Zusammenarbeit für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

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POSITION | AUSSENWIRTSCHAFTSPOLITIK | KANADA

Zusammenarbeit für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Das Potenzial der deutsch-kanadischen Partnerschaft voll ausschöpfen

März 2025

Kernforderungen

▪ Deutschland und Kanada sind nicht nur wichtige Wirtschafts-, sondern auch zentrale Wertepartner. Gerade in Zeiten geopolitischer und geoökonomischer Unwägbarkeiten, in denen wirtschaftliche Resilienz und die Verteidigung des gemeinsamen Wertesystems wie auch des regelbasierten Handelssystems von zentraler Bedeutung sind, sollte die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, der Europäischen Union und Kanada weiter vertieft und ausgebaut werden.

▪ Handel und Investitionen: CETA muss endlich von allen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden Es wäre ein wichtiges und dringend benötigtes Signal für eine proaktive EU-Handelspolitik mit zentralen Partnern, die einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung von Lieferketten und Reduzierung von Abhängigkeiten leistet Darüber hinaus muss der Handel weiter vereinfacht werden, beispielsweise durch den weiteren Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse oder beim öffentlichen Beschaffungswesen.

▪ Rohstoffe: Strategisch sollte Kanada für die Rohstoffsicherung der deutschen Industrie stärker als bisher in Erwägung gezogen werden. Eine vertiefte Kooperation entlang der Wertschöpfungskette inklusive Kreislaufwirtschaftsansätzen ließe sich vor allem mit Knowhow, Technologie und Fachkräften aus Deutschland sowie den Rohstoffen und der erfahrenen Bergbauindustrie Kanadas erzielen. Auf politischer Ebene sollten Deutschland und Kanada im Bereich kritischer Rohstoffe noch stärker kooperieren, von Ausbildung über industrierelevanter Forschung und Technologieentwicklung bis zur Unterstützung privatwirtschaftlicher Aktivitäten, zum Beispiel im Bereich Finanzierung und Absicherung. Dies sollte tri- und plurilaterale Kooperationen im Ausland ebenso einschließen wie industrierelevante Zusammenarbeit im Rahmen der Rohstoffpartnerschaft zwischen der EU und Kanada. Auch Best Practices im regulatorischen Bereich sollten abgeglichen werden. Stichworte sind hier die Einstufung in kritische und strategische Rohstoffe, Maßnahmen zur Stärkung der heimischen Rohstoffförderung und dessen Akzeptanz sowie Verbesserungen bei Energiekosten, Technologieoffenheit (CCS), Planungs- und Genehmigungsverfahren und in der Transportlogistik.

▪ Energie und Klima: Die Aktivitäten der deutsch-kanadischen Energiepartnerschaft sind zu begrüßen, wobei Unternehmen und Forschungseinrichtungen frühzeitig eingebunden werden müssen, um industrienahe Projekte umzusetzen. Der geplante transatlantische Wasserstoffhandel und die Schaffung gemeinsamer Finanzierungsmechanismen sollten zügig konkretisiert werden. Eine strategische Partnerschaft in den Bereichen CCS, CCU und CDR sowie bilaterale Formate wie ein „Bilateral Climate Panel“ könnten Synergien schaffen. Die Förderung grüner Technologien auf beiden Seiten des Atlantiks erfordert regelmäßige Evaluierungen und einen Best-Practice-Austausch, um die Effektivität der unterschiedlichen Ansätze sicherzustellen und neue Vorhaben zu koordinieren.

▪ Digitalisierung und Technologie: Die deutsch-kanadische Forschungskooperation im Rahmen von KI und weiterer Zukunfts- und Schlüsseltechnologien muss weiter ausgebaut und verfestigt werden. Kanada und Europa sollten gemeinsam auf die gegenseitige Anerkennung – idealerweise eine vollständige Harmonisierung – von produktbezogenen Cybersicherheitszertifizierungen hinarbeiten. Ferner sollten Kanada und Europa den Austausch zu aktuellen Cyberbedrohungen, wie Malware und Schwachstellen in Hard- und Software, ausbauen, um die Cyberresilienz zu erhöhen.

▪ Gesundheit: Im Gesundheitsbereich haben die Kooperationen zwischen deutschen Unternehmen und kanadischen Partnern bereits erfolgreiche Projekte hervorgebracht und bieten auch zukünftig wertvolle Potenziale. Vielversprechende Bereiche für eine vertiefte Zusammenarbeit liegen beispielsweise in der Forschung, Telemedizin und digitalen Innovationen. Dabei stellen allerdings regulatorische Hürden, wie das MDSAP, eine erhebliche Herausforderung für den Marktzugang dar, insbesondere für mittelständische Unternehmen.

Einleitung

Deutschland und Kanada sind nicht nur wichtige Wirtschafts-, sondern auch zentrale Wertepartner. Gerade in Zeiten geopolitischer und geoökonomischer Unwägbarkeiten, in denen wirtschaftliche Resilienz und die Verteidigung des gemeinsamen Wertesystems wie auch des regelbasierten Handelssystems von zentraler Bedeutung sind, sollte die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, der Europäischen Union (EU) und Kanada weiter vertieft und ausgebaut werden Dies gilt sowohl bilateral, plurilateral als auch in internationalen Organisationen. Globale Herausforderungen in politisch unsicheren Zeiten verlangen enge Kooperation und gemeinsame Lösungen, nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch zwischen Unternehmen. Eine vertiefte transatlantische Zusammenarbeit zwischen Deutschland, der EU und Kanada auf allen Ebenen, beispielsweise bei Rohstoffen, Energie und Klima, Digitalisierung und im Bereich der Gesundheit, können nicht nur die Krisenresilienz auf beiden Seiten des Atlantiks erhöhen, sondern auch zu weiteren Wachstumschancen führen.1 Auch mit Blick auf die Herausforderungen, die sich durch die neue Trump-Administration für Kanada, Deutschland und die EU ergeben werden, sollten sich sowohl die EU-Kommission als auch die neuen Regierungen in Berlin und Ottawa nach den jeweiligen Wahlen zum Ziel setzen, die Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu vertiefen und den wirtschaftlichen Austausch zu fördern.

