Dima Orsho - Hidwa

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Dima Orsho Hidwa EinfĂźhrungstext von / Program Note by Christoph Hahn Zeichnungen von / Drawings by Tamina Amadyar


Dima Orsho Hidwa Freitag 29.

Dezember 2017 19.30 Uhr

Dima Orsho Gesang Jasser Haj Youssef Violine Manfred Leuchter Akkordeon Salman Gambarov Klavier Robert Landfermann Kontrabass Bodek Janke Percussion

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Oulla-lla Wiegenlied aus dem Süden Syriens Num Habib Aramäisches Wiegenlied Text: Philoxenos Yuhanon Dolabani (1921) Musik: Gabriel Asaad (nach 1921) Third Circle Musik: Manfred Leuchter Julitchka Musik: Bodek Janke Lay lay Aserbaidschanisches Wiegenlied Nana Musik: Manuel de Falla Aus Siete canciones populares españolas (1914) Halla-lla Wiegenlied von der syrischen Küste Nini Damaszenisches Wiegenlied aus dem 17. Jahrhundert Hidwa Musik: Dima Orsho Trip to Ghouta Musik: Dima Orsho

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Die Abfolge der Stücke wird während des Konzerts von den Künstlern angesagt. Keine Pause The order of songs will be announced from the stage during the performance. There will be no intermission.


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Wiegenlieder zwischen Krieg und Frieden Dima Orsho und Hidwa

Christoph Hahn

Wenige Tage vor Jahresende ist die syrische Sängerin Dima Orsho mit einem außergewöhnlichen Konzertprojekt zu Gast im Pierre Boulez Saal, das das vielleicht intimste musikalische Genre überhaupt ins Spannungsfeld zwischen gestern und heute, zwischen westlicher und arabischer Welt, zwischen Kunst, Tradition und Politik stellt. „Die Idee zu diesem Projekt kam mir letztes Jahr, als ich auf der Suche nach alten syrischen Wiegenliedern war“, erklärt die Künstlerin. „,Hidwa‘ bedeutet Wiegenlied. Das Wort stammt aus dem syrischen Dialekt, den man in der Stadt Deir ez-Zor spricht, insofern hat das Hidwa-Projekt direkt mit diesem Ort zu tun.“ Es geht dabei, was kaum überrascht, vor allem um die jüngste Vergangenheit Syriens – ein schwieriges, ein komplexes Thema. Deir ez-Zor? Der Name dürfte hierzulande den wenigsten geläufig sein. Die Stadt liegt etwa 450 km nordöstlich von Damaskus am Ufer des Euphrat, an der Kreuzung zweier uralter Handelsrouten – die eine führt von Damaskus nach Mossul, die andere von Aleppo nach ­Bagdad. Bis ins dritte Jahrtausend vorchristlicher Zeit lässt sich die Geschichte der Stadt zurückverfolgen, doch erst die Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen in ihrer ­Umgebung haben sie in modernen Zeiten ökonomisch wieder interessant gemacht. Für den sogenannten Islamischen Staat dürfte das ein zentrales Motiv gewesen sein, ­immer wieder den Versuch zu machen, Deir ez-Zor zu besetzen, was aber nie ganz gelang. So blieb die Stadt fast drei Jahre lang eine permanente Kampfzone zwischen dem I S und der s­yrischen Armee – mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Erst Anfang November 2017 konnte der IS endgültig aus der Gegend vertrieben werden. Genau zur Zeit heftigster Kampfhandlungen nahm Dima Orsho ihren Auftritt beim Osnabrücker Morgenland Festival 5


2016 zum Anlass, auf die aktuelle Not ihrer Landsleute in der Region aufmerksam zu machen. „Ich wollte unbedingt in irgendeiner Form Stellung beziehen mit meiner Musik, denn die Stadt war dabei, praktisch vollständig zerstört zu werden“, sagt sie. „Die Bewohner saßen in der Falle zwischen dem Regime und dem IS, sie bekamen die Granaten und ­Bomben von beiden Seiten ab. Mir ging es darum, auf diese Gegend aufmerksam zu machen mit all den Menschen, die man dort zwischen den Fronten einfach vergessen hat“, sagt die Sängerin. So schrieb sie zuerst eine Art Klagegesang mit dem Titel Those Forgotten on the Banks of the Euphrates. Und noch ein zweites Stück hatte sie zum Festival nach Osnabrück mit­ge­ bracht: Hidwa. Der alte Wiegenlied-Text stammte tat­sächlich aus der umkämpften Stadt, die Melodie dazu erfand sie selbst: „Hidwa war das erste Wiegenlied, das ich geschrieben habe, auf einen Text, den ich von der Großmutter eines Freundes bekam. Sie hatte ihr ganzes Leben in Deir ez-Zor verbracht und den Text von ihrer Mutter gelernt, die es wieder von ihrer Mutter hatte.“

Wiegenlieder – damit hatte Dima Orsho ein Thema gefunden, das sie so schnell nicht wieder loslassen sollte. Der Klagegesang zur aktuellen Katastrophe, das war das eine. Mit einem Wiegenlied aber ist man noch näher bei den Menschen, bei ihren Sorgen und Nöten, bei ihrer Verzweiflung – und bei ihrer Zärtlichkeit und Liebe. Wiegenlieder atmen Intimität. Sie behaupten nichts und rufen nicht nach großer Kunst, doch sie können künstlerisch ungemein ­reizvoll sein. Sie variieren von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und von Kultur zu Kultur und haben doch eine ­universelle Botschaft. Sie mögen historisch und regional exakt lokali­sierbar sein und lassen doch Zeiten und Räume ­vergessen. Wiegenlieder gehören von jeher zum Menschheitserbe. Doch die Suche nach ihnen gestaltete sich schwierig. Dima Orsho hatte ihre Heimat bereits 2005 verlassen, lange vor Ausbruch der Kriegshandlungen. „Diese Lieder zu ­finden, war keine leichte Aufgabe“, erinnert sie sich, „und es spielten viele Faktoren zusammen – vor a­ llem die Situation in Syrien. Es gibt dort keinerlei Archiv im kulturellen oder pädagogischen Bereich. Und natürlich konnte ich nicht 6


selbst dorthin fahren, in die Dörfer und Städte gehen und den Großmüttern zuhören, die die alten Wiegenlieder ­singen. Es hat lange gedauert, mit Hilfe von Freunden – und Freunden von Freunden – andere Leute ausfindig zu machen, durch die ich an einige originale, t­raditionelle ­Wiegenlieder kam, entweder als Aufnahmen oder  Niederschriften.“ Aus einigen der alten Tonaufnahmen ließ sich zwar der Text einigermaßen rekonstruieren, aber es war oft keine klar umrissene Melodie erkennbar. In solchen Fällen machte sich Dima Orsho kundig, welchen Maqam, d. h. welche Ton­ skala aus dem Repertoire der arabischen Musiktradition, man in der betreffenden Region für Wiegenlieder üblicherweise benutzte. Daraus formte sie dann eine passende ­Melodie. Im Idealfall war beides, Text und Melodie, über­ liefert: so etwa bei einem Lied in aramäischer Sprache, 1921 niedergeschrieben vom Priester einer syrisch-ortho­ doxen Kirchengemeinde, dem späteren Metropoliten von Mardin, Philoxenos Yuhanon Dolabani. Dazu ließ sich sogar noch eine gute Tonaufnahme ausfindig machen. „Aramäisch ist die Sprache der Bibel, die Sprache von ­Jesus, also eine sehr alte Sprache. Es gibt heute nicht mehr viele Menschen, die Aramäisch sprechen, das beschränkt sich tatsächlich auf einen bestimmten Teil Syriens. Die anderen syrischen Lieder sind auf Arabisch, jeweils im Dialekt der Gegend, aus der sie kommen. Eins zum Beispiel ist aus der Küstenregion, was sich unterscheidet vom Akzent in Hidwa, das aus dem Nordosten stammt. Obwohl also alles auf ­Arabisch ist, hat doch jedes Lied sein eigenes V   okabular. Diese Unterschiede in der Aussprache und in der Art, wie man bestimmte Dinge beschreibt, gibt es in jedem Land.“

Dima Orsho, die 1975 in Damaskus geboren wurde, lebt heute in Chicago. Nach dem Studium am Konser­ vatorium in ihrer Heimatstadt ging sie zur weiteren Aus­ bildung nach Boston und blieb dann in den USA. Dort singe sie öfter im klassisch arabischen Maqam-Stil als früher zu Hause in Syrien, sagt sie. „Hier in meinem Umfeld sind die Leute sehr interessiert an der traditionellen Musik meiner Heimat, überhaupt an Musik aus dem Nahen Osten.“ Sie selbst, fügt sie hinzu, empfinde starke Heimatgefühle, wenn sie diese Musik auf der Bühne interpretiert. 7


Die Recherche für das Hidwa-Projekt scheint Dima Orsho regelrecht befeuert zu haben. Wenn sie auf die Vielfalt ­musikalischer Traditionen ihrer syrischen Heimat zu sprechen kommt, gerät sie ins Schwärmen. „Man kann dort armenische, kurdische und Musik aus dem Kaukasus hören. ­Außerdem haben wir all die Musik mit religiösem Hintergrund – ­islamische, christliche und sogar jüdische, denn im alten ­Damaskus l­ebten viele jüdische Familien. Natürlich gibt es auch viel Türkisches, die Türkei ist unser direkter Nachbar. Dazu ­findet man außerdem eine Menge ägyptischer Anklänge, die aus dem Süden kommen.“ Was ist von diesem kulturellen Reichtum heute noch übrig? Und wenn überhaupt etwas übrig ist – wird es überleben? Über diese Frage mag Dima Orsho lieber nicht ­spekulieren. Illusionen macht sie sich keine. Ihr Land hat sie zuletzt 2010 besucht. Umso intensiver befasst sie sich, w ­ enn auch aus räumlicher Distanz, mit syrischer Musik. „Ich kann dort nicht hinfahren“, erklärt sie, „und daraus ist letztendlich die ganze Idee entstanden. Es war ein Versuch, ­sicher ein sehr schwacher Versuch, wenigstens etwas von dem zu retten, was geblieben ist. Aber wie begrenzt auch immer – mit schien es sehr wertvoll, etwas festzuhalten, was in ein paar Jahren verloren sein könnte.“

Bei Hidwa steht Dima Orsho mit fünf  Musiker-Kollegen zusammen auf der Bühne. Bis auf den Bassisten hat sie mit ihnen schon bei anderen Projekten zusammengearbeitet. ­Jeder ist klassisch ausgebildet, alle sind sie musikalisch flexibel und in verschiedenen Stilen zu Hause, von traditionell bis experimentell, von Klassik bis Jazz. Und alle sind erfahren im Improvisieren, komponieren auch eigene Stücke. Dass möglichst jeder auch ein Wiegenlied aus dem Land seiner Herkunft mitbringe, das hat sich Dima Orsho gewünscht. Sie möchte ihre eigenen Fundstücke und Kompositionen gern in einen größeren Kontext stellen. Praktisch-musikalisch ­ergibt sich der ganz von selbst, wie sie sagt. „Das Programm besteht aus syrischen Wiegenliedern, einigen Original­ kompositionen von mir und anderen Wiegenliedern, die meine wunderbaren Gastmusiker vorgeschlagen haben – alles aus neuer Perspektive gesehen. Die musikalischen Formen sind dabei ganz ­offen für unterschiedliche Stile und Stimmungen, weil wir alle eine ganz unterschiedliche musikalische 8


Herkunft h ­ aben: syrisch, aserbaidschanisch, deutsch, tunesisch, russisch, polnisch. Ich glaube, es wird ein ganz besonderes Konzert. Und ich fühle mich wirklich geehrt, zusammen mit diesen Meistern auf der Bühne zu stehen.“ Die Vorbereitungen zu Hidwa laufen schon lange. „Ich habe allen Musikern das Material geschickt“, erzählt Dima Orsho. „Manches hatte ich schon zu Hause aufgenommen. Jetzt treffen wir uns, und dann werden wir in drei, vier ­Tagen das Ganze zusammensetzen. Bei einigen Wiegenliedern stelle ich mir vor, dass sie nur von zwei Leuten gespielt ­werden, bei anderen sehe ich es eher mit der ganzen Gruppe. Wir werden sicher bis zum letzten Moment daran arbeiten – und dann weiß man immer noch nicht, was im Konzert passieren kann. Ich vertraue den Musikern vollkommen. Wir haben die Melodien, und dann wird es eine Menge Im­ provisation darüber geben.“ Die große stilistische Bandbreite ist nicht zuletzt für Dima Orsho selbst seit vielen Jahren die Voraussetzung und das Kennzeichen ihres künstlerischen Profils. Dabei hatte sie ursprünglich gar nicht vor, Sängerin zu werden. Zunächst lernte sie Klavier, dann Klarinette, spielte im Orchester. Auf dieser Grundlage begann sie sich bald auch fürs Kompo­ nieren zu interessieren. Doch dann kam einer ihrer Lehrer auf den Gedanken, was ihr noch fehle, sei das Singen. Mit einem Abschluss in den Fächern Klarinette und Gesang ­verließ sie das Konservatorium von Damaskus, das Diplom als Opernsängerin holte sie sich in Boston. „Aber die Leiden­ schaft, meine eigene Musik zu schreiben, steht für mich ­immer an erster Stelle“, sagt sie. „Deshalb habe ich mich nie darauf konzentriert, Opernsängerin zu sein. Ich habe es ­gelernt, um die Grundlagen zu haben und zu verstehen, wie ich mit meiner Stimme umgehen kann. Manchmal setze ich Töne ganz hoch und leicht an, manchmal singe ich sehr laut, z.  B. um Schmerz auszudrücken, das klingt dann ein bisschen wie Gypsy-Stil, manchmal ist es eher die arabische Art. Das hängt ­immer davon ab, wie ich die Musik gerade empfinde. Ich wechsle gern die Stile und spiele damit.“

Außer mit dem Nahen Osten fühlt sie sich künstlerisch besonders mit Europa verbunden. Hier tritt sie am häufigsten und am liebsten auf, zudem hat sie Verwandte in Berlin. In Syrien leben nur noch ihre Großmutter und zwei Tanten, 9


während sie mit ihrer Familie schon lange in Chicago ­heimisch geworden ist. Dort bereitet sie sich auf neue Projekte vor, dort komponiert sie. Aktuell ist es die Musik zu einem Theaterstück, die Aufführung ist für 2018 geplant. Eine neue Tour mit ihrem Trio Hiwa ist in Vorbereitung, und auch die Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner ­Ensemble Musica Alta Ripa soll weitergehen. Wenn sie an ihre vielen Landsleute denkt, die Opfer des Krieges geworden oder irgendwo als Flüchtlinge unterwegs sind, dann weiß Dima Orsho, dass sie großes Glück hatte. „Man bekommt mit, wie die europäischen Länder mit den Flüchtlingen umgehen und wie viele Probleme es gibt. Ich fühle mit ihnen, denn sie versuchen alle, neu anzufangen. Viele sind geistig offen, andere haben in Armut gelebt. In einigen Teilen Syriens existiert nicht einmal ein Minimum an Bildung. Was soll ich sagen – ich habe keine Botschaft. Ich wünsche mir einfach, dass die Leute mehr auf sich selbst hören, auf ihr eigenes Herz. Und dass sie dabei ehrlich und echt sind.“

Christoph Hahn ist Musikwissenschaftler und Musikethnologe und gestaltete 25 Jahre lang als Produzent und Moderator Radiosendungen für den Bayerischen Rundfunk. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Oper, zeitgenössische Musik, Musik der Weltreligionen, traditionelle europäische und außereuropäische Musik, insbesondere des Mittelmeerraums, sowie die Musikkulturen Indiens, Chinas und Japans.

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Lullabies in War and Peace Dima Orsho and Hidwa

Christoph Hahn

A few days before year’s end, Syrian singer Dima Orsho comes to the Pierre Boulez Saal with an extraordinary ­concert project that focuses on what may be the most intimate of all musical genres and places it against the contradictory background of past and present, of the ­Western and the Arab world, of art, tradition, and politics. “I first thought of this project last year when I was searching for old Syrian lullabies,” the artist explains. “Hidwa, which means lullaby, is a word used in the Syrian dialect spoken in the city of Deir ez-Zor. So you could say that originally the Hidwa project is linked to that place.” The overall context, unsurprisingly, is Syria’s most recent past—a difficult and complex subject. Deir ez-Zor? The name won’t be familiar to most Western Europeans. The city is located approximately 450 kilometers northeast of Damas­ cus on the banks of the Euphrates, where two ancient trade routes intersect—one leading from Damascus to ­Mosul, the other from Aleppo to Baghdad. The history of the city can be traced back to the third millennium before Christ, but only the discovery of oil and gas in its surroundings have made it economically interesting again in modern times. For the so-called Islamic State, this was likely the main reason for its repeated attempts to occupy Deir ez-Zor, none of which were ultimately successful. The city remained a ­fighting zone between ISIS and the Syrian army for three years—with devastating consequences for its civilian population. Only in early November 2017 was ISIS finally driven out of the region. Just around the time when the fighting was worst, Dima Orsho took the opportunity of her performance at the 2016 Morgenland Festival in Osnabrück to call public attention to the current plight of her compatriots in the region. Deep inside me I was trying to somehow make a statement with my music, because the city was about to be completely ­destroyed,” she says. “People were trapped between the regime 11


and ISIS and taking the shells and bombs from both sides. I wanted to shine some light on that area and all the people who were left forgotten in between the fighting parties.” First she wrote a lament entitled Those Forgotten on the Banks of the Euphrates. And she brought another piece to the festival in Osnabrück: Hidwa. The ancient text of the ­lullaby actually came from the embattled city; the melody she made up herself: “Hidwa was the first lullaby I wrote, on a text that I found through the grandmother of a friend who lived in Deir ez-Zor all her life and learned these lyrics from her mother, who got them from her mother.”

With lullabies, Dima Orsho had found a theme that would captivate her for some time. Lamenting the current catastrophe was one side. But a lullaby brings you even ­closer to the people, to their worries and miseries, their desperation—and their tenderness and love. Lullabies breathe intimacy. They don’t make statements or call for great art, yet they can be incredibly fascinating artistically.  They vary from village to village, from city to city, and from ­culture to culture, yet their message is universal. We may be able to pinpoint them exactly in historical and geographical terms, yet they speak to us beyond time and place. Lullabies have always been part of human heritage. Searching for them, however, proved difficult. Dima Orsho had left her homeland back in 2005, long before the war started. “Finding these lullabies was not an easy task because of so many factors,” she recalls, “most importantly the situation in Syria and the fact that in general nothing is archived there in the cultural or educational field. And of course I couldn’t go to Syria myself, to the villages and cities, to listen to the grandmothers singing the old lullabies. It took a lot of time to talk to friends and friends of friends who connected me with other people in order to get some original traditional lullabies recorded or written down.” From some of the old recordings, the text could be reconstructed more or less completely, but often, a clear ­melody was not recognizable. In these cases, Dima Orsho tried to find out which maqam, or scale from the repertoire of traditional Arabic music, would be used for lullabies in that specific region. From this she created a melody to fit the text. In an ideal scenario, both text and melody would have 12


been preserved: this was the case for one song in Aramaic, which was written down in 1921 by the priest of a SyrianOrthodox congregation, the future Metropolitan of Mardin, Philoxenos Yuhanon Dolabani. There was even a decent ­recording of it. “Aramaic is the language of the bible, of Christ, so it’s a very old language,” Dima Orsho explains. “Today not many people speak it anymore, it really is limited to a certain part of Syria. The other songs from Syria are in Arabic, but each one is in the dialect of the area it comes from. There is one from the coast, for example, which is different from the accent used in Hidwa, which is from the Northeast. So even though it’s all in Arabic, every single song has its own vocabulary. In every country you can find these differences in accents and in words used to describe things.”

Born in Damascus in 1975, Dima Orsho now lives in Chicago. After studying at the conservatory in her hometown, she completed her education in Boston and afterward stayed in the U.S. There, she says, she sings more often in the classical Arabic maqam style than she used to at home in Syria: “People around me are very interested in hearing the traditional stuff from our country, and from the Middle East in general.” Personally, she adds, she feels a strong sense of home and belonging when she performs this music on stage. Doing research for her Hidwa project clearly inspired Dima Orsho. Speaking about the diversity of musical traditions in her Syrian homeland, she is passionate in her ­enthusiasm. “You can hear Armenian music there, Kurdish ­music, music from the Caucasus… And then we have all kinds of r­ eligiously inspired music, Islamic, Christian, even Jewish, since a lot of Jewish families lived in the old city of Damaskus. Turkish influences of course are ­always there because Turkey is our neighbor. And a lot of Egyptian ­characteristics come from the south.” What remains today of these cultural riches? And if anything is left at all, will it endure? Dima Orsho prefers not to think about it. She has no illusions. The last visit she paid to her country was in 2010. Nevertheless, she has become more dedicated to studying Syrian music, even or especially from a distance. “I can’t go there,” she explains “which is how this whole idea first came about actually. It was an 13


a­ ttempt, a very weak attempt, to try and save some of what is left. But however limited, I have found it very precious to keep and hold on to what might be lost a few years from now.”

For Hidwa, Dima Orsho is joined on stage by five f­ellow musicians. With the exception of the bass player, she has worked with all of them on other projects. They all are classically trained, musically flexible, and at home in different styles, from traditional to experimental, from classical to jazz. And they all have experience with improvisation and writing their own music. It was Dima Orsho’s wish that they each bring a lullaby from their own country, in order to place her finds and compositions into a larger context. In practical musical terms, this happens almost automatically, she says. “The songs in this program are a collection of ­lullabies from Syria, some original compositions of mine, and other lullabies that were suggested by my wonderful guest musicians—all presented from a new perspective. The ­musical forms are completely open to different styles and moods, since we all have diverse musical backgrounds: Syrian, Azerbaijani, German, Tunisian, Russian, Polish. I think it’s going to be a very ­special concert. I really feel honored to be performing with these masters.” Preparations for Hidwa have been underway for quite some time. “I sent the material to the musicians,” Dima Orsho says. “Some of the songs I had already recorded at home. Now we will all meet and then spend three or four days putting everything together. I imagine that some of the lullabies will be performed by just two people, while others I can only see with the group. I’m sure we’ll be working on it till the last moment—and then you still don’t know what’s going to happen in the concert. I trust these musicians completely. We’ll have the melodies, and then there will be a lot of ­improvising on them.” This great stylistic variety has been an important aspect and a hallmark of Dima Orsho’s artistic profile for many years. Originally she had no intention of becoming a singer. She first learned to play the piano, then clarinet, ­perform­ing in orchestras. From there, she soon became interested in composing. Then one of her teachers suggested that the missing element was singing. She graduated from the con14


servatory in Damascus with degrees in clarinet and vocal performance and then obtained a degree in opera in Boston. “But the passion for writing my own music was always number one for me,” she says. “That’s why I didn’t want to focus ex­clusively on being an opera singer. I learned that because I needed the basics, to understand how to use my voice. Sometimes I use a very light, high sound, sometimes it can be a much louder, more ‘painful’ sound, a kind of Gypsy style, sometimes I go back to the Arabic way. It ­depends on what I feel in the music. I like to switch and play with all these different styles.”

Apart from the Middle East, she feels a strong connection to Europe. It’s where she performs most frequently and where she enjoys performing most, not least because she has relatives in Berlin. Only her grandmother and two aunts remain in Syria, while she has long found a new home in Chicago with her family. There, she prepares new projects and composes. She is currently working on the ­music for a play scheduled for performance in 2018. A new tour with her Trio Hiwa is also in preparation, and her ­collaboration with the ensemble Musica Alta Ripa from Hanover will continue as well. Thinking of her many compatriots who have fallen ­victim to the war or become refugees somewhere in the world, Dima Orsho knows she has been very lucky.  “You read about all the European countries dealing with the ­refugees and the many problems that come with it. I feel for these people because they are all trying to make new be­ ginnings. A lot of them are open-minded, but many have lived in poverty. In some parts of Syria not even the basics of education existed. What can I say—I have no message. I just wish for people to listen to themselves more, to their hearts. And to be real.”

Translation: Alexa Nieschlag Christoph Hahn is a musicologist and ethnomusicologist who produced and ­presented features for the Bavarian Radio for 25 years. His work focuses on opera, contemporary music, music of the world religions, traditional European and non-­ European music, especially of the Mediterranean region, as well as the musical ­cultures of India, China, and Japan.

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texte der Lieder

Song Texts

Oulla-lla

Oulla-lla

Oulla-lla, guter Gott, Beschütze mein schlafendes Kind, Meinen jüngsten Liebling, der in seiner Mutter Bett schläft.

Oulla-lla, mighty God, Protect my sleeping baby, My youngest darling, sleeping in his mother’s bed.

Die Menschen schlafen, doch Gott wacht. Schlimme Zeiten dauern, Doch sie gehen vorbei, oder wir sterben.

People sleep, but God never does. Hardships sometimes last But in the end they either pass or we will die.

Num Habib (Schlaf, mein Liebling)

Num Habib (Sleep, My Darling)

Schlaf, mein Liebling, schlaf und schließ die Augen. Lass den Schlaf auf deine Augen sinken. Schlaf, mein Liebling, schlaf friedlich, Lass den Schlaf deine Augen umfangen, mein Liebling. Schlaf, mein Liebling, schlaf und lass ­deine Mutter schlafen. Oh, Jungfrau Maria, schenke meinem Kind Schlaf.

Sleep, my darling, sleep and close your eyes. Let the sleep spread on your beautiful eyes. Sleep, my darling, sleep blissfully, Let the sleep embrace your eyes, my darling. Sleep, my darling, sleep and let your mother sleep. O,Virgin Mary, grant my little one sleep.

Wach auf, mein Kind, und öffne deine Augen, Lass das Licht auf deine Eltern scheinen. Wach auf, mein Liebling, schlaf nicht länger, Und mit deiner klaren Stimme singe uns Lieder.

Wake up my little one and open your eyes, Let the light shine on your parents. Wake up, my darling, sleep not, And with your pure voice sing to us melodies.

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Lay lay

Lay lay

Ich singe dich in den Schlaf mit einem Wiegenlied, Auf dass du in einer Rosenblüte einschläfst. In der Rosenblüte Sollst du glücklich einschlafen.

I sing you to sleep with a lullaby, So that you fall asleep in a rose. Inside the rose You shall happily fall asleep.

Süße Träume, mein Kind, süße Träume. Du bist mein Zuhause, süße Träume, mein Kleines. Du schläfst selig ein Und ich wache über deinen Schlaf, süße Träume.

Sweet dreams, my little baby, sweet dreams. You are my home, sweet dreams, my baby. You are falling into a sweet sleep And I am watching over your sleep, sweet dreams.

Freundliche Flut kommt aus dem Wasser Und gute Erde aus dem Stein. Oh, mein schönes Kind, Du duftest wie eine Blüte.

Good flood comes from the water, As good clay comes from the stone. O my lovely little baby, You smell of a flower.

Ein Duft kommt von der Blüte Und von der Nachtigall, Und mein schönes Kind in der Wiege Schläft plötzlich ein.

A scent comes from the flower And from the nightingale, And my lovely baby in the cradle Suddenly falls asleep.

Ich singe dir ein Wiegenlied. Schlaf, mein Kind. Möge dein Schlaf süß sein. Du bist mein einzige Hoffnung, Wenn du erwachsen wirst, werde groß und klug, mein Kind.

I sing a lullaby to you. Sleep, my baby. May your sleep be sweet, my baby. You are my only hope, Grow up, to be big and clever, my baby.

Ich singe Dir ein Wiegenlied, Meine Stimme kam aus dem Kamin. Möge Gott dich bewahren Vor Pocken und Masern.

I sing a lullaby to you, My voice came out of the chimney. May God protect you From smallpox and measles.

Ich singe dir ein Wiegenlied. Wein nicht, mein Kind, und brich mir nicht das Herz. Wenn du erwachsen wirst, sei furchtlos und tapfer, Und lass mich nicht die Hoffnung ­aufgeben.

I sing a lullaby to you. Don’t cry, my baby, and don’t break my heart. Grow up and be fearless and brave And do not make me lose hope.

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Schlaf, mein Lämmchen, in deiner Wiege, Deinem Zuhause. Mein Morgenstern, Ich beschütze dich.

Sleep, my little lamb, in your cradle, In your home. My morning star, I am protecting you.

Wenn sich der Granatapfelzweig ­herabneigt Und seine Spitze den Boden berührt, Wenn mein Kind „Mutter“ ruft, Will ich ein großes Opfer bringen.

When the pomegranate branch shall bend And its tip shall touch the ground, When my baby will say “Mother,” I shall offer a big sacrifice.

Erfreu dich deiner süßen Träume, mein Augenstern, Neben dem goldenen Ring. Mein König in der Wiege, Nun schlaf ein, ich bin müde.

Enjoy sweet dreams, apple of my eyes, Next to the golden ring. King of the cradle, Now go to sleep, I am tired.

I sing you to sleep with a lullaby, Ich singe dich in den Schlaf mit einem my baby, Wiegenlied, mein Kind, So that you fall asleep in roses. Auf dass du inmitten von Rosen einschläfst. May you dream sweetly Mögen deine Träume süß sein Thanks to the fragrance of the roses. Durch den Duft der Rosen. Sweet dreams, my flower, sweet Süße Träume, meine Blume, süße Träume. dreams. Meine Blume, mein Hyazinth, My flower, my jacinth, sweet dreams. süße Träume. Grow up, to become big and clever. Wenn du erwachsen wirst, werde groß You shall always make me smile. und klug. Du wirst mich immer zum Lächeln I always sing a lullaby to you ­bringen. Until you fall asleep. May the rose end on the pillow, And the violet on the mattress. Stets singe ich dir ein Wiegenlied Bis du einschläfst. Möge die Rose auf dem Kissen liegen The nightingale sings in the garden Und das Veilchen auf der Matratze. And the jacinth sings in your hair. I smell the scent of my baby And he smells of a rose. Die Nachtigall singt im Garten Und der Hyazinth singt in deinem Haar. Ich rieche den Duft meines Kindes Und es duftet wie die Rose.

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Nana (Wiegenlied)

Nana (Lullaby)

Schlaf ein, Kind, schlaf, Schlaf, meine Seele, Schlaf ein, kleiner Morgenstern. Lalula, Lalula, Schlaf ein, kleiner Morgenstern.

Sleep, child, sleep, Sleep, my soul. Sleep, little light Of the morning. Lullaby, Lullaby, Sleep, little light Of the morning.

Halla-lla

Halla-lla

Hilf mir, Gott! Wenn Hamoudeh nur einschliefe. Ich habe ihn ins Bett gelegt, doch er schläft nicht. Ich habe ihn ins Fischernetz gelegt, Doch er schläft nicht ein. Bitte, Saadeh, Wiege ihn sacht, dass er einschläft.

Help me, God, if only Hamoudeh would sleep. I put him to bed, but he does not sleep. I put him in the fishermen’s net. Unusually, he does not sleep. So please, Saadeh, Rock him, maybe he sleeps.

Ich habe ihn in die Schaukel gesetzt, Ich habe ihn hin- und hergewiegt. Ich bitte dich, Salooha, Sing für ihn, dass er einschläft.

I tucked him in the swing, I rocked him again and again. I beg you please, Salooha, Sing for him, maybe he sleeps.

Ich habe ihn in die warme Wiege gelegt, Dass Gott ihn beschütze, Gott, oh Herr, möge er einschlafen.

I put him to sleep in his warm cradle, I left him for God to look after him. God, o Lord, maybe he sleeps.

Ich habe ihn ins Bett gelegt, Ihn zu wiegen und für ihn zu singen, Gott zu bitten, ihn zu beschützen.

I put him to sleep in his bed To rock him and sing for him, To ask God to look after him

Hilf mir, Gott! Wenn Hamoudeh nur einschliefe. Ich habe ihn ins Bett gelegt, doch er schläft nicht. Ich habe ihn in Windeln gewickelt, dass er schlafe,

Help me, God, if only Hamoudeh would sleep. I put him to bed, but he does not sleep. I swaddled him to sleep, I asked the Lord above to protect him for his sister.

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Ich habe den Herrn gebeten, ihn um seine Schwester willen zu beschützen. Schlaf, Mutter, schlaf. Ich werde dir einen Vogel zum Essen braten. Oh Vogel, glaub mir nicht. Ich würde alles sagen, damit er ­einschläft, Alles, damit er einschläft.

Sleep, mother, sleep. I will cook you a bird. O bird, do not believe me. I say anything to make him sleep, All to make him sleep.

Nini (Schlaf ein)

Nini (Sleep)

Schlaf, schlaf, schlaf ein, Schlaf, mein Liebling, schlaf. Schlaf, mein süßer kleiner Löwe.

Sleep, sleep, sleep along, Sleep, my darling, sleep. Sleep, my darling little lion.

Zuerst, zuallererst Sind die Pilger fortgezogen, sie haben mich zurückgelassen. Mein Gott, vergiss mich nicht.

First, and first of all The pilgrims left, they left me alone. My Lord, forget me not.

Zuerst, zuallererst, Wie glücklich war der Tag, als du ­geboren wurdest, Wie glücklich war der Moment, als du deinen Vater grüßtest.

First, and first of all How happy was the day you were born, How happy was the moment you were announced to your father.

Zuerst, zuallererst Trenne den Weizen von den Käfern. Mein Liebling wünscht sich eine Braut.

First, and first of all Separate the wheat from the mites. My darling wants a bride.

Ihre Aussteuer haben sie auf den Wagen gelegt. Ich habe dich auf die Schaukel gesetzt, Ich hatte Angst, der Falke käme dich ­holen.

They put her dowry in the carriage. I put you on the swing, I feared the falkon taking you away.

Ich habe ihn in die Mansarde gebracht, Um ihn vor der Schlange zu bewahren. Wiege ihn in den Schlaf, oh Badrieh.

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I put him in the attic To protect him from the snake. Rock him to sleep, o Badrieh.


Schlaf, schlaf, schlaf ein, Schlaf, mein Liebling, schlaf. Schlaf, mein süßer kleiner Löwe.

Sleep, sleep, sleep along, Sleep, my darling, sleep. Sleep, my darling little lion.

Hidwa (Wiegenlied)

Hidwa (Lullaby)

Ihr schlaft und das Auge Gottes wacht … Schlimme Zeiten gehen vorbei.

You sleep and the eye of god does not… Every hardship does not last.

Ihr, die ihr friedlich schlaft, doch ich nicht … Ihr, die ihr Gold anhäuft, doch ich ­vergehe.

You who are sleeping peacefully and I am not… You who are collecting gold and I am vanishing.

Ihr Kamele, die ihr meine Lieben ­hinwegbringt, lasst mich allein in meiner Trauer … Mein Herz wird sich nach euch sehnen wie eine Kamelkuh nach ihrem Kalb.

O camels, who are taking away my loved ones, leave me alone in my sadness… My heart will long for you like a camel longing for her cub.

In der Nacht sehe ich sie und am Tage suche ich sie … Wie kann mein Herz ohne sie sein?

At night I see them and at day I seek them… How can my heart endure without them?

Übersetzungen nach dem Englischen

Translations from Arabic (Nos. 1, 2, 5, 6, 7): Tyme Khleifi

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