the lines with refulgent ornamentation. The finale begins with an Andante introduction for piano alone, with Strauss exploiting its lower register to conjure a pensive mood, the harmonies slightly reminiscent of César Franck. As the violin enters, the tempo now Allegro, it is with a stirring dramatic flair, and both instruments engage in daring feats of virtuosity, the music driving forward with irresistible joie de vivre.

Harriet Smith is a UK-based writer, editor, and broadcaster. She contributes regularly to Gramophone magazine and is a former editor of BBC Music Magazine, International Record Review, and International Piano Quarterly.

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Charles Demuth, Narcissi (1917)


Alina Ibragimova Alina Ibragimova erhielt ihre Aus­ bildung an der Moskauer Gnessin Musikakademie sowie an der Yehudi Menuhin School und am Royal ­College of Music in London. Zu ihren Lehrern zählten u.a. Natasha Boyarsky, Gordan Nikolitch und Christian ­Tetzlaff. Heute gehört sie zu den vielseitigsten Geigerinnen ihrer Generation und widmet sich einem breit ge­ fächerten Repertoire, das von Werken des Barock bis zu Auftragskomposi­

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tionen und Uraufführungen reicht. Sie konzertierte u.a. mit dem Boston ­Symphony Orchestra, dem London Symphony Orchestra, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Chamber Orchestra of Europe, dem Orchestra of the Age of Enlightenment, dem Concertgebouworchester und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und arbeitete dabei mit Dirigenten wie Vladimir Jurowski, John Eliot ­Gardiner, Jakub Hrůša, Robin Ticciati


und ­Daniel Harding zusammen. In der ­aktuellen Spielzeit gab sie ihr Debüt mit dem Mahler Chamber Orchestra. Als Kammermusikerin ist sie im ­Wiener Musikverein, der New Yorker Carnegie Hall, der Londoner Wigmore Hall und bei den Festivals in Salzburg, Luzern, Verbier und Aldeburgh auf­getreten. Mit Cédric Tiberghien ­verbindet sie eine langjährige künstlerische Partnerschaft. Zudem ist Alina Ibragimova Gründungsmitglied des Chiaroscuro Quartet, mit dem sie erst vor wenigen Wochen im Pierre ­Boulez Saal gastierte. Sie spielt eine Violine von Anselmo Bellosio von ca. 1775, die ihr von Georg von Opel zur Verfügung gestellt wurde.

has appeared with the Boston Symphony Orchestra, London Symphony Orchestra, Bavarian Radio Symphony Orchestra, Chamber Orchestra of E ­ urope, Orchestra of the Age of ­Enlightenment, Amsterdam’s Concertgebouw Orchestra, and Berlin’s Deutsches Symphonie-Orchester, among many others, collaborating with conductors such as Vladimir­­Jurowski, John Eliot Gardiner, Jakub Hrůša, Robin Ticciati, and Daniel Harding. This current season she made her debut with the Mahler Chamber Orchestra. As a recitalist, she has been heard at major venues including the Vienna Musikverein, New York’s Carnegie Hall, and London’s Wigmore Hall, as well as at the festivals of Salzburg, Alina Ibragimova received her educa- ­Lucerne, Verbier, and Aldeburgh. Alina tion at Moscow’s Gnessin Music Ibragimova has enjoyed a long-standAcademy and at the Yehudi Menuhin ing artistic partnership with Cédric School and Royal Academy of Music Tiberghien. She is also a founding in London. Among her teachers were member of the Chiaroscuro Quartet, Natasha Boyarsky, Gordan Nikolitch, which most recently performed at and Christian Tetzlaff. One of the the Pierre Boulez Saal just a few weeks most versatile violinists of her genera- ago. She plays a violin by Anselmo tion, she performs a wide-ranging Bellosio, made around 1775 and repertoire from Baroque music to ­generously provided by Georg von commissions and world premieres. She Opel.