Kanada ist ein wichtiger Wirtschaftspartner der EU und Deutschlands. Das Land erwirtschaftete in den Jahren 2022 und 2023 jeweils ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von knapp 2,2 Billionen US-Dollar. Damit war das Land 2022 die neuntgrößte und 2023 die zehntgrößte Volkswirtschaft der Welt. Im Jahr 2022 wuchs die kanadische Wirtschaft um 3,8 Prozent und im Jahr 2023 immerhin noch um 1,1 Prozent 2 Im Gegenzug war die EU im selben Jahr mit einem Handelsvolumen von über 86 Milliarden Euro der zweitwichtigste Handelspartner Kanadas, nach den USA.3

Deutschland ist bereits seit Jahren Kanadas wichtigster Handelspartner in der EU.4,5 Zudem wird die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kanada immer bedeutender. Im Jahr 2022 erreichte das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Kanada einen neuen Rekord. Ausgehend vom Jahr 2021 erfolgte eine Steigerung von 28 Prozent auf 20,8 Milliarden Euro, unter anderem durch eine größere Ausfuhr deutscher Kfz, Maschinen und Elektrotechnik.6 2023 ist das Handelsvolumen mit Deutschland zwar leicht auf 19,7 Milliarden Euro gesunken, dennoch war Kanada der neuntwichtigste außereuropäische Handelspartner der Bundesrepublik 7

1 Neben den in diesem Papier aufgenommen Themenfeldern gibt es noch eine Vielzahl weiterer Bereiche, in denen Deutschland, die EU und Kanada ihre Zusammenarbeit vertiefen können, beispielsweise im Bereich Landwirtschaft oder Biotechnologie

2 Weltbank, GDP (current US$) - Canada, <https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.CD?most_recent_value_desc=true&locations=CA> (eingesehen am 30.07.2024) und Weltbank, GDP growth (annual %) - Canada, <https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.KD.ZG?locations=CA> (eingesehen am 30.07.2024).

3 European Commission, Trade in goods with Canada, < https://webgate.ec.europa.eu/isdb_results/factsheets/country/details_canada_en.pdf> (eingesehen am 02.08.2024).

4 Eurostat, Rekordüberschuss der EU im Warenverkehr mit Kanada in Höhe von 7 Mrd. Euro im Jahr 2015 < https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/7718364/6-30102016-AP-DE.pdf> (eingesehen am 06.10.2023).

5 Eurostat, Canada-EU international trade in goods statistics <https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Archive:Canada-EU_-_international_trade_in_goods_statistics#Trade_with_Canada_by_Member_State> (eingesehen am 06.10.2023).

6 GTAI, wächst kräftig – Februar 2023, < https://www.gtai.de/de/trade/kanada/wirtschaftsumfeld/deutsch-kanadischer-handel-waechst-kraeftig-960168#:~:text=Deutschlands%20Ausfuhren%20in%20das%20zweitgr%C3%B6%C3%9Fte%20Fl%C3%A4chenland%20der%20Erde,Milliarden%20Euro%20%20ein%20Plus%20von%2029%20Prozent> (eingesehen am 05.10.2023).

7 Statistisches Bundesamt, Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland (endgültige Ergebnisse) 2023, <https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/Tabellen/rangfolge-handelspartner.pdf?__blob=publicationFile> (eingesehen am 27.01.2025).

Hauptsächlich exportieren deutsche Unternehmen Kraftfahrzeuge, Maschinen sowie chemische Erzeugnisse nach Kanada, während Kanada insbesondere Rohstoffe, aber auch Maschinen und chemische Erzeugnisse nach Deutschland ausführt.8 Dabei hat der Handel mit Kanada Tradition. So liegt Deutschland beispielsweise seit über 20 Jahren beständig auf Platz zwei hinter den USA, unter Kanadas Lieferanten für chemische Erzeugnisse.9

Daneben herrscht ein gutes Klima für Auslandsinvestitionen zwischen beiden Ländern. Deutschland hält die Position als viertgrößter ausländischer Investor in Kanada mit Investition in Höhe von 41,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Kanada ist damit seit 2018 um 522 Prozent gestiegen 10 Im Gegenzug ist Deutschland mit 14,5 Milliarden Euro der sechstgrößte Empfänger von kanadischen Direktinvestitionen in Europa. Darüber hinaus gibt es eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation mit über 1000 gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten seit 1971.11

Im Folgenden macht die deutsche Industrie Vorschläge, in welchen Bereichen und auf welche Art die deutsch-kanadische Wirtschaftszusammenarbeit weiter vertieft werden sollte.

