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Rechtsecke
Ein Rückbau mit schwerwiegenden Folgen
Rückbauarbeiten bergen viele Risiken. Heute werden viele Gebäude rückgebaut, welche nicht älter als 50 Jahre alt sind. Dennoch ist oft unbekannt, wie früher gebaut wurde, denn der technische Fortschritt war in diesen Jahren enorm. Zudem ist in der Regel nicht ersichtlich, ob früher fehlerhaft gebaut worden ist. Ein solches Szenario wurde einem Bauführer zu Verhängnis.
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Text: Markus Bischoff, Rechtsanwalt, Rechtsdienst Baukader Schweiz
Sachverhalt
Ein Bauführer leitete für ein Rückbauunternehmen Abbrucharbeiten. In einer grossen Halle musste eine heruntergehängte Gipsdecke entfernt werden. Der Bauführer wies den Vorarbeiter an, zuerst die Gipsdecke zu sondieren, damit deren Konstruktion geprüft werden könne. Der Vorarbeiter übertrug diese Arbeiten einem Arbeiter, welcher solche Arbeiten seit fast zwanzig Jahren ausführte. Dieser schlug mit dem Kleinbagger in einer Ecke des Gebäudes ein Loch in die Decke. In der Folge löste sich die gesamte Decke und begrub den Arbeiter unter sich. Eine Kabine oder ein Überrollbügel waren auf dem Kleinbagger nicht montiert. Der Arbeiter erlitt bleibende körperliche Schäden und kann keine schweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten.
Gutachten
Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren gegen den Bauführer. Dabei wurden zwei Gutachten in Auftrag gegeben. Die Gutachten hatten die Frage zu klären, ob das gewählte Vorgehen des Rückbaus rechtens war.
Das erste Gutachten ergab, dass die Decke ursprünglich falsch konstruiert wurde. Die Gipsplatten waren viel zu schwer für die gewählten Aufhängevorrichtungen. Deshalb stürzte die gesamte Decke bereits beim Wetzen der ersten Sondierlöcher gänzlich ab. Das zweite Gutachten befand, es sei zwar richtig, mit einem Bagger ein Loch in die Decke zu machen, um die Konstruktion und die Dicke der Decke zu sondieren. Doch sei es falsch gewesen, dass der Bagger ebenfalls im Raum direkt unter dem Sondierloch stand. Die Sondierung der Decke hätte von ausserhalb des Raumes erfolgen müssen. Zudem wurde bemängelt, dass der Bagger keine Kabine und keinen Überrollschutz besass.
Einwände des Bauführers
Der Bauführer erklärte bei allen Baggern des Betriebes sei das Dach entfernt worden und für den fraglichen Bagger sei auch kein Dach mehr vorhanden gewesen. Er habe den Vorarbeiter angewiesen zu sondieren. Dieser und der erfahrene Arbeiter hätten wissen müssen, dass die Sondierung von aussen hätte erfolgen müssen. Dies müsse nicht explizit erwähnt werden. Der Deckeneinsturz sei zudem so massiv gewesen, dass auch ein Dach, Verletzungen nicht hätte verhindern können. Die Staatsanwaltschaft warf dem Bauführer zusätzlich vor, er habe es unterlassen, ein verbindliches Rückbaukonzept zu erstellen. Dazu meinte der Bauführer, ein solches sei teilweise erstellt worden und hätte am fraglichen Sachverhalt nichts geändert.
Strafbefehl
Die Staatsanwaltschaft verurteilte den Bauführer wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde zu 90 Tagessätzen einer Geldstrafe und einer Busse von CHF 3'000. Zudem wurden ihm die Kosten von ca. CHF 4'000 auferlegt. Die Geldstrafe mit den Tagessätzen wurde auf eine Probezeit von zwei Jahren erlassen. Die Busse musste bezahlt werden. Der Bauführer akzeptierte schliesslich diesen Strafbefehl. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich die Mühen eines langwierigen Gerichtsverfahrens mit ungewissem Ausgang ersparen wollte.