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Cédric Tiberghien Der französische Pianist Cédric ­Tiberghien ist als Kammermusiker wie als Solist international gleichermaßen gefragt und bekannt für seine innovativen Konzertprogramme. In den ­vergangenen Spielzeiten gab er Debüts bei den Berliner Philharmonikern, dem San Francisco Symphony Orchestra, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und dem NDR Elbphilharmonie Orchester. Darüber hinaus trat er mit dem Cleveland Orchestra, dem Boston Symphony Orchestra, dem London Symphony Orchestra, dem BBC Scottish Symphony Orchestra,

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dem Tokyo Philharmonic Orchestra und vielen anderen auf. Er ist regelmäßiger Gast an der Wigmore Hall in London, wo er sich zuletzt gemeinsam mit Alina Ibragimova und dem Doric String Quartet der französischen ­Musiktradition widmete. Zu seinen langjährigen Kammermusikpartnern gehören außerdem der Bratschist ­Antoine Tamestit und der Bariton Stéphane Degout. Zusammen mit Ibragimova, mit der er mehrfach auch im Pierre Boulez Saal zu erleben war, legte Cédric Tiberghien u.a. Gesamt­ einspielungen der Violinsonaten


von Beethoven und Mozart vor;­ ­letztere wurde 2017 mit dem Preis der ­deutschen Schallplattenkritik aus­ gezeichnet. Darüber hinaus veröffentlichte er zahlreiche hochgelobte ­Soloaufnahmen mit Werken von Bach, Bartók, Beethoven, Brahms, Chopin, Debussy und Liszt.

Scottish Symphony Orchestra, Tokyo Philharmonic Orchestra, and many others. A regular guest at London’s Wigmore Hall, he recently presented works of the French musical tradition there together with Alina Ibragimova and the Doric String Quartet. His longtime chamber music partners also include violist Antoine Tamestit and French pianist Cédric Tiberghien is baritone Stéphane Degout. Together equally acclaimed internationally as a with Ibragimova, with whom he soloist and chamber musician and has has been heard at the Pierre Boulez won particular renown for his innova- Saal several times, Cédric Tiberghien recorded the complete violin sonatas tive concert programs. He recently made debuts with the Berliner Philof Beethoven and Mozart, the latter harmoniker, San Francisco Symphony recording winning the 2017 German Orchestra, Berlin’s Deutsches SymRecord Critics’ Award. He has also ­released a number of acclaimed solo phonie-Orchester, and Hamburg’s NDR Elbphilharmonie Orchestra and albums, featuring works by Bach, has also appeared with the Cleveland Bartók, Beethoven, Brahms, Chopin, Orchestra, Boston Symphony Orchestra, Debussy, Liszt, and others. London Symphony Orchestra, BBC

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Impressum Herausgeber Pierre Boulez Saal Präsident Daniel Barenboim Intendant Ole Bækhøj Redaktion Philipp Brieler, Ivana Rajic Gestaltung Annette Sonnewend Marketing Kurt Danner

Textnachweise Die Einführungstexte von Martin Wilkening und Harriet Smith sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Abbildungsnachweise Gemälde von Charles Demuth: Barnes Foundation (S. 2, 13), Metropolitan Museum of Art (S. 4, 14, 21) • Irving Penn (S. 8) • Creative Commons (S. 11) • Historisches Museum der Stadt Wien, reproduziert in Ernst Hilmar, Schubert, Graz 1989 (S. 17) • Giampiero Bigazzi (Hg.), John Cage. Itinerari oltre il suono, San Giovanni Valdarno o.J. (S. 18) • Eva Vermandel (S. 22) • Simon Perry (S. 24) Im Fall bestehender und nicht berücksichtigter Urheberrechte bitten wir den oder die Rechteinhaber um Nachricht.

Herstellung Druckhaus Sportflieger, Berlin Programmheft Nr. 76 der Saison 2021 /22 Redaktionsschluss: 31. Mai 2022 Verantwortlich für das heutige Konzert Künstlerische Planung und Produktion Kirsten Dawes Projektmanagement Alexa Nieschlag Veranstaltungstechnik Oliver Klühs Produktion und Inspizienz backlight! GmbH Pierre Boulez Saal Barenboim-Said Akademie gGmbH Rektorin Regula Rapp Geschäftsführer Carsten Siebert Französische Straße 33d 10117 Berlin


9. / 10. Juni AUSTRALIAN ART ORCHESTRA 15. – 17. Juni BREATH & HAMMER 19. Juni 16.00 YEFIM BRONFMAN Werke von Bartók, Beethoven und Chopin So

20. Juni 19.30 HAGEN QUARTETT Werke von Dmitri Schostakowitsch Mo

Der Vorverkauf für die Saison 2022/23 beginnt am 23. August. Informationen & Tickets boulezsaal.de +49 30 4799 7411



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