BTW25: Europa stärken

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FORDERUNGEN ZUR BTW25 | EUROPAPOLITIK

Europa stärken

Die EU muss sich in einem Umfeld mit zunehmenden geopolitischen Verwerfungen und einem verschärften globalen Standortwettbewerb behaupten. Die nächste Bundesregierung muss sich daher in Brüssel mit starker Stimme für eine politische Agenda einsetzen, die die wirtschaftliche Stärke Europas priorisiert. Dies ist die notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung der europäischen Ambitionen bei Klima- und Umweltschutz, Innovation, Digitalisierung und Sicherheit.

Aufgaben einer neuen Bundesregierung in Brüssel

Die europäische Wirtschaft ist in einer kritischen Situation. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich: Vor allem die Schwäche Deutschlands, hohe Energiepreise und ein schwieriges geopolitisches Umfeld verschärfen die Lage. Die uneinheitliche Umsetzung von Binnenmarktregelungen erschwert den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und hemmt Innovationen. Auch im globalen Wettbewerb um Hochtechnologie hinkt die EU hinterher. Zudem belasten umfangreiche Regulierungen viele Unternehmen, was Investitionen in die Transformation hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen erschwert. Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa steht auf dem Spiel

Vor allem in den folgenden Handlungsfeldern sollte sich die nächste Bundesregierung frühzeitig positionieren und die europapolitische Agenda prägen:

1. Binnenmarkt vertiefen und Bürokratie reduzieren;

2. Clean Industrial Deal an Wettbewerbsfähigkeit ausrichten;

3. Innovation und Digitalisierung vorantreiben;

4. Außenwirtschaftliche Wachstumsimpulse setzen

Um diese Ziele zu erreichen und Deutschlands Gestaltungsanspruch in Europa wirkungsvoll umzusetzen, ist schließlich dringend eine verbesserte europapolitische Koordinierung der nächsten Bundesregierung erforderlich

Europapolitische Koordinierung der Bundesregierung stärken

Frühzeitige europapolitische Positionierung der Bundesregierung sicherstellen: Als größte Volkswirtschaft Europas muss Deutschland einen Gestaltungsanspruch haben. Die Bundesregierung muss daher ihre Positionierung zu europapolitischen Dossiers frühzeitig ressortübergreifend auf Leitungsebene abstimmen, um deutsche Interessen in Brüssel besser zu vertreten. Ziel sollte sein, noch vor einem Vorschlag der Europäischen Kommission mit einer abgestimmten deutschen Position zu politischen Kernpunkten auf die Europäische Kommission zuzugehen. Dabei sollte die Bundesregierung auf einen engen Austausch mit der Industrie setzen Sobald ein Gesetzgebungsvorschlag der Kommission vorliegt, muss die Bundesregierung schnellstmöglich eine Position für die weiteren Beratungen im Rat festlegen, um die deutschen Interessen in der europäischen Gesetzgebung zu wahren. Dies erwarten auch die übrigen Mitgliedstaaten von uns.

▪ Hochrangige Vertretung Deutschlands im Rat der EU gewährleisten: Die Bundesregierung sollte an den Tagungen des Rates stets auf Ministerebene teilnehmen, um der Bedeutung der EU für Deutschland Rechnung zu tragen.

Allianzen mit gleichgesinnten europäischen Partnern schmieden: Bei wichtigen wirtschaftspolitischen Dossiers sollte die Bundesregierung Allianzen mit gleichgesinnten Partnerländern schmieden, um politische Mehrheiten im Rat der EU zu schaffen. Dabei sollte insbesondere aktiv auf Frankreich und EU-Mitgliedstaaten mit einer starken industriellen Basis zugegangen werden. Eine enge deutsch-französische Abstimmung bleibt der zentrale Faktor für die Entscheidungsfindung in Europa. Sie muss aber zur Mehrheitsfindung durch die Einbeziehung anderer Mitgliedstaaten unterschiedlicher Größe und aus verschiedenen Regionen mit ähnlichen Interessenlagen ergänzt werden.

