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architektur] Kulturzentrum in Velburg

Eva Mittner

Klug gelöst

Neue Architektur und Wertschätzung für einen alten Stadl

Ein Umbau mit technischen und energetischen Verbesserungen samt neuen Strukturen und Ergänzung durch einen Neubau, damit wurde im Stadtbild von Velburg ein historisches Wahrzeichen wiederbelebt: Der altehrwürdige Wieserstadl hat durch seinen Companion eine neue Wirkung bekommen, ohne seinen ursprünglichen Ausdruck zu verlieren. Das ungewöhnliche Gebäudeensemble wurde nach Sanierung und Neubau als Kulturzentrum zum Hingucker. Im Frühjahr 2022 konnte man den niveauvollen Veranstaltungsort eröffnen.

Das Quartier Wieserstadl unterhalb der Stadtpfarrkirche wirkte vor der Sanierung auf Bürger und Besucher von Velburg eher deprimierend: Eine triste Leerstelle mitten in der im 13. Jahrhundert planvoll angelegten Stadt. Der an der Kolpingstraße 4 stehende hohe Bruchsteinbau war sehr in die Jahre gekommen und das angebaute Wohnhaus baufällig. Die Kommune nahm sich bereits seit 2015 eine Veränderung dieser Situation vor.

Die Außenanlagen wurden von G+2S Landschaftsarchitekten aus Deggendorf und der Landschaftsarchitektin Ursula Barth aus Auerbach gestaltet.
Foto] Kühnlein Architektur/Erich Spahn

Langer Leerstand vor Wiederentdeckung

Über die Jahrhunderte und nach vielerlei Nutzungen verfiel der Stadl aber zusehends und besaß keine Ausstrahlung mehr. Das hat sich 2022 geändert: Rötlich verputzt, mit feinem hellem Fugennetz überzogen, nimmt der ehemalige Zehentstadl nun wieder eine beachtliche Stellung in der Oberstadt von Velburg ein. Durch seine neu zurückeroberte Aufgabe als Veranstaltungsort wird er wieder stark wahrgenommen und wertgeschätzt. Bis das möglich war, mussten aber einige Hürden genommen werden.

Mit dem anspruchsvollen Bauvorhaben wurde das Büro Kühnlein Architektur betraut. Mitarbeiterinnen bei diesem Vorhaben waren Martina Rohmann und Julia Ochsenkühn.
Foto] Kühnlein Architektur/Erich Spahn

Sanierung überfällig – Frühere Aufgaben und ...

Der Zehentstadl wurde vermutlich bis ins ausgehende 19. Jahrhundert traditionsgemäß als Lager für Getreide genutzt. Aufzugsluken und Reste von Korn bezeugen dies. Mit Einbau der Werkstätte und des Kellerraumes um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert siedelte sich ein Seilerbetrieb an. Später wurden Baumaschinen im Stadel gelagert.

... ortsgerechte Gestaltung mit neuer Nutzungsidee

„Wir hatten es hier mit einem anspruchsvollen Bauvorhaben zu tun. Wichtig war es, für dieses spezielle Gelände ein schlüssiges Nutzungskonzept in eine angemessene Architektur zu übersetzen und damit zugleich wieder mehr kulturelles Leben in die Stadt zu bringen“, berichtet Dipl.-Ing. Michael Kühnlein jun. vom beauftragten Büro Kühnlein Architektur aus Berching.

„Das an den Wieserstadl angrenzende neuere Wohnhaus in der Kolpingstraße 4 war durch verschiedene Eingriffe sehr verbaut und zudem durch mangelnden Bauunterhalt so stark geschädigt, dass wir es nicht mehr retten konnten. Die historische Substanz war aufgrund der vielen Umbauten ohnehin nicht mehr vorhanden“, sagt er.

Der ehemalige Zehentstadl wird als Veranstaltungsort wieder stark wahrgenommen und wertgeschätzt.
Foto] Kühnlein Architektur/Erich Spahn

Anders dagegen der historische Stadl. Er war gemäß der begutachtenden Experten erhaltenswert. Eingeritzte und gekerbte Abbundzeichen – als relevante Markierungs- und Zeichensysteme – in den Holzbalken des Gebäudes zeigten, dass seit dem Baujahr dieses Denkmal nahezu unverändert geblieben war. Die Bauforschungsanalyse der hinzugezogenen Fachfirma MEMVIER aus Bamberg förderte spannende Details zutage. Die Experten fanden an den Innenwänden nahezu flächendeckend den groben Kalkputz der Entstehungszeit vor. Weitere Nachweise zur sogenannten Scheinarchitektur der Fassaden wurden entdeckt, genau beschrieben und in die neue Architektur überführt. Der Nachweis zeigt auf, wie wichtig der Getreide- und Finanzspeicher den Stadtherrschern war, da sie dafür einem Stadl aus groben Bruchsteinen eine solche Fassung gewährten.

Im Inneren wurde vieles vom 1601 errichteten Gebäude bewahrt und in seiner Ursprünglichkeit belassen.
Foto] Kühnlein Architektur/Erich Spahn

Die seit Dekaden nicht mehr funktionierende Dachentwässerung hatte bei beiden Gebäuden dafür gesorgt, dass sowohl der Dachstuhl aber auch das Mauerwerk des Stadls feucht, marode und schadhaft geworden waren.

Die Planer erfüllten den Wunsch der Bauherrenschaft – der Stadt Velburg –, den historischen Wieserstadl als Ursprungsbau stärker zur Geltung kommen zu lassen. Dies gelang durch Neuplanung des Geländes, Wiederherstellung einer offenen Hoffläche und durch die schlichte architektonische Form des Neubaus mit untergeordneten Proportionen und Farben. Dort hat man kleine Fensteröffnungen wie Scheunenluken gestaltet. Highlight ist die Freistellung des historischen Gebäudes, ergänzt durch eine erdgeschossige Verbindung im überdachten Eingangsbereich.

