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Kurzinterview mit dem Samichlaus

Interview: Anita Bucher

Fragen an unseren Baukader des Monats SaMiChlaUS

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Der Samichlaus aus dem Tannenwald wurde 1950 geboren. Im zivilen Leben absolvierte er zuerst eine Maurerlehre, später die Polierschule, die er 1981 abschloss. Ab 1978 wurde er Baupräsident im Nebenamt, war in der Planungskommission Regionalplanung Kanton Solothurn aktiv, engagierte sich in der Personalschulung für Kader und Lehrlinge und gab Kurse zu den Themen Schalungen und Sicherheit auf der Baustelle. Seit 2012 ist der Samichlaus nun pensioniert und somit VollzeitSamichlaus. Unter dem Jahr trifft man ihn auch ab zu mit den Enkelkindern im Wald beim Bräteln von Cervelats an. Seine Identität ist natürlich streng geheim.

Wann läutet bei Dir der Wecker?

Früher um 5.30 Uhr. Heute lasse ich mir etwas mehr Zeit, bin dafür aber immer guter Laune.

Was gefällt Dir am besten an Deiner Arbeit?

Kinder sowie ältere Menschen glücklich zu machen und die leuchtenden Augen zu beobachten.

Welche Bauwerke der letzten Jahre haben Dich am meisten beeindruckt?

Direkt neben dem Flughafen Zürich, «The Circle» nennt sich das Megaprojekt. Der halbkreisförmige Koloss kostet rund eine Milliarde Franken. Diese Baustelle war mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Es lohnt sich als Polier und Bauführer, sich das einmal anzuschauen. Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein und Maison Blanche Le Corbusier in La Chaux-de-Fonds sind ebenfalls beeindruckende Bauten.

Was sind die grössten Herausforderungen für Poliere und Bauführer in der heutigen Zeit?

Bauführer und Poliere sind Profis, von denen sehr viel abhängt, ob ein Bauwerk zur Zufriedenheit der Bauherrschaft entsteht. Sie stehen zwischen Bauleitung und Baustelle und sind sozusagen das Bindeglied zwischen Theorie und Praxis. Auf der einen Seite sind die studierenden Theoretiker und auf der anderen Seite die hart arbeitenden Praktiker. Allein diese sogenannte Scharnier-Funktion ist keine einfache Sache. Dazu gesellen sich allfällige ausgefallene Wünsche der Bauherrschaft sowie nicht voraussehbare Ereignisse. Ich weiss, wovon ich rede. Die allerbeste Planung kann nicht verhindern, dass es am Schluss Unvorhergesehenes gibt. Ich bin auf jeden von Euch Baukadern stolz und ziehe den Hut.

Wer bekommt von Dir 2020 den grössten Chlaussack und wem bringst Du eine Rute?

Den grössten Chlaussack übergebe ich den Firmen, die während der Corona- Zeit die Vorschriften eingehalten haben. Gut gemacht und weiter so. Die Rute sende ich an die Blauseeverschmutzer.

Du bist seit 24 Jahren ein stolzer Baukader in der Sektion Olten. Was bringt Dir Deine Mitgliedschaft?

Laufbahnerweiterung während meiner aktiven Berufszeit, finanzielle Verbilligungen, Bezug von Fachliteratur, RekaVergünstigungen, um ein paar Dinge zu nennen. Wichtig ist zudem die sehr gute Kameradschaft unter Gleichgesinnten.

BaUKaDER des Monats

«Den grössten Chlaussack übergebe ich den Firmen, die während der Corona-Zeit die Vorschriften eingehalten haben.»

Ich bedanke mich bei allen, die mich kennen für die lustigen und schönen Stunden, die wir bislang hatten.

Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe sind Zukunftstrends. Wohin tendiert die Zukunft der Bauwirtschaft, was denkst Du?

Die Branche befindet sich im Umschwung. Der technische Fortschritt ist auf dem Vormarsch. Roboter auf dem Bau gehören schon bald zur Tagesordnung. Zeiten ändern sich, Methoden auch. Mit unaufhaltbarem Tempo bewegt sich die Branche in Richtung neue Horizonte. Der Bau wird digitalisiert. Die Frage lautet, ob alle gemeinsam am selben Strick ziehen und sich niemand verschliesst gegenüber gewinnbringendem Fortschritt. Die Zeit ist reif für Investitionen, die die ganze Bauwirtschaft voranbringen und weitreichenden Erfolg versprechen. Die Instrumente sind vorhanden. Jetzt gilt es, sie richtig zu nutzen und die Zukunft auf dem Bau willkommen zu heissen.

BaUSTEllE des Monats

ENDSPURT bei Roche Bau 2

Hin und wieder kommt es vor, dass die jüngeren ihre älteren Geschwister überragen. Der Roche Bau 1 in Basel galt bislang als das höchste Bürogebäude der Schweiz. Nun wird er vom «jüngeren Bruder» überflügelt. Dieser überragt den Bau 1 nochmals um rund 30 Meter und ist mit einem Endmass von 205 Metern das höchste Gebäude der Schweiz.

