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Kunst und Arbeit

Aufbruch in eine ungewisse Zukunft, die Hoffnung auf den großen Coup: Die Ausgangslage der Goldgräber in Giacomo Puccinis La fanciulla del West ist der von Künstlern am Beginn ihrer Karriere nicht unähnlich. Vielleicht gibt es ja noch mehr Zusammenhänge zwischen Mine und Muse? Premieren ­ dirigent James Gaffigan über Arbeit, Lohn und Trost in der Musik.

Statt in einer Goldmine, wie sie in „La fanciulla del West“ vorkommt, hat Robert Fischer James Gaffigan in einer Ölfraffinerie fotografiert. Wir danken der Gunvor Raffinerie Ingolstadt GmbH für die freundliche Unterstützung.

MAX JOSEPH Was macht den genialen Künstler aus? Gottgegebenes Talent oder eher die Bereitschaft zu harter Arbeit?

Musikgenies wieBach, Mozart, Schubert oder Wagner haben ein außergewöhnliches Gespür dafür – bewusst oder unbewusst –, wie man Menschen mit Harmonien und Rhythmus emotional berühren kann. Das ist eine Gabe, damit wird man geboren. Harte Arbeit wiederum hilft, diese angeborene Fähigkeit gezielt einzusetzen. Aber letztendlich hat man sie oder man hat sie eben nicht.

MJ Künstler werden oft schlecht bezahlt, und ihre Lebensverhältnisse sind prekär. Wieviel Idealismus rechtfertigt die Kunst?

JG Manchmal entsteht große Kunst gerade aus prekären Situationen heraus. Aber dann sollte sie auch gut bezahlt werden. Leider sieht die Realität anders aus. Künstler werden für ihre Leistungen selten angemessen honoriert. Das gehört zu den Opfern, die man bringt, um Künstler zu werden.

MJ Macht Kunst einsam?

JG Ich glaube, tief im Innern sind Künstler einsame Menschen.

MJ Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge? Muss man zu Beginn der Karriere härter arbeiten, oder wird es später schwieriger, wenn es darum geht, erfolgreich zu bleiben?

JG Damals war ich noch zu naiv und arglos, um alle Herausforderungen meines Berufs richtig einzuschätzen. Ich habe Musik gemacht, einfach weil ich Freude daran hatte. Heute denke ich mehr darüber nach, was ich tue, und deswegen muss ich auch musikalisch mehr Entscheidungen treffen, auswählen. Das ist anstrengender. Ich glaube aber, dass beide Arbeitsweisen interessant sind, es kommt eben auf die Situation an.

MJ Haben Sie manchmal Heimweh?

JG Heimweh habe ich nicht, aber ich vermisse meine Familie und meine Kinder schon sehr, wenn ich auf Reisen bin. Dann hilft mir aber immer die Musik.

MJ Was ist das heilige Versprechen der Musik, der Kunst? Treibt ein solches Versprechen Sie an? Musik und Natur sind für michwie eine Art Kirche, die einzige Kirche. Sie sind mir heilig. Was mich antreibt, sind die Empfindungen der Menschen, wenn sie Musik machen oder hören. Wie die Menschen reagieren, was die Musik mit ihnen macht, das ist für mich schöner als die Musik an sich. Zu den Menschen habe ich schließlich eine Beziehung. Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich es Menschen ermögliche, miteinander zu arbeiten, in eine große gemeinsame Bewegung zu finden – und das alles ohne Worte. Die Noten auf dem Papier genügen mir nicht. Erst meine Kollegen erwecken sie zum Leben.

Die Fragen stellten Rainer Karlitschek und Sabine Voß

Als bereits international renommierter Dirigent debütierte James Gaffigan in der Saison 2015/16 mit Mozarts Don Giovanni an der Bayerischen Staatsoper. Mozarts Werke dirigierte der US-Amerikaner in jüngerer Vergangenheit etwa auch an der Wiener Staatsoper (Le nozze di Figaro, Don Giovanni) und beim Glyndebourne Festival (Così fan tutte); dass er sein Operndebüt am Opernhaus Zürich mit Giacomo Puccinis La bohème gab (2005), darf als ein erster Hinweis auf die Vielseitigkeit dieses Künstlers gelesen werden. James Gaffigan wurde in New York geboren und studierte am New England Conservatory of Music in Boston sowie an der Shepherd School of Music der Universität von Houston und war Conducting Fellow am Tanglewood Music Center. Von 2003 bis 2006 arbeitete er als Assistant Conductor des Cleveland Orchestra mit dessen Chefdirigent Franz Welser-Möst zusammen. In der Saison 2011/12 übernahm James Gaffigan den Chefdirigentenposten beim Luzerner Sinfonieorchester; er ist außerdem erster Gastdirigent des niederländischen Radio Filharmonisch Orkest. James Gaffigan dirigierte weltweit führende Orchester, darunter das London Philharmonic Orchestra, die Münchner Philharmoniker, die Symphonieorchester von Chicago und San Francisco sowie die Philharmonischen Orchester von New York und Los Angeles. Als Operndirigent arbeitete er zuletzt u. a. an der Metropolitan Opera Ne w York und der Nationale Opera Amsterdam. Mit der Premiere von La fanciulla del West an der Bayerischen Staatsoper kehrt James Gaffigan gewissermaßen in doppelter Hinsicht zu seinen Wurzeln zurück und dirigiert ein Werk von Giacomo Puccini, das in seiner Geburtsstadt New York uraufgeführt wurde.

La fanciulla del West Oper in drei Akten Von Giacomo Puccini

Premiere am Samstag, 16. März 2019, Nationaltheater

STAATSOPER.TV Live-Stream der Vorstellung am Samstag, 30. März 2019, auf www.staatsoper.tv

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