Carolin Widmann

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Carolin Widmann

Einführungstext von Anne do Paço Program Note by Harry Haskell

CAROLIN WIDMANN

Donnerstag 8. Dezember 2022 19.30 Uhr

Carolin Widmann Violine

Francesco Geminiani (1687–1762)

Sonata a Violino solo senza Basso g-moll

I. Adagio II. Vivace III. Affettuoso. Grave IV. Giga. Allegro (assai)

Hildegard von Bingen (1098–1179)

Antiphon „Spiritus sanctus vivificans vita“

George Enescu (1881–1955)

Fantaisie concertante für Violine solo (1932)

Allegro molto moderato e maestoso –Allegretto lusingando

Hans Abrahamsen (*1952)

Violin for Carolin (2022)

I. [ohne Bezeichnung]

II. Erregt und stürmisch III. Lento – Tempo II subito prestissimo IV. Presto energico V. [ohne Bezeichnung]

Salvatore Sciarrino (*1947)

Sei Capricci für Violine solo (1976) I. Vivace II. Andante III. Assai agitato IV. Volubile V. Presto VI. Con brio Keine Pause

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Spektren der Violine

„Wie kann man etwas notieren, das so frei, so visionär klingt?“, fragt sich Carolin Widmann in einem Interview mit Max Nyffeler angesichts der Fantaisie Concertante des rumänischen Kom ponisten George Enescu – eine Frage, die als Motto auch über dem heutigen Konzert der vielseitigen Geigerin stehen könnte. Auf ihrem Instrument, solistisch und unbegleitet, schlägt sie einen schillernden Bogen durch fast ein Jahrtausend abendländischer Musik mit ihren so heterogenen Klangwelten.

Hildegard von Bingen Antiphon „Spiritus sanctus vivificans vita“

„Der Heilige Geist ist Leben erzeugendes Leben, alles be wegend und Wurzel der gesamten Schöpfung; alles wäscht er von Schmutz rein, er tilgt die Schuld und salbt die Wunden“, lauten die ersten Zeilen der Antiphon „Spiritus sanctus vivificans vita“, die sich voller Lyrik mit einer einfachen, weit ausschwingenden Melodie entfaltet. Hildegard von Bingen hatte die vokale Anrufung für Pfingsten komponiert, jenes Fest, welches das Herabfahren des Heiligen Geistes in Form eines feurigen Atems auf die Menschen feiert – als Trost, Stärkung, aber auch Aufrüttelung. Carolin Widmann geht mit ihrer Interpretation des alten Gesangs weit zurück hinter das Repertoire, das für die Violine komponiert wurde, zu den Wurzeln, in denen sie die Grundlage unserer gesamten Musiktradition sieht: die Verbindung der Stimme mit

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Zum Soloabend von Carolin Widmann

dem allem Leben innewohnenden Rhythmus des Atems zur Kunstform des Gesangs.

Hildegard von Bingen zählte zu den faszinierendsten Persönlich keiten des Mittelalters. Mit 14 Jahren trat sie in eine dem Bene diktinerkloster im rheinhessischen Disibodenberg angeschlossene Frauenklause ein, wurde 1136 deren Vorsteherin und gründete zwischen 1147 und 1150 ein eigenes Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen. Voller Charisma und Intelligenz involvierte Hildegard sich aktiv in die politischen, gesellschaftlichen und kirchlichreligiösen Diskurse ihrer Zeit. Immer wieder berichtete sie von Visionen, die ihr den Weg wiesen, ihrer Berufung zu folgen: der „Auslegung des Psalters, des Evangeliums und der anderen katho lischen Schriften des Alten wie des Neuen Testaments.“ Sich selbst sah sie als „eine Feder auf dem Atem Gottes“ und dokumentierte ihre spirituelle, auf der Vorstellung der Einheit von Mensch und Umwelt, Körper und Seele beruhende Gedankenwelt mit natur wissenschaftlichem, spirituellem und künstlerischem Ansatz. Nicht nur musikhistorisch ist Hildegards Schaffen, das aus 70 Liedern, Antiphonen, Hymnen und dem moralischen Mysterienspiel Ordo virtutum besteht und mit dem sie ihrer Suche nach dem Klang der Stimme Gottes Ausdruck verlieh, hochinteressant – in seiner individuellen Ausgestaltung zählt es auch zur großartigsten Musik des Mittelalters.

George Enescu

Fantaisie concertante für Violine solo

George Enescu wird bis heute meist mit einer volkstüm lich inspirierten Musiksprache assoziiert. 1881 im damaligen Liveni-Vârnav geboren und bereits als Kind durch sein virtuoses Geigenspiel begeisternd, hatte der Rumäne mit den Koryphäen Joseph Hellmesberger, Ludwig Ernst und Robert Fuchs die besten Lehrer seiner Zeit und machte in Wien auch die Bekanntschaft von Johannes Brahms. In Paris studierte er ab 1895 bei Jules Massenet und Gabriel Fauré Komposition und sorgte schließlich nicht nur als Violinvirtuose und Komponist, sondern auch als Dirigent und be deutender Pädagoge, der u.a. Yehudi Menuhin zu seinen Schülern zählte, in Europa und den USA für Furore. Als Komponist litt er Zeit seines Lebens unter dem Erfolg seiner populären Rumänischen Rhapsodien aus dem Jahre 1901, die – so brillant sie auch sind –

lange den Blick auf Enescus übriges Schaffen verstellt haben: eine Musik, die über die Fruchtbarmachung volksmusikalischer Ein flüsse hinaus innerhalb der brodelnden Atmosphäre der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts durch einen ganz eigenen Stil gekenn zeichnet ist.

In der Arbeit immer wieder unterbrochen durch seine intensive Konzerttätigkeit, musste Enescu eine ganze Reihe von Kompositionen unvollendet zurücklassen, darunter auch das heute unter dem Titel Fantaisie concertante bekannte Solostück, das seine endgültige Gestalt nicht durch Enescu selbst erhalten hat, sondern auf seinen Skizzen zu einer Sinfonia concertante für Violine und Orchester beruht, an der er 1932 intensiv arbeitete und sie doch nicht vollendete. 2005 entschloss sich der Geiger Sherban Lupu, der bereits Mitte der 1990er Jahre die ebenfalls unvollendete Caprice Roumain rekonstru iert hatte, zusammen mit dem Komponisten Cornel Țăranu zu einer Edition des vorliegenden Sinfonia concertante-Materials: der weitgehend ausgearbeiteten Violinstimme, die um einige aus den Orchesterskizzen übernommene Passagen ergänzt wurde. So eröffnet die Fantaisie concertante nicht nur einen interessanten Ein blick in Enescus kompositorische Werkstatt, sondern zeigt sich als ein Werk für Violine solo, das ohne weiteres neben seinen Sonaten für Violine und Klavier bestehen kann. Die musikalische Sprache steht in ihrer radikalen, mit Tönen sprechenden Expressivität Enescus 1936 in Paris uraufgeführtem Musiktheater Oedipe nahe –gekennzeichnet durch dissonante Harmonik, eine unruhige, durch immer neue Taktwechsel bestimmte Metrik und sich aufbäumen de, von harten Akzenten unterbrochene Linien, die sich aber auch in filigrane Höhen aufschwingen können, um dort auf der Stelle zu treten oder in die Tiefe zu stürzen. Es entfaltet sich ein schwer gewichtiger Monolog, ein unnachgiebiges Nachdenken in einer in Auflösung begriffenen musikalischen Form über ein Thema, das abwesend ist, da das eigentliche Werk, die Sinfonia concertante, nicht vollendet wurde.

Hans Abrahamsen Violin for Carolin

Die Werke des Dänen Hans Abrahamsen, der am 23. Dezember dieses Jahres seinen 70. Geburtstag feiert, folgen meist einer geheimen Dramaturgie, sprechen durch ihre Töne zu uns, von etwas, das sich

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nicht immer eindeutig entschlüsseln lässt, einem aber so schnell nicht wieder aus dem Kopf geht. An dem vielleicht romantischsten Instrument des Orchesters – dem Waldhorn – und als Komponist u.a. bei Per Nørgård und György Ligeti ausgebildet, ordnete die Musikwissenschaft Abrahamsen ab den 1970er Jahren zunächst der sogenannten „Neuen Einfachheit“ zu. Aus einer mehrjährigen schöpferischen Krise, die er selbst als „Fermate“ bezeichnete und zum Studium anderer Komponisten nutzte, deren Partituren er teils auch bearbeitete – darunter Bach, Schumann, Satie, Debussy, Nielsen, Schönberg und Ligeti –, kehrte Abrahamsen im Jahr 2000 mit einem neuen Klavierkonzert zurück und legte seither ein Œuvre vor, das in seiner Strenge und bewussten Reduktion der Mittel zu einer großen Poesie findet, wie das Kammermusik werk Schnee, der mit dem Grawemeyer Award 2016 ausgezeichnete Liederzyklus let me tell you für Sopran und Orchester, das Klavier konzert für die linke Hand Left, Alone oder die Oper The Snow Queen nach Hans Christian Andersen. Es ist der eigene Blick des Zeitgenossen auf musikalische Traditionen, sein Umgang mit ver trauten oder „gefundenen“ Materialien, aus dem Abrahamsens Musik ihre subtile, sich in das Bewusstsein des Hörers hinein bohrende Spannung erhält.

Dies gilt auch für sein jüngstes Werk: das am 7. Mai 2022 bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik von seiner Widmungsträgerin Carolin Widmann uraufgeführte Violin for Carolin. Wie Abrahamsen in einem Werkkommentar aufzeigt, tem perierte er in der fünfsätzigen Partitur abstrakte kompositorische Fragen durch die Einbeziehung persönlicher Erlebnisse und Assoziationen auf individuelle Weise. Ein Merkmal ist die Besin nung auf die einfachste, purste Art der Klangerzeugung auf einer Violine: das Streichen der leeren, „offenen“ Saiten. Ohne Verwendung der G-Saite, der tiefsten der Geige, entfaltet Abraham sen im ersten Satz ein Spiel mit den drei Tönen d, a und e: „ein Kanon in zwei Geschwindigkeiten – eine schnelle mit gestriche nem Bogen und die andere im halben Tempo mit Pizzicato in der linken Hand.“ Die latente Mehrstimmigkeit erinnert an Bach, Abrahamsen dachte aber auch an den ersten Satz aus Mozarts Violinkonzert Nr. 5, das die Bezeichnung „Allegro aperto“ trägt –ein „offenes Allegro“, Musik wie „ein blauer Himmel“. Und es klin gen Fragmente des dänischen Volkslieds Jeg gik mig ud en sommerdag (Ich ging hinaus an einem Sommertag) an, ein Lied, das Abraham sens Onkel Vagn liebte: „Er war Grundschullehrer und spielte Geige.

Sein Spiel war mein erster Kontakt mit dem Instrument.“

Die beiden folgenden Sätze sind geprägt von Erkundungen der Möglichkeiten, die sich durch die Verwendung der chromati schen Stufen innerhalb der leeren Saiten d–a ergeben: „Die sieben Stufen werden polyrhythmisch gleichzeitig gespielt. Um diese musikalische Grundidee zu verdoppeln, ändere ich hauptsächlich das Tempo. Das Original ist der dritte Satz, der langsam-schnell ist, und das Duplikat ist schnell-langsam und bildet den zweiten Satz des Werks“, erläutert Abrahamsen.

In seiner Struktur entspricht der vierte Satz dem ersten. Hier erklingen nun aber nicht die leeren Saiten, sondern im Flageolett deren Obertöne. Das Tempo ist schneller und der Ausdruck, so der Komponist, inspiriert „von aufgeregten Vögeln“. Im fünften Satz verbinden sich diese Grundideen mit einem Epitaph auf ein Haus tier: „den Kater Figaro, der viele Jahre lang auf meinem Sofa lag, während ich arbeitete.“ Nachdem Figaro von einem Auto angefahren verstarb, skizzierte Abrahamsen 2019 eine Melodie, deren Töne er aus den Buchstaben des Kater-Namens ableitete: F–(M)i–G–A–R(e)–(D)o. Bei der Komposition von Violin for Carolin erinnerte er sich im Herbst 2021 an diese Melodie, von deren sechs Tönen drei den leeren Saiten der Geige entsprechen, und machte sie zum Thema des letzten Satzes.

Francesco Geminiani Sonata a Violino solo senza Basso g-moll

Francesco Geminiani war Komponist und Violinvirtuose, veröffentlichte Musikabhandlungen und mit The Art of Playing the Violin die erste bedeutende Schule des Violinspiels, betätigte sich aber auch als Kunst- und als Weinhändler. Seine kompositorische Ausbildung erhielt er u.a. bei Alessandro Scarlatti in Neapel und Arcangelo Corelli in Rom. Seine Werke bestechen durch ebenso originelle wie raffinierte musikalische Einfälle und einen gerne Gren zen überschreitenden Umgang mit Harmonik und Spieltechniken. Zunächst 1706 für einige Monate am Teatro di Fiorentini in Neapel tätig, dann ab 1709 in der Cappella Palatina in Lucca, übersiedel te er schließlich nach London, wo er ab 1714 zunächst nur mäßi gen Erfolg hatte, aber mit Georg Friedrich Händel zusammenarbei tete und schließlich enge Kontakte zum englischen Königshaus auf bauen konnte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Dublin,

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wo er ab 1759 dem späteren Fünften Earl of Bellomont als Konzert meister diente.

Berühmt wurde Geminiani in England zunächst vor allem durch Musik, die gar nicht von ihm selbst stammte: Bearbeitungen von Corellis Violinsonaten und Concerti grossi. Seine Sonata a Violino solo senza Basso g-moll zeigt dagegen sowohl die kompositorische Meisterschaft wie auch die Virtuosität, die Geminianis Geigenspiel ausgezeichnet haben muss. Der Entstehungszeitraum des Werkes ist nicht bekannt, es handelt sich aber vermutlich um ein sehr frühes Beispiel italienischer Literatur für Solovioline.

Das eröffnende Adagio liegt – wie im Barock meist üblich –nur in einem Notengerüst von Geminianis Hand vor, das der Inter pretin großen Freiraum zur eigenen Ausgestaltung mit Verzierungen und Arpeggien ermöglicht. Das von Doppelgriffen geprägte Vivace und der folgende langsame Satz sind Musik von großem Ernst, und auch der beschwingtere Charakter der Giga wird durch ungewöhnlich harsche Modulationen mehrfach irritiert.

Salvatore Sciarrino Sei Capricci für Violine solo

Der 1947 in Palermo geborene Salvatore Sciarrino zählt – wie Abrahamsen – zu jenen Komponisten, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts jenseits des seriellen und postseriellen Denkens, aber in Anknüpfung an historische Vorbilder und Traditionen einen eigenen Weg eingeschlagen haben. Er selbst stellt sich als ein Künstler vor, der „stolz ist, frei und nicht in eine musikalische Schule hineingeboren zu sein“. Sich selbst blieb er seit seinen Anfängen stets treu und schuf in aller Konsequenz eine Musik, die eine andere Art des Hörens bewirkt, indem sie sich an den Rändern der Stille entfaltet, im Echo oder Schatten eines Klangs. Immer wieder führt Sciarrino das Hören an einen Nullpunkt, hinein in eine Abwesenheit von Schall, die aber trotzdem „Druck auf die Ohren“ ausübt, indem das aufs Feinste gereizte Hören sich nach Innen wendet und damit ein eigenes Bewusstsein von Wahr nehmung schafft.

Seine 1976 entstandenen sechs Stücke für Solovioline bezeich nete Sciarrino als Capricci, also als Werke von spielerisch-freiem, scherzhaftem Charakter. In einem Capriccio ist alles möglich – der Virtuosität sind ebenso wenig Grenzen gesetzt wie der Lust an

absichtlichen Regelverstößen, die jedoch nie so weit gehen, dass die Norm völlig außer Kraft gesetzt würde. Vor allem die Virtuosen der Romantik fanden Gefallen an dieser Gattung. Berühmtestes Beispiel sind Nicolò Paganinis 24 Capricci op. 1, die Sciarrino mit ihrer elaborierten Spieltechnik, aber auch ihrem launenhaften Charakter als Reibungsfläche für seine eigene Komposition dienten. Immer wieder flackern in der Musik Paganini-typische Gesten auf, wie etwa die charakteristischen Arpeggien, die Sciarrino aber in den schwindelnden Höhen der fünften Oktave in ein filigranes Rauschen überführt. Trillerketten und schnelle Läufe werden durch Flageolett-Passagen in ein zerbrechliches Flirren verwandelt, kurze Störungen mit Forte-Akzenten fahren wie feine Nadelstiche da zwischen, „Klangverschmutzungen“ verdichten und verflüchtigen sich wieder. Der Verlauf der einzelnen Stücke ist eher statisch. Die ritornellartige Wiederholung der jeweiligen Anfangsgedanken der Capricci, die sich durch alle Stücke zieht, aber auch Nr. 1 und Nr. 6 verklammert, setzt Sciarrino bewusst als Mittel „ge gen Evolution und narrative Entfaltung der Zeit“ ein. Man meint beim Anhören des Stückes in einen zauberhaften „Garten voller Schmetterlinge“ einzutauchen, beschrieb Jeffrey Arlo Brown in einem Inter view mit dem Komponisten die einzigartige Atmosphäre der Capricci, die nicht nur allerhöchste Anforderungen an die Inter pretin stellen, sondern auch die expressive Körpergestik zum Bestandteil des Werks machen: „Die Kompositionstechnik dieser Capricci entspringt einer Logik des Körpers“, schrieb Sciarrino 1976. „Als solche widersetzt sie sich wirkungsvoll jeder abstrakten Kompositionstechnik, und zwar jeder Methode, die über den Klang und den Akt seiner Hervorbringung hinausgeht.“

Anne do Paço studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik in Berlin. Nach Engagements am Staatstheater Mainz und der Deutschen Oper am Rhein ist sie seit September 2020 Chefdramaturgin des Wiener Staatsballetts. Sie veröffentlichte Aufsätze zur Musik- und Tanzgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und war als Autorin u.a. für die Kammerphilharmonie Bremen, das Wiener Konzerthaus und die Opéra National de Paris tätig.

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Musical Connections

for Solo Violin

Spanning more than a millennium, the five pieces on tonight’s program explore the connections between widely disparate styles, composers, and eras. For Carolin Widmann, it is a typical exercise in telling a story about who we are and who we have been, starting as she often does with a 12th-century chant. “Of course, the piece isn’t written for violin originally,” the violinist explains. “It’s just a single-voice melody, and it really gives a spiritual feeling to the whole evening when you start with something so ancient. In a way, I feel that it connects us as humans. That’s where we are from, all of us.” Salvatore Sciarrino, who composed the last work on the program, echoes Widmann’s sentiment in a recent interview: “We can find points of contact between all forms of art, but musicians don’t like that. The origin is the idea of a pure musical language, from the late 19th century. L’art pour l’art. That’s been horrible for us, because now we don’t want music to have contact with other languages. I want to enjoy music and enjoy everything. No art should be forbidden. Why does it have to be forbidden to connect things? That’s culture: the life of connection.”

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Works Harry Haskell

A Pair of Visionaries

A German Benedictine nun renowned for her ecstatic spir ituality and powers of prophecy, Hildegard von Bingen recorded her visions in vividly imagistic religious poems that she later set to music of an equally individualistic character. “Spiritus sanctus vivificans vita” (The Holy Spirit, living and life-giving) is an antiphon, or short monophonic chant, built on a small number of recurring melodic formulas. With its gently undulating melis mas and narrow melodic range, it is at once restful and energetic, mirroring the duality in medieval philosophy between the vita contemplativa and the vita activa. As Widmann observes, listening to pure monophony “cleanses the mind”—much as, in Hildegard’s Latin poem, the Holy Spirit cleanses the guilty soul—and opens our ears to music of more recent vintage. The antiphon starts with a leap of a perfect fifth, from A to E, an interval that would become a basic building block of Western music in centuries to come.

George Enescu’s Fantaisie concertante is, in its own way, as visionary as Hildegard’s chant. Equally renowned as a violinist and composer, Enescu was something of a Romanian Béla Bartók. Exact contemporaries, the two men were mutual admirers and occasionally concertized together. Moreover, they shared a keen interest in the vernacular music of their native lands, as well as a predilection for cyclical, organic forms. Like the Hungarian, Enesco followed a trajectory from late Romanticism and the folkish idiom of his two popular Romanian Rhapsodies to the austere, increasingly pithy language of his late chamber music. Although he described himself as “essentially a polyphonist” who eschewed “pretty chord progressions,” he developed a sensitivity to musical line at an early age thanks to his studies at the Paris Conservatoire under the master lyricists Jules Massenet and Gabriel Fauré.

Enescu’s Fantaisie concertante blends polyphonic elements with a wide range of expressive devices. The Romanian violinist Sherban Lupu arranged this bravura solo from fragmentary drafts of a large-scale symphonic work that the composer set aside in 1932. Like Enescu’s violin sonatas, the music has a rhapsodic, free-floating quality that feels untethered both rhythmically and harmonically. The musicologist Malcolm MacDonald compares the fantasy to “a huge cadenza for a work that is now lost.” In its protean dynamism, the piece embodies the aesthetic philosophy that Enescu articulated in an interview with French critic Bernard

Gavoty: “I’m horrified by stagnation. For me, music isn’t a con dition but an action, that is, a collection of phrases that express ideas, and of movements that carry those ideas in one direction or another. The progression of harmonies, it seems to me, is a question of elementary improvisation. However short a piece may be, it deserves to be called a musical composition only if it has a discern ible line, a melody, or, better still, several melodies superimposed on one another.”

Of Open Strings and Cats

Danish composer Hans Abrahamsen is known for such varied and often nature-inspired works as Schnee (Snow), a kind of 21st-century tone poem, the symphonic monodrama let me tell you, and the Hans Christian Andersen opera Snedronningen (The Snow Queen). As the dedicatee of Violin for Carolin, Carolin Widmann premiered the work last May at the Wittener Tage für Neue Kammer musik. “The open strings of the violin have always captivated me,” the composer writes. “The fact that they are open got me thinking about the first movement of Mozart’s Fifth Violin Concerto, named ‘Allegro aperto’—an open allegro—as well as the blue sky. Two basic musical ideas flow through the five move ments of this piece, and the movements function as doubles of each other. The first basic idea is found in the first movement, which I wrote for open strings without the use of the G string. The music is simple, open, and, in reality, a canon in two speeds—one fast with stroked bow and the other in half tempo with pizzicato in the left hand. As in my work for chamber orchestra Schnee, there is an echo of Bach hidden somewhere in the musical structure. Also, you might hear fragments of the Danish folk song ‘I Went Out on a Summer’s Day,’ a song my uncle Vagn loved. He was an elementary school teacher and played the violin. His playing was my first expo sure to the instrument.

“The second basic idea is a systematic exploration of the coincidence between prime numbers, scales, and again the open strings. The basis is a chromatic scale from D to A. The seven steps are played polyrhythmically simultaneously. To double this basic musical idea, I mainly change tempo. The original is the third movement, which is slow-fast, and the duplicate is fast-slow and constitutes the work’s second movement. In the fourth movement,

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we rediscover the basic idea of the open strings from the first move ment, and thus the fourth movement becomes the double of the first movement…. The music has the same structure as the first movement, but with a faster and different expression, with inspi ration from excited birds. The final and fifth movement revolves around our late beloved cat Figaro…. In 2019, I wrote the first sketches for a melody based on the letters of his name: F, (m)I, G, A, R(e), (d)O. Unfortunately, Figaro was hit by a car and died the following week, and the simple idea lay in the drawer for a long time. When I returned to writing this piece in the autumn of 2021, the two basic ideas became the first four movements, and finally somewhere in the simple melody on Figaro’s name, I rediscovered the idea of the open strings. The movement became an epitaph and created a clear connection to the other movements of this work.”

A Pair of Italians

A virtuoso violinist, Francesco Geminiani cut his musical teeth in Rome and Naples before moving to London in 1714 to join the burgeoning community of Italian musical expatriates. As a protégé of Arcangelo Corelli, whose music was all the rage in England, he quickly made his mark as a performer, composer, and teacher. According to his pupil Charles Avison, “there is such a Genteelness and Delicacy in the Turn of his musical Phrase … and such a natural Connection in his expressive and sweet Modu lation throughout all his Works, which are every where support ed with so perfect a Harmony, that we can never too often hear, or too much admire them.” Apart from its intrinsic musical merit, Geminiani’s G-minor Sonata showcases the advances in instru mental technique that made 18th-century Italian violinists famous throughout Europe. Cast in four movements (slow-fast-slow-fast), the Sonata opens with a weighty and intensely expressive Adagio, whose slow-moving chords provide a harmonic trellis that supports a profusion of arpeggios, double trills, lacy passagework, and other improvised ornamentation. In the ensuing Vivace, Geminiani uses double and triple stops to simulate a lively contrapuntal texture. The third movement is a stately sarabande in G minor, marked “Affetuoso” (with feeling), while the triple-time finale evokes a bouncy gigue, replete with echo effects, string crossings, and crisp staccato articulations.

What Salvatore Sciarrino calls “the intensity of silence” has long been a prominent feature of the Italian composer’s music. In his highly distinctive sound world, unconventional techniques such as bowed brush strokes, silent fingerings, and breathless key taps evoke the penumbral region between night and day, sound and silence, substance and ethereality. Composed in 1976 for Salvatore Accardo, Sciarrino’s Six Caprices hark back to Nicolò Paganini’s 24 Caprices for Solo Violin, a set of fiendishly difficult technical etudes illustrating what Franz Liszt called “transcendental” virtuosity. (Sciarrino has used the same word, “transcendental,” in connection with his Caprices.) If Paganini defined the para meters of violin technique for the 19th century, Sciarrino redefined them for an age in which the boundaries between music and the environmental soundscape have become increasingly nebulous. Alongside the attenuated flutterings, whisperings, squeaks, and scratchings—plus the ghostly harmonics that are Sciarrino’s calling card—the Six Caprices are larded with historical allusions, such as the ricocheting arpeggios that characterize the opening pieces in both his and Paganini’s collections. Although Sciarrino’s notation and performance instructions are impressively precise, he leaves many decisions up to the performer. Other effects flirt with seren dipity, as when Sciarrino calls for harmonic notes that may or may not “speak” depending on bow pressure and other variable factors.

A former performing arts editor for Yale University Press, Harry Haskell is a program annotator for Carnegie Hall in New York, the Brighton Festival in England, and other venues, and the author of several books, including The Early Music Revival: A History, winner of the 2014 Prix des Muses awarded by the Fondation Singer-Polignac.

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