Handel und Investitionen

Vollständige Ratifizierung von CETA in der EU vorantreiben

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bewertet das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Comprehensive Economic Trade Agreement, CETA) insgesamt positiv und setzt sich für eine vollständige Ratifizierung in allen EU-Mitgliedstaaten ein. Das Abkommen erleichtert den Zugang für europäische Unternehmen zum kanadischen Markt erheblich und fördert den bilateralen Wirtschaftsaustausch deutlich In den ersten sechs Jahren seit Beginn der vorläufigen Anwendung ist der gegenseitige Handel von Waren und Dienstleistungen um 65 Prozent gestiegen 12 Hiervon profitieren schon jetzt Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks. In einem gemeinsamen Statement betonten die kanadische Handelsministerin Mary Ng und EU-Handelskommissar und Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission Valdis Dombrovskis im Dezember 2022, dass CETA der Eckpfeiler der Wirtschafts-, Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und Kanada sei. Das Abkommen stärke die Zusammenarbeit, fördere Innovation, erhöhe Wettbewerbsfähigkeit, schaffe Arbeitsplätze und trage zur Resilienz der gemeinsamen Lieferketten bei 13

CETA trat am 21. September 2017 vorläufig in Kraft Seitdem werden die Regelungen umgesetzt, die in der alleinigen Zuständigkeit der EU liegen Diese umfasst den größten Teil des Abkommens, wie beispielsweise Regelungen zum Abbau von Importzöllen oder die Öffnung der jeweiligen

8 GTAI, Deutsch-kanadischer Handel wächst kräftig, <https://www.gtai.de/de/trade/kanada/wirtschaftsumfeld/deutsch-kanadischer-handel-waechst-kraeftig-960168> (eingesehen am 30.07.2024).

9 GTAI, Kanada (noch) kein strategischer Handelspartner für Deutschland, < https://www.gtai.de/de/trade/kanada/wirtschaftsumfeld/kanada-noch-kein-strategischer-handelspartner-fuer-deutschland-802680#:~:text=Kanada%20%28noch%29%20kein%20strategischer%20Handelspartner%20f%C3%BCr%20Deutschland%201,3%20Kanada%20gewinnt%20als%20Rohstofflieferant%20an%20Bedeutung%20> (eingesehen am 06.10.2023).

10 Invest in Canda, FDI Report 2023, <https://www.investcanada.ca/FDIReport2023> (eingesehen am 30.07.2024).

11 Government of Canada, Canada-Germany relations, < https://www.international.gc.ca/country-pays/germany-allemagne/relations.aspx?lang=eng#a2> (eingesehen am 30.07.2024).

12 Rat der Europäischen Union, Handel EU Kanada, < https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/eu-canada-trade/> (eingesehen am 31.07.2024).

13 Europäische Kommission, Joint Statement: CETA at five years – the cornerstone of Canada/EU economic relations, 02.12.2022, <https://policy.trade.ec.europa.eu/news/joint-statement-ceta-five-years-cornerstone-canadaeu-economic-relations-2022-12-02_en> (eingesehen am 28.08.2023).

Vergabemärkte. Da das Abkommen auch Regelungen enthält, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, wie zum Beispiel der Investitionsschutz, bedarf es einer Ratifizierung durch alle 27 Mitgliedstaaten. Erst dann kann das Abkommen vollständig in Kraft treten Der BDI begrüßt es ausdrücklich, dass Bundestag und Bundesrat CETA im Dezember 2022 endlich ratifiziert haben und die europäische Handelspolitik damit einen wichtigen Schritt nach vorn gebracht haben. Nun müssen die verbliebenen zehn Mitgliedstaaten, die CETA noch nicht ratifiziert haben, dies ebenfalls zügig tun, damit es endlich vollständig in Kraft treten kann. In Frankreich scheint die Ratifizierung derzeit ungewiss. Bereits im Jahr 2019 hatte die französische Nationalversammlung für die Ratifizierung von CETA gestimmt. Im März 2024 stimmte allerdings der französische Senat, der einer Ratifizierung ebenfalls zustimmen muss, dagegen. Im nächsten Schritt muss nun die Nationalversammlung erneut über CETA abstimmen. Angesichts massiver Bauernproteste in Frankreich und politischer Ungewissheit ist eine erneute Zustimmung alles andere als gewiss. Auch Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der EU nach Deutschland und Frankreich, hat das Abkommen noch nicht ratifiziert.14

Dabei wäre die vollständige Ratifizierung des Abkommens mit Kanada ein wichtiges und dringend benötigtes Signal für eine proaktive EU-Handelspolitik mit zentralen Partnern, die einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung von Lieferketten und Reduzierung von Abhängigkeiten leistet.

Gleichzeitig spielt auch die Integration Kanadas im nordamerikanischen Markt mit den USA und Mexiko eine wichtige Rolle für die deutsche Industrie, da deutsche Firmen stark in nordamerikanische Wertschöpfungsketten eingebunden sind und auch vor Ort produzieren Von zentraler Bedeutung ist hier die im Jahr 2026 anstehende Überprüfung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA, da dies ein wichtiger regulatorischer Rahmen für die Tätigkeiten deutscher und europäischer Unternehmen vor Ort ist.15

Weiterer Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse

Obwohl mit CETA Zölle für alle Industriegüter und über 90 Prozent der Agrargüter abgeschafft und nicht-tarifäre Handelshemmnisse reduziert werden, gibt es einige Bereiche, in denen der Handel zwischen der EU und Kanada über das Freihandelsabkommen hinaus weiter vertieft und vereinfacht werden kann:

- Technische Handelshemmnisse: CETA enthält ein Protokoll über die gegenseitige Anerkennung der Ergebnisse von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement, MRA) für eine Vielzahl von Industriebereichen. Dies reduziert technische Handelshemmnisse in diesen Bereichen 16 Die EU und Kanada sollten sich dafür einsetzen, dass das MRA künftig auf weitere Bereiche ausgedehnt wird

Gleichzeitig sollten die EU und Kanada in internationalen Standardisierungsorganisationen eng zusammenarbeiten und mit weiteren Partnern gemeinsame Standards, insbesondere für

14 Auch das zyprische Parlament hat gegen eine Ratifizierung gestimmt. Die zyprische Regierung hat die Nicht-Ratifizierung allerdings noch nicht bei der Europäischen Kommission notifiziert und plant eine weitere Abstimmung im Parlament.

