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klima] Strohballenhaus in der Uckermark

Stroh, Holz, Lehm und Kalk – was die Natur uns gibt

Strohballenhaus in der Uckermark

In der Norduckermärkischen Seenlandschaft an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern steht ein Strohhaus. Es wirkt leicht und liegt wie ein abgerundeter Stein, den die zurückgewichenen Eismassen hinterließen, im hügeligen Flachland. Auffälligstes Merkmal: die ökologische Qualität. Der Neubau des Mehrfamilienhauses beinhaltet zwei Wohneinheiten auf circa 140 Quadratmeter Wohnfläche, errichtet mit ökologischem Anspruch. Dabei wurde auch ein über hundert Jahre alter Natursteinkeller des abgerissenen Bestandsgebäudes mit einbezogen.

Das Strohhaus wirkt leicht und liegt wie ein abgerundeter Stein im hügeligen Flachland der Norduckermark.

Foto] © Dag Schaffarczyk

Der Entwurf

Der Entwurf zeigt, dass ökologische Qualität und die daran gestellten Anforderungen problemlos umsetzbar sind. Die Stufenform des Hauses und die abgerundete Hülle fügen sich in das Landschaftsbild ein. Die Grundrissgestaltung bietet den Bewohnern ein Höchstmaß an Flexibilität und Transparenz. Die offene Gestaltung lädt zur Kommunikation ein und die klare Struktur erzeugt Freiraum.

Der Entwurf des Strohballenhauses in der Uckermark ist schlicht und funktional. Das Gebäude ist optimal nach dem Sonnenstand ausgerichtet.

Foto] © Dag Schaffarczyk

Die Materialien

Das Gebäude wurde in Holzständerbauweise errichtet. Hervorzuheben ist dabei die Dämmung mit Strohballen. Diese sind regional verfügbar und klimaneutral. Trockenbauplatten aus gepresstem Stroh trennen die Innenräume und eine aus Stampflehm erstellte Wohnungstrennwand fungiert als klimasteuerndes Element.

Lehm- und Kalkputz erzeugen eine angenehme Atmosphäre.

Allgemein erzeugen Lehm- und Kalkputz eine angenehme Atmosphäre, da sie die Raumluftfeuchte regulieren und Schadstoffe absorbieren. Der historische Natursteinkeller wurde erhalten und als Fundamentteil in den Neubau des Hauses eingebunden.

Energetische Betrachtung

Das Gebäude wird über einen emissionsarmen Lehmofen beheizt, der eine nahezu rückstandsfreie Verbrennung ermöglicht. Mithilfe einer Holzvergasertechnik wird die Verbrennungstemperatur und somit der Wirkungsgrad gegenüber einem herkömmlichen Ofen fast verdreifacht. Ein ergänzendes Flächenheizsystem kann unterstützend Strahlungswärme in den Wandbereichen erzeugen. Die Gebäudehülle entspricht dem Passivhausstandard.

Detail Dachkonstruktion: Wie alle natürlichen Dämmstoffe hat Stroh den Vorteil, dass es nicht nur die Wärme im Winter im Haus behält, sondern auch im Sommer die Wärme nicht ins Gebäude dringen lässt.

Foto] Spreeplan/Elisa Lancellotti

Die Philosophie des Planers

Ziel war es, einen konsequent ökologischen Neubau außerhalb der allgemeinen Öko- und Energiestandards zu verwirklichen. Durch die Planung konnte ein langlebig angelegtes und ressourceneffizientes Gebäude errichtet werden, welches sowohl baubiologisch als auch energetisch bestmöglich gestaltet ist.

Besonderheiten

Da fast ausschließlich Naturbaustoffe verwendet wurden, ist das Gebäude bis auf ganz wenige Ausnahmen kompostierbar. Die Wohnungstrennwand wurde als Stampflehmwand ausgeführt und erfüllt sämtliche erforderlichen Qualitäten hinsichtlich Schalldämmung, Brandschutz und Wärmedämmung. Sie wurde in monolithischer Bauweise unter Verwendung einer der ältesten Lehmbautechniken umgesetzt. Die dezentrale Warmwassererzeugung ermöglicht eine Einsparung von rund 90 Prozent der Warmwasserleitungen und ein vollständiges Einsparen der Zirkulationsleitung. Die maximale Erhitzung des Mediums Wasser auf Gebrauchstemperatur findet erst direkt vor der Abnahmestelle statt. Die Mindesttemperatur der Legionellenverordnung von 60 Grad Celsius entfällt hierdurch.

Weil Baustroh im günstigsten Fall direkt beim Bauern um die Ecke bezogen werden kann, ist der Primärenergieeinsatz extrem niedrig.

Foto] Spreeplan/Elisa Lancellotti

Zusammenarbeit im Team

In Deutschland gibt es eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für Außenwände mit Baustroh, welche unterschiedliche Rastermaße für die Holzständerkonstruktion festlegt. Die Verfügbarkeit von Baustrohballen ist ernte- und witterungsabhängig und muss ebenfalls im Planungsprozess berücksichtigt werden. Statische Vorgaben definieren Querschnitt und Rastermaß der Holzstützen. All diese planerischen Bedingungen mussten so zusammengeführt werden, dass ein maximal möglicher Vorfertigungsgrad von Wand- und Deckenmodulen in einer extra angemieteten Scheune realisiert werden konnte.

Bereits in der Entwicklungsphase wurden mit einem BIM-gestützten 3D-Modell die Kriterien zusammengeführt.

Somit war eine wichtige Voraussetzung des Planungsprozesses, bereits in der Entwicklungsphase mit einem BIM-gestützten 3D-Modell die vorgenannten Kriterien zusammenzuführen. In permanentem Austausch mit Statiker, Baustrohhersteller, Strohballenbauer, Zimmermann und Bauherrschaft konnte so der Vorentwurf entstehen. Die Statik konnte anhand der Datengrundlage auch im 3D-Modell erstellt werden, definierte die Vorfertigung der Module für Zimmermann und Strohballenbauer und lieferte das Datenmaterial für den Abbund mit CNC-Fräsen. Die Materialdefinition und Planung der technischen Infrastruktur des Gebäudes, welche maximal reduziert ausgeführt wurde, konnte somit von Anfang an mitgeführt werden.

Ausführung

Die erforderlichen Daten für den Abbund konnten unproblematisch übergeben und eingelesen werden, sodass der gesamte Abbund als vorgefertigter Bausatz geliefert werden konnte. Dasselbe galt für Massenermittlung und Einkauf von Strohballen, Lehm und Kalk, um eine kosteneffiziente Vorfertigung sicherzustellen.

Der Bodenaufbau besteht aus einem Geotextil, auf das eine 30 Zentimeter dicke Schicht aus Schaumglasschotter aufgebracht wurde. Darauf kamen eine 50 Millimeter dicke Estrichplatte und 20 Millimeter Holzdielen.

Foto] Spreeplan/Elisa Lancellotti

Digitalisierungsgrad, BIMObjectModell, Visualisierung

Der gesamte Planungsprozess wurde von Beginn an als BIM-gestütztes 3D-Modell erstellt. Sämtliche Fachingenieur:innen (Statik, Haustechnik, Elektro, Bauphysik) wurden von Anfang an integriert. Vor dem Hintergrund, dass es im gesamten Gebäude weder eine Heizung noch eine zentrale Trinkwarmwasserversorgung gibt, sind auch die haustechnischen Planungsprozesse sehr unkonventionell und benötigen eine permanente direkte Abstimmung. Dies konnte durch das BIM-Modell sichergestellt werden. Die Integration eines Holzvergaserlehmgrundofens und die Sicherstellung der erforderlichen Klimatisierung durch eine massive Stampflehmwand und elektrische Flächenheizelemente im Lehmputz konnten nur durch diese umfangreiche digitale Simulation erreicht werden.

Zentraler Bestandteil des Gebäudes ist die Wohnungstrennwand, die über alle Geschosse als massive Stampflehmwand errichtet wurde.

Foto] Spreeplan/Elisa Lancellotti

Spreeplan Projekt UG

Die Spreeplan Projekt UG ist ein Architektur- und Projektbüro, das sich dem gesunden und nachhaltigen Bauen verschrieben hat. Die Architekt:innen und Ingenieur:innen gestalten Gebäude mit höchsten Ansprüchen an die Nachhaltigkeit. Seit über 20 Jahren realisiert das Büro Projekte durch eine Kombination aus Fachwissen, baubiologischer Erfahrung und Lösungsmöglichkeiten sowie einem Netzwerk aus kompetenten Partner:innen.

www.spreeplan.de

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