Daniel Barenboim Beethoven-Klaviersonaten EinfĂźhrungstexte von Michael Kube Program Notes by Thomas May
24. Oktober 2018 19.30 Uhr Fr 26. Oktober 2018 19.30 Uhr
Mi
Daniel Barenboim Klavier
Ludwig van Beethoven (1770 –1827) Sonate c-moll op. 13 „Pathétique“ (1797/98) I. Grave – Allegro di molto e con brio II. Adagio cantabile III. Rondo. Allegro
Sonate As-Dur op. 26 (1800/01) I. II. III. IV.
Andante con variazioni Scherzo. Allegro molto Marcia funebre sulla morte d’un eroe Allegro assai
Pause Sonate G-Dur op. 79 „Sonatine“ (1809) I. Presto alla tedesca II. Andante III. Vivace
Sonate A-Dur op. 101 (1816) I. Etwas lebhaft und mit der innigsten Empfindung. Allegretto ma non troppo II. Lebhaft, marschmäßig.Vivace alla marcia III. Langsam und sehnsuchtsvoll. Adagio, ma non troppo, con affetto IV. Geschwinde, doch nicht zu sehr und mit Entschlossenheit. Allegro
14. Dezember 2018 19.30 Uhr Sa 15. Dezember 2018 19.00 Uhr Fr
Daniel Barenboim Klavier
Ludwig van Beethoven (1770 –1827) Sonate f-moll op. 2 Nr. 1 (1794/95) I. II. III. IV.
Allegro Adagio Menuetto. Allegretto Prestissimo
Sonate Es-Dur op. 31 Nr. 3 (1802) I. II. III. IV.
Allegro Scherzo. Allegretto vivace Menuetto. Moderato e grazioso Presto con fuoco
Pause
Sonate B-Dur op. 106 „Hammerklavier-Sonate“ (1817/18) I. II. III. IV.
Allegro Scherzo. Assai vivace Adagio sostenuto. Appassionato e con molto sentimento Largo – allegro risoluto
10. Februar 2019 16.00 Uhr Mo 11. Februar 2019 19.30 Uhr
So
Daniel Barenboim Klavier
Ludwig van Beethoven (1770 –1827) Sonate G-Dur op. 31 Nr. 1 (1802) I. Allegro vivace II. Adagio grazioso III. Rondo. Allegretto
Sonate cis-moll op. 27 Nr. 2 „Mondschein-Sonate“ (1801) I. Adagio sostenuto II. Allegretto III. Presto agitato
Pause
Sonate F-Dur op. 10 Nr. 2 (1797) I. Allegro II. Allegretto III. Presto
Sonate As-Dur op. 110 (1821/22) I. Moderato cantabile molto espressivo II. Allegro molto III. Adagio, ma non troppo – Fuga. Allegro ma non troppo
4. Mai 2019 19.00 Uhr So 5. Mai 2019 16.00 Uhr
Sa
Daniel Barenboim Klavier
Ludwig van Beethoven (1770 –1827) Sonate Es-Dur op. 27 Nr. 1 „Sonata quasi una fantasia“ (1800/01) I. II. III. IV.
Andante – Allegro – Tempo I Allegro molto e vivace Adagio con espressione Allegro vivace
Sonate D-Dur op. 10 Nr. 3 (1797/98) I. II. III. IV.
Presto Largo e mesto Menuetto. Allegro Rondo. Allegro
Pause
Sonate e-moll op. 90 (1814) I. Mit Lebhaftigkeit und durchaus mit Empfindung und Ausdruck II. Nicht zu geschwind und sehr singbar vorzutragen
Sonate C-Dur op. 53 „Waldstein-Sonate“ (1803/04) I. Allegro con brio II. Introduzione. Adagio molto III. Rondo. Allegretto moderato
Ein Makrokosmos der Musik Ludwig van Beethovens Klaviersonaten
Michael Kube
In der Musikgeschichte der letzten 800 Jahre finden sich einzelne Kompositionen und ganze Werkgruppen, die aus dem nahezu unüberschaubaren Repertoire wie erratische Blöcke herausragen. In vielen Fällen darf man sogar davon ausgehen, dass ihre Schöpfer sich dessen an einem gewissen Punkt bereits bewusst waren – auch wenn sie sich mit der jeweiligen Partitur zunächst im Rahmen eines traditionellen Kontextes bewegten. Andererseits gibt es Extremfälle: Während etwa Franz Schuberts „Große“ C-Dur-Symphonie erst von der Nachwelt entdeckt werden musste (und sie nach ihrer Erstaufführung 1839 die jüngere Generation mitunter stark beeindruckte), war Arnold Schönberg von der Bedeutung seines neuen Weges so eingenommen, dass er ernsthaft äußerte, mit der Dodekaphonie „die Vorherrschaft der deutschen Musik für die nächsten 100 Jahre“ gesichert zu haben. Im Bereich der Klaviermusik sind es zwei Zyklen, einer aus dem 18. und einer aus dem 19. Jahrhundert, denen mit einem biblischen Vergleich größte Geltung zugesprochen wurde. So bezeichnete der Dirigent und Pianist Hans von Bülow das erst 1801 erstmals im Druck erschienene Wohltemperierte Klavier (Teil 1) von Johann Sebastian Bach als das „Alte Testament“, Beethovens 32 Klaviersonaten als „Neues Testament der Klavierspieler.“ Welch umfassende Bedeutung schon unter den Zeitgenossen gerade diesen Sonaten zugebilligt wurde, zeigt die Einschätzung von Carl Czerny, der davon überzeugt war, dass die Sonaten „allein hinreichen würden, seinen [Beethovens] Namen unsterblich zu machen.“ Und dennoch: derartige Werke fallen nicht einfach vom Himmel.Vielmehr entstanden sie unter spezifi10
schen Voraussetzungen in einem besonderen Umfeld und Kontext – von biographischen Konstellationen über die Entwicklung einer Gattung bis hin zur Individualität und Originalität jeder einzelnen Komposition. Von Bonn nach Wien… Zweimal brach Beethoven von seiner Geburtsstadt Bonn aus nach Wien auf. Die erste Expedition im Jahr 1787 diente vermutlich nur der Orientierung und währte nur wenige Wochen, wobei die Rückreise interessanterweise auf einem weitaus längeren Weg über München, Regensburg und Augsburg erfolgte. Entscheidender ist nach fünf Jahren weiteren Reifens die nun auf längere Sicht hin geplante Reise in die kaiserliche Hauptstadt, zu der der hellsichtige Graf von Waldstein dem jungen Musiker am 29. Oktober 1792 ins Tagebuch notierte: „Lieber Beethoven! Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozart’s Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglings. Bei dem unerschöpflichen Hayden fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemanden vereinigt zu werden. Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart’s Geist aus Haydens Händen.“ Die politischen und institutionellen Umwälzungen der nachfolgenden Jahre sorgten indes dafür, dass aus dem ursprünglichem Studienaufenthalt unversehens eine dauerhafte Übersiedelung wurde. Der Stadt Wien blieb Beethoven fortan treu: Nach anfänglichen Konzertreisen mit Auftritten in Prag, Berlin, Leipzig und Budapest (1796, 1798 und 1800) blieben weitergehende Pläne für Paris und London unausgeführt. Darüber hinaus hatte sich Beethoven seit März 1809 mit dem großzügig bemessenen Zuwendungsvertrag seiner adeligen Gönner einen Aufenthalt in Wien (oder einer anderen österreichischen Stadt) verbürgt sowie zugestanden, diesen lediglich nach Einverständnis und „nur auf Fristen zu verlassen, welche Geschäfte, oder der Kunst Vorschub leistende Ursachen veranlassen könnten.“ Eine besondere Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedeutete dies freilich nicht, scheute er doch bei fortschreitendem Gehörverlust zusehends den Kontakt zur Außenwelt. Diese Vereinbarung war die konsequente Folge von Beethovens – bewusst oder unbewusst – geschicktem Auftreten in den großen aristokratischen Salons der Stadt, in die er schon 1787 auf Empfehlung des Bonner Kurfürsten Einlass gefun11
den hatte. Dem Wunsch der Adligen nach E xklusivität kam er mit seinem Auftreten, seinem Spiel und seinen Werken späterhin konsequent nach, zudem boten sie ihm aber auch gesellschaftlichen Raum wie aufführungspraktische Möglichkeiten, um zu experimentieren und originell zu werden (vergleichbar seinem Lehrer Joseph Haydn auf Schloss Eszterháza). Beethoven standen – im Gegensatz zu vielen anderen Komponisten seiner Zeit – damit auch bedeutende musikalische Ressourcen zur Verfügung: vom Schuppanzigh -Quartett bis hin zu ausreichend besetzten Orchestern für Probeaufführungen seiner Symphonien.