15 Das Freihandelsabkommen United States-Mexico-Canada-Agreement (USMCA) wurde unter der Trump-Administration verhandelt und trat am 1. Juli 2020 in Kraft. Im Abkommen wurden eine Überprüfung durch die drei Vertragsparteien alle sechs Jahre („joint review“) sowie eine Befristungsklausel (Sunset Clause) vereinbart. Bei der Überprüfung alle sechs Jahre sollen sich die Parteien darüber verständigen, ob sie das Abkommen für die folgenden 16 Jahre beibehalten möchten. Die erste Überprüfung steht im Jahr 2026 an.

16 EUR-Lex, Abkommen über die gegenseitige Anerkennung zwischen der EU und Kanada, <https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/eu-canada-mutual-recognition-agreement-mra.html> (eingesehen am 06.02.2024).

neue Technologien, entwickeln. Für Unternehmen würde dies eine erhebliche Vereinfachung darstellen und könnte zu deutlichen Kosteneinsparungen führen.

- Öffentliches Beschaffungswesen (Public Procurement): Mit dem CETA-Abkommen haben sich die EU und Kanada geeinigt, ihre jeweiligen Beschaffungsmärkte substanziell zu öffnen. Europäische Unternehmen können sich so beispielsweise an öffentlichen Ausschreibungen auf allen staatlichen Ebenen Kanadas (Bundesstaaten, Provinzen, Territorien und bestimmte Unternehmen beziehungsweise Einrichtungen, darunter auch Energieversorger) beteiligen. Kanada und die EU sollten in enger Abstimmung mit der Wirtschaft ein gemeinsames Verständnis über gemeinsame grundlegende Ansätze eines grünen öffentlichen Beschaffungswesen (Green Public Procurement, GPP) entwickeln Aufgrund des hohen Volumens der öffentlichen Beschaffung kann GPP einen wichtigen Beitrag zur grünen Transformation der öffentlichen Infrastruktur und der Wirtschaft leisten Außerdem könnte ein gemeinsames Vorgehen dazu beitragen, Standards für die Zusammenarbeit mit Drittländern zu setzen. Die Aktivitäten im Bereich des GPP könnten einen gemeinsamen Katalog bewährter Verfahren umfassen sowie ein gemeinsames Verständnis der Grundprinzipien der umweltorientierten Beschaffung.

Zusammenarbeit in internationalen Foren

Deutschland, die EU und Kanada arbeiten nicht nur im Rahmen von bilateralen Übereinkommen in unterschiedlichen Bereichen eng zusammen. Auch in internationalen Organisationen, wie der Organisation für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder der Welthandelsorganisation (WTO) sowie in plurilateralen Foren, wie den G20 oder den G7, sind sie wichtige Partner. Nicht nur die Regierungen, sondern auch Wirtschaftsakteure kooperieren. Der BDI beteiligt sich gemeinsam mit der Canadian Chamber of Commerce (CCC) beispielsweise im Rahmen der Plattform Business at OECD (BIAC) daran, Empfehlungen der Wirtschaft and die OECD zu erarbeiten. Darüber hinaus engagieren sich der BDI und CCC in den Kreisen der Business 7 und der Business 20 (B7/20), der führenden Wirtschafts- und Industrieverbände der G7/G20-Staaten.

In Zeiten der zunehmenden internationalen Fragmentierung bestehender Handelsblöcke ist die B7 eine unserer wichtigsten internationalen Plattformen, um die Interessen der Wirtschaft der G7-Länder zu konsolidieren und konkrete und umsetzbare Empfehlungen an die G7-Regierungen zu entwickeln. Aus Sicht der B7 haben insbesondere die demokratischen Marktwirtschaften die Möglichkeit, ihre Kräfte zu bündeln, zum Beispiel, um Standards in strategischen Technologiefeldern zu setzen. Dieses Ziel schließt andere Akteure, zum Beispiel andere G20-Staaten, nicht aus, sondern lädt sie ein, sich anzuschließen Der BDI fordert deshalb die Bundesregierung wie auch die Europäische Union auf, den Zusammenschluss mit gleichgesinnten Partnern, darunter Kanada und die anderen G7-Staaten, zu nutzen, um auf Ebene der G20 größtmögliche Verhandlungserfolge durchzusetzen.

Für die deutsche und europäische, wie auch für die kanadische Industrie ist die multilaterale Handelsordnung nach den Regeln der WTO von enormer Bedeutung. Aktuell verschärfen geopolitische Spannungen Handelsstreitigkeiten und schränken die Funktionen der WTO spürbar ein. Deswegen engagieren sich der BDI und die CCC im Kreis der B7 besonders für die derzeit dringend nötige und umfassende Reform der WTO. Im B7-Prozess fordern BDI und die CCC mit ihren Partnern die G7-Regierungen auf, verstärkt auf die G20-Staaten und die anderen WTO-Mitglieder einzuwirken, um eine umfassende Reform der WTO zur Verteidigung eines regelbasierten multilateralen Handelssystems zu erreichen. Konkret sollen sie bilaterale, plurilaterale und multilaterale Verhandlungen nutzen, die sich

mit der Wettbewerbsneutralität von Industriesubventionen und der Rolle staatseigener Unternehmen befassen.