Text: Anita Bucher Fotos: Beat Ernst: © Roche Ldt, Armin Looser, Marti AG, Anita Bucher

Der Neubau weist mit 50 oberirdischen Stockwerken eine Höhe von rund 205 m auf. Ende November 2020 wurde der Rohbau planmässig abgeschlossen. Mit der Ausführung des Rohbaus war die Marti AG betraut. Sie hat bereits den Bau 1 gebaut und verfügt über die notwendigen Erfahrungen und Fachkompetenz, die einen reibungslosen Bau erwarten liessen.

Bereits bei den Arbeiten am Bau 1 hatte Marti mit dem hydraulischen Kletterschalungssystem von MEVA gearbeitet. Für den Bau 2 konnte das System gemeinsam mit dem Hersteller nochmals spezifisch optimiert werden. Stefan Däppen, Polier erklärt: «Das Kletterschalungssystem kam in den beiden Kernzonen des Baus zum Einsatz. Daran wurden später die Decken festgemacht.

«Die Kernzonen umfassen liftschächte mit Platz für 16 lifte und zwei Treppenhäuser.»

Die Kernzonen umfassen Liftschächte mit Platz für 16 Lifte und zwei Treppenhäuser. Durch die Verwendung von einem Beton mit der Druckfestigkeitsklasse C50/60 und einer monolithischen Bauweise erreichten wir hier eine besonders hohe Festigkeit, was für die Statik grosse Vorteile hat.»

3-D-Modell schafft Übersicht

Wie aber beginnt man ein über 200 Meter grosses Hochhaus? Vorab entstanden in einer über 20 m tiefen Baugrube auf einer 2,5 Meter starken Bodenplatte drei Untergeschosse. Die zwei Gebäudekerne konnten über eine Höhe von 3,80 m zunächst konventionell geschalt werden. Dabei galt es, die verwinkelte Geometrie der zahlreichen Schächte zu beachten, denn neben Treppenhäusern und Liften befinden sich in den Gebäudekernen verschiedene Versorgungsschächte. Die Schalungsingenieure von MEVA zeichneten detaillierte dreidimensionale Scha-

Die hydraulische Kletterschalung der MEVA im Einsatz: Rundherum wird die Decke geschalt.

lungspläne, welche die komplexen Faktoren der Schalungsplanung plastisch darstellten. Der grosse Vorteil eines 3-D-Modells: Auf Knopfdruck lassen sich daraus zweidimensionale Pläne und Stücklisten erstellen. «Gerade bei den Kernen mit 2'200 m² Schalung bedeutete dies eine enorme Erleichterung für unsere Techniker», freut sich MEVA-Ingenieur Volker Götz, der das Projekt federführend betreut. Auch die Verantwortlichen der F. Hoffmann-La Roche AG konnten sich so ohne besondere schalungstechnische Vorkenntnisse ein genaues Bild von den Bauarbeiten an ihrem Gebäude machen. Damit half die umfassende Planungsarbeit nicht nur dabei, einen reibungslosen Baufortschritt sicherzustellen, sondern förderte auch die Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien.

Massgeschneidertes Klettersystem

Auf den konventionell geschalten Grundriss der Kerne wurde schliesslich das automatische Klettersystem MAC passgenau installiert. Rund 100 Plattformen wurden auf die Anforderungen des Roche Bau 2 im Werk speziell zugeschnitten. Dabei galt es unter anderem, die Träger, Balken und Zylinder auf das gewünschte Mass zu bringen, damit der Aufbau vor Ort reibungslos funktionieren konnte. Zur Anlieferung des automatischen Klettersystems starteten an der MEVA-Zentrale im deutschen Haiterbach beinahe täglich zwei Lkw Richtung Basel. Dank der passgenauen Vorbereitung konnten die fertigen Plattformen nach der Ankunft direkt vom Wagen gehoben werden. Nach nur vier Wochen war die Installation des Klettersystems auf der Baustelle abgeschlossen. Damit war der Weg frei für den Bau in die Höhe.

