Juliane Banse & Marcelo Amaral
Einführungstext von Antje Reineke Program Note by Richard Wigmore
Einführungstext von Antje Reineke Program Note by Richard Wigmore
Sonntag 20. November 2022 16.00 Uhr
Juliane Banse Sopran
Marcelo Amaral Klavier
Johannes Brahms (1833–1897)
Ständchen op. 106 Nr. 1 (Kugler)
An die Nachtigall op. 46 Nr. 4 (Hölty)
Sapphische Ode op. 94 Nr. 4 (Schmidt) Auf dem Kirchhofe op. 105 Nr. 4 (Liliencron)
Die Mainacht op. 43 Nr. 2 (Hölty)
Unbewegte laue Luft op. 57 Nr. 8 (Daumer) Dein blaues Auge op. 59 Nr. 8 (Groth)
Claude Debussy (1862–1918)
Trois poêmes de Stéphane Mallarmé (1913)
I. Soupir
II. Placet futile
III. Éventail
André Caplet (1878–1925)
Trois fables de Jean de La Fontaine (1919)
I. Le Corbeau et le renard
II. La Cigale et la fourmi III. Le Loup et l’agneau Pause Gabriel Fauré (1845–1924)
Cinq mélodies « de Venise » nach Gedichten von Paul Verlaine op. 58 (1891)
I. Mandoline II. En sourdine III. Green IV. À Clymène
V. C’est l’extase Johannes Brahms Vier ernste Gesänge op. 121 (1896)
I. Denn es gehet dem Menschen II. Ich wandte mich
III. O Tod, wie bitter bist du IV. Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete
Wir bitten, die Liedgruppen nicht durch Applaus zu unterbrechen. Das heutige Konzert wird per Audio-Livestream auf Pierre Boulez Saal Online übertragen und dort zu einem späteren Zeitpunkt für Mitglieder zum Nachhören veröffentlicht. boulezsaal.de/online
Mondlicht, ein stiller Garten, Nachtigallengesang und der Klang eines plätschernden Brunnens: In den Liedern von Johannes Brahms, die das heutige Programm eröffnen, wird die idyllische nächtliche Natur zum Spiegel oder Gegenbild der Menschen, ihrer Liebessehnsucht und Einsamkeit. Im Zentrum dieser Gruppe von Liebesliedern jedoch erinnert das von stürmisch auffahrenden Arpeggien und einer Folge dissonanter Akkorde durchzogene Auf dem Kirchhofe an die Vergänglichkeit. Wie in den Vier ernsten Gesängen erscheint der Tod hier einerseits unerbittlich grausam, andererseits als Erlösung. Entsprechend mündet die Komposition in einen choralartigen Durschluss, der das Kirchenlied O Haupt voll Blut und Wunden zitiert. Liebe und Vergänglichkeit: um diese Grund erfahrungen des Menschen kreist der gesamte Abend.
Die Gruppe der ersten sechs Lieder, die verschiedenen Samm lungen von Brahms entstammen, entstanden zwischen 1866 (Die Mainacht) und 1888 (Auf dem Kirchhofe, Ständchen). Dass sich unter den Dichtern mit Ludwig Hölty und Detlev von Liliencron nur zwei literaturhistorisch bedeutende Namen finden, ist typisch für Brahms: Ein herausragendes Gedicht bedurfte für ihn keiner Musik. Er suchte Texte, die sich musikalisch bereichern ließen. Insofern kam es vor allem auf Inhalt und Stimmung an – wie in den Gedichten von Georg Friedrich Daumer, Klaus Groth (einem langjährigen Freund von Brahms), Hans Schmidt (dem Lehrer der Söhne des befreundeten Geigers Joseph Joachim) und Franz Kugler (mit dessen Familie Brahms bekannt war).
Das heiter-bewegte Ständchen, dessen Klavierpart die Zither der musizierenden Studenten nachahmt, ist die ironische Beschreibung einer abendlichen Serenade – einer eher vergeblichen, da das an gesprochene Mädchen schläft. Ob der Liebste, von dem sie träumt, einer der Musiker ist, bleibt offen. Diese Traumwelt wird harmo nisch in ein neues Licht getaucht, während das Klavier (ein reizendes, leicht zu überhörendes Detail) der Singstimme ihre ursprüngliche Melodie entgegensetzt.