Binnenmarkt

vertiefen und Bürokratie reduzieren

▪ Weiterentwicklung des Binnenmarkts zur politischen Top-Priorität erklären: Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die Vertiefung des Binnenmarkts in allen Bereichen (Personen, Waren, Dienstleistungen, Kapital, Energie, Daten) eine politische Top-Priorität der EU wird. Es bedarf eines gemeinsamen Aktionsplans der EU-Institutionen mit konkreten Zielsetzungen und Fristen, aufbauend auf dem Bericht von Enrico Letta. Gleichzeitig müssen verbleibende nationalstaatliche Barrieren – besonders für KMU – abgebaut werden. Hierzu gehört auch die Schaffung eines neuen EU-weiten Rechtsstatuts. Schließlich müssen der neue Rechtsrahmen zur Vermarktung und Überwachung von Produkten in der EU (New Legislative Framework, NLF) gestärkt, die EU-Dienstleistungsrichtlinie vollständig und konsistent angewendet und die Entsendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb der EU erleichtert werden.

▪ Regulatorische Belastungen abbauen: Die Bundesregierung muss mit Nachdruck am Abbau der massiv gestiegenen regulatorischen Belastungen aus EU-Recht arbeiten. Besonders KMU müssen entlastet werden. Europäische Entlastungsmaßnahmen sollten nicht nur administrative Kosten, sondern den gesamten Erfüllungsaufwand erfassen Die Bundesregierung sollte darauf drängen, dass der angekündigte EU-Omnibus neben dem Abbau von Berichtspflichten auch für substanzielle Änderungen bei der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), dem EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) sowie der Taxonomie-Verordnung genutzt wird1 Weitere Entlastungsinitiativen müssen folgen Schließlich sollte die One-in-one-out-Regel zu einer One-in-twoout-Regel erweitert und die nationale Übererfüllung von EU-Vorgaben („gold plating“) unterlassen werden.

▪ Besseres europäisches Recht setzen: Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass die EU-Institutionen die Prinzipien der besseren Rechtsetzung während des gesamten Rechtsetzungsprozesses konsequent anwenden. Alle Vorschläge der Europäischen Kommission sollten eine vollständige und qualitativ hochwertige Folgenabschätzung inklusive KMU- und Wettbewerbsfähigkeitscheck enthalten und möglichst keine neuen Belastungen schaffen. Außerdem sollte die Bundesregierung dafür sorgen, dass der Rat der EU als Gesetzgeber seiner Verantwortung für bessere Rechtsetzung gerecht wird und vor allem eigene Folgenabschätzungen zu wesentlichen Änderungen von Rechtsvorschlägen durchführt.

1 https://bdi.eu/publikation/news/nachhaltigkeit-anders-denken

▪ Neuen Ansatz in der Wettbewerbspolitik umsetzen: Die Bundesregierung sollte darauf dringen, dass die Wettbewerbsbehörden bei Fusionsentscheidungen zukunftsgerichtete Marktbetrachtungen vornehmen Dabei sollten die globale Wettbewerbssituation, der potenzielle Wettbewerbseintritt anderer Unternehmen sowie mögliche Effizienzgewinne wie positive Auswirkungen für Innovation und Standort stärker berücksichtigt werden. Gezielte öffentliche Fördermaßnahmen können wichtige Anreize für private Investitionen und Innovationen bieten. Die beihilferechtlichen Verfahren müssen jedoch beschleunigt, die beihilferechtlichen Regelwerke verständlicher gestaltet und die Planungssicherheit der Unternehmen erhöht werden. Dies gilt in besonderem Maße für die hochkomplexen Genehmigungsverfahren von wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Projects of Common European Interest, IPCEI) sowie für Beihilfemaßnahmen im F&E-Bereich, in denen Zeit ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ist.