Die restauratorische Baubegleitung übernahm die Geitner GmbH aus Lauterhofen.
Foto] Kühnlein Architektur/Erich Spahn

So hat man für den denkmalgeschützten Stadl und das neue Haus einen gemeinsamen Nenner gefunden. Die beiden Gebäude bekommen durch die Neuausrichtung erst richtigen Bezug zueinander. Die besonderen Vorzüge des Altbestandes haben die Planer dabei sorgfältig herausgearbeitet.

Die gassenähnliche Flucht zwischen dem Stadl und dem Neubau wurde an beiden Seiten mit Glasfronten geschlossen und mit einem Flachdach gedeckt. Östlich des Haupthauses wurde ein neuer Behindertenparkplatz geschaffen.

Niveauvoller Veranstaltungsort
Foto] Kühnlein Architektur/Erich Spahn

Die beiden Gebäude – Denkmal und Neubau – stehen auf Abstand und dadurch entstand der Raum für das Foyer für die neue Nutzung. Der Gassencharakter wird städtebaulich noch dadurch betont, dass die Fassaden von Alt- und Neubau in den Innenbereich des Foyers geführt wurden. Durch ein langgezogenes Oberlicht sowie verglaste Eingangselemente an beiden Enden wird der als Foyer genutzte Raum taghell. Das Oberlicht erlaubt außerdem den Durchblick auf das Dach des Denkmals mit den neuen Gauben. Jetzt ist das „Miteinander“ der Objekte richtig wahrnehmbar.

Ruhige Raumwirkung – Ein Veranstaltungsort der Extraklasse

Der neu angelegte Staudengarten am Rand des südlichen Vorhofs mit verschiedenen Sitzgelegenheiten lädt Besucher und Einwohner der Stadt zum Treffen und Austauschen ein.

Im Inneren wurde vieles bewahrt und in seiner Ursprünglichkeit erhalten. Beispielsweise hat man Holzbalken zwar umfänglich gereinigt, aber im Anschluss daran unbehandelt belassen, was den historischen Charakter betont. Auch der bestehende Kalkputz blieb innen weitestgehend bewahrt und wurde nur zum Teil ergänzt und mit einer Integrationslasur einheitlich zusammengeführt.

Foto] Kühnlein Architektur/Erich Spahn

Prima Partner – Ersatzneubau statt Wohnhaus

Der Ersatzneubau wurde vom Stadl abgerückt und auf dem Grund des ehemaligen seitlich gelegenen Wohntrakts errichtet. Dieser giebelständige, langgestreckte Neubau bildet nun optisch attraktiv den östlichen Quartiersrand unterhalb der Stadtpfarrkirche. Entstanden ist dort ein zweigeschossiges, hell verputztes Ziegelgebäude in klassischer massiver Bauweise. Es enthält jetzt alle wesentlichen Funktionen, die im Denkmal zu massiven Substanzverlusten geführt hätten: eine Zwischenstation für das Nahwärmenetz der Stadt in einem separaten Kellerraum, eine Küche mit Getränkeausgabe nach Bedürfnissen der ortsansässigen Gastronomen, WC-Räume, Treppen, Aufzug, verschiedene Mehrzweckräume, einen Putzraum und ein Stuhllager.

Das Treppenhaus mit Aufzug endet im Foyer, das den Veranstaltungs-Stadl mit dem Funktionsbau verbindet. Es gibt drei Eingänge auf den unterschiedlichen Ebenen und zwar in der Kolpingstraße, der Burgstraße und einen weiteren auf der Kirchenseite. Wichtig war den Beteiligten die Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung und der Anschluss an das Nahwärmenetz. Mit Biomasse wird Strom und Wärme erzeugt und ergänzend hat man eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert.

Eine städtebauliche Aktivierung mit viel Raum, viel Freiheit und viel Qualität hat man aus diesem lange Jahre unscheinbaren Ort gewonnen – eine gute Entscheidung, betonen die Beteiligten.

Kühnlein Architektur

Michael Kühnlein stieg 2014 in das seit 1982 bestehende Architektenbüro seines Vaters ein, das sie nun zusammen betreiben. Das 20-köpfige Team des Architektenbüros Kühnlein ist bestrebt, Lebensräume nach innen und außen weiterzuentwickeln und zu verbessern, mit der Ausrichtung auf ganzheitliche Ansätze und interdisziplinäre Arbeitsweise. Im Mittelpunkt steht der Mensch als Maßstab, die Natur als wertvolle Ressource. Dabei sieht Michael Kühnlein den verantwortungsvollen Umgang mit dem Bestand als wesentliche Grundlage seiner Arbeit: „Mit einfachen, klaren Gedanken und Konzepten wollen wir ökologisch und nachhaltig planen und bauen.“ Seine Philosophie: Baukultur für kommende Generationen zu bewahren und qualitätsvoll weiterzuführen.

www.kuehnlein-architektur.de

Fachbüro für Bauforschung MEMVIER

Das Fachbüro für Denkmalpflege und Bauforschung in Bamberg wird von Dr.-Ing. habil. Nicole Röring und Dipl.-Ing. (FH) Bernd Marr M.A. geführt. Durch die Methoden der Historischen Bauforschung werden die Grundlagen für erfolgreiche und zukunftsfähige Planungen im Bestand erarbeitet. Das Verstehen und Vermitteln der konstruktiven Zusammenhänge wie die Bewahrung der Identität eines Bauwerks, das im Laufe der Jahrhunderte meist durch unterschiedliche Nutzung geprägt wurde, stehen dabei im Vordergrund der Arbeit.

www.memvier.de

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