„...dass man auf dem Klavier auch singen könne“
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Beethoven am Klavier Wie wohl kein anderes Instrument übte das Klavier maßgeblichen Einfluss auf die Musikgeschichte der letzten 300 Jahre aus. Dies liegt nicht allein an seiner Verbreitung im Salon und seiner Position im gesellschaftlichen Leben des 19. Jahrhunderts, sondern mehr noch an den durch eine vollkommen neuartige Technik eröffneten musikalischen und interpretatorischen Möglichkeiten. Denn im Gegensatz zum Cembalo, bei dem die einzelnen Saiten direkt von der Taste aus gezupft werden, besitzt das Klavier einen indirekten Weg über Hebel und Hämmerchen, mit denen die Saiten in Schwingungen versetzt werden und diese auch halten können. Dieser paradigmatische Wechsel vom Kielflügel zum Hammerklavier, der sich aus heutiger Perspektive als geradezu revolutionär erweist, war freilich erst weit nach der Wende zum 19. Jahrhundert abgeschlossen. Sowohl als Pianist wie auch als Komponist war Beethoven an dieser Entwicklung zwar nicht direkt, aber maßgeblich beteiligt – forderte er doch mit seinen Sonaten den Instrumentenbau sowohl hinsichtlich der schrittweisen Erweiterung des Ambitus wie auch in der Steigerung der Dynamik heraus. Bereits 1796 machte Beethoven in einem Brief an den Klavierbauer Andreas Streicher deutlich, dass ihm das Instrument klanglich vielfach noch zu harfenähnlich sei, Streicher aber mit seiner Bauweise einer von wenigen sei, die „einsehen und fühlen, dass man auf dem Klavier auch singen könne, sobald man nur fühlen kann.“ Um die Jahrhundertwende spielte Beethoven nachweislich auf Instrumenten von Anton Walter und Streicher; mit einem bei der Pariser Firma Érard bestellten Flügel war er weniger zufrieden. Offenbar fungierten Pianisten und Komponisten wie er schon damals als moderne „Marken-
botschafter“: 1818 folgte ein Instrument der Londoner Firma Broadwood, 1826 stellt ihm Conrad Graf ein Fortepiano aus seiner Werkstatt zur Verfügung. Doch nicht allein die bautechnische Entwicklung sorgte für eine Veränderung des Klanges, sondern auch die sich von Generation zu Generation wandelnde Spieltechnik. So notierte Carl Czerny in seiner 1839 erschienenen Theoretisch-praktischen Piano-Forte Schule die Unterschiede: „Mozarts Schule: Ein klares, schon bedeutend brillantes Spiel, mehr auf das Stakkato, als auf das Legato berechnet; geistreicher und lebhafter Vortrag. Das Pedal selten benutzt und niemals notwendig. Beethovens Manier: Charakteristische und leidenschaftliche Kraft, abwechselnd mit allen Reizen des gebundenen Kantabile ist hier vorherrschend.“ Noch genauer wird Czerny, schon als Knabe von Beethoven im Klavierspiel wie in der Komposition unterwiesen, wenn er dessen Spiel und Schaffen im Kontext der Jahrhundertwende beschreibt: „Beethoven, der um 1790 erschien, entlockte dem Fortepiano ganz neue kühne Passagen durch den Gebrauch des Pedals, durch ein außerordentliches charakteristisches Spiel, welches sich besonders im strengen Legato der Akkorde auszeichnete und daher eine neue Art von Gesang bildete – viele bis dahin nicht geahnte Effekte. Sein Spiel besaß nicht jene reine und brillante Eleganz mancher andrer Klavieristen, war aber dagegen geistreich, großartig und besonders im Adagio höchst gefühlvoll und romantisch.“ Beethoven und die Gattungen Wie sehr sich Beethoven selbst als Komponist vom Klavier her dachte, zeigen in eindrucksvoller Weise all jene Werke, die ab Sommer 1795 in Wien erschienen. Im Gegensatz etwa zu den drei frühen „Kurfürsten-Sonaten“ (WoO 47), die schon 1783 bei Boßler in Speyer erschienen waren, oder all den Variationswerken aus Bonner und Wiener Zeit, die als schnell vom Markt aufgesogene Gebrauchsmusik ebenfalls ohne durchgehende Zählung gedruckt worden waren, setzte Beethoven mit seinem Opus 1, einer Sammlung von drei Klaviertrios höchsten Anspruchs, einen unübersehbaren Markstein, dessen neuartige Ausdruckstiefe und symphonische Dimension selbst Joseph Haydn beeindruckte. Zugleich stellte sich Beethoven damit auch gegen eine ungeschriebene Tradition, die gültige eigene Werkzählung mit einer Kollektion von sechs Streichquartetten als Ausweis kompositorischen wie handwerklichen Vermögens zu eröffnen. 13
Auch die folgenden Jahre (und Opera) blieben weitgehend mit dem Klavier verbunden – allein oder in kammermusikalischer Besetzung. Bis zu den ersten sechs Streichquartetten, dem Septett Es-Dur und der 1800 uraufgeführten Ersten Symphonie sind dies nicht weniger als zehn Klaviersonaten, eine Sonate für Klavier zu vier Händen, zwei Sonaten mit Violoncello, drei mit Violine und eine mit Horn. Hinzu kommen ein weiteres Klaviertrio, ein Klavierquintett und schließlich die beiden ersten Klavierkonzerte. Die Entstehung von Sonaten (und anderen Werken) verläuft während der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts noch weitgehend kontinuierlich, kommt dann aber unvermittelt zum Stehen: Beethovens anhaltendes Gehörleiden und die daraus resultierende Hinwendung zu anderen Gattungen, insbesondere dem Streichquartett, lassen sich deutlich an den Veröffent lichungen ablesen. Die letzten fünf Klaviersonaten datieren aus den Jahren zwischen 1817 und 1822, danach entstanden nur mehr zwei Sammlungen von Balladen sowie die Diabelli-Variationen. Beethovens kompositorisches Interesse verlagerte sich danach auf größere Formen, wie bei der Missa solemnis und der Neunten Symphonie, wie auch auf das Streichquartett mit einer quasi abstrakten vierstimmigen Faktur. Zwischen Repertoire und Markt Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klaviersonate den Höhepunkt ihrer Beliebtheit schon überschritten. In „Mode“ gekommen war sie Mitte des 18. Jahrhunderts – und dies nicht nur in Wien, sondern vor allem in London und Berlin, während man unter den Theoretikern in Paris generell mit der Instrumentalmusik haderte: Ganz ohne Vokalstimmen und die durch diese vermittelten Worte erschien sie ihnen kalt und ohne Ausdruck, so dass Jean-Jacques Rousseau 1768 in seinem Dictionnaire de Musique zum Schluss des Sonaten-Artikels die Frage stellte: „Sonate, que me veux-tu?“ (Sonate, was willst du von mir?). Dieser Zwischenruf änderte freilich nichts am Geschmack des Publikums, das je nach technischer Fertigkeit kompositorisch auf unterschiedlichen Niveaus bedient wurde. Wie groß der Bedarf nach stets neuen Stücken war, zeigen aber nicht nur die Werke, die von Haydn, Mozart, Clementi und Pleyel im Druck erschienen, sondern auch die all jener Komponisten, die man heute gemeinhin kaum mehr dem Namen nach kennt. Denn eine gut gehende Klaviersonate bedeutete in der 14
zweiten Hälfte des Jahrhundersts für einen jungen Komponisten ein Stück hochwillkommener Reputation. Auf W erke von Joseph Wölfl bezogen, der neben Daniel Steibelt und Johann Ladislaus Dussek als Pianist mit Beethoven konkurrierte, notierte etwa Friedrich Rochlitz im Jahre 1799 schon im retrospektiven Tonfall, dass „jeder Musiker, welcher in den Orden der für das Publikum arbeitenden Komponisten aufgenommen werden wollte, gewöhnlich mit Klavier kompositionen, namentlich mit Solosonaten, in die Laufbahn trat.“ Nur wenige Jahre später hatten die Vorlieben des Publikums gewechselt – eines Publikums, das adelig oder großbürgerlich im eigenen Salon musizierte oder zunehmend einfach nur in der „guten Stube“ dem Klavier Töne und Melodien entlockte. Nicht länger waren dabei groß angelegte, mehrsätzige Kompositionen gefragt, sondern kurze Klavierstücke individuellen Charakters und romantischer Prägung – vom Albumblatt und der Bagatelle über das Nocturne und das Lied ohne Worte bis hin zum Prélude oder dem selbständigen Scherzo; die Liste der Bezeichnungen wie auch der mitunter programmatisch bestimmten Titel, auch ganzer Sammlungen (wie etwa Schumanns Waldszenen), ließe sich nahezu beliebig erweitern. So berichtet Felix Mendelssohn im Sommer 1830 aus München voller Verwunderung: „Selbst die besten Clavierspieler am Ort wussten kaum, dass Mozart und Haydn auch für das Clavier geschrieben hätten; Beethoven kannten sie nur vom Hörensagen; Kalkbrenner, Field, Hummel nennen sie classische oder gelehrte Musik.“ Und noch 1839 notierte Robert Schumann mit betrübtem Blick auf die einstmals große Tradition der Sonate: „Das Publikum kauft schwer, der Verleger druckt schwer, und die Komponisten halten allerhand, vielleicht auch innere Gründe ab, dergleichen Altmodisches zu schreiben.“ Erst wieder bei Johannes Brahms, der sich mit seiner Klaviersonate C-Dur op. 1 von 1853 freilich explizit auf Beethoven und dessen „Hammerklavier“-Sonate bezieht, mehr aber noch bei Franz Liszt und seiner einsätzig-zyklisch gestalteten Sonate h-moll aus demselben Jahr zeigt sich wieder der gattungsspezifische und kompositionstechnische Anspruch an die Sonate, wie er bereits 1789 von Daniel Gottlob Türk in seiner verbreiteten Klavierschule formuliert worden war: „Die Sonate verdient unter den Tonstücken, welche für das Klavier bestimmt sind, wohl mit dem mehrsten 15