In den zwei Hölty-Vertonungen weckt der Gesang der Nachtigall das schmerzhafte Bewusstsein des lyrischen Ichs, partnerlos zu sein. Die Mainacht beginnt langsam und innig und wird in der zweiten Strophe dramatisch gesteigert; zu „suche dunklere Schatten“ führen die Stimmen symbolisch in die Tiefe. Die dritte Strophe wandelt zunächst die erste ab und stellt so den Bezug zwischen der Ruhe der mondbeschienenen Natur und dem inneren Frieden her, den das „lächelnde Bild“ verspricht. Dann kehren Text und Musik zur „einsamen Träne“ zurück – nun nicht mehr Ausdruck des Schmerzes, sondern der ersehnten Liebeserfüllung.
Um erfüllte Liebe geht es auch in Sapphische Ode, deren warme, tiefe Lage und schwebende Synkopen im langsamen Tempo zugleich Ruhe und unterschwellige Erregung vermitteln, und in Unbewegte laue Luft. Dort kennzeichnen lange Notenwerte bei langsamem Tempo, eine tiefe Lage und pausendurchsetzte Gesangslinie die Ruhe der Natur, bevor mit einem lebhaften Tempo, rauschenden Arpeggien und weiten, aufwärtsstrebenden Gesangsbögen die menschliche Leidenschaft durchbricht.
Claude Debussys Trois poèmes de Stéphane Mallarmé von 1913 sind dem Andenken des 1898 verstorbenen Dichters gewidmet. „Er hatte – vielleicht ohne es zu wissen – einen beträchtlichen Einfluss auf den sehr schweigsamen Musiker, der ich zu der Zeit war, als er mir die Ehre erwies, mich bei sich zu empfangen“, schrieb Debussy an Mallarmés Schwiegersohn. Kennengelernt hatte er den 20 Jahre älteren Dichter schon 1890 und war regelmäßiger Gast bei dessen berühmten Dienstagstreffen gewesen. Damals entstand nach einem Gedicht Mallarmés das Prélude à l’après-midi d’un faune.
Die Trois poèmes bilden einen Zyklus, obwohl sie auf den ersten Blick wenig zu verbinden scheint. In ihrem durchsichtigen, kargen
Charakter sind sie typisch für Debussys späte Kompositionen. Alle drei Texte stehen in der ersten Person und wenden sich an Frauen gestalten, doch sprechen hier deutlich verschiedene Individuen. Soupir verschränkt das Bild der Frau unauflöslich mit dem der herbstlichen Natur. Der azurblaue Himmel steht für ein unerreich bares Ideal, ein Seufzer kann sowohl Enttäuschung und Schmerz als auch Wünsche und Hoffnungen ausdrücken. Das Vorspiel deutet musikalisch die zentrale Metapher der Wassserfontäne an und kommt auf einem Akkord zum Stehen, der ein Gefühl der Weite wie zwischen Erde und Himmel weckt. Danach setzt die Singstimme unbegleitet ein. Im Weiteren unterstützen gliedernde Tempo-, Rhythmus- und Texturwechsel den emotionalen und inhaltlichen Verlauf des Gedichts: eine hohe Klavierlage und zartes Staccato für Himmel und Wasser, ein harmonisch voller Klang für die Wärme des „Azur attendri d’Octobre“ und schließlich das Bassregister für die Bilder des Verfalls.
Placet futile, dessen Sprecher sich keine Hoffnungen auf die an geredete Prinzessin machen kann, imitiert ironisch die galante Dichtung des 18. Jahrhunderts. Debussy stellt den Bezug auf diese höfische Welt durch einen Satz im Stil eines Menuetts und eine in Teilen harmonisch altertümliche Sprache her. Gegen Ende ist von einem Fächer die Rede, wozu Debussy ein musikalisches Fächer motiv einführt. In Éventail schließlich spricht der Fächer selbst über seinen durch die Hand der Frau kontrollierten Flug und die Flüchtigkeit des Augenblicks. Mallarmé notierte das seiner Tochter gewidmete Gedicht tatsächlich auf einem Fächer. In dem „scherzando“ überschriebenen Lied deuten die musikalischen Figuren die Bewegungen des Fächers an: auf und zu, hin und her, gleichmäßig oder mit kleinen Verzögerungen.