▪ Geltungsbereich von Binnenmarkt- beziehungsweise Vergaberegelungen nicht reduzieren: Die Bundesregierung sollte Forderungen nach höheren Schwellenwerten für die EU-Richtlinien für öffentliche Aufträge eine klare Absage erteilen. Eine Erhöhung der Werte lässt sich auch nicht auf den Gesichtspunkt des Inflationsausgleichs stützen, da bereits die geltenden Schwellenwerte zu hoch sind. Gerade für Deutschland als Exportnation ist es unverzichtbar, dass die durch die EU-Richtlinien für öffentliche Aufträge und das WTO-Abkommen zum öffentlichen Auftragswesen (Government Procurement Agreement, GPA) garantierte Marktöffnung und Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe erhalten bleiben. Ebenso wichtig ist es, dass der nötige effektive Vergaberechtsschutz weiterhin gewährleistet und nicht reduziert wird

Clean Industrial Deal auf Wettbewerbsfähigkeit ausrichten

▪ Strompreise dauerhaft senken: Die Bundesregierung muss kurzfristig ihr Gewicht in die Waagschale werfen, um verlässliche Entlastungsmaßnahmen für die Industrie zu schaffen. Dazu sollte die Strompreiskompensation auf weitere Sektoren ausgeweitet und über 2030 hinaus beibehalten werden. Das erfordert eine Anpassung der Beihilferichtlinien des EU-Emissionshandelssystems (Emissions Trading System, EU ETS). Das EU-Beihilfenrecht darf Entlastungen von steigenden Netzentgelten und Umlagen nicht im Wege stehen. Die alleinige Belastung der Endverbraucher sollte grundlegend überdacht werden, um eine gerechtere Kostenverteilung zu gewährleisten. Langfristig ist ein effizienter Ausbau des europäischen Energiebinnenmarkts entscheidend. Dafür braucht es eine bessere Koordination bei der Planung neuer Infrastrukturen sowie eine Absicherung grenzüberschreitender Investitionen, vor allem in Interkonnektoren. Eine Stärkung des zentralen EUFörderinstruments zur Finanzierung der Energieinfrastrukturinvestitionen (Connecting Europe Facility for Energy, CEF-E) ist hierfür unerlässlich.

▪ Verfahren effektiv beschleunigen und grüne Leitmärkte schaffen: Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass der angekündigte Industrial Decarbonisation Accelerator Act über die bloße Festlegung rechtlicher Fristen hinausgeht. Zielgerichtete Ausnahmen vom EU-Umweltrecht nach dem Vorbild der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED III) und eine Modernisierung der teils veralteten EU-Umweltgesetzgebung sind entscheidend, um Verfahren zu beschleunigen Grüne Leitmärkte sollten durch eine Kombination aus Angebots- und Nachfrageinstrumenten gefördert werden. Neben einer Anpassung der EU-Vergaberichtlinien zur Förderung grüner öffentlicher Beschaffung sollten verstärkt europäische Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for

Difference, CCfDs) implementiert werden. Die Finanzierung könnte aus dem neuen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit (Competitiveness Fund) sowie über auctions-as-a-service nach dem Modell der Europäischen Wasserstoffbank erfolgen.

Effektiven Carbon-Leakage-Schutz gewährleisten: Die Bundesregierung sollte auf bessere Regeln für den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) drängen. Unter anderem dürfen Exporte nicht benachteiligt werden, Umgehungsmöglichkeiten müssen verhindert und eine deutlich höhere, eigenständige deminimis-Schwelle eingeführt werden. Sollte sich der CBAM als ungeeignet erweisen, um Carbon Leakage wirksam zu verhindern, muss die Abschmelzung der kostenlosen Zuteilung im EU ETS vorerst gestoppt werden. Auch für den internationalen Luft- und Seeverkehr muss Carbon-Leakage-Schutz gewährleistet werden.