Rechte die erste Stelle. […] Folglich setzt diese Gattung von Instrumentalstücken einen vorzüglichen Grad der Begeisterung, viel Erfindungskraft und einen hohen, fast möchte ich sagen musikalisch-poetischen, Schwung der Gedanken und des Ausdruckes voraus.“ Nachwirkungen Abgesehen vom weiteren gattungsgeschichtlichen Kontext, der nur selten einmal einen geraden Weg ohne Seitenpfade aufzeigt, wurden im weiteren 19. Jahrhundert die zwischen 1795 und 1822 mit einer Opuszahl veröffentlichten 32 Klaviersonaten Beethovens bald als vollendete Muster ihrer Art beschworen, wenn nicht gar mythisch überhöht. Adolf Bernhard Marx etwa machte sie zur Grundlage seiner Theorie der Sonatenform – idealtypisch und damit auch historisch inkorrekt. Richard Wagner hingegen sah nicht die einzelne Form, sondern vereinnahmte den Werkbestand als Ganzes: „So stellen wir, wenn wir heute die Summe der deutschen Musik bezeichnen sollen, unmittelbar neben die Beethoven’sche Symphonie die Beethoven’sche Sonate.“ Doch weder ein fixes Formgerüst noch eine wie auch immer geartete Vorherrschaft sind letztlich die Momente, die Beethovens Sonaten musikalisch prägen.Vielmehr ist an Hans Georg Nägelis Ankündigung der von ihm herausgegebenen Sammlung mit dem Titel Répertoire des Clavecinistes zu erinnern, die explizit auf „Klaviersolos in grossem Styl, von grossem Umfang, in mannichfaltigen Abweichungen von der gewöhnlichen Sonaten-Form“ abzielen sollte. „Ausführlichkeit, Reich haltigkeit,Vollstimmigkeit soll diese Produkte auszeichnen. Contrapunktische Sätze müssen mit künstlichen Klavierspieler-Touren verwebt seyn.“ Auch wenn von Beethoven nur die drei Klaviersonaten op. 31 bei Nägeli erschienen, so könnte diese Charakteristik doch auf nahezu alle 32 Kompositionen zutreffen – so individuell und außergewöhnlich ist jedes einzelne Werk gestaltet. Schließlich waren es seine schon um die Jahrhundertwende einsetzenden Innovationen, die von der nächsten Generation von Virtuosen und Komponisten geradezu aufgesogen wurden und die Voraussetzungen für den Übergang von der Wiener Klassik zur Romantik bildeten. Wie neu und anders die Sonaten empfunden wurden, notierte später Ignaz Moscheles in seinen Erinnerungen: „Beethovens Sonate pathéthique. […] Die Neuheit ihres Stiles war für mich so anziehend, und ich 16
fasste eine so enthusiastische Bewunderung zu derselben, dass ich mich selbst so weit vergaß, meinen neuen Erwerb meinem Lehrer gegenüber zu erwähnen. Dieser […] warnte mich davor, excentrische Productionen zu spielen oder zu studiren, ehe ich meinen Stil auf Grund soliderer Muster ausgebildet hatte. Ohne jedoch seine Vorschrift zu berücksichtigen, legte ich Beethovens Werke der Reihe nach, wie sie erschienen, auf das Klavier und fand in denselben einen Trost und ein Vergnügen, wie es mir kein anderer Komponist gewährte.“
PD Dr. Michael Kube ist Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe, Herausgeber zahlreicher Urtext-Ausgaben und Mitarbeiter des Berliner Streaming- Dienstes Idagio. Darüber hinaus konzipiert er die Familienkonzerte „phil zu entdecken“ der Dresdner Philharmoniker. Er ist Juror beim Preis der deutschen Schallplattenkritik und lehrt an der Musikhochschule Stuttgart und an der Universität Würzburg.
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Die Sonaten
Programm I 24. & 26. Oktober Sonate c-moll In den Jahren 1797/98 entstanden, ist die als „Grande Sonate op. 13 pathétique“ gedruckte Komposition in Beethovens um„Pathétique“ fangreichen Œuvre das erste Werk mit einer die instrumentale Gattung ergänzenden Charakterbezeichnung. Darüber, wie das Pathetische eines Werkes in jener Zeit aufzufassen sei, gibt Christian Gottfried Körner 1795 in der von Schiller herausgegebenen Zeitschrift Die Horen Auskunft und verknüpft seine Überlegungen mit einer rhetorischen Frage: „Wir unterscheiden in dem was wir Seele nennen, etwas Beharrliches und etwas Vorübergehendes, das Gemüth, und die Gemüthsbewegungen, den Charakter (Ethos) und den leidenschaftlichen Zustand (Pathos). Ist es gleichgültig, welches von beyden der Musiker darzustellen sucht?“ Herausragendes Moment der Sonate ist im Kopfsatz die fast symphonisch wirkende langsame Einleitung, auf die Beethoven später nochmals zu Beginn der Durchführung wie auch vor der kurz gefassten Coda zurückgreift. Der langsame Satz in mild getöntem, innigem As-Dur bildet dazu einen ruhig fließenden Kontrast (Andante cantabile), bevor das Finale – tonal wie auch motivisch – subkutan die unterschiedlichen Sphären verbindet, um am Ende dann aber doch schroff und unnachgiebig im Fortissimo zu enden. Sonate As-Dur Das Werk ist in gleich mehrerlei Hinsicht ungewöhnlich. op. 26 Zunächst betrifft dies die Grundtonart As-Dur, die nicht nur in der Wiener Klassik äußerst selten anzutreffen ist (Beethoven kommt zu ihr nochmals in der Sonate op. 110 zurück). Mehr noch erstaunt, dass jeder der vier Sätze auf diesem Grundton basiert – eine Einheitlichkeit, die in dieser Weise kaum üblich ist.Vor allem aber hat man den Ein-
Die 15 Sonaten, die in diesen vier Programmen zu hören sind, bilden den ersten Teil von Daniel Barenboims Beethoven-Zyklus, der sich über zwei Spielzeiten erstreckt und im Jahr 2020 zum 250. Geburtstag des Komponisten zum Abschluss kommt.
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druck, die Sonate würde mit einem Binnensatz eröffnet: Am Anfang steht ein wunderbar weit atmendes Thema mit fünf Variationen, gefolgt von einem Scherzo. Erst dann folgt mit der Marcia funebre sulla morte d’un Eroe der eigentliche langsame Satz in der raren Tonart as-moll, die Christan Friedrich Daniel Schubart (enharmonisch analog) in seiner Ästhetik der Tonkunst mit „gepresstes Herz bis zum Ersticken, Jammerklage, schwerer Kampf“ umschreibt. Es muss offen bleiben, ob Beethoven bei diesem Satz der 1800/01 entstandenen Sonate an einen konkreten „Helden“ dachte, oder ob (wie auch in der Dritten und Siebten Symphonie) ein in der Folge der Französischen Revolution verbreiteter Topos bedient wurde. Den Satz bearbeitete er jedenfalls 1815 im Rahmen der Bühnenmusik zum Schauspiel Leonore Prohaska für Orchester (und transponierte ihn dabei nach h-moll). Sonate G-Dur Wegen ihres unbeschwerten Tonfalls und einer Aufführungsop. 79 dauer von nur zehn Minuten mutet die 1809 entstandene „Sonatine“ Sonate vergleichsweise leichtgewichtig an. Mit Blick auf die beiden als „Sonate facile“ bezeichneten Werken op. 49 und die geringeren technischen Anforderungen hatte Beethoven dem Verlag bei der Drucklegung des Werkes als Bezeichnung „Sonate facile oder Sonatine“ vorgeschlagen. Dass sich Breitkopf für den Diminutiv entschied (und auf dem Titel auch keine Widmung abdruckte), geriet der Komposition freilich für lange Zeit zum Verhängnis: Sie wurde systematisch unterschätzt und wenig gespielt, obwohl Carl Czerny das Werk, bezogen auf die kleineren der insgesamt 32 Sonaten, für „die Bedeutendste“ unter Beethovens „Sonatinen […] um 1810“ hielt. Singulär ist jedenfalls die Bezeichnung des Kopfsatzes als Presto alla tedesca – nicht nur hinsichtlich des Tempos, sondern auch was den Charakter mit einem tänzerisch vorwärts walzenden Dreivierteltakt angeht. Äußerst knapp und anspruchslos ist der langsame Satz for muliert; das als Rondo angelegte Finale verblüfft mit einem kantigen Couplet, das ein wenig an „Die Wut über den verlorenen Groschen“ op. 129 erinnert. Alle drei Sätze schließen übrigens im piano. Sonate A-Dur In vielfacher Weise überraschend hat Beethoven diese Komop. 101 position angelegt. Auf gleich mehreren Ebenen durchbricht er die noch jungen Konventionen der Gattung, so dass auch Adolph Bernhard Marx trocken konstatieren musste, dass hier „der Name Sonate für eine vom gewöhnlichen Sonaten20
bau wesentlich abweichende Gestaltung angewendet“ wurde. Dies betrifft die Satzfolge mit einem formal changierenden Kopfsatz, einem lebhaften Marsch und einem langsamen Satz, der wie eine groß angelegte Einleitung zum Finale wirkt (einschließlich einer auskomponierten Reminiszenz an den Kopfsatz). Des weiteren gilt dies aber auch für die Anlage des Verlaufs mit Elementen der Fantasie, des Rezitativs oder der Toccata wie auch für die Faktur mit ausgesprochen kontrapunktischen Verfahren: Das Trio des Marsches ist als Kanon angelegt, die Durchführung des Finales als weit dimensionierte Fuge. Darüber hinaus eröffnet Beethoven mit den erstmals in der Sonate op. 90 verwendeten deutschsprachigen, im Detail ausdifferenzierten Tempo- und Charakterbezeichnungen einen vollkommen neuen Ausdruckshorizont, der ebenso wie die zyklische Anlage des Werkes weit über das Jahr der Entstehung (1816) hinausweist.