Der mit Debussy befreundete André Caplet ist als Komponist wenig bekannt. Kennengelernt hatten die beiden Musiker sich 1906, und schon bald fungierte Caplet als Debussys Korrekturleser, half bei der Instrumentation von Le Martyre de Saint Sébastien und Children’s Corner, fertigte Klavierfassungen von La Mer und Ibéria an und dirigierte die Werke des Freundes. „Sie sind einer der wenigen Menschen, mit denen ich mich gerne austausche, weil Sie antworten, ohne sich im Ton zu vergreifen – das ist sehr selten“, schrieb ihm Debussy.
Caplet hatte ab 1896 am Pariser Conservatoire studiert und 1901 auf Anhieb den Prix de Rome gewonnen. (Anders als manchmal zu lesen, war er nie Schüler von Gabriel Fauré oder Debussy.) Zusam men mit Ravel, Roussell, de Falla und Strawinsky gehörte er der berühmten Künstlergemeinschaft Les Apaches an, und als Opernund Konzertdirigent war Caplet hoch angesehen, wobei er nicht nur in Frankreich, sondern einige Jahre auch in Boston tätig war. Obwohl er von Debussy lernte, ging er als Komponist eigene Wege. „Technisch entfernte sich Caplet von Debussy und dem Impressionismus“, urteilt der Musikwissenschaftler Paul Landormy, „um einen klaren Aufbau, deutliche Akzente, eine bei Bedarf derbe Harmonik zu erreichen, und er hat auch bestimmte Errungen schaften der Polytonalität nicht vernachlässigt.“ Der Schwerpunkt seines Schaffens liegt auf Vokal- und Kammermusik. „Dieser Caplet ist ein Künstler. Er versteht es, die klangliche Atmosphäre zu treffen, und hat ein sensibles Gespür für Proportionen“, erklärte Debussy, nachdem er zum ersten Mal Lieder seines Kollegen gehört hatte.
Die Trois fables de Jean de La Fontaine datieren von 1919. Es sind lebendige und detailreich gezeichnete Szenen voller Komik, deren musikalische Form sich aus dem Gang der Handlung ergibt; das didaktische Element der allegorischen Tiergeschichten tritt dabei eher zurück. Die Tiere sind allesamt scharf und individuell gezeichnet, was den Ausführenden einiges an Flexibilität abverlangt. Der Fuchs gibt sich mal schmeichlerisch, mal spöttisch, während der aufgeregte Rabe im Klavier unbeholfen zu singen versucht. Der in weiten Bögen singenden Grille steht die geschäftige, aber beschränktere Ameise gegenüber, und der in chromatischen Läufen, dissonanten Akkorden, Trillern und Glissandi vor Wut schäumende Wolf kontrastiert mit dem zarten Stimmchen des naiven, höflichen, logisch argumentierenden Lamms. Im deklamatorischen Satz der Singstimme stechen die ausgesprochen weiten Intervalle ins Auge, die sich bei den französischen Zeitgenossen Caplets in dieser Häufung nicht finden. Der Klaviersatz ist transparent, manchmal geradezu karg, deshalb aber nicht minder anspruchsvoll (Caplet war auch ein exzellenter Begleiter). Beide Stimmen sind mit zahlreichen charakterisierenden, teils geradezu szenischen Anweisungen ver sehen: „pathetisch grüßend“, „sich ins Fäustchen lachend“, „das Auge kugelrund und den Kopf zwischen den Schultern“, „vor Ent rüstung in die Luft gehend“, „trantütig“, „die Zähne zusammen beißend“…
Die Blütezeit des als „mélodie“ bezeichneten französischen Liedes ab etwa 1870 ist mit Komponisten wie Debussy und Fauré, aber auch mit Dichtern wie Mallarmé und Paul Verlaine verbunden. Verlaine, meistvertonter Dichter seiner Zeit, arbeitete gezielt mit der „musikalischen“ Ebene von Sprache, mit ihrem Klang und Rhythmus. Gabriel Faurés Cinq mélodies « de Venise » auf Gedichte Verlaines verdanken ihre Entstehung einem Venedig-Urlaub im Sommer 1891. Sie sind der Gastgeberin des Komponisten, der späteren Princesse de Polignac gewidmet, die als Mäzenin zahlreicher Musiker in Erscheinung getreten ist. Mit Fauré verband sie seit ihrer Jugend eine leidenschaftliche, aber platonische Freundschaft. Fauré bezeichnete die Lieder einmal als „eine Art Suite, eine Ge schichte“ und merkte an, dass in C’est l’extase Musik aus En sourdine und Green wiederkehrt. Viele Werkkommentare identifizieren zudem ein eher unauffälliges Motiv, das in allen fünf Liedern auftritt. Es wirkt als stilistisch vereinheitlichendes Element, das nicht bewusst wahrgenommen wird.