▪ Kreislaufwirtschaft und Rohstoffsouveränität stärken: Die Bundesregierung muss darauf drängen, die Kreislaufwirtschaft zu einer tragenden Säule der nachhaltigen industriellen Wertschöpfung in der EU zu entwickeln Unternehmen benötigen einen Rahmen, in dem sie Kreislaufstrategien als Geschäftsmodelle in einem freien europäischen Binnenmarkt umsetzen können Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie muss so umgesetzt werden, dass zirkuläres Wirtschaften in Deutschland gestärkt und die Circular EconomyPolitik der EU sinnvoll ergänzt wird. Die Förderung der Kreislaufwirtschaft ist essenziell, um die Versorgungssicherheit europäischer Unternehmen mit kritischen Rohstoffen zu gewährleisten. Zudem sollte sich die Bundesregierung für den Wiederaufbau der heimischen Rohstoffindustrie, Kooperationen mit rohstoffreichen Ländern sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung einsetzen

▪ Kohärenz sicherstellen: Die Bundesregierung muss auf ein Höchstmaß an Kohärenz zwischen einem übergreifenden Clean Industrial Deal, der Implementierung des Fit-for55-Pakets und weiteren wichtigen Industriestrategien achten. Für den Automobilsektor sind ein klarer und gesamtheitlicher Fahrplan für ein gemeinsames Vorgehen auf EUEbene, konsistente Gesetzgebung, die Anerkennung des Prinzips der Technologieoffenheit und ein konzertierter Impuls erforderlich, um die Transformation der automobilen Lieferkette parallel zum wachsenden Marktanteil der Elektromobilität voranzutreiben Bei der angekündigten Revision der REACH-Verordnung muss die Verfügbarkeit von Chemikalien die maßgebliche Triebfeder sein. Die Bundesregierung ist gefordert, sich gegen eine Ausweitung generischer EU-Ansätze zur Chemikalienregulierung und pauschale Verbote ganzer Stoffgruppen zu positionieren. Insbesondere bei der Regulierung von PFAS-Stoffen benötigt die Industrie Klarheit, Planungssicherheit und die Rückkehr zu einer differenzierten und risikobasierten Regulierung.

Innovation und Digitalisierung vorantreiben

▪ Auf Implementierung der Digitalgesetzgebung fokussieren: Die Bundesregierung sollte sich für eine EU-weit harmonisierte, bürokratiearme und technologiefördernde Implementierung der beschlossenen Digitalregulierung einsetzen Bei der Entwicklung europäischer Durchführungsrechtsakte sollte sie in einen strukturierten Austausch mit der Wirtschaft eintreten, damit die regulatorischen Anforderungen praxistauglich ausgestaltet werden Auf nationaler Ebene müssen Umsetzungs- und Durchführungsgesetze mit Hochdruck verabschiedet werden, um frühzeitig für Planungs- und Rechtssicherheit bei den Unternehmen zu sorgen. Es gilt, eine möglichst schlanke behördliche Struktur in Form einer Kompetenzbündelung vorzunehmen.

Bessere Datennutzung ermöglichen: Die Bundesregierung sollte auf eine kohärente europäische Datenwirtschaft hinarbeiten Der neue EU-Rechtsrahmen zur Nutzung und zum Teilen von Daten muss konsistent implementiert werden. Zudem sollte er fortwährend auf Friktionen mit dem bestehenden Rechtsrahmen überprüft werden, um Rechtsunsicherheiten abzubauen – besonders in Bezug auf die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Für ein hohes Datenschutzniveau und gleichzeitig rechtssichere Datennutzung ist eine einheitlichere Auslegung und Anwendung der Datenschutzregeln durch die Datenschutzaufsichtsbehörden erforderlich. Zudem sollte die Industrie im Vorfeld in die Erstellung von Leitlinien eingebunden werden Der Auf- und Ausbau europäischer Datenräume muss genauso vorangetrieben werden wie die Erarbeitung interoperabler Datenstandards, um einen Datenaustausch zwischen Unternehmen technisch zu erleichtern.