Rohstoffe

Kanada als Rohstoff-Schwergewicht mit noch ungenutztem Potenzial

Für die Rohstoffversorgung der deutschen Industrie spielt Kanada eine wichtige Rolle. Kanada ist einer der bedeutendsten Rohstoffanbieter auf dem Weltmarkt und gehört bei mehreren Rohstoffen weltweit zu den drei wichtigsten Produzenten (bzw. Weiterverarbeitern/Händlern). Laut DERA-Rohstoffliste (2023) trifft dies für das Jahr 2020 zu für Diamanten (13,3%), Germanium (8,6%), Glimmerpulver (5,2%), Kali (31,7%), Kobaltmatte (2,1%), Nickelmatte (34,6%), Niob (9,4%), Ferroniob (9,6% Produktion, 10,1% Handel) sowie Platin (6,8% bei Abfällen und Schrott).17

Deutschland wiederum importierte laut BGR-Bericht zur Rohstoffsituation in Deutschland in 2022 aus Kanada u.a. 25 Prozent Eisenerz, 14,7 Prozent Ferroniob, 24 Prozent Kobalt, 26,5 Prozent Nickelpulver, 11,4 Prozent Wolframpulver, 92,1 Prozent Kadmium sowie 45,6 Prozent Tellur.

Zusätzlich verfügt Kanada über Flächen mit noch nicht abschließend erkundeten Rohstoffvorkommen. Im so genannten „Ring of Fire“ in Ontario werden beispielsweise das weltweit größte Chromvorkommen sowie Vorkommen an Nickel und Platingruppenmetallen vermutet.

Die kanadische Regierung stellt im Rahmen ihrer 2022 verabschiedeten Critical Minerals Strategy bis 2030 bis zu 3 Milliarden US-Dollar bereit, um die Produktion von kritischen Mineralien entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu fördern. 2023 hat die kanadische Regierung zudem einen Critical Minerals Infrastructure Fund mit einem Volumen von 1,1 Milliarden US-Dollar über sieben Jahre aufgelegt, um die oft abgelegenen Bergbauprojekte mit dem Rest des Landes und dem Weltmarkt zu verbinden. Schließlich plant die kanadische Regierung beschleunigte Genehmigungsverfahren sowie mehr Mittel für die Regulierungsbehörden. Nach Angaben der Regierung verfügt das Land insgesamt über 31 kritische Mineralien, darunter Kobalt, Kupfer und Lithium.

Kanada möchte sich als globaler Beschaffungsmarkt für kritische Mineralien etablieren, der sich im internationalen Wettbewerb als „sozial verantwortungsvoller und ökologisch nachhaltiger“ Lieferant abhebt. Insbesondere die Region Québec ist für ihre starken Bestrebungen im Bereich der Elektrifizierung bekannt und treibt die Batteriematerialindustrie (neben Lithium und Kupfer unter anderem auch mit Blick auf Graphit) grundlegend voran. Der ausgeweiteten politischen Unterstützung des Sektors sollen private Investitionen aus dem In- und Ausland entlang der gesamten Wertschöpfungskette folgen. So hat Kanada bspw. bereits mit der eigenen Förderung Seltener Erden begonnen. Vor allem im Explorationssektor erhoffen sich Regierung und Industrie ein stärkeres Engagement ausländischer Unternehmen. Drei chinesische Unternehmen wurden allerdings Ende 2022 im Kontext strengerer kanadischer Richtlinien für Investitionen durch ausländische Staatsunternehmen angewiesen, ihre Investitionen in kanadische Bergbauunternehmen aufzugeben.

17 Fett markiert sind die von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) als höchste Risikogruppe deklarierte Rohstoffe bzw. Raffinade- oder Handelsprodukte. Rohstoffe der Risikogruppe 3 können laut DERA „besonders sensibel auf Marktveränderungen reagieren. Durch die hohe Angebotskonzentration kann Marktmacht durch marktbeherrschende Länder oder Anbieter ausgeübt werden. Dies kann zu Wettbewerbsverzerrungen mit Nachteilen für den Produktionsstandort Deutschland führen. Bereits kleine Produktionsausfälle bzw. allein die Erwartung, es könnte zu Produktionsrückgängen kommen, können in besonders stark konzentrierten Märkten die Akteure verunsichern und damit die Preise beeinflussen“.

Potenzial und Ausbaubedarf besteht bei Kanadas Weiterverarbeitungsindustrien für kritische Mineralien. Derzeit gibt es vor allem Kapazitäten zur Raffination von Nickel und Vanadium sowie von Kobalt als Beiprodukt der Nickelverarbeitung. Die Mehrheit der in Kanada abgebauten Rohstoffe wird im Ausland weiterverarbeitet, insbesondere in China und den USA. Der Zugang zu günstiger und zunehmend erneuerbarer Energie macht die Verlängerung der Rohstoff-Wertschöpfungskette im Kontext geopolitischer Risiken und Nachhaltigkeitsanforderungen allerdings zusehends attraktiver. Hierbei spielt auch zunehmend die Gewinnung von sekundären Rohstoffen durch Batterie-Recycling eine Rolle, wobei deutsche Technologien attraktiv für kanadische Partner sind.