Programm II 14. & 15. Dezember Sonate f-moll Als freundschaftlich-schwierig wird man das Schüler-Lehrerop. 2 Nr. 1 Verhältnis zwischen Ludwig van Beethoven und Joseph Haydn bezeichnen müssen. So lud Haydn den jungen Pianisten zwar dazu ein, im Dezember 1795 in einer von ihm veranstalteten Akademie mit Londoner Symphonien ein eigenes Klavierkonzert zu spielen, gab dem jungen Komponisten aber auch den (missverstandenen) Rat, das von ihm, Haydn, als zu neuartig empfundene Klaviertrio c-Moll op. 1 Nr. 3 vorerst noch zurückzuhalten. Beethoven scheint darauf reagiert zu haben und widmete dem Lehrer weder sein Opus 1 noch eine Sammlung von Streichquartetten, sondern – auf Augenhöhe – die im März 1796 erschienenen Klaviersonaten op. 2, die er zuvor schon im musikalischen Salon des ihn fördernden Fürsten Carl von Lichnowsky in Anwesenheit Haydns gespielt hatte. Mit der viersätzigen Anlage, die über die Werke Mozarts und Haydns hinausgeht, stellt Beethoven seine Sonaten unübersehbar der Symphonie und dem Streichquartett an die Seite. Knapp formuliert, schroff in der Gestik und konzentriert im Detail setzt Beethoven offenbar ganz bewusst ein Werk an den Anfang, das auf allen Ebenen exponiert wie mustergültig sein sollte. 21
Sonate Es-Dur Noch einmal greift Beethoven nach einer ganzen Reihe op. 31 Nr. 3 von unterschiedlichen Konstellationen in dieser Sonate von 1802 die viersätzige Anlage auf, um sie dann bis zur etwa 15 Jahre später entstandenen „Hammerklavier“-Sonate ruhen zu lassen. Zugleich setzt er sich über die gewöhnliche Ordnung der beiden Mittelsätze hinweg. Die musikalischen Parameter von langsamem Satz und Tanzsatz erscheinen in diesem Werk gepaart, verschränkt, vertauscht und doch gegeneinander gesetzt: An zweiter Stelle steht ein wunderbar sonores, vielfach in Baritonlage gehaltenes Scherzo im eigenwilligen Zweivierteltakt (Allegretto vivace), gefolgt von einem ruhig hinfließenden Menuett älterer Prägung im Dreivierteltakt (Moderato e grazioso). Auch der Beginn des Kopfsatzes ist mehrdeutig: Was zunächst wie eine im Tempo reduzierte Einleitung anmutet, stellt sich als Hauptthema des Satzes heraus. Das brillante, den Ambitus des Klaviers virtuos durchmessende Finale geht nach Carl Czerny auf eine Improvisation zurück, als Beethoven „einen Reiter an seinem Fenster vorbeigaloppieren sah.“ Angesichts des rasenden Tempos und der überraschenden harmonischen Ausweichungen drängt sich freilich der Eindruck auf, dass es sich um einen wilden Parforceritt gehandelt haben muss. Sonate B-Dur op. 106 „HammerklavierSonate“
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Sinnlos mutet heute der überlieferte Beiname „Hammerklavier“-Sonate an – für welches Instrument sonst sollte sie geschrieben sein? Tatsächlich geht er auf das Titelblatt der Wiener Erstausgabe des Werkes von 1819 zurück, bei dem Beethoven selbst nicht länger die traditionelle, aus dem Italienischen stammende Besetzungsangabe dulden wollte: „wozu der Titel Deutsch, statt piano-forte Hammerklawier gesetzt werde.“ Dass mit der gleichen Angabe auch die Sonate A-Dur op. 101 im Druck erschien, hat die Nachwelt nicht weiter wahrgenommen. Möglicherweise spricht aus der Verwendung des Beinamens aber auch der Respekt vor einem Werk, das wegen seiner spieltechnischen Anforderungen und der ausgreifenden formalen Dimension lange Zeit als unspielbar galt: Mit dazu beigetragen hat auch die missverstandene Metronomisierung des Kopfsatzes, durch die das vorgegebene Tempo verdoppelt wurde (eine Einspielung von Artur Schnabel aus dem Jahre 1935 zeigt die musikalische Absurdität auf). Franz Liszt jedenfalls ging noch davon aus, dass die Aufführung der gesamten Sonate „fast eine Stunde dauern“ würde. Die damit verbundene Monumentalität schwebte Beethoven in der Überlieferung von Carl Czerny
offenbar von Anfang an vor: „Jetzt schreibe ich eine Sonate, welche meine größte seyn soll.“ Die auch klanglich weit über das Instrument hinausgehende Dimension des Werkes veranlasste 1925/26 Felix Weingartner zu einer Fassung für großes Orchester. Programm III 10. & 11. Februar Sonate G-Dur Nachdem Beethovens Sorge um den fortschreitenden Verlust op. 31 Nr. 1 des Gehörs, die gesellschaftliche Isolation und bereits überwundene Suizidgedanken in seinem „Heiligenstädter Testament“ einen Höhepunkt und ihre Katharsis gefunden hatten (dabei handelt es sich um einen am 6. Oktober 1802 verfassten, jedoch nie abgesandten Brief an seine beiden Brüder), setzte der Komponist auch schöpferisch neu an. So soll er (nach der Erinnerung Carl Czernys) dem befreundeten Wenzel Krumpholtz gestanden haben: „Ich bin mit meinen bisherigen Arbeiten nicht zufrieden.Von nun an will ich einen neuen Weg betreten.“ Bereits Czerny bezog diese Aussage auf die beiden Sonaten op. 31, mit denen Beethoven tatsächlich die Klaviersonate noch einmal neu und anders denkt. Dies betrifft nicht nur die „Sturm“-Sonate (op. 31 Nr. 2), sondern auch das Werk in G-Dur. Ein zeitgenössischer Rezensent hielt sie sogar „für die originellste, aber beide sind doch ein wenig zu lang und mitunter bisarr.“ Diese Eigentümlichkeiten zeigen sich im rhythmisch verschobenen Hauptthema und dem in H-Dur einsetzenden Seitengedanken des Kopfsatzes, im weitläufigen Adagio (einer Cavatina im Neunachteltakt) sowie dem motivisch dicht gesetzten Rondo mit seiner skurrilen Coda. Sonate cis-moll op. 27 Nr. 2 „MondscheinSonate“
Aufgrund ihres Beinamens hat diese Sonate nicht nur zahlreiche bildliche Darstellungen inspiriert, sie ist unter ihm auch in den Kanon der klassischen Musik eingegangen. Freilich stammt die fantasievolle Bezeichnung weder von Beethoven selbst noch von seinem Verleger, sondern geht vermutlich auf eine Erzählung des Musikpublizisten Ludwig Rellstab zurück, die 1824 als Theodor. Eine musikalische Skizze in der Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung erschien. Darin wird eine nächtliche Kahnfahrt auf dem Vierwaldstätter See mit dem Kopfsatz der Sonate in Verbindung gebracht: „Keiner falschen Quinte wäre ich werth, wenn ich das 23
Adagio aus der Phantasie in Cis-moll vergessen hätte. Der See ruht in dämmerndem Mondesschimmer, dumpf stösst die Welle an das dunkle Ufer, düstre Waldberge steigen auf und schließen die heilige Gegend von der Welt ab, […] und eine Aeolsharfe tönt Klagen sehnsüchtiger einsamer Liebe geheimnisvoll von jener Ruine herab.“ Beethoven hingegen bezog sich mit dem Titel „Sonata quasi una fantasia“ auf die ungewöhnliche Folge von freiem Adagio, menuettartigem Allegretto und dem final stürmenden Presto agitato. Dass er den ersten Satz gleichwohl atmosphärisch verstanden wissen wollte, geht aus der vorgeschriebenen Dynamik (sempre pianissimo) hervor und der Beischrift, er müsse so zart wie irgend möglich (delicatissimamente) gespielt werden. Sonate F-Dur Auch wenn einige Klavierwerke im Druck ganz ohne Widop. 10 Nr. 2 mung blieben, so darf man doch davon ausgehen, dass Beethoven seine Zueignungen ganz bewusst, wenn nicht gar mitunter strategisch vornahm. Denn so wie er nach seiner Ankunft in Wien die Nähe zum Adel und den aristokratischen Salons der Stadt suchte, so notwendig war es auch, das damit verbundene Wechselspiel aus künstlerischer Freiheit, ökonomischer Förderung und dankbarer Widmung in der Waage zu halten. In den Jahren um die Jahrhundertwende bestand offenbar eine enge Beziehung zu Johann Georg Reichsgraf von Browne und dessen Frau Anna Margarete Gräfin von Browne-Camus, die aufgrund ihrer Güter im entfernten Livland in der Hauptstadt ein großzügiges, kunstsinniges Leben führen und als Mäzene auftreten konnten. Beethoven widmete der Gräfin neben den drei im September 1798 veröffentlichten Sonaten op. 10 zwei Variationszyklen, dem Grafen seine drei Streichtrios op. 9, die Sonate op. 22 und die Gellert-Lieder. Die F-Dur-Sonate op. 10 Nr. 2 zeichnet sich in ihren Ecksätzen vor allem durch einen ironisch-spielerischen Gestus aus, das dazwischen stehende Allegretto bildet mit seiner Reserviertheit einen Kontrast. Sonate As-Dur George Bernhard Shaw hielt das 1821/22 entstandene Werk op. 110 für die „schönste aller Beethoven-Sonaten“ – ein subjektives Urteil, das aber aus verschiedenen Gründen leicht nachvollziehbar erscheint. So entspinnt sich im zarten As-Dur aus einem zunächst vierstimmig in der Art eines Streichquartetts gesetzten Thema zunächst eine überaus gesangliche Linie (Moderato cantabile molto espressivo), dann eine
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in Figurationen perlende Überleitung, bevor das Seitenthema einsetzt. Doch immer wenn der Satz nach As-Dur zurückkehrt, erreicht er nicht nur seinen Grundton, sondern auf faszinierende Art auch seinen eingangs bestimmten Grundcharakter. Dazu steht das f-moll-Scherzo mit seinem herrlich derben Humor in radikalem Kontrast. Sein Beginn soll auf ein österreichisches Volkslied zurückgehen, später gar einen Wiener Gassenhauer zitieren („Ich bin liederlich / Du bist liederlich / wir sind liederliche Leut“). Dies alles erscheint freilich nur wie ein Vorspiel zum Finale, dem eigentlichen Zentrum der gesamten Sonate. Mehrteilig angelegt (wie später auch die „Große Fuge“), alternieren arioser klagender Gesang, freies instrumentales Rezitativ und streng gebundene Fuge.
Programm IV 4. & 5. Mai
Sonate Es-Dur op. 27 Nr. 1 Obwohl unter einer gemeinsamen Opuszahl und gleich„Sonata quasi lautenden Titeln erschienen, steht dieses Werk ganz im una fantasia“ Schatten der so genannten „Mondschein“-Sonate. Liegt dort das fantastische Moment vor allem im poetischen Ausdruck, so ist es in der Sonate Es-Dur die freie Anlage der Komposition, mit der Beethoven der spezifischen Bezeichnung vollauf gerecht wird. Am deutlichsten ist dies zunächst im formalen Aufbau zu erkennen. Alle vier Satzcharaktere gehen nur durch einen Doppelstrich getrennt attacca ineinander über, so dass in der Mehrsätzigkeit eine Einsätzigkeit entsteht – ein Verfahren, mit dem Beethoven schon weit in die Zukunft der Gattung schaut und das sich so in Schuberts „Wanderer-Fantasie“, Schumanns Fantasie op. 17 oder in Liszts h-moll-Sonate finden wird. Des weiteren verzichtet Beethoven im Kopfsatz auf das Sonatensatzmodell mit zwei kontrastierenden Themen: Es wird ersetzt durch einen dreiteiligen Verlauf, bei dem der mittlere Abschnitt vom Andante ins Allegro wechselt. Nach dem vollständigen Scherzo steht an dritter Stelle ein Adagio con espressione, das sich allerdings bald als Introduktion zum Finale herausstellt und vor der Coda wieder aufgegriffen wird.
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Sonate D-Dur Schon vor den drei im September 1798 veröffentlichten op. 10 Nr. 3 Sonaten op. 10 hatte sich Beethoven als Pianist wie auch als Komponist in Wien fest etabliert. Mehr noch war zu diesem Zeitpunkt bereits seine schöpferische Originalität Gegenstand des ästhetischen Diskurses geworden, zumal mit der für ihn so typischen konsequent durchgeführten motivischthematischen Verarbeitung ein vollkommen neuer Aspekt des musikalisches Satzes hinzutrat. Nach Auskunft eines leider anonym gebliebenen zeitgenössischen Kritikers von manchen als „bizarre Manier“ verstanden, die „nicht selten eine dunkle Künstlichkeit oder eine künstliche Dunkelheit“ hervorgebracht habe, überzeugt diesen die neue Art des Komponierens in jeder Hinsicht: „Gute Erfindung, ernster männlicher Styl […], wohl und ordentlich mit einander verbundene Gedanken, in jeder Partie gut gehaltener Charakter, nicht bis zum Uebermässigen hinauf getriebene Schwierigkeiten, eine unterhaltende Führung der Harmonie – heben diese Sonaten vor vielen sehr heraus.“ Dies gilt auch für das Final-Rondo, dessen Anlage Carl Czerny treffend beschreibt: „Oft reichten ein paar einzelne, unbedeutende Töne hin, um aus denselben ein ganzes Tonwerk zu improvisieren…“ Sonate e-moll sAls das Werk 1815 im Druck herauskam, war dies ein von op. 90 der Musikwelt mit so großer Spannung erwartetes Ereignis, dass der Wiener Verleger Anton Steiner voller Stolz annoncierte: „Allen Kennern und Freunden der Tonkunst wird die Erscheinung dieser Sonate gewiß sehr willkommen sein, da nun seit mehreren Jahren von L. v. Beethoven nichts für’s Piano-Forte erschienen ist.“ Was allerdings verschwiegen wird: Für solche Kompositionen war in den Jahren der Befreiungskriege wohl auch kein Bedarf – die gepflegte musische Zerstreuung im Salon hatte politischen Debatten und patriotischen Werken Platz gemacht, an denen sich auch Beethoven mit einem (verschollenen) Kriegslied für die verbündeten Heere und dem symphonischen Schlachtengemälde Wellingtons Sieg beteiligte. 1815 tagte bereits der Wiener Kongress, bei dem unter dem Einfluss der zahlreichen Herrscher und Diplomaten auch die im privaten Bereich gepflegten Gattungen wieder aufblühten.Von diesem Antagonismus scheint auch die zwei Sätze umfassende Sonate op. 90 zu erzählen: Folgt doch dem leidenschaftlich bewegten Kopfsatz ein mehr innerliches Final-Rondo, das dazuhin „sehr singbar vorzutragen“ ist. 26
Sonate C-Dur op. 53 „WaldsteinSonate“
Obwohl Graf Ferdinand Waldstein dem jungen Beethoven beim Eintreffen in Wien durch persönliche Empfehlungen alle Türen der aristokratischen Salons geöffnet hatte, bedachte dieser seinen wichtigen Gönner und einflussreichen Mäzen aus Bonner Zeit erst Jahre später mit der Widmung dieser 1805 gedruckten Sonate. Groß angelegt in der Disposition, ist es jedoch nicht ganz ausgemacht, ob das Werk nun zwei oder drei Sätze umfasst. So schied Beethoven zwar noch vor der Drucklegung – wie es heißt: mit Rücksicht auf die Spieldauer – auf Anraten eines Freundes einen weit dimensionierten mittleren Satz aus und veröffentliche diesen im selben Jahr separat als „Andante favori“ (WoO 57). Da Beethoven ihn aber durch keinen anderen ersetzte (etwa durch ein knappes Scherzo), wertete er die ausgedehnte langsame Einleitung zum abschließenden Rondo in ihrer Bedeutung auf. Darüber hinaus zeigte sich, dass die zweisätzige Anlage einer „Grande Sonate“ nicht nur machbar war, sondern auch gänzlich andere Möglichkeiten eröffnete. Hinzu kommt in der „Waldstein“-Sonate ein nachgerade symphonischer Tonfall – nicht allein zu Beginn des Allegro con brio, sondern auch im teils versonnenen, teils hitzig erregten Finale. Michael Kube
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“The Whole Development of a Genius” Beethoven and the Piano Sonata
Thomas May
The role that the piano played in Ludwig van eethoven’s development can hardly be exaggerated. Often B regarded as a vehicle or even a ready-made laboratory for the composer, it also served as a kind of alter ego. The instrument provided not only a tool but a place apart that encouraged him to confide his boldest, wildest intuitions and creative aspirations. Recalling the spell Beethoven cast when performing at the keyboard, his prodigy student Carl Czerny wrote: “His improvisation was most brilliant and striking. In whatever company he might chance to be, he knew how to produce such an effect upon every hearer that frequently not an eye remained dry, while many would break into loud sobs; for there was something wonderful in his expression in addition to the beauty and originality of his ideas and his spirited style of rendering them.” Czerny adds that, “after an improvisation of this kind, [Beethoven] would burst into loud laughter and banter his hearers on the emotion he had caused in them. ‘You are fools!’ he would say”—cultivating a contrarian image was part of the persona Beethoven presented to his aristocratic admirers. The piano sonatas, tallying roughly a half-million individual notes, comprise one of the most extraordinary records in Western music of a creative spirit continually challenging the boundaries of what music can express. Spanning nearly his entire career, they chart a journey from Beethoven’s adolescence in Bonn—if we include the three unpublished sonatas he wrote at the age of 12—up to the visionary extremes of his late style. “There is hardly another output 28
from any composer in any form,” Daniel Barenboim has observed, “that gives you such a clear picture of a composer’s development and transformation.” As Alfred Brendel put it, the piano sonatas “represent the whole development of a genius, from his beginnings to the threshold of the late quartets.” Perhaps most remarkable of all, he adds, Beethoven “does not repeat himself in his sonatas; each work, each movement is a new organism.” Beethoven produced a greater number of piano sonatas than of works in any other genre: 32 remains the canonical number (though in his edition, by admitting into the canon the three works of the teenaged composer, the musicologist Barry Cooper has a ttempted to extend the total to 35). At the same time, the piano sonatas are less conducive to being categorized into the conventional three-period model of Beethoven’s development: early, middle, and late (or, in Franz Liszt’s unforgettable phrase: “l’adolescent, l’homme, le dieu”). For one thing, they are spaced with notable asymmetry across the composer’s career. While a span of nearly three decades separates the composition of the first and last of the 32 published works, Beethoven had written 20 of them by 1802.The epochal “Waldstein” and “Appassionata” Sonatas date from the onset of the “heroic” style associated with the middle period (1804–05), after which came a hiatus from the genre up until the final sonata trilogy, finished in 1822. Having apparently decided he had nothing more to say in the sonata form, Beethoven published his gigantic set of “Diabelli”Variations as his final large-scale expression for the solo piano, followed by a coda of enigmatic miniatures with the two sets of Bagatelles, Opp. 119 and 126. Even more, the piano sonatas are simply too diverse to be assigned according to simplistic, prefabricated categories. Already with his first set, Op. 2, Beethoven announced his independence, casting each of the three works in four movements, in contrast to the three-movement format Mozart and Haydn (for the most part) had established as a precedent. Twelve of the sonatas contain three movements, but these include such instances as the remarkably innovative Op. 27, No. 2 (the so-called “Moonlight”), which fuses aspects of Beethoven’s persona as an improviser with the sonata, “quasi una fantasia.” Several of the works comprise only two movements, from the pair published as Op. 49 but written in the mid-1790s as easy sonatas for the amateur market to the 29
tragic-ecstatic final one, Op. 111.Yet few works convey a more satisfying sense of completion—to the sonata on its own terms, as the finale of a trilogy, and as the culmination of Beethoven’s exploration of the genre across his career.
The sonata as drama
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Another way of thinking of the singular variety of the composer’s approaches to the genre and its form is to consider analogies between the sonata and drama, as the contemporary composer Anton Reicha did. According to the musicologist Carl Dahlhaus, Reicha posited an analogy between sonata form and drama, “which, according to the laws of classical poetics, consists of an exposition—the ‘tying of the knot’—and a dénouement, the ‘untying’ of the knot.” Far from abstract, predetermined molds into which Beethoven “pours” his ideas, the sonatas are shaped by the specific nature of the musical ideas themselves. Thus even the “early” period incorporates several types of experimentation with the sonata as Beethoven had inherited it from his predecessors, most notably in Op. 13, the “Pathétique,” or Op. 26 and the Op. 27 pair. He can be seen working on a “symphonic,” epic scale as in the “Waldstein” (from around the time of the “Eroica”), returning to the genre with an approach of lyrical compression in Op. 78 (one of the composer’s own favorites) and then, still later, conceiving the vast edifice of the “Hammerklavier,” Op. 106, arguably his most radically innovative achievement in the genre. But the final three masterpieces, Opp. 109–111, were also genuine game-changers, each an idiosyncratic creation yet each connected to the others through ingenious macroscopic structural and motivic links. Here we find the nowmostly-deaf Beethoven imagining possibilities for the rapidly evolving piano and its expressive mechanisms that had no precedent. There may be extra-musical associations involved, whether suggested by the composer himself (the “farewell— absence—return” scenario of Op. 81a, “Les Adieux”), or imposed by the popular imagination (readings of the “Moonlight” as reflections of unhappy love and/or even of the composer’s frustration with his worsening deafness), but these are always incidental to the musical drama that is worked out on its own terms. Dahlhaus considers this process in terms of the Hegelian dialectics of subject and object as
articulated around the time of Beethoven’s early maturity: “The aesthetic subject is thus the empirical person of neither the composer nor the listener, but an imaginary subject that combines the creative activity of the former and the re-creative activity of the latter.”
In this context, a quick glimpse at the connotations of “sonata” may be of use. The word emerged in the 16th century to distinguish a piece of music that was played (sonata) rather than sung (cantata)—a binary that itself comes into question when we think of the “vocal” quality of certain movements in Beethoven’s sonatas, such as the quasi-operatic recitative and arioso embedded in Op. 110, the middle of the final trilogy. In the Baroque, such instrumental music was often written for multiple musicians, though in his violin Sonatas and Partitas, Johann Sebastian Bach imbued the solo sonata with weight and substance, while Domenico Scarlatti established the model of a single-movement sonata for solo keyboard. It was in the Classical era that the multi-purpose implications of the term began to be restricted to a work with several movements, the first of which was usually in the form also known as sonata (perhaps the signature form of Viennese Classicism, which was used across the spectrum from solo instrumental music to string quartets, concertos, and symphonies). Sonata form, as the pianist-scholar Charles Rosen argued, is almost perversely resistant to definition or description, though Carl Czerny was among those who handed down the popular, simplified scheme of exposition, development, recapitulation, and coda.Yet by its very nature, according to Rosen, true sonata form is too dynamic to be adequately conveyed by such taxonomies. Mozart and Haydn, who were pivotal in forging this way of thinking into a viable style, were unquestionably significant models for Beethoven—the very first work of Op. 2, the Sonata in F minor, intriguingly conflates the voices of both. Yet a host of other influences helped shape his imagination as well, including the sonatas of C.P.E. Bach and Muzio Clementi. When Beethoven resettled permanently in Vienna in 1792 in his early 20s, he became part of a rich, complex keyboard culture that included a range of fellow virtuosi and rivals, some of whom were based elsewhere but traveled 31
“...serious music at odds with popular taste”
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to the Habsburg capital and competed with young Beethoven. To mention just one example, the London-based Johann Baptist Cramer (a student of Clementi) is recognized as the model for the perpetual-motion finale of Op. 26—a four-movement sonata not one of whose parts is actually cast in sonata form. (It would, in turn, leave a profound mark on Chopin’s Piano Sonata in B-flat minor.) One explanation for the latitude of experimentation in Beethoven’s piano sonatas, especially early in his career, can be found in the sociological context of his status after relocating to Vienna. The musicologist Timothy Jones argues that Beethoven’s career as a pianist-composer was far from typical during a period in which the piano was gaining popularity among middle-class customers—with a corresponding increase in the demand for solo piano publications. Yet the financial security provided by his small circle of aristocratic Viennese patrons “protected [Beethoven] from the mass-market forces that weighed heavily on his rivals.” Even more, writes Jones, these patrons were themselves of an adventurous aesthetic disposition and appreciated “serious music that was at odds with more widespread popular tastes. They encouraged Beethoven to pursue his already marked bent towards novel, difficult, and densely argued music.” As a result, because these patrons were “socially and artistically exclusive,” Beethoven had “no significant contact with the larger musical public and, free from the need to be a popular composer, he could afford to eschew middlebrow mass-market values in his performances and compositions.” Even after deafness put an end to Beethoven’s career as a pianist in 1809—his final recorded public performance was in 1814, premiering the “Archduke” Trio, Op. 97—he continued to return to the piano sonata, in the process creating the very cornerstone of the solo repertoire. Indeed, the curious fusion of private, intimate communication and public context that defines the modern piano recital did not yet exist when Beethoven was writing these works. It was Liszt who established (and helped to market) that construct in the decade after Beethoven’s death. Charles Rosen notes the paradox that, like Mozart before him, Beethoven introduced “into what was essentially private music the difficulties and the display of public virtuosity” while showing “still less consideration for the amateur than Mozart—in fact, famously less consideration for the concerns and comfort of the professional musician as well.” Thus,
within decades of the above-mentioned burgeoning of the private household market, “the fitness of his piano music for the public sphere was quickly recognized.” Beethoven’s piano sonatas “constituted the first body of substantial serious works for the piano adequate for performance in large concert halls.”
The afterlives of these works have taken countless forms and continue to set expectations: for composers, performers, music lovers. And just as they chart the development of Beethoven’s genius, each encounter reflects a new stage in our understanding of what music, at its most challenging and under the pressure of that genius, can convey. Comparing Beethoven’s impossibly lofty status with that of Shakespeare as “virtual clichés,” biographer Jan Swafford declares that both figures “are too wild and too strong to be bound in those chains.” Perhaps the most astonishing thing about the composer “is that he survived the burden of being Beethoven… No wonder his time called him superhuman. But the truer and sadder reality is that Beethoven lived to the ultimate capacity of being human, and he encompassed that in his art.”
Thomas May is a freelance writer, critic, educator, and translator whose work has appeared in The New York Times and Musical America. He regularly contributes to the programs of the Lucerne Festival, Metropolitan Opera, and Juilliard School, and his books include Decoding Wagner and The John Adams Reader.
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The Sonatas
Program I October 24 & 26 With the sonata that Daniel Barenboim has chosen to open his cycle, Op. 13, we can readily imagine the impression that Beethoven must have made on his own listeners, both in his style of playing and in the expressive power of his compositional imagination. Though already the eighth of his 32 sonatas, this is an early work, dating from 1797–98, when the composer was only in his late 20s. Already Beethoven has given a personal cast to its key of C minor —a tonality to which he will return again and again to convey a defiantly tragic pathos. C minor is also the key of the very final sonata. The “Grande Sonate Pathétique” is the first of Beethoven’s to bear a familiar nickname. This one was suggested by the composer’s publisher. The French adjective, meant to evoke the music’s particular quality of pathos, also serves to remind us of the influence of French musical rhetoric on Beethoven’s language. This is most obvious in the dotted rhythms and the dignified tragic air of the opening slow introduction, qualities associated with the French manner. A striking structural feature of the “Pathétique” is the recurrence of music from this slow introduction, especially in the potently eloquent coda. Any doubts as to Beethoven’s gift for writing melody should be put to rest by the pure song he spins in the Adagio cantabile. (It has even been appropriated by pop musicians.) The agitated finale traces subtle thematic crossconnections, the contours of the main rondo theme recalling the poignant second theme from the first movement. Op. 26 (written in 1800–01) is the first Beethoven piano sonata to commence with a set of variations in lieu of the
The 15 sonatas of these four programs represent the first part of Daniel Barenboim’s two-season cycle, set to conclude in 2020, the year of the composer’s 250th birthday.
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normative sonata-allegro form. In fact, none of Op. 26’s four movements is in sonata form. Also unusual is the placement of the irrepressible, brief scherzo as the second movement, flanked by the five variations of the opening, set in a relatively slow tempo, and a slow movement Beethoven titled “Funeral March on the Death of a Hero.” Comparisons with the equivalent movement from the “Eroica” Symphony naturally spring to mind: here, too, we encounter the solemnly rhetorical topos of a dotted-rhythm march in the minor key (though in a more flowing tempo), with a brighter middle section incorporating the implicit “orchestration” of rolling drums in the tremolo of the bass. Beethoven actually did orchestrate this movement so that it could be used as incidental music, crafting a version for winds and brass that was played at his own funeral in 1827. His pupil Carl Czerny later reported that instead of a contemporary hero (Napoleon/ anti-Napoleon), the composer was thinking of a mythic one, having recently been impressed by Ferdinand Paër’s 1801 opera Achille.The modestly proportioned finale furnishes a gentle, toccata-like epilogue. The three-movement Op. 79 from 1809 in some respects hearkens back to Beethoven’s earlier sonata manner, with decidedly Haydnesque touches of humor; at the same time, the piece intriguingly foreshadows a Schubertian, proto-Romantic moodiness as quicksilver turns from major to minor occur amid the bubbling mirth of the compact first movement. An infectious fast waltz, this Presto alla tedesca is a precursor of the folklike dance idioms Schubert would later cultivate.The recurrent minor thirds heard in the development are the source for the G-major sonata’s nickname, “Cuckoo.” (It’s also known as “Sonatina” because of its brevity.) A touch of Mendelssohn seems to be foretold in the atmospheric Andante, a lilting barcarolle in 9/8 and G minor that evokes a pair of lovers being ferried by a gondolier through the Venetian night. Rounding off this work is a catchy rondo tune Beethoven will later reconfigure for the opening of his Op. 109 Sonata. Despite a crescendo in the final measures, the ending arrives—much as it had in the first movement—as a surprisingly subdued gesture. With Op. 101, Daniel Barenboim crosses the threshold into the beginnings of Beethoven’s late style. Completed in 1816, the Sonata in A major marks a gateway leading into the music from the composer’s final period. Beethoven had refined and expanded the formal and stylistic ideas he in35
herited from Haydn, Mozart, and others, and in his late style he radically reconsiders the very essence of the piano sonata. By this time, worsening deafness had forced Beethoven to give up his own career as a pianist, and he dedicated Op. 101 to Baroness Dorothea von Ertmann, a student who became a highly respected contemporary Viennese pianist. Another notable feature of the published score is the fact that here, for the first time, the composer sought a German term for the rapidly evolving piano, settling on Hammerklavier (which has become the title of his subsequent sonata, Op. 106). Anton Schindler, the (admittedly unreliable) early biographer and personal secretary to Beethoven, claimed that “this is the only one [of his piano sonatas] that was publicly performed during the lifetime of the composer,” with Beethoven present. He also reports that Beethoven named the first and third movements “impressions and reveries.” The gentle first movement conveys complex emotional intimacies beneath its deceptively simple, flowing surface. Richard Wagner not only greatly admired this music but learned much from it for his concept of “infinite melody.” A march follows, set in the unexpected key of F major (as is the Scherzo of the A-major Seventh Symphony); it contains a contrasting section using canon technique. All four movements of Op. 101 are played without pause. The Adagio is not a stand-alone slow movement but serves as a meditative introduction to the finale, which incorporates a memory of the opening before Beethoven launches into the richly contrapuntal and most elaborate of Op. 101’s movements.
Program II December 14 & 15 In 1795, Beethoven completed his first official piano sonatas. They were published the following spring as a set of three works that he dedicated to Haydn. The issue of legacy is naturally crucial and, in the case of Beethoven, complex and many-layered. From one of the composer’s early students and biographers, Ferdinand Ries, comes the famous anecdote that the dedication came with an implicit snub by refusing to include the formula “pupil of Haydn.” A tad Oedipal, perhaps, for Beethoven would go on systematically to lay
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claim to the genres that were closely associated with Haydn’s achievements, above all the symphony and string quartet. “Whereas his first published examples of the concerto, quartet, and symphony were generally inferior to Haydn’s and Mozart’s masterpieces in those genres,” observes the biographer William Kinderman, “the same cannot be said of his early sonatas, especially those for solo piano.” The latter are where Beethoven “first revealed the full expressive range and power of invention that he was to demonstrate only years later in some other musical forms.” Coexisting with influences from his models are an original voice and a sense of confidence in these sonatas. An early advertisement from Beethoven’s publisher Artaria praised “the strength that Herr v. Beethoven possesses as a pianist, but also the sensitivity with which he knows how to handle this instrument.” This dual identity—as performer and composer—defined Beethoven’s image before the public during his early years in Vienna. Op. 2, No. 1, is more modest than its two companions, which are also in four movements, and the only of the three sonatas set in a minor key. The opening theme echoes Mozart’s great G-minor Symphony with a classic “Mannheim rocket” gesture—a rapid ascent outlining the triad—and is mirrored in the opposite direction for the second theme. The majorkey Adagio fulfills the function of a respite between two agitated movements, revealing a relatively conventional attitude in contrast to the uneasy edge of the minuet. Already we encounter Beethoven’s signature use of powerful dynamic contrasts to shape a phrase. The agitation of the first and third movements carries over into the restless, tempestuous finale, to which Beethoven assigns the indication “prestissimo.” With Op. 31, which he published as a set of three sonatas in 1803, Beethoven again approached the genre as a vehicle for progressive musical ideas. Indeed, Kinderman argues that the composer’s “innovative tendencies surface more clearly” in these pieces, pressing further along what Beethoven had termed his “new path” and “boldly exploring artistic territory that he soon consolidated in the ‘Eroica’ Symphony.” Op. 31, No. 3, for example, starts off in a way that “sounds like a continuation of music that had already begun.” In the coda appears a harmonic shift that has been viewed as anticipating Wagner’s Tristan chord. The ensuing Scherzo (in 2/4, not triple meter) makes comic use of dynamic contrasts.
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Beethoven curiously follows this with a serious minuet, concluding the sonata with a fiery finale build from obsessive tarantella rhythms. Two centuries after it was composed, Op. 106 still looms as one of the unrepeatable monuments of the keyboard literature. This longest of Beethoven’s sonatas fuses mercilessly demanding technique with ideas that challenge the limits of what it is possible for music to express. Beethoven was on the point of completing the “Große Sonate für das Hammerklavier” in 1818 when a gift of the latest Broadwood piano arrived from London. The writing calls for an advanced keyboard spanning six and a half octaves and gigantizes the Classical architecture of four movements, much as the composer would do in the Ninth Symphony (which he was beginning to sketch at this time). With its powerful attacks and massive, multi-octave span, the opening theme juxtaposes forceful statement and prolonged pause as strikingly as the motto of the Fifth Symphony. The hugeness of this music is propelled by an unconventional harmonic engine: the prominence given to progression by descending thirds, which steer the development section to the distant key of B major before the recapitulation. The scholar Charles Rosen reads the surprisingly compact scherzo as a “parody” of the processes explored in the first movement—notably, for example, in the insistent “wrongnote” B natural that clashes against the tonal context of B-flat major. This leads into one of Beethoven’s sublimest slow movements, an Adagio sostenuto in F-sharp minor (yet another harmonic descent of a third—from the B flat of the first two movements). The pedal markings point to the deaf composer’s sensitivity to the ideal timbre he was imagining for this music. According to Kinderman, this Adagio has been likened to “a mausoleum of collective suffering of the world.” Beethoven’s late-period fascination with Baroque textures and forms is at the forefront in the final movement, starting with the mysterious Largo transition to a vast fugal edifice that, writes Kinderman, “seems not to affirm a higher, more perfect or serene world of eternal harmonies, as in Bach’s works, but to confront an open universe.”
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Program III February 10 & 11 The three works in the Op. 31 set of piano sonatas, published in 1803, were composed during Beethoven’s Heiligenstadt period. Heiligenstadt is the name of the town beyond Vienna’s city limits where the composer had gone to recuperate in 1802 and where he faced head-on the depression caused by resigning himself to his worsening deafness. The first sonata of this set has been overshadowed by its dramatic companion, the so-called “Tempest” (Op. 31, No. 2)—much as a quality it embodies remains relatively undervalued in Beethoven’s music: a sense of humor. This is especially so with regard to the idea governing the first movement. Beethoven begins with syncopations, such that the two hands seem to be a bit off kilter. He extends this ploy in a way that, when they do finally come together in very demonstrative fashion, makes the result richly comic. Harmonic adventure also abounds as the composer veers towards keys not expected or prepared in conventional Classical style. The Adagio grazioso—one of the longest of Beethoven’s slow movements—offers another brand of humor. At heart, this may be construed as parody, starting with the exaggerated trill that launches the movement. Almost absurdly drawn-out ornamentation begins to sound fishy—Beethoven’s target here is Italian opera, so much in vogue in Vienna (and in competition with his own music, thanks to the rage for Rossini). In the final rondo, rhythmic displacement again shows off the composer’s fondness for high jinks; in the coda he speeds the music up to a breakneck presto in a gesture Donald Francis Tovey likened to “fitful giggling.” Ever since Beethoven’s own lifetime, commentators have been tempted to trace all manner of biography into his music—above all, details of the composer’s lack of a fulfilling personal relationship. The intimacy of a work like Op. 27, No. 2, for example, has given rise to speculation that Beethoven was here encoding the history of his despair over his love for the dedicatee, also a piano pupil of his, the young Countess Giulietta Guicciardi (one of the former candidates for the “Immortal Beloved”). The poet-critic Ludwig Rellstab’s fanciful (posthumous) reading has even achieved
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its own immortality: he was reminded by the first movement of the moonlight over Lake Lucerne and dubbed it with the nickname that has stuck, “Moonlight.” But, as the musicologist Timothy Jones proposes in a thought experiment, why not imagine the subdued sonority that predominates here as an image for “Beethoven’s impaired auditory world and—at the same time—a lament for his loss”? He goes on to caution: “It is all too easy to let such speculation run wild.” The truly astonishing achievement of the C-sharp minor Sonata, which Beethoven completed in 1801, is the impression of fantasy he sustains in the opening movement. Like its companion, Op. 27, no. 1, he titled this score Sonata quasi una fantasia (“Sonata in the manner of a fantasy”), yet for all the associations of improvisation it evokes, the sonata is constructed as a finale-centered structure whose culmination seems inevitable. The Presto agitato drowns out whatever residual serenity remains of the brief, almost insouciant intermezzo separating the outer movements. Its raging arpeggios and brutal attacks reconfigure the rippling motions of the preludial first movement. Each of the three sonatas published in 1798 as Op. 10 possesses a distinctive personality, yet, notes William Kinderman, certain “common features” link them together, “such as the presence of comic music abounding in sudden contrasts and unexpected turns”—traits Beethoven had internalized from Haydn, making them his own. No. 2 even seems to mock the composer’s own “obsessiveness” in its treatment of the “trivial,” ornamental turn heard right after the first two chords. Kinderman labels this sonata as a whole “antiteleological,” in that “the music appears to progress in fits and starts.” A more serious attitude appears in the minorkey Allegretto, while the Presto finale finds Beethoven allying fugal texture with a comic spirit. In April 1820, Beethoven approached his Berlin publisher Adolf Schlesinger with a proposal to bring out “a work consisting of three sonatas.” As with the Missa solemnis, which he had begun by this time, composition of the sonata trilogy extended out beyond his initial plan. Beethoven had agreed to compose the three sonatas within a mere three months, but not until 1822 did he complete the third, Op. 111. The Missa solemnis may be seen to have left its mark in the sense that, for many listeners, the Op. 109–111 sonatas involve a radically private, intimate contemplation of eternity 40
—especially in their transcendent lyrical flights, but also in their evocation of anguish and suffering. Alfred Brendel famously likened the third movement of Op. 110, with its interplay of Baroque forms of arioso and fugue, to “Passion music.” A drive toward concision marks the first movement of this Sonata in A-flat major. Ecstatic arpeggiations, which anticipate the Prelude to Wagner’s Parsifal by more than half a century, contrast with the muscular, syncopated chords of the scherzo, which leads directly into one of Beethoven’s strangest formal conceptions: a fusion of operatic and instrumental idioms from the Baroque into a powerful finale that serves to anchor the entirety of Op. 110. Beethoven here seems to look ahead to the interplay of voice and instrument that would emerge in the finale of the Ninth Symphony of 1824: the implicit vocalism of the minor-key arioso dolente (“songlike lament”) is juxtaposed with an animated fugue whose theme derives from the opening movement’s main theme. The second appearance of the lament breaks off in a startling passage of repeated G-major chords, announcing the return of the fugue, in varied form—and with it, a reaffirmation of the will, an assent to life itself.
Program IV May 4 & 5 The Op. 27 pair of sonatas, completed in 1801, continue Beethoven’s questioning of conventional sonata form, but with an even more radically innovative attitude. Like its far-better-known companion, No.1 bears the unusual designation Sonata quasi una fantasia. In both works, Beethoven transforms the Classical architecture of sonatas comprising discrete movements into a single overarching fantasy by segueing directly from one to the next—most explicitly in the Sonata in E flat, whose four movements all proceed without pause and find their center of gravity in the final movement. The simple, relaxed harmonic see-sawing of the first movement is abruptly intercut by fast music with a rapid shift to C major, while sleight-of-hand syncopations energize the scherzo and trio. The Adagio, which features more of Beethoven’s songlike, improvisational musing, is 41
deeply felt but so brief as to form a kind of lyrical upbeat or prelude to a joyful Allegro vivace finale that recalls the Adagio before pressing on to its unbridled conclusion. The three sonatas of Op. 10 (1797–98) are of the same vintage as Beethoven’s Op. 9 string trios, with which he was forging his path towards his first string quartets. The Op. 10 sonatas likewise represent important milestones in the composer’s early period. The most ambitious of the set, No. 3 is cast in four movements (in contrast to the three movements of the first two). It shows Beethoven’s careful large-scale planning, incorporating a tragedy in the minor key (the second movement, Largo e mesto) within its compass. Sir Donald Tovey found in this Largo “a landmark in musical history.” The opening Presto shows Beethoven’s genius for deriving unpredictable developments from the most elemental material (presented at the outset in mere octaves). The minuet provides relief while also preparing, with its trio section, the comic tone of the rondo finale—in which Beethoven again gets much mileage from the simplest material, playing with expectations and contrasts. A period of absence from the genre separates Op. 90 (1814) from its predecessor, which had been completed almost five years earlier. Even Beethoven’s tempo indications hint at a significant change in perspective. While he had started introducing German directives to clarify his Italian ones in the preceding sonata (“Das Lebewohl”), in Op. 90 he dispenses with the Italian convention altogether. The German indications might be translated as “lively, with feeling and expression throughout” (first movement) and “to be played not too fast and in a very singing manner” (second). The two-movement design also singles out this E-minor Sonata as a threshold work towards Beethoven’s late style. Op. 78 (1809) is also cast in only two movements, but here the juxtaposition is extreme, as if pointing to the yin and yang of experience itself. Instead of the raw conflict of dialectical opposites, set to resolve in “victory,” both movements here simply co-exist, as night and day. As such, they foreshadow the design of Beethoven’s final essay in the genre, Op. 111. The first movement sets up internal contrasts that remain unresolved. Its opening statement, structured as a call and response, is declamatory, but emphatic and unyielding rhythms give way to a flowing lyrical impulse. The exposition is tight, compressed, and yet intensely eventful, marked by 42
dynamic contrasts and crashing dissonances, while the coda opens up vast new mysteries. With a simple upbeat, the second movement shifts to E major. Notwithstanding the innocent suavity of its rondo theme, Beethoven makes it feel like the inevitable counterpart to the declamatory outbursts of the first movement. The second movement spells out the implications of this lyricism, even through the digressions of the intervening episodes, as music that has passed beyond conflict and comes to a close with a heartbreakingly honest whisper. The ambitions Beethoven was claiming for the piano sonata reach a new level in Op. 53 (1803–04). Known as the “Waldstein” because of its dedicatee (an aristocratic champion of his music, Count Ferdinand von Waldstein), this sonata was first sketched in the same notebook that Beethoven used to work out ideas for the “Eroica.” It parallels that symphony’s revolutionary vision of Classical form expanded to epic proportions, while the keyboard writing itself pushes in a “symphonic” direction. The steady pulsation established at the outset provides a kind of electric current that surges through the first movement; Beethoven’s harmonic planning and dramatic use of extreme contrasts of range and volume shape his grand design. An enigmatic intermezzo, graced with bel canto writing, bridges the first and final movement with a characteristic intensification of suspense that swells in an immense, urgent crescendo. To conclude this heroic sonata, Beethoven supplies a prestissimo coda that reconsiders the rondo finale’s ideas with extravagant, thrilling bravado.
—Thomas May
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