▪ Digitale Infrastruktur stärken: Eine moderne digitale Infrastruktur ist essenziell, damit die Industrie die Potenziale wichtiger Zukunftstechnologien nutzen kann. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die strukturellen Marktbedingungen des Telekommunikationssektors im Rahmen des angekündigten Gesetzes über digitale Netze (Digital Networks Act, DNA) angepasst werden – u. a. durch eine Neuausrichtung von Frequenzvergaben. Es muss eine Harmonisierung und Anpassung des Regulierungsrahmens erfolgen und dabei ein stärkerer Fokus auf Refinanzierung, Skalierung und positive Investitionsbedingungen gesetzt werden. Hierfür sollte die Aufnahme der Telekommunikationsnetze in die EU-Taxonomie unterstützt werden. Es gilt, sich gegen ein bindendes, EU-weites Abschaltdatum für Kupfernetze auszusprechen Ein europäisches Vorgehen zum besseren Schutz von Unterseekabeln ist entscheidend.

▪ Innovative Technologien gezielt entwickeln: Für die Wettbewerbsfähigkeit Europas gilt es, eine Förderkulisse zu schaffen, die Technologietrends nicht verpasst. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass ein unterstützender Rahmen für die Entwicklung und Nutzung innovativer Technologien geschaffen wird Es muss ausreichendes Wagniskapital zur Verfügung stehen, um die Umsetzung und Skalierung neuer Geschäftsmodelle zu fördern Dies betrifft vor allem die Schlüssel- und Zukunftstechnologien, u. a. die Mikroelektronik und die Quantentechnologie. Europa verfügt über ein starkes Forschungssystem, aber die Anwendung des theoretischen Wissens weist noch Lücken auf. Anwenderbedarfe müssen antizipiert und die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Dazu sollten gezielt Förderinstrumente entwickelt und die Zusammenarbeit der Akteursgruppen in den Ökosystemen weiter gestärkt werden.

▪ Europäische Forschungsinvestitionen verdoppeln: Um Deutschland und Europa als exzellenten Innovationsstandort zu positionieren, bedarf es einer strategisch ausgerichteten und kohärenten Industrie- und Innovationspolitik. Es braucht ein klares Bekenntnis der EU und der EU-Mitgliedstaaten dazu, massiv in Forschung, insbesondere in Zukunfts- und Schlüsseltechnologien auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zu investieren. Forschungsprogramme und -initiativen müssen auf allen Ebenen besser verzahnt werden. Das Budget des zehnten Forschungsrahmenprogramms sollte auf 200 Milliarden Euro verdoppelt werden. Der Transfer von Forschung in marktfähige Produkte muss im Fokus des nächsten Forschungsrahmenprogramms liegen. Komplexität und Bürokratie müssen abgebaut und die Industrieforschung in der gesamten Entwicklungskette gestärkt werden.

Außenwirtschaftliche Wachstumsimpulse setzen

▪ Verhandlungen von Freihandelsabkommen (FTAs) zügig abschließen: Nach dem erfolgreichen Abschluss des Abkommens mit den MERCOSUR-Staaten sollte das positive Momentum für weitere Abkommen genutzt werden. Für eine breitere Diversifizierung brauchen wir eine langfristig angelegte Strategie mit vielen Partnern jenseits der EU und Deutschland. Wichtige Ziele müssen immer eine vollständige Zollliberalisierung für Industriegüter und die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen sein Die Bundesregierung muss bei der Europäischen Kommission auf mehr Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit in den Verhandlungen drängen. Dies kann u. U. dadurch erreicht werden, dass mehr EU-only-Abkommen geschlossen werden Die Bundesregierung muss sich verstärkt dafür einsetzen, dass die EU eine Balance zwischen Nachhaltigkeitsanforderungen und Wirtschaftsinteressen bei Freihandelsabkommen findet. Nachhaltigkeitskapitel müssen gut handhabbar gemacht und eine Überfrachtung der Abkommen vermieden werden. Realistische Forderungen und Bedarfe der Partnerländer müssen stärker Beachtung finden (kein One-size-fits-all-Ansatz)