Die „Geschichte“ ist nicht im Sinne einer Handlung zu verstehen, sondern besteht eher aus Momentaufnahmen einer Liebesbeziehung. Zudem enthalten die Lieder zahlreichen musikalische Anspielungen.
Einen direkten Bezug zu Venedig bieten zunächst nur die „mystiques barcarolles“ in À Clymène. Eng mit der mythischen Sphäre der venezianischen Gondeln ist aber auch die Mandoline des ersten Liedes verbunden. Der Zyklus beginnt mit einem weiteren ironischen Blick auf die Praxis abendlichen Ständchensingens und lässt vier persönlich gefärbte Liebeslieder folgen. En sourdine beschreibt die Vereinigung der Liebenden in der Harmonie der Natur, endet aber überraschend schmerzlich. (Der Titel des Liedes, eigentlich „mit Dämpfer spielen“, scheint hier die Abgeschiedenheit, das HeimlichVerschwiegene zu umschreiben). Green beinhaltet zartes Liebeswerben voller Sehnsucht nach Akzeptanz und Geborgenheit, A Clymène ist ein Portrait der Geliebten. C’est l’extase schließlich bringt die Vereinigung der Liebenden, aber auch dieses Glück erscheint nicht ungetrübt.
Musikalisch ergibt sich daraus eine abwechslungsreiche Folge: in Mandoline imitiert das Klavier mit tänzerischen Staccato-Figuren das titelgebende Instrument. En sourdine vermittelt in der Verbindung aus ruhigen Vokal- und Klavierkantilenen mit einer fließenden Arpeggio-Begleitung die Gleichzeitigkeit von tiefer Ruhe und innerer Bewegung. Über Green, ein Allegretto con moto mit leichten repetierten Klavierakkorden, schreibt Fauré: „Die Interpretation ist
schwierig: langsam in der Bewegung, aber erregt im Ausdruck, glücklich und traurig, leidenschaftlich und entmutigt.“
À Clymène ist dem Text gemäß eine Barkarole, deren typischer Mollcharakter einen melancholischen Grundton mit sich bringt. Das große Gewicht des Klaviers in dieser Komposition scheint auf die „romances sans paroles“ in der zweiten Zeile zurückzugehen –eine Anspielung auf Mendelssohns „Lieder ohne Worte“. C’est l’extase, das im Tempo langsamste Lied der Gruppe, greift für die zweite Gedichtstrophe musikalisch zunächst auf Green zurück, „ruhig und milder“, so Fauré, und baut den Schlussabschnitt auf dem Mittelteil von En sourdine auf – „gesteigert, noch intensiver und tiefer bis zum Ende.“
Brahms’ Vier ernste Gesänge, geschrieben im Mai 1896, sind das letzte Werk, das der Komponist selbst veröffentlichte. Einen konkreten Anlass zur Entstehung scheint es nicht gegeben zu haben – wiederholt äußerte Brahms, er habe sich die Lieder selbst zum Geburtstag (am 7. Mai) geschenkt. Gegenüber ihrer Tochter Marie bezeichnete er sie zudem als „ganz eigentliches Totenopfer“ für Clara Schumann, die im März 1896 einen Schlaganfall erlitten hatte und am 20. Mai, kurz nach Vollendung des Zyklus, gestorben war. Zwar sei das Werk nicht in Gedanken an die Freundin entstanden, aber, so Brahms, „tief innen im Menschen spricht und treibt oft etwas, uns fast unbewußt, und das mag wohl bisweilen als Gedicht oder Musik ertönen“. Gewidmet sind die Gesänge dem Maler und Graphiker Max Klinger zum Dank für dessen Zyklus Brahmsphantasie Die Texte aus dem Alten und Neuen Testament wurden von Brahms so zusammengestellt, dass sie eine Entwicklung abbilden: Vom Gedanken an die Vergänglichkeit allen Lebens führt sie zu einem tröstlichen Ende mit einer Feier der Liebe, von einem trauer marschartigen Beginn mit einförmigem Ostinato und glockenartigem Orgelpunkt zu einem zarten, hymnischen Abschluss. Doch enthält der Zyklus weder das Versprechen auf ein ewiges Leben noch die christliche Erlösungsbotschaft. Der zweite Gesang betrachtet die Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Welt, die das Leben zur Last machen können, der dritte reflektiert darüber, dass der Tod bitter, aber auch willkommen sein kann. In beiden Stücken spielen absteigende Dreiklangsbrechungen und Terzenketten, die jeweils
