Positionspapier
Außenwirtschaftspolitik
Grenzüberschreitende Datenflüsse und EU-Handelsabkommen Der grenzüberschreitende Datentransfer ist von zunehmend großer Bedeutung für die deutsche Industrie, insbesondere beim Ausbau und der Entwicklung der Industrie 4.0. Er ist beispielsweise eine Voraussetzung für den grenzüberschreitenden E-Commerce und grundlegend, um globale Wertschöpfungsketten sowie Produktionsstrukturen optimal aufzubauen und zu steuern. Grenzüberschreitender Datenfluss ermöglicht die Echtzeitkommunikation zwischen Maschinen, Mitarbeitern, Warenhäusern und Produktionsanlagen. Darüber hinaus werden in den Zeiten von Big Data Daten selber zunehmend zu einem kommerziell wertvollen Produktionsinput, auch in der Forschung und Entwicklung (F&E). Grenzüberschreitender Datentransfer verstärkt in der Industrie die Servicification – ein wesentlicher Bestandteil von Industrie 4.0 und eine wichtige Komponente für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.
Datum 27. Juni 2017 Seite 1 von 2
Dementsprechend ist der Anstieg staatlich erzwungener Lokalisierungen von Daten und IKT-Infrastruktur besorgniserregend. Zwar zeigen Studien, dass Unternehmen auf die marktwirtschaftliche Möglichkeit, ihre Daten lediglich lokal zu speichern und zu transferieren, großen Wert legen. Freiwillige Lokalisierungen dürfen nicht eingeschränkt werden und sind auch nicht zu kritisieren. Gesetzlich zwingende Datenspeicherungsvorschriften stellen aber eine wesentliche wirtschaftsschädigende Handelsbarriere dar, die in einigen Fällen einem Marktzugangsverbot gleichkommen. Aufgrund der überragenden Bedeutung von Daten und Datenübertragung für sämtliche Wirtschaftszweige und Unternehmen jeder Größe ist dies ein Problem, das einen Großteil der deutschen Wirtschaft betrifft.
Erzwungene Datenlokalisierung be- und verhindert insbesondere den Handel mit Internetdiensten sowie digitalen Dienstleistungen. Aber auch für physischen Handel ist der grenzüberschreitende Transfer von Daten für den Vertrieb zunehmend wichtig. Die globale Wertschöpfungskette kann ohne den einfachen und zeiteffizienten Transfer von Daten nicht effektiv gesteuert werden. Erzwungene Datenlokalisierungen schränken dementsprechend Investitionsbereitschaft ein. Erzwungene Datenlokalisierung kann F&E-Zusammenarbeit und neue Geschäftsmodelle wie Handel über 3D-Druck erheblich behindern. Erzwungener Aufbau oder Nutzung von lokalen Datencentern o.ä. bringt erhebliche Kosten und Effizienzverluste mit sich. Wenn Daten lediglich in einem Gebiet gespeichert werden können, kann dies die Gefahr von Datenverlusten und Wirtschaftsschäden durch Cyberattacken erhöhen (da das Risiko nicht durch Mehrfachspeicherung gemindert/gestreut werden kann).
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Mitgliedsverband BUSINESSEUROPE
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Das gegenwärtige Handelsrecht bietet unzureichenden Schutz vor digitalem Protektionismus. Die EU sollte in sämtlichen Handelsabkommen vereinbaren, dass grenzüberschreitender Zugang, Transfer und Speicherung von Daten grundsätzlich gewährleistet werden. Staatlich erzwungene Beschränkungen im Hinblick auf die Lokalisierung von Daten und IKT-Infrastruktur sollten in den Handelsabkommen grundsätzlich verboten werden. Die Europäische Kommission diskutiert mit den Mitgliedstaaten ein Regelungskonzept für digitale Datentransfers in EU-Handelsabkommen. Darin wird vorgeschlagen, den grenzüberschreitenden Datentransfer und die freie Ortswahl für die Verarbeitung und Speicherung von Daten nur insofern in Handelsabkommen vorzusehen, als diese für die Geschäftsausführung notwendig sind. Einen solchen Vorbehalt beziehungsweise Notwendigkeitstest lehnt der BDI ab. Dieser wäre nicht handhabbar und würde eine wesentliche Rechtsunsicherheit darstellen, ohne zu Datensicherheit oder -schutz beizutragen. Ein hoher Datenschutz ist eine Grundvoraussetzung für den digitalen Handel. Handelsabkommen können eine Möglichkeit sein, die hohen Datenschutzstandards der EU zu exportieren. Sie ermöglichen es, Handelspartner auf ein adäquates Datenschutzniveau festzulegen. Die Bestimmungen der EU-Datenschutzgrundverordnung dürfen nicht durch Handelsabkommen ausgehebelt oder umgangen werden. In Freihandelsabkommen vorgesehene Ausnahmen von Daten- und IKT-Infrastrukturlokalisierungsverboten zum Schutz der Privatsphäre und der nationalen Sicherheit sind legitim. Allerdings sieht der BDI eine Missbrauchsgefahr für protektionistische Maßnahmen. In eng umrissenen Ausnahmefällen, die in jedem Fall klar definiert, nicht-willkürlich, nicht-diskriminierend und transparent sein müssen, kann im Einzelfall von einem freien Datenaustausch abgewichen werden. Die Bestimmungen sollten sich dabei an GATS Artikel XIV orientieren, der Bedeutung des Datenschutzes als EU-Grundrecht gerecht werden und den effektiven Schutz der allgemeinen Gewährleistung von grenzüberschreitenden Datentransfers beibehalten. Die Beweislast, dass Maßnahmen, die den grenzüberschreitenden Datenfluss einschränken, legitim und nicht-protektionistisch sind, muss bei den anwendenden Regierungen liegen. Eine Beweislast für Unternehmen würde das Ziel einer effektiven Einschränkung von digitalem Protektionismus unterlaufen. Wenn diese Punkte in laufenden Freihandelsverhandlungen berücksichtigt werden, kann die EU Goldstandards für Handelsabkommen setzen, die digitalen Protektionismus effektiv einschränken und hohe Datenschutzlevel fördern.
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