▪ Neue Initiativen für Handel und Investitionen starten: Die EU muss eine Führungsrolle zur Stärkung des multilateralen Handelssystems übernehmen – mit klarer Unterstützung der Bundesregierung Besonders Schwellen- und Entwicklungsländern sollten attraktive handels-, investitions- und rohstoffpolitische Angebote unterbreitet werden. Unternehmen brauchen neue und wettbewerbsfähige Instrumente der Risikoabsicherung für Geschäftstätigkeiten im sogenannten Globalen Süden. Geoökonomische Interessen, Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit sind wirksam zu verzahnen und bürokratische Anforderungen sind zu entschlacken Die Bundesregierung sollte sich entschlossen als Treiber der EU-Initiative Global Gateway engagieren. Auch flexiblere Ansätze wie Mini-Deals oder sektorspezifische Handelsabkommen sollten – sofern WTO-konform – als mögliche Optionen geprüft werden.

▪ Europäische Unternehmen gegen unfaire Praktiken verteidigen: Die EU hat WTOkonforme Handelsschutzinstrumente entwickelt, um faire Wettbewerbsbedingungen auf dem EU-Markt herzustellen. Schutz- und Offensivinstrumente müssen gegebenenfalls weiterentwickelt werden, um neuen, strukturellen Verwerfungen zu begegnen. Die Bundesregierung ist gefordert, darauf zu achten, dass die Interessen der Industrie hierbei angemessen berücksichtigt werden. Wachsende Überkapazitäten – vor allem in China– sind ein solches strukturelles Problem. Sie verzerren zunehmend den internationalen Handel und führen zu Verwerfungen auf dem europäischen Markt. Auf diese gravierenden Entwicklungen, wenn sie keiner marktwirtschaftlichen Logik unterliegen, muss die EU-Handelspolitik wirksame Antworten finden.

▪ Resiliente Wertschöpfungsketten und Zugang zu Rohstoffen sicherstellen: Für die erfolgreiche Gestaltung der Doppel-Transformation von Dekarbonisierung und Digitalisierung ist der sichere Bezug kritischer Rohstoffe ein Schlüsselfaktor, ebenso für unsere nationale Sicherheit. Allerdings ist Europa bei kritischen Rohstoffen hochgradig abhängig und es werden Liefer- und Wertschöpfungsketten durch geopolitisches Kalkül immer öfter unterbrochen Für höhere Versorgungssicherheit muss die Bundesregierung darauf drängen, dass die EU neue Handels- und Rohstoffabkommen abschließt Die EU muss europäische Unternehmen beim Rohstoffbezug im Ausland im Sinne eines attraktiven EU-Angebots stärker flankierend unterstützen

▪ Herausforderungen im transatlantischen Handel strategisch begegnen: Die Rückkehr Donald Trumps in das Weiße Haus stellt die transatlantischen Beziehungen vor neue Komplexitäten. Die EU muss protektionistischen Maßnahmen wie Buy-American und potenziellen Zöllen entschieden und geschlossen entgegentreten, ohne die strategische Partnerschaft mit den USA zu gefährden. Eine zielgerichtete, transaktionale Strategie ist entscheidend. Die Bundesregierung sollte in Brüssel auf pragmatische und selbstbewusste Verhandlungen drängen, die klare Gegenleistungen einfordern. Unter einer zweiten TrumpAmtszeit wird die EU zudem verstärkt durch die Brille des geopolitischen Wettbewerbs mit China wahrgenommen werden

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