Stefan Temmingh & Capricornus Consort Basel
Einführungstext von Jürgen Ostmann
Program Note by Harry Haskell
Einführungstext von Jürgen Ostmann
Program Note by Harry Haskell
Sonntag 14. Mai 2023 18.00 Uhr
Stefan Temmingh Blöckflöte
CAPRICORNUS CONSORT BASEL
Péter Barczi, Éva Borhi Barockvioline
Sonoko Asabuki Barockviola
Daniel Rosin Barockvioloncello
Michael Bürgin Violone
Julian Behr Zupfinstrumente
Margret Koell Barockharfe
Wiebke Weidanz Cembalo
Das Konzert wird per Audio-Livestream auf Pierre Boulez Saal Online übertragen und dort später zum Nachhören veröffentlicht. boulezsaal.de/online
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Fantasie g-moll BWV 542 (1717–23)
Antonio Vivaldi (1678–1741)
Concerto für Streicher und Basso continuo g-moll RV 156
I. Allegro
II. Adagio
III. Allegro
Fausto Romitelli (1963–2004)
Seascape für Kontrabassblockflöte (1994)
Antonio Vivaldi
Concerto für Flöte, Streicher und Basso continuo F-Dur RV 433
„La tempesta di mare“ (um 1728)
I. Allegro
II. Adagio
III. Presto
Johann Sebastian Bach
Liebster Jesu, wir sind hier BWV 731 (1708–17)
Antonio Vivaldi
Concerto für Flöte, Streicher und Basso continuo G-Dur RV 312R
Rekonstruiert von Jean Cassignol
I. Allegro molto
II. Larghetto
III. Allegro Pause
Johann Sebastian Bach
Gute Nacht
aus der Motette Jesu, meine Freude BWV 227
Antonio Vivaldi
Concerto für Flöte, Streicher und Basso continuo g-moll RV 439 „La notte“ (um 1728)
I. Largo
II. Fantasmi. Presto
III. Largo
IV. Presto
V. Il sonno. Largo
VI. Allegro
Markus Zahnhausen (1965–2022)
Lux Aeterna für Altblockflöte (1992/94)
Antonio Vivaldi
Concerto für Flöte, Streicher und Basso continuo c-moll RV 441
I. Allegro non molto
II. Largo
III. [Allegro]
Johann Sebastian Bach
Alle Menschen müssen sterben BWV 643 aus dem Orgelbüchlein (1713–17)
Antonio Vivaldi
Concerto für Flöte, Streicher und Basso continuo C-Dur RV 443
I. [Allegro]
II. Largo
III. Allegro molto
Wir bitten, die jeweiligen Werkpaare nicht durch Applaus zu unterbrechen.
Musik von Bach, Vivaldi, Romitelli und Zahnhausen
Jürgen
OstmannJohann Sebastian Bach und Antonio Vivaldi – der eine tiefgründig und gelehrt, der andere theatralisch und virtuos. So lauten die gängigen, sicher nicht ganz unbegründeten Etikettierungen. Werke der beiden in einem Konzertprogramm zu kombinieren, ergibt dennoch nicht allein unter dem Aspekt der Abwechslung Sinn. Auch musikalische Bezüge sprechen dafür, ja sogar ein indirektes Lehrer-Schüler-Verhältnis: Glaubt man seinem frühen Biographen Johann Nikolaus Forkel, dann erkannte Bach schon in jungen Jahren, „dass Ordnung, Zusammenhang und Verhältnis in die Gedanken gebracht werden müsse, und dass man zur Erreichung solcher Zwecke irgendeiner Art von Anleitung bedürfe. Als eine solche Anleitung dienten ihm die damals neu herausgekommenen Violinkonzerte von Vivaldi. Er hörte sie so häufig als vortreffliche Musikstücke rühmen, dass er dadurch auf den glücklichen Einfall kam, sie sämtlich für sein Clavier einzurichten. Er studierte die Führung der Gedanken, das Verhältnis derselben untereinander, die Abwechslungen der Modulation und mancherlei Dinge mehr.