Im Bereich der Bergbau-Forschung ist Kanada sehr aktiv. Im ganzen Land arbeiten Forschungsinstitutionen zusammen mit der Industrie an Techniken, um den Abbau und die Aufbereitung von Rohstoffen effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Green Mining spielt dabei eine große Rolle. Kanada ist sehr erfolgreich, wenn es zum Beispiel um den Einsatz erneuerbarer Energien auch im Bergbausektor geht. Zudem besteht Kontakt mit deutschen Forschungseinrichtungen. So besuchte erst im Februar 2024 eine kanadische Delegation aus den Bereichen Forschung, Entwicklung und Batteriezellproduktion das MEET-Batterieforschungszentrum der Universität Münster sowie die FraunhoferEinrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB.

Aktivitäten auf Regierungsebene – eng und mit weiteren Partnern

Deutschland unterhält schon jetzt enge Beziehungen mit Kanada im Rohstoffbereich. Bereits 1983 schloss die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ein Memorandum of Understanding (MoU) mit den geologischen Diensten Kanadas (Geological Survey Canada – GSC). Die AHK Kanada bietet seit 2012 ein Kompetenzzentrum Bergbau und Rohstoffe.

Seit Juni 2021 besteht zwischen der EU und Kanada eine strategische Rohstoffpartnerschaft. Diese soll Handel und Investitionen in eine sichere, nachhaltige und robuste Rohstoffwertschöpfungskette ankurbeln sowie eine bessere Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation ermöglichen.

Kanada und Deutschland haben im Juni 2022 mit den USA, Australien, Finnland, Frankreich, Japan, Südkorea, Schweden, dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Kommission eine Partnerschaft für die Versorgung mit sogenannten kritischen Mineralien ins Leben gerufen. Die Minerals Security Partnership (MSP) soll den Zugang zu Rohstoffen sicherstellen, die für verschiedene Technologien – darunter auch E-Mobilität und regenerative Energieerzeugung – zwingend notwendig sind. Die Partnerschaft bezieht sich auf Produktion, Verarbeitung und Recycling. Im Zentrum der Partnerschaft stehen vor allem Kanada und Australien, die selbst über große Vorkommen der kritischen Metalle verfügen. Mit der MSP wollen die Mitglieder private und öffentliche Investitionen nach hohen ESGStandards ermöglichen – zu einem erheblichen Teil in diesen beiden Ländern. Auch im G7-Format arbeiten Deutschland und Kanada eng zusammen.

Aktivitäten deutscher Unternehmen – Tendenz steigend

Deutsche Unternehmen sind in Kanada bislang vor allem im Bereich der Zulieferung (von Maschinen, Ausrüstungsgütern und Dienstleistungen) für die Bergbauindustrie und zum Beispiel mit der K+S AG im Kali-Geschäft sowie über Beteiligungen an Bergbauunternehmen in Kanada aktiv. Vermehrt schauen nun auch andere deutsche Firmen nach Kanada. Das Engagement deutscher Unternehmen in Kanada ist dabei auch im Kontext der Bedingungen in der gesamten NAFTA-Region zu sehen Vereinfacht: Kanada hat die Rohstoffe, Mexiko hat die günstigen Arbeitskräfte und die USA haben den

Markt. US-amerikanische und kanadische unternehmerische Rohstoffinteressen stehen dabei allerdings teilweise auch im Wettbewerb.

Mercedes und Volkswagen hatten im Kontext des US-amerikanischen Inflation Reduction Acts (IRA) der US-Regierung bereits in 2022 Absichtserklärungen mit der kanadischen Regierung zur stärkeren Beschaffung kritischer Batteriematerialien wie Graphit, Kobalt, Lithium und Nickel aus Kanada unterzeichnet. BMW plant, aus Kanada unter anderem Kathodenmaterial aus einer neuen Fabrik von Umicore zu beziehen (Umicore hat allerdings seine Pläne im Sommer pausiert), zudem kohlenstoffarmes und rückverfolgbares Aluminium von Rio Tinto. Volkswagen mit seiner Batterietochter PowerCo plant, in St. Thomas in der Provinz Ontario eine Fabrik für Batteriezellen zu bauen, die ab 2027 vom Band gehen sollen. Gefördert wird das Projekt mit bis zu 9 Milliarden Euro von der kanadischen Regierung. BASF befindet sich nach eigenen Angaben im Evaluationsprozess für einen Produktionsstandort für Kathodenmaterialien und Batterierecycling in Nordamerika, inklusive Kanada. Mit Rock Tech Lithium gibt es zudem ein deutsch-kanadisches Start-Up-Unternehmen, das plant, in Guben in Brandenburg hochreines Lithiumhydroxid in Batteriequalität für Akkus von Elektroautos zu produzieren.18 Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, den weltweit ersten geschlossenen Kreislauf für Lithium zu schaffen. Rock Tech besitzt das Lithiumprojekt Georgia Lake in Ontario. Bereits 2030 sollen rund 50 Prozent der eingesetzten Rohstoffe aus dem Recycling von Altbatterien stammen. Mit Li-Cycle ist ein weiteres kanadisches Unternehmen in Deutschland investiert, um mit neuen Recyclingmethoden Lithium-IonenBatterien im industriellen Maßstab wiederverwerten zu können. Deutsche Unternehmen werden in Kanada durch das Kompetenzzentrum Bergbau und Rohstoffe der AHK unterstützt.