Ohne Gerüst, dafür mit Windschild Gebaut wurde mit zwei Gebäudekernen, welche mittels selbstkletternder (hydraulischer) Schalung in einem zeitlichen Versatz von

Daten & Fakten

Architektur

Herzog & de Meuron

Bauherrschaft

F. Hoffmann-La Roche AG

Tragwerkplaner wh-p Ingenieure AG, Basel

Bauunternehmen

ARGE Marti Roche Bau 2 (Marti AG Basel und Marti AG

Bauunternehmung Zürich)

Planung und Betreuung

Schalungssysteme

MEVA Schalungs-Systeme AG,

Seon, Schweiz

Benötigtes Hauptmaterial

Armierung: 12'970 t Beton: 44'200 m3 Deckenschalung 58'500 m2 Wandschalung 90'000 m2 Vorspannung 7'130 m Stützen 1'259 Stk.

jeweils 1–2 Tagen gewachsen sind. Gleichzeitig wurde rundherum die Decke geschalt, die dann am Kern angehängt wurde. In den ersten Wochen waren bis zu 45 Bauarbeiter täglich vor Ort. Im 14-TagesRhythmus konnte jeweils ein Stockwerk geschafft werden. Däppen war einer der drei Poliere auf dem Bau. Mit einem Team von rund 10 Leuten war er für die Decken und für den Windschild verantwortlich. Dieser diente den Bauarbeitern gleichzeitig als Absturzsicherung wie als Windschutz und sorgte für die nötige Arbeitssicherheit. «Das flexible System ist rund drei Stockwerke hoch», erklärt Däppen. Zusammen mit den Betonarbeiten an den Kernen und den Decken wurde das Schutzsystem, das ebenfalls aus massgeschneiderten Elementen besteht Stück für Stück auf Stahlschienen Stockwerk um Stockwerk nach oben gezogen und gewährleistete so stets die Sicherheit der Bauarbeiter. «War ein Stockwerk komplett abgeschlossen, befestigten wir rundherum straffe rote Sicherheitsnetze, bevor wir den Windschild nach und nach hochzogen», so Däppen.

Decken in vier Segmente unterteilt

«Sobald in den beiden Kernzonen wieder ein Stockwerk betoniert war, haben wir die Decken daran festgemacht. Die grosse Grundfläche haben wir jeweils in vier Teilflächen unterteilt. Während wir auf dem zweiten Viertel noch geschalt haben, waren beim vorher geschalten Viertel schon die Eisenleger im Einsatz. Ein weiteres Team von mir hat bereits am nächsten Viertel gearbeitet. So kamen wir sukzessive vorwärts mit Schalen, Betonieren und Ausschalen. Taktgeber dafür waren die Arbeiten am Kern und natürlich die nötigen Kranerhöhungen», erzählt Däppen weiter. Denn auch der Kran musste mit dem Turm mitwachsen und in festgelegten Arbeitsschritten erhöht werden.

Kräne und Fassadenaufzüge, die mitwachsen

Zwei WOLFF Turmdrehkräne und vier Bauaufzüge wurden beim Roche Bau 2 eingesetzt. Damit gelangten Material und Personal dahin, wo sie benötigt wurden. Kräne und Aufzüge wurden jeweils dem Bauablauf entsprechend erhöht, damit die Bauarbeiten weiter voranschreiten konnten. Die grosse geschlossene Kabine des Bau-Lifts legt pro Minute 54 Meter zurück. 20 Personen oder 3,2 Tonnen Material können damit befördert werden.

Kernverschiebung und Verjüngung der Fassade

Etwas spezielles seien die beiden Verschiebungen der Kerne und die Verjüngung der Fassaden gewesen, erzählt Däppen. Auf beides hatte sich Schalungshersteller MEVA sehr gut vorbereitet, erzählt er. So seien beide Systeme, das der hydraulischen Kernschalung und das vom Windschild bereits darauf ausgelegt gewesen. Zur Reduzierung der Fläche hätten lediglich einige der Einzel-Flächen entfernt werden müssen und man hatte bereits das neue Endmass erreicht. «Von den anfänglich 48 Leuten waren zum Schluss auf der stark verkleinerten Grundfläche noch 25 vor Ort», erklärt der Polier. Und während er und sein Team noch an der letzten Decke dran sind, wurde das selbstkletternde Kernschalungssystem von Marti im Beisein von einem Richtmeister von Meva bereits wieder abgebaut. So laufen oben noch die letzten Rohbauarbeiten, während weiter unten auf den ersten beiden Dritteln des Baus die Fassadenmontage bereits abgeschlossen und der Innenausbau im Endspurt ist.

«Von den anfänglich 48 leuten waren zum Schluss auf der stark verkleinerten Grundfläche noch 25 vor ort.»

Drittes Hochhaus bereits in Planung

Wie lange der Roche Bau 2 den Titel als höchstes Gebäude der Schweiz behalten kann, ist noch unklar. Konkurrenz könnte es schon bald aus den eigenen Reihen geben: Mitte Oktober präsentierte das PharmaUnternehmen Roche Pläne für ein drittes Büro-Hochhaus in unmittelbarer Nähe. Der dritte Turm würde eine Maximalhöhe von 221 Metern aufweisen. Ob und wann er realisiert wird, ist aber noch unklar.

Der Windschild dient der Arbeitssicherheit und schützt gleichzeitig vor Windgeschwindigkeiten bis zu 160 km/h.

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