Die Umänderung der für die Violine eingerichteten, dem Clavier aber nicht angemessenen Gedanken und Passagen lehrte ihn auch musikalisch denken [...]“
Forkels Beschreibung wirft nicht nur Licht auf die Beziehung zwischen Vivaldi und Bach, sondern ebenso auf Bachs Kunst der Transkription. Er war ein fruchtbarer Bearbeiter eigener und fremder Werke, die er aus unterschiedlichsten Gründen vom einen Medium aufs andere übertrug. Seinem Beispiel folgt nun das Capricornus Consort Basel, indem es Kompositionen, die ursprünglich für Orgel beziehungsweise – im Fall der Motette BWV 227 – für menschliche Stimmen bestimmt waren, im Klanggewand eines Streicherensembles präsentiert. Am Anfang steht die Fantasie g-moll BWV 542. Sie bildet mit einer Fuge gleicher Tonart ein Satzpaar, das zwar nicht sicher datierbar ist, möglicherweise aber für Bachs Bewerbung um das Organistenamt an der Hamburger Jakobikirche im Jahr 1720 entstand. Das geht zumindest aus einer Bemerkung seines Komponistenkollegen Johann Mattheson hervor, und es würde auch den Umstand erklären, dass das Fugenthema aus dem holländischen Lied
„Ick ben gegroet“ abgeleitet scheint: Beim Probespiel war schließlich der große niederländische Organist Johann Adam Reincken zugegen; ihn galt es zu überzeugen. Vor die streng konstruierte Fuge, seine Spezialität, stellte Bach jedoch fast immer einen frei schweifenden, quasi-improvisatorischen Satz, den er Präludium, Toccata oder wie hier eben Fantasie nannte. In solchen Stücken wechseln sich lange Orgelpunkte mit kanonartigen, virtuosen, rezitativischen und akkordischen Passagen munter ab. Oder, wieder in Matthesons Worten: „allerhand sonst ungewöhnliche Gänge, versteckte Zierraten, sinnreiche Drehungen und Verbrämungen [...], ohne eigentliche Beobachtung des Takts und Tons, [...] ohne förmlichen Haupt-Satz und Unterwurf, ohne Thema und Subjekt [...], bald hurtig, bald zögernd; bald ein-, bald vielstimmig.“
Bachs Orgelwerke lassen sich unterteilen in „freie“ (vor allem Präludien und Fugen) sowie choralgebundene. Die zweite Gruppe ist im heutigen Programm mit zwei kürzeren Beispielen vertreten: zunächst mit der Melodie Liebster Jesu, wir sind hier, die Bach gleich mehrfach zu Choralvorspielen verarbeitete (BWV 633, 634, 706, 730 und 731). Die Fassung BWV 731 gilt als Frühwerk aus der Zeit seiner ersten Organisten-Anstellung im thüringischen Arnstadt (1703–07). In diesem Satz erklingt die Choralmelodie in reich ornamentierter Form im Diskant. Ebenfalls in der höchsten Stimme ist in Alle Menschen müssen sterben BWV 643 das zugrundeliegende
Kirchenlied zu hören. Hier belässt Bach die Melodie allerdings völlig unverziert in langen Notenwerten; seine Kunst zeigt er nur im dichten Geflecht der Mittel- und Unterstimmen. Komponiert wurde dieses Stück in Weimar, wo Bach von 1708 bis 1717 als Hoforganist diente. In die gleiche Zeit fällt im Übrigen auch seine intensive Beschäftigung mit Vivaldi: Der junge, musikbegabte Prinz Johann Ernst von Sachsen-Weimar brachte 1713 aus Holland eine größere Menge italienischer Noten nach Hause. Bach studierte sie eifrig und entwickelte in Auseinandersetzung mit der italienischen Konzertform seine eigenen Lösungen.