Aus der Sicht der kanadischen Bergbaubranche ist Deutschland ein bevorzugter Partner und ein verstärktes deutsches Engagement stößt auf positive Reaktionen. Deutsche Ingenieursexpertise genießt einen ebenso exzellenten Ruf in Kanada wie Technologien und Maschinen aus deutscher Herstellung. Bei der Auftrennung von Seltenen Erden in ihre einzelnen Elemente und die anschließende Aufbereitung in spezielle Legierungen setzen kanadische Unternehmen Hoffnungen auf Deutschland und betonen das Potenzial einer verstärkten Zusammenarbeit mit Vorteilen für beide Länder.

Plädoyer für vertiefte Kooperation entlang der Wertschöpfungskette

Strategisch sollte Kanada in der Sicherung und Etablierung von Wertschöpfungsketten als Zielland stärker als bisher in Erwägung gezogen werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Kanada und Deutschland Bergbau und Rohstoffgewinnung mit den höchsten Standards (Sicherheits-, Arbeits-, Sozial-, Umwelt- und Klimaschutzstandards) durchführen Eine vertiefte Kooperation entlang der Wertschöpfungskette inklusive Kreislaufwirtschaftsansätzen ließe sich vor allem mit Knowhow, Technologie und Fachkräften aus Deutschland sowie den Rohstoffen und der erfahrenen Bergbauindustrie Kanadas erzielen. Allein der weltweite Markt für Bergbauausrüstungen wird nach Schätzungen bis 2026 ein Volumen von 285,5 Milliarden Dollar erreichen. Marktchancen für deutsche Unternehmen im kanadischen Rohstoffsektor sind dabei vor allem in den Wachstumsbereichen Automatisierung und smart solutions sowie Recycling-Technologien zu erwarten.

Auf politischer Ebene sollten Deutschland und Kanada im Bereich kritischer Rohstoffe noch stärker kooperieren, von Ausbildung über industrierelevanter Forschung und Technologieentwicklung bis zur Unterstützung privatwirtschaftlicher Aktivitäten, zum Beispiel im Bereich Finanzierung und

18 Karow, Cornelius, Rock Tech erhält Genehmigung für Lithium-Anlage in Guben, <https://battery-news.de/2024/06/04/rocktech-erhaelt-genehmigung-fuer-lithium-anlage-in-guben/#:~:text=%E2%80%9ERock%20Tech%20Lithium%E2%80%9C%20gewinnt%20den,dem%20Recycling%20von%20Altbatterien%20stammen.>, 04.06.2024 (eingesehen am 25.10.2024)

Zusammenarbeit für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Absicherung. Dies sollte tri- und plurilaterale Kooperationen im Ausland im Rahmen der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik ebenso einschließen wie industrierelevante Zusammenarbeit im Rahmen der Rohstoffpartnerschaft zwischen der EU und Kanada. Der im Oktober 2024 gelaunchte und von der KfW gemanagte Rohstofffonds der deutschen Regierung kann hier unterstützen. Auch Best Practices im regulatorischen Bereich sollten abgeglichen werden. Stichworte sind hier die Einstufung in kritische und strategische Rohstoffe, Maßnahmen zur Stärkung der heimischen Rohstoffförderung und deren Akzeptanz sowie Verbesserungen bei Energiekosten, Technologieoffenheit (CCS), Planungs- und Genehmigungsverfahren und in der Transportlogistik

Kreislaufwirtschaft in den Blick nehmen

Zirkuläres Wirtschaften ist die Voraussetzung für künftiges, nachhaltiges Wirtschaftswachstums in Kanada und Deutschland ebenso wie Nordamerika und Europa. Damit zirkuläre Rohstoffe, Produkte, Technologien und Dienstleistungen international skalierbar werden, müssen in der Zusammenarbeit ein gemeinsames Verständnis und Standardisierungen erarbeitet werden. So benötigen Unternehmen Standards zur Bilanzierung und Anrechnung von Effekten auf die Einsparung von Treibhausgasemissionen durch Kreislaufwirtschaft, ein zukunftsfähiges Verständnis davon, wann Produkte und Rohstoffe als Abfall oder nicht als Abfall gelten sowie international kompatible digitale Infrastrukturen und Lösungen zur produktspezifischen Datenspeicherung (z. B. digitale Produktpässe). Nur so wird es gelingen, zirkuläre Geschäftsmodelle grenzüberschreitend zu etablieren.

Energie und Klima

Energie- und Klimapolitik in Kanada

Kanada ist Teil des Pariser Klimaabkommens und hat sich dem Ziel der Begrenzung des Temperaturanstieges auf 1,5 °C verpflichtet. In 2022 verabschiedete die kanadische Regierung mit dem 2030 Emissions Reduction Plan einen Plan für die kanadische Wirtschaft, mit dem Emissionen bis 2030 um 40-45 Prozent unter das Niveau von 2005 gesenkt und bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreicht werden sollen.

Energiepartnerschaft und internationale Zusammenarbeit

Seit 2021 besteht eine Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und Kanada, mit der gemeinsame Tätigkeiten und Projekte in den folgenden Bereichen vorangetrieben werden sollen:

- Die Kooperation im Bereich Wasserstoff konzentriert sich vor allem auf den maritimen Transport von Wasserstoff und seinen Derivaten, Normung und Zertifizierung, B2B-Vernetzung und Dekarbonisierung der Industrie. 2023 verständigten sich beide Länder zudem darauf, Mechanismen zur gemeinsamen Finanzierung zur Unterstützung des transatlantischen Handels von Wasserstoff zu prüfen und in 2024 ein gemeinsames Finanzierungsfenster im Rahmen von H2Global einzurichten

- Im Bereich der Rohstoffsicherheit liegt der Schwerpunkt auf der Förderung bilateraler Handelsund Investitionspartnerschaften, der Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung und der Förderung von ESG-Standards in Lieferketten.