gleich zu Beginn eingeführt werden, eine wichtige Rolle. Schon früher hatte Brahms dieses Motiv als Todessymbol verwendet. Besonders bezeichnend und bewegend ist im zweiten Gesang die gedämpfte, von rhetorischen Pausen durchzogene Reprise des Beginns, die den Vergleich der Toten (symbolisch der tiefste Ton des Zyklus) mit den Lebendigen und Ungeborenen begleitet. Der kurze Schlussteil über das Glück, das Böse nicht zu kennen, wendet sich nach Dur. Von den zwei großen kontrastierenden Teilen des dritten Gesangs setzt der erste in Moll und mit der absteigenden Terzenkette im Forte an; das Klavier ist dabei so gegen die Singstimme versetzt, dass seine Akkorde den Worten „Tod“ und „bitter“ Nachdruck verleihen. Der zweite Abschnitt ist weicher, dynamisch zurückgenommen und steht in Dur, mit der Anrede in aufsteigenden Sexten. Der Zyklus wird insofern allmählich heller: von dem ganz in Moll gehaltenen ersten Gesang über den kurzen Durschluss des zweiten bis zu diesem umfangreichen Durteil. Das Schlusslied über die Macht der Liebe steht ganz in einer Durtonart. Das wesentliche Element des emphatischen Schlussgesangs fasste Brahms seinem Kollegen Richard Heuberger zufolge folgender maßen zusammen: „Das alles ist, wie vieles in der Bibel, echt heidnisch, aber echt menschlich. Der Glaube allein ist nichts, alles herschenken ist auch nichts, den Leib als Märtyrer verbrennen lassen ist auch nichts, nur die Liebe.“ Dabei habe er die Liebe im „menschlichen Sinne“ verstanden, also Liebe als Leitbild mensch lichen Lebens – wobei oft vermutet wird, Brahms habe dabei durchaus die sinnliche Liebe mit eingeschlossen. Darauf könnte das Ende mit einem musikalischen Anklang an sein eigenes Lied Wie bist du meine Königin op. 32 Nr. 9 hindeuten, wenn es denn ein bewusstes Zitat ist. Jedenfalls strahlt das „Bekenntnis zur Liebe auf die vorherigen Gesänge zurück“, wie der Musikwissenschaftler Peter Jost betont: „Nur die Liebe verfügt über das Potential, […] Unrecht mindern und Leid trösten sowie schließlich den Tod gelassen hinnehmen zu können.“
Antje Reineke promovierte an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über Benjamin Brittens Liederzyklen. Neben der Musik Großbritanniens gilt ihr besonderes Interesse dem Lied des 19. bis 21. Jahrhundert.
by Brahms, Debussy, Fauré, and Caplet
Richard WigmoreUnlike Robert Schumann and Hugo Wolf, Johannes Brahms preferred to set lesser, sometimes even downright mediocre poets. Yet although self-taught, he was far from uncritical in his literary tastes. He remarked to the baritone Georg (later Sir George) Henschel that Goethe’s poems were all “so finished that there is nothing one can do to them with music.” For Brahms there was no point in creating a song unless the music could add to the words; and time and again he chose poems not for their literary merit but for their personal resonances—hence so many songs of solitude, nostalgia, and unfulfilled and/or idealized love.
Juliane Banse and Marcelo Amaral open their Brahms group, though, in an upbeat mood: with the blithe Ständchen to verses by the otherwise forgotten artist and poet Franz Kugler. This picture of three student serenaders is Brahms at his most companionable, with its strumming zither and duetting flute and violin, its sensuously entwining countermelodies and, in the central verse, its dreamy, remote modulations.
In the composer’s mind, birdsong and images of birds in flight were often associated with love lost or lovers separated. Brahms’s famous setting of Ludwig Hölty’s An die Nachtigall is a luxuriant meditation, starting from innocence and deepening and darkening to a climax of searing passion—a world away from Schubert’s fleet, evanescent treatment of the same poem.
Memory and regret are the dominant themes of Brahms’s five songs “for deep voice” published in 1884 as Op. 94. The only note of (relative) comfort in the set comes in the glowing, sensuous Sapphische Ode, whose title comes from its imitation of a Greek Sapphic strophe, comprising three lines of 11 syllables and one of five. Tears and dewdrops are delicately suggested by the piano; and as so often, Brahms varies the simple strophic plan by introducing the subtlest melodic and harmonic variations in the second verse.
Auf dem Kirchhofe—described by Clara Schumann as “too dread fully sad”—was apparently inspired by a visit to a Swiss churchyard. The storm-tossed piano prelude heralds an impassioned vocal line underpinned by harsh dissonances. The closing section moves from turbulent minor to assuaging major, with an allusion to the Lutheran chorale most familiar as “O Haupt voll Blut und Wunden” in Bach’s St. Matthew Passion. Although he held out no hope of Christian salvation, the stoically agnostic Brahms could identify closely with the poem’s central idea of death as a healing and release.
The favorite Die Mainacht is a quintessential Brahmsian expression of melancholy isolation and lost love amid nocturnal calm. The tranquil beauty of the opening melody is questioned by Brahms’s avoidance of the tonic chord in its most stable, root position, and the sad, flatward modulations. In the second verse, dulcet repeated thirds evoke the cooing doves before the despairing outburst of “Aber ich wende mich,” and the long, aching phrase “Und die einsame Träne rinnt”—a notorious test of a singer’s breath control. Although Brahms was ambivalent about Richard Wagner’s revolutionary music dramas, he was not impervious to the liquescent chromaticism of Tristan und Isolde. A case in point is the mysterious nocturne Unbewegte laue Luft, a rare Brahms song to offer the hope, if not the certainty, of sexual fulfilment. Closing this group is a characteristic song of nostalgia, Dein blaues Auge, to verses by the composer’s friend Klaus Groth. Its radiant quasi-folk melody, evocative of healing coolness, becomes shadowed with chromatic harmonies at the memory of the lover’s rejection (“Es brannte mich ein glühend Paar”).
In 1913, 20 years after his revolutionary Prélude à l’après-midi d’un faune, Claude Debussy returned to the mysterious, evanescent
poetry of Stéphane Mallarmé for a set of three songs. That year the first complete edition of Mallarmé’s poetry had been published; and as chance had it, Debussy’s one-time friend Maurice Ravel simultaneously chose to set two of the same poems, Soupir and Placet futile, having already obtained the rights from Mallarmé’s heirs. By now the relationship between the two composers was strained and distant. And although Ravel saw to it that Debussy was granted permission to publish the songs, he was not amused.
The older Debussy got, the more pared-down and elliptical his style tended to become. Matching the flickering, dreamlike imagery of the poems, the three songs trade on fragmentary hints of melody and ambivalent harmonies that often blur all sense of key. The unaccompanied vocal line at the opening of Soupir evokes austere plainchant, before flowering into melody at the image of the “jardin mélancholique” against lapping keyboard triplets.
The playfully ironic artifice of Placet futile, a declaration of love to a shepherdess depicted on a Sèvres teacup (shades here of Keats’s Ode on a Grecian Urn), inspired Debussy to a distorted reminiscence of a galant minuet. A profusion of ornaments enhances the delicately flirtatious tone. Ornamental arabesques, suggesting the fluttering motion of the fan, then become the starting point for the final Éventail, a puckish, whimsical scherzando that lives up to its mark ing “délicat et léger.”
Born in Le Havre, André Caplet was a teenage prodigy who initially made his name in Paris as a conductor and became a close friend and, for a time, amanuensis of Debussy. His output, almost inevitably influenced by Debussy, was dominated by song. Dating from 1919, the year after Debussy’s death, are the three delightful settings of La Fontaine heard tonight. The poet’s Aesop-inspired satires on human greed, cunning, and sheer cruelty are known to every French schoolchild.
Behind Caplet’s Trois fables lies the example of Ravel’s “animal” cycle Histoires naturelles of 1906. As in the Ravel, the vocal line frequently approximates to heightened speech, with the piano as stage manager, animator, and commentator. Caplet was a seasoned opera conductor; and the spirit of comic opera, liberally laced with vitriol, is omnipresent.
Entering into the spirit of the poet, Caplet makes amusing capital of gaping vocal intervals, as on “fromage” (marked to be sung “smugly”) and “Bonjour“ (“maliciously”) near the opening of Le Corbeau et le renard. Detailed, tongue-in-cheek directions to the singer abound. The fox extols the crow’s beauty (“Que vous êtes joli!”) in an absurdly protracted flourish marked “overflowing with expression.” In La Cigale et la fourmi, launched by a long, “bouillonant” (bubbling) piano introduction, the cicada’s rapt outpourings are mocked by the ant’s clipped, dispassionate responses, duly heralded by the piano’s desiccated staccato.
Le Loup et l’agneau also trades on ironic contrast: between innocence and peril, lyrical calm and discordant disruption. The lamb pleads with its adversary “in a small, puny (‘chétif’) voice,” with the singer at one point being required to emit a bleating sound. Conversely, the wolf rants like a caricature coloratura soprano, underpinned by ominous, orchestral-style tremolos.
In the guise of the music critic “Monsieur Croche,” Debussy dubbed Gabriel Fauré “the Master of Charms,” entranced by the “play of graceful, evanescent lines” in his music. Nowhere is this description more apt than in the Verlaine cycle Cinq mélodies “de Venise” that Fauré composed between June and September 1891. Though only Mandoline was written in La Serenissima, the composer always thought of these songs as being “of Venice.” Verlaine’s grace ful, allusive verses were inspired by Watteau’s Fêtes galantes depicting an idealized, rarefied courtly life in Versailles. These scenes in turn had their roots in the Italian commedia dell’arte and the masked balls and secret moonlit trysts of the Venetian carnival. The seductively lapping À Clymène reminds us that Venice was also the home of the barcarolle.
Opening the cycle is the popular serenade Mandoline, with the piano pizzicatos evoking a plucked lute or mandolin. In this musical equivalent of Watteau’s famous L’Embarquement pour Cythère, the mood is ostensibly one of refined, nonchalant gaiety. But both the harmonies and the downward pull of the melody from the words “tourbillonnent dans l’extase” hint at the emptiness behind the elegant façade. A melancholy undertow also pervades the twilit tryst of En sourdine, where voice and keyboard are locked in secretive,
shrouded colloquy against fronds of mysteriously rippling semiquavers. Marked “breathlessly” (“haletant”), Green is a post-coital scene of mingled joy, confusion, and tenderness. In a letter to his patroness Princesse Edmond de Polignac (with whom he was hopelessly in love), Fauré summed it up as “slow-moving but agitated in feeling, happy and miserable, eager and disillusioned.” One of the song’s motifs, a downward-curling figure in the piano after verse two, recurs in the final Venetian song, C’est l’extase, immediately after the line “Le chœur des petites voix.” This half-ecstatic, half-languorous paean to love, filled with forest murmurs, also quotes a haunting phrase from En sourdine. As Fauré wrote to the Princesse de Polignac, the phrase becomes “still more intense and profound right through to the end. This forms a sort of conclusion and makes the five songs into a sort of suite.”
After he had grown that famous patriarchal beard in his late 40s, Brahms seems to have enjoyed appearing prematurely grizzled. But when he completed his Vier ernste Gesänge (Four Serious Songs) on his 63rd birthday, May 7, 1896, he had every reason to feel his age. Over the previous few years, he had suffered a string of bereavements, including his former pupil and musical confidante Elisabeth von Herzogenberg, née Stockhausen. His beloved Clara Schumann lay mortally ill (she died on May 20). He himself was already suffering from the first symptoms of the liver cancer that would kill him less than a year later.
Brahms’s friend and biographer Max Kalbeck remarked how the agnostic composer “always liked to seek out the godless texts from the bible.” Like the Deutsches Requiem, these meditations on last things are devoid of Christian dogma. Designed to comfort the living, and indeed Brahms himself, they are profound, unsentimental testaments to his sympathy for suffering, stoical humanity, his belief in the virtue of hard work, and the enduring power of love. Signifi cantly, the German of Luther’s bible, with its stark monosyllables, is that much rawer than the English of the Authorized Version. With accompaniments that often evoke the orchestra in their sonorous depth and contrapuntal intricacy, the four songs move from the terrible nihilism of Ecclesiastes to the affirmative message of St. Paul’s sermon to the Corinthians. The opening Denn es gehet
dem Menschen wie dem Vieh, set implacably in the minor key, alternates between music evocative of a funeral cortège and chanting monks, and a tumultuous depiction of swirling dusts. Two laconic final chords, like slammed doors, conjure the brutal irrevocability of death. The second song, Ich wandte mich, mingles pessimism and social protest. After Brahms’s chilling evocation of nothingness, the music, for the first time in the cycle, turns to the major mode in homage to the unborn who are not aware of the evil that is done under the sun (“Und des Bösen nicht inne wird”). The text, again from Ecclesiastes, is disconsolate. But it inspires Brahms to a glorious, consolatory arch of melody, the far-flung vocal line underpinned by the fatalistic falling thirds in the keyboard bass that permeate the cycle.
Brahms takes the text of the third song, O Tod, wie bitter bist du, from Ecclesiasticus in the Apocrypha. This became the most popular of the Vier ernste Gesänge, above all, one senses, for the infinitely tender final lullaby to death (“O Tod, wie wohl tust du”), where minor finally becomes unalloyed major, and the desolate descending thirds of the opening are transformed by inversion into assuaging rising sixths: one fundamental idea contemplated from two diametri cally opposing standpoints.
Mingling quasi-orchestral grandeur and (at the line “Wir sehen jetzt durch einen Spiegel”) reflective intimacy, the final song, entirely in the major key, sets lines selected from St. Paul’s First Epistle to the Corinthians. The famous line “There remain faith, hope, and love. But the greatest of these three is love” inspires a massive, impassioned climax, with huge vocal intervals. Yet Brahms ends this, his last song, with a recollection of the intimate music of “Wir sehen jetzt” and a characteristic calm sunset glow—a final, philosophical acceptance both of death’s inevitability and of the redeeming power of love.
There is another, intensely personal, resonance in this final song. The German “Liebe” embraces eros as well as St. Paul’s agape, translated in the Authorized Version as charity; and, significantly, in the sketches for this song Max Kalbeck found allusions to Brahms’s early love for Elisabeth von Herzogenberg, who had died in January 1892, aged just 44.
Richard Wigmore is a writer, broadcaster, and lecturer specializing in Classical and Romantic chamber music and lieder. He writes for Gramophone, BBC Music Magazine, and other journals, and has taught at Birkbeck College, the Royal Academy of Music, and the Guildhall. His publications include Schubert: The Complete Song Texts and The Faber Pocket Guide to Haydn