Seine Motetten schrieb Bach zwar überwiegend während seiner Leipziger Schaffensperiode (ab 1723), doch zu seinen offiziellen Pflichten als Thomaskantor gehörte ihre Komposition nicht. Die groß angelegten Stücke wurden vielmehr in Auftrag gegeben und gesondert honoriert, wenn die Hinterbliebenen eines vornehmen Bürgers eine Begräbnismusik auf einen ganz bestimmten Text verlangten. So diente die Motette Jesu, meine Freude BWV 227 möglicherweise als Trauermusik für Johanna Maria Kees, die Tochter eines Leipziger Theologieprofessors und Witwe eines Ratsherrn. Ein Gedächtnisgottesdienst für sie fand am 18. Juli 1723 statt. Die elfsätzige Komposition ist symmetrisch angelegt: Strophen des Liedes „Jesu, meine Freude“ in schlichtem Choralsatz wechseln sich ab mit komplexen Vertonungen von Versen aus dem achten Römerbrief. Der vom Capricornus Consort ausgewählte Satz „Gute Nacht, o Wesen“ ist die neunte Nummer des Werks. Zwischen den einzelnen Zeilen der Choralmelodie im Alt konzertieren die beiden Soprane über einem „Basso continuo“ des Tenors. Seufzermotive weisen auf den traurigen Anlass der Komposition hin.
Antonio Vivaldi ist bis heute vor allem für seine Violinkonzerte bekannt – die Stücke, die ja auch Bach besonders bewunderte. Außerdem schrieb der Venezianer aber weitere Konzerte für fast jedes andere Instrument seiner Zeit und jede denkbare Kombination von Soloinstrumenten, dazu noch etwa 60 Konzerte ohne hervortretende Einzelspieler. Er nannte diese Kompositionen mal „Concerto a quattro“, mal „Sinfonia“, am treffendsten aber „Concerto ripieno“. Das Ripieno ist der in jeder Stimme mehrfach besetzte Streicherkörper und das Ripienkonzert demnach ein
Konzert für Streichorchester. In ihrer dreisätzigen Grundform (schnell–langsam–schnell) gleichen die Werke den Solokonzerten, doch für die einzelnen Sätze musste Vivaldi andere Lösungen finden, da der Wechsel von Solo und Tutti als Formprinzip ausfiel. Die meisten gestaltete er sehr knapp und motivisch einheitlich; das gilt auch für das expressive Concerto g-moll RV 156. Vivaldi notierte es auf böhmischem Papier, und man vermutet daher, dass es während einer Reise entstand, die ihn im Winter 1729/30 nach Prag führte.
Solokonzerte schrieb Vivaldi sowohl für die Block- als auch die Traversflöte. Seine um 1729 erschienene Sammlung op. 10 ist zwar ausdrücklich für „flauto traverso“ bestimmt, doch wenn Stefan Temmingh zwei Stücke daraus – die Concerti RV 433 (op. 10 Nr. 1) und RV 439 (op. 10 Nr. 2) – auf der Blockflöte vorträgt, ist das keineswegs ungewöhnlich. Schließlich bediente sich Vivaldi selbst, als er die sechsteilige Reihe zusammenstellte, bei älteren Eigenkompositionen für andere Besetzungen. RV 433 beispielsweise war ursprünglich ein Kammerkonzert für Flöte, Oboe, Violine, Fagott und Basso continuo (RV 98), RV 439 eines für Flöte, zwei Violinen, Fagott und Basso continuo (RV 104). Warum er diese Stücke neu arrangierte, ist nicht bekannt, doch eine Erklärung bietet sich an: Sein Amsterdamer Verleger dürfte bei ihm Solokonzerte für Traversflöte bestellt haben. Offenbar hatte Vivaldi aber weder Zeit für Neukompositionen noch Originalwerke auf Lager. Er konnte zwar am Ospedale della Pietà, dem venezianischen Waisenhaus und Mädchen-Musikkonservatorium, das ihn jahrzehntelang als Lehrer, Orchesterleiter, Komponist und Instrumenteneinkäufer beschäftigte, nach Belieben mit Klangfarben experimentieren. Doch die Traversflöte war in Italien noch nicht weit verbreitet; an der Pietà wurde sie erst 1728 eingeführt.
Beide erwähnten Werke aus op. 10 tragen im Übrigen programmatische Beinamen und sind mit „La tempesta di mare“ (Der Seesturm) und „La notte“ (Die Nacht) überschrieben. Das F-Dur-Konzert steht den damals beliebten Opern-Sturmmusiken nahe, und seinen Titel teilt es mit einem Violinkonzert Vivaldis (op. 8 Nr. 5) sowie einem Instrumentalsatz aus seiner Oper La fida ninfa von 1732. Erregte Sechzehntelbewegung, wellenförmig auf- und absteigende Figuren und Streichertremoli sind typisch für das Genre, und diese Mittel finden sich auch in den raschen Ecksätzen des Konzerts RV 433. Dagegen steht das dazwischen eingeschobene Largo für die Ruhe nach dem Sturm – beziehungsweise die vor
dem nächsten. Ein ausgearbeitetes „Programm“, vergleichbar mit dem der berühmten Jahreszeiten-Konzerte, legte Vivaldi seinem Concerto „La notte“ zugrunde: Geschildert werden Seelenzustände eines Menschen in der Nacht. Das einleitende Largo erzeugt eine unheimliche Ruhe, bevor im anschließenden Presto-Teil die „Fantasmi“, also die Gespenster, den Schlaflosen heimsuchen. Der erlösende Schlaf („Il sonno“) wird im zweiten Largo durch lange Haltetöne im Piano dargestellt. Dieser Satz ist mit Dämpfern und ohne Cembalo zu spielen.
Im Unterschied zu den Werken aus op. 10 schrieb Vivaldi sein Concerto c-moll RV 441 ausdrücklich für die Blockflöte. Es ist mit seinen umfangreichen Arpeggio-Sequenzen, raschen Registerwechseln und unbequemen Gabelgriffen vermutlich das virtuoseste Werk der gesamten Epoche für diese Besetzung und bezeugt damit die enorme Spielstärke der Solistinnen des Ospedale della Pietà, die es aller Wahrscheinlichkeit nach aufführten. Ganz allgemein ließ sich Vivaldi zu seinen rasanten Flötenpassagen durch die Spieltechnik der Geige inspirieren, die er ja selbst unvergleichlich beherrschte. Das Concerto RV 441 hat sogar ein konkretes Vorbild – nämlich das Violinkonzert RV 202 in derselben Tonart.
Neben Travers- und Blockflöte bedachte Vivaldi in einigen weiteren Konzerten ein „flautino“ mit Solopartien. Die Musikwissenschaft hat lange gerätselt, was damit gemeint sein könnte: Francesco Malipiero, der die Concerti in den 1950er Jahren erstmals veröffentlichte, ging von einer Piccolo-Querflöte aus. Inzwischen gilt aber eine kleine Blockflöte – vermutlich in F-Stimmung – als wahrscheinlicher. Neben den drei schon länger bekannten
Flautino-Konzerten RV 443–445 ist seit wenigen Jahren ein viertes im Umlauf: das Concerto G-Dur RV 312, das zuvor als reines Violinkonzert galt. Als man jedoch die autographe Handschrift genauer untersuchte, stellte sich heraus, dass Vivaldi im Titel die Besetzungsangabe mehrmals durchgestrichen und überschrieben hat. Neben „violino“ ist auch das Wort „flautino“ zu erkennen –offenbar war er sich unschlüssig über das Soloinstrument. Dazu passt, dass Vivaldi an verschiedenen Stellen des ersten Satzes Alternativ-Fassungen für Streich- und Blasinstrument ausgeschrieben hat. Nachdem nun schon einmal ein originaler Flötensatz existierte, lag es nahe, die beiden übrigen zu rekonstruieren. Das übernahm der französische Musikwissenschaftler und Blockflötist Jean Cassignol. Er hatte dazu vor allem den Tonumfang der Solostimme zu reduzieren, denn die drei Oktaven des Violinparts sind auf der Blockflöte nicht spielbar.
Ähnlich brillant wie in den Concerti RV 441 und RV 312 klingt auch in einem weiteren Flautino-Konzert die Solopartie: Die beiden schnellen Sätze des Concertos C-Dur RV 443 prägt eine Virtuosität, die in der Flötenliteratur vor Vivaldi ohne Beispiel ist. Zu violintypischen Arpeggien, Sprüngen und „Pedaltönen“ kommen zahlreiche Triller und, besonders ungewöhnlich, Gruppen gebundener Noten: Weit üblicher war es damals, jeden Ton einzeln anzustoßen. Wie so häufig bei Vivaldi ist auch im Concerto RV 443 der langsame Mittelsatz besonders einprägsam: Die Flöte stimmt eine reich ausgeschmückte Soloarie im charakteristischen Siciliano-Rhythmus an, begleitet von gehaltenen Noten der hohen Streicher und dem wiederholten Rhythmus des Basses.
Neben Bach und Vivaldi erklingen im heutigen Programm auch zwei zeitgenössische Kompositionen. Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass für ein Instrument wie die bereits vor 1800 veraltete Blockflöte überhaupt aktuelles Repertoire existiert. Doch vielleicht gibt es ja eine geheime Verbindung zwischen den Szenen der Alten und der Neuen Musik – eine Verbindung, die vor allem auf der Neugier und Experimentierfreude der Interpret:innen gründet. Diese Eigenschaften liegen bei Avantgarde-Musik in der Natur der Sache, bei historischer sind sie notwendig, um vergessenen Aufführungspraktiken früherer Zeiten auf die Spur zu kommen. Neben den Spieler:innen, die zeitgenössische Werke anregen, zeigen aber auch die Instrumentenbauer:innen Innovationskraft: Sie konstruieren seit einigen Jahrzehnten Flöten wie etwa die aus Sperrholz gefertigten, erstmals 1975 von Joachim und Herbert Paetzold patentierten Kontrabass- und Subkontrabassinstrumente, deren Klappen sich nebenbei hervorragend perkussiv verwenden lassen. Welche schier unwirklichen Klänge man ihnen entlocken kann, zeigt der italienische Komponist Fausto Romitelli in seinem 1994 entstandenen Stück Seascape. Er schreibt dazu: „Fluss, Rückfluss; Einatmung, Ausatmung: Die regelmäßige Artikulation der Flut oder des Atems definiert eine ferne, zeitlose Klanglandschaft, die nach und nach einem Prozess der Verzerrung, Kontraktion, Asymmetrisierung und Fragmentierung unterworfen wird, bis zu dem Punkt, an dem sie in verschiedene Register explodiert, vom extrem tiefen bis zum extrem hohen. Indem ich die unterschied-
lichen Ausklingzeiten der Töne in den extremen Registern des Instruments nutze, habe ich versucht, die Illusion von Überlagerung und Simultaneität zu erzeugen. Seascape beinhaltet den Einsatz von Verstärkung und Nachhall, aber keine elektronische Bearbeitung des Klangs.“
Anders als Romitelli war der ebenfalls zu früh verstorbene Markus Zahnhausen nicht nur Komponist, sondern daneben ein Experte für das Instrument, dem er Anfang der 1990er Jahre das Stück Lux Aeterna widmete. Der Blockflötenvirtuose unterrichtete an der Münchener Musikhochschule, und er war auch Stefan Temmingh ein wichtiger Lehrer. Lux Aeterna ist für Altblockflöte bestimmt, also das geläufigste Instrument der Barockmusik, und auch sonst verzichtet Zahnhausen auf extreme, aufsehenerregende Effekte.
Ungewöhnliche Mittel wie Travers- und Flageolett-Blastechniken, profan gepfiffene Töne oder auch Mikroton-Intervalle sind zwar Teil des Werks, doch wirken sie nie gewollt und tragen vielmehr zum Eindruck von tiefer Ruhe und zerbrechlicher Schönheit bei, den das Stück über seine etwa fünfminütige Dauer hinweg ausstrahlt.
Jürgen Ostmann studierte Musikwissenschaft und Orchestermusik (Violoncello). Er lebt als freier Musikjournalist und Dramaturg in Köln und arbeitet für verschiedene Konzerthäuser, Rundfunkanstalten, Orchester, Plattenfirmen und Musikfestivals.
Among the greatest and most prolific composers of the 18th century, Antonio Vivaldi and Johann Sebastian Bach were at the same time virtuoso performers, one on violin, the other on organ and harpsichord. Although Vivaldi’s melodious, extroverted style was superficially antithetical to Bach’s “learned,” intricately contrapuntal musical language, on a deeper level the two Baroque masters had much in common. Largely self-taught in composition, Bach was still an up-and-coming organist in Weimar searching for a model of “how to think musically” when L’estro armonico, Vivaldi’s landmark collection of violin concertos, appeared in 1711. In the words of Bach’s early biographer, Johann Nikolaus Forkel, the Italian’s innovative concertos “served him for such a guide. He so often heard them praised as admirable compositions that he conceived the happy idea of arranging them all for his clavier [harpsichord]. He studied the chain of ideas, their relation to each other, the variation of the modulations, and many other particulars.” One idea that Bach picked up from Vivaldi was the ritornello, an orchestral refrain that served as a formal device to punctuate or articulate musical structure. The ritornello principle, in which varied solo passages of a more or less virtuosic character alternate with orchestral refrains, became a standard feature of concerto fast movements as the century wore on, as several works on tonight’s program attest.
Like Bach, Vivaldi turned out a sizable number of transcriptions and arrangements in the course of his career, most of which are based on his own compositions. Once dismissed as a lightweight purveyor of brilliant but essentially formulaic concertos, the hot-tempered “Red Priest” (Vivaldi was ordained in 1703) is now recognized as one of most imaginative and forward-looking composers of his time. Bach, on the other hand, has traditionally been seen as a quintessentially conservative figure, the supreme musical genius of the Baroque era who epitomized its forms and techniques in such magisterial works as The Art of the Fugue, the “Goldberg” Variations, and the B-minor Mass. Yet despite their differences of temperament and style, these two close contemporaries, born just seven years apart, would serve as inspirations for countless progressiveminded musicians of later generations. So it seems appropriate that they should share the program with a pair of modern avantgarde composers representing their respective homelands, the Italian Fausto Romitelli and the German Markus Zahnhausen.
A master improviser, Bach possessed the ability to transmute his musical thoughts into sound almost at will. As a young man he made several pilgrimages to Hamburg to hear Johann Adam Reincken play; years later, after listening to Bach extemporize on the organ, the celebrated Dutch organist was moved to declare, “I thought that this art was dead, but I see that in you it still lives.” Not surprisingly, many of Bach’s fantasias, preludes, toccatas, and other keyboard works are essentially written-down extemporizations. Indeed, the Bach scholar Christoph Wolff surmises that the Fantasia in G minor may have been one of the pieces that Bach played for Reincken in 1720. (Like the other three Bach works on tonight’s program, the Fantasia will be performed in an arrangement for chamber ensemble.) Wolff describes it as a work of “exceptional rhetorical power and unparalleled harmonic scope, with towering chromatic chords over descending pedal scales that create the illusion of endless space.” Vivaldi similarly inflects the G-minor tonality of his Concerto for Strings and Basso continuo with a descending chromatic bass line that anchors the violins’ vigorously syncopated dialogue in the opening Allegro. The harmonically rich Adagio features a leisurely “walking” bass consorting with slower-moving
lines in the upper voices, in sharp contrast to the propulsive motor rhythms and repeated notes of the finale.
The next two pieces on the program, composed more than 250 years apart, share not a musical key but a window on the sea. Fausto Romitelli’s Seascape paints a haunting sound-picture of wind, water, and fog horns that showcases the sonic resources of the square, organ pipe–like Paetzold contrabass recorder. Romitelli composed the work in 1994 during a residency at IRCAM, the French institute for musical research founded by Pierre Boulez. In Paris he discovered an affinity for spectral music, which emphasizes the physical and psychoacoustic properties of sound. “At the center of my composing,” he explained, “lies the idea of considering sound as a material into which one plunges in order to forge its physical and perceptive characteristics: grain, thickness, porosity, luminosity, density and elasticity.” In Seascape, those attributes are combined with innovative breathing, tonguing, finger, and vocal techniques to shape what Romitelli described as a “sculpture of sound.” Vivaldi calls for virtuosity of a more conventional sort in his Concerto in F major, one of more than 20 concertos he wrote for transverse flute or recorder. (The vast majority of the Italian’s 350-odd solo concertos feature his own instrument, the violin.) The music’s signature turbulence, with its endlessly varied figurations suggesting the protean, elemental energy of nature, justifies the work’s programmatic subtitle “La tempesta di mare” (Storm at Sea).
The central section of the program interweaves two more Vivaldi concertos with a pair of Bach’s meditative chorale-based works, accentuating the contrast between the worldly Italian’s profane exuberance and the serene pietism of the German church musician. Liebster Jesu, wir sind hier (Dearest Jesus, we are here) is based on a 17th-century Lutheran hymn that affirms the heartfelt fealty of the faithful to the “delightful teaching of heaven.” Bach made several settings of the fervently introspective hymn tune, including this short, richly embellished chorale prelude in G major (originally written for organ). Just as Bach was an avid musical recycler, so Vivaldi arranged and rearranged his own works in response to changing circumstances. The Concerto in G major is a case in point: conceived for the flautino (a high-pitched recorder),
it was long better known in Vivaldi’s own adaptation for the violin. In the 1990s, a French recorder player named Jean Cassignol “reconstructed” the original version (designated RV 312R in the Ryom catalogue of Vivaldi’s works), which was premiered in Istanbul in 1999. The opening ritornello-form Allegro moves from major to minor and back again by way of solo episodes of varying characters and scoring. A luminous slow movement, characterized by its softly pulsating accompaniment, gives way to a zesty, bravura finale.
A nocturnal theme links Bach’s placid “Gute Nacht” (Good Night) to Vivaldi’s phantasmagorical Flute Concerto in G minor, subtitled “La notte” (Night). The former is an excerpt from Bach’s five-voice motet Jesu, meine Freude, which invokes the believer’s wished-for release from pride, glory, and other earthly temptations. In “Gute Nacht,” the ninth of the motet’s eleven movements, the singers bid farewell to the vanity of an “existence that cherishes the world.” In the instrumental version to be heard tonight, the chorale melody is presented as a slow-moving cantus firmus in the bass, its successive phrases interspersed with fantasia-like elaborations in the upper voices. Vivaldi’s evocation of night—a revision of an earlier chamber concerto—opens with an extended first movement in four sections (slow-fast-slow-fast), the second of which is explicitly labeled “Fantasmi” (Phantasms or Apparitions). True to the concerto principle, there is an element of competition in the music, the flighty soloist repeatedly attempting to break loose from the metrical constraints imposed by the tutti ensemble. The ensuing slow movement is a drowsy, harmonically intense Largo, aptly titled “Il sonno” (Sleep). A sustained burst of skittish, almost manic energy dispels the somnolent mood and brings the concerto to an exhilarating close.
The late Markus Zahnhausen did not explain why he chose to call his six-minute-long solo for alto recorder Lux Aeterna (Eternal Light), but the Latin moniker is charged with musical and religious meaning, alluding to a long line of homonymous works (including those of György Ligeti and George Crumb) as well as to the benediction of the saints from the Mass for the Dead: “Eternal rest give to them, O Lord, and let perpetual light shine upon them.” The recorder’s melodic line—marked “dolente, quasi lontano” (sorrowfully, as if in the distance)—mimics the texture and contours of plainchant, smoothly rising and falling by conjunct intervals.
Zahnhausen, a composer and recorder player who taught in Munich and passed away last year, provides detailed instructions for producing special effects such as harmonics, microtonal inflections, and whistled notes. The resulting essay is rich in timbral nuance, illustrating what the Swedish recorder virtuoso Dan Laurin, the work’s dedicatee, calls “the tender and dangerous beauty” of Zahnhausen’s music. Bach offers a more consolatory perspective on mortality in his Alle Menschen müssen sterben (Everybody must die). One of dozens of short organ chorales that comprise the Orgelbüchlein, which Bach compiled early in his career for teaching purposes, it highlights the G-major chorale melody in the soprano voice and sets it against a recurring rhythmic pattern in the lower parts.
Bach’s miniature meditation on death, rebirth, and eternal life is sandwiched between another tonally complementary pair of Vivaldi’s flute concertos, both formally expansive, exuberantly virtuosic, and designated for recorders (flauto and flautino, respectively) rather than the transverse flute. The Concerto in C minor for alto recorder is characterized by glistening torrents of spitfire passagework and, in the central Largo, an opportunity to showcase the lavish, quasivocal ornamentation that performers were expected to improvise in the 18th century. The Concerto in C major, written for what is now called a sopranino recorder, features a solo part notable for its acrobatic leaps, roulades, arpeggios, repeated notes, and trills, as well as a meltingly beautiful Largo in lilting siciliana rhythm.
A former performing arts editor for Yale University Press, Harry Haskell is a program annotator for Carnegie Hall in New York, the Brighton Festival in England, and other venues, and the author of several books, including The Early Music Revival: A History, winner of the 2014 Prix des Muses awarded by the Fondation Singer-Polignac.