- Zu den Themen der Zusammenarbeit im Bereich der Energiesicherheit gehören der Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem von Offshore-Windkraft, sowie die kurzfristige

Zusammenarbeit bei Flüssigerdgas mit dem Schwerpunkt auf der Entwicklung einer H2-fähigen Infrastruktur.

- Auch die Förderung grüner Technologien ist Teil der Energiepartnerschaft. Es soll eine Reihe bilateraler Aktivitäten geben, die sich auf den Einsatz von grünen Technologien in Sektoren wie Industrie, Verkehr oder Energie konzentrieren.

Die Aktivitäten der Energiepartnerschaft sind zu begrüßen, wobei beide Seiten die Kooperation stärken und dazu die notwendigen Ressourcen bereitstellen sollten Nur wenn angekündigte und unterzeichnete Absichtserklärungen auch mit konkreten Schritten untermauert werden, generieren Länderpartnerschaften einen tatsächlichen Mehrwert Zudem müssen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, wo immer möglich, frühzeitig in Projekte eingebunden werden, um von Anfang an sicherstellen zu können, dass sie für die Industrie auf beiden Seiten des Atlantiks sowohl auf Interesse stoßen als auch umgesetzt werden können. Hierfür kann eine Ausweitung bilateraler Kooperationsformate dienen.

Über die bilaterale Energiepartnerschaft hinaus sollten Deutschland, die EU und Kanada zudem in multilateralen Foren zusammenarbeiten und gemeinsam internationale Initiativen, wie beispielsweise einen Klimaklub, fördern. Auch hier sollte die Industrie, wann immer möglich, früh eingebunden werden, um frühzeitige Akzeptanz sowie Umsetzbarkeit sicherzustellen.

Wasserstoff

Kanada gehört mit etwa 3 Millionen Tonnen jährlich bereits jetzt zu den größeren Wasserstoff-Produzenten der Welt. Bis 2050 will Kanada die Produktion stark steigern und einer der drei größten Produzenten von Wasserstoff weltweit werden. Geplant ist, bis zu 20,5 Millionen Tonnen heimischen Wasserstoff selbst zu verbrauchen und zusätzlich große Mengen zu exportieren. Geringe Mengen werden heute bereits in die USA exportiert. Zum Einsatz kommt Wasserstoff in Kanada vor allem in der Chemieproduktion und in den vielen Ölraffinerien. Zukünftig soll Wasserstoff auch im Transportsektor eine führende Rolle einnehmen. Schon seit den 1980er Jahren entwickeln kanadische Unternehmen Wasserstofftechnologien, insbesondere im Bereich Brennstoffzellen. Kanada hat besonders wegen seiner guten Windverhältnisse und seiner Wasserkraft ein großes Erneuerbare-Energien-Potenzial, um langfristig den gesamten eigenen Energiebedarf zu decken und erhebliche Überschüsse für den Export von erneuerbarem Wasserstoff zu nutzen.

Kanada ist ein wichtiger, politisch stabiler Wirtschaftspartner für Deutschland und die EU. Ein zukünftiger Wasserstoffhandel würde die Beziehung weiter vertiefen. Die Gründung einer Wasserstoff-Allianz im Rahmen der Kanada-Reise von Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck im August 2022 war ein wichtiger Schritt hin zu einer vertieften Kooperation zwischen Kanada und Deutschland. Ziel der Allianz ist vor allem die Schaffung einer transatlantischen Lieferkette für grünen Wasserstoff. Die ersten Lieferungen von grünem Ammoniak sind bereits für das Jahr 2025 vorgesehen. Darüber hinaus liegen Kooperationspotenziale insbesondere im Export von deutschen Wasserstofftechnologien und Know-how zur Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff sowie Syntheseverfahren zur Herstellung von Ammoniak oder Methanol beziehungsweise weiteren Derivaten, wie zum Beispiel Dimethylether (DME). Auch die Zusammenarbeit im Bereich Zertifizierung ist in Anbetracht der kanadischen Wasserstoff-Pläne relevant, die neben grünen auch blauen Wasserstoff umfassen.

Deutschland, die EU und Kanada sollten bestehende Projekte nutzen (beispielsweise im Rahmen der Wasserstoff-Allianz oder auch im Rahmen der Energiepartnerschaft) und neue Projekte aufbauen, um den bestehenden Austausch im Bereich Wasserstoff weiter zu vertiefen. Auch hier ist ein stetiger

Austausch zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wichtig, um sicherzustellen, dass die richtigen und notwendigen Projekte gefördert werden. Zudem ist es wichtig, dass auf beiden Seiten des Atlantiks die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder dass durch gezielte Förderungen oder Vereinfachungen entsprechende Anreize für Unternehmen geschaffen werden, an Projekten mitzuwirken.

In der deutschen Industrie wächst massiv die Sorge, dass der Wasserstoff-Markthochlauf nicht zügig genug vorangeht. Herausforderung sind nicht mangelnde Energiepartnerschaften, Austauschformate oder Ziele in den einzelnen Sektoren, sondern die viel zu langsame Umsetzung angekündigter staatlicher Maßnahmen und fehlende Anreize. Die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Einrichtung eines gemeinsamen H2-Global-Finanzierungsfensters ist zwar ein positives Signal, doch auch hier muss die Politik nun zeitnah in die Umsetzung kommen, wenn die selbstgesteckten Ziele nicht verfehlt werden sollen

Förderung grüner Technologien

Sowohl in Deutschland und der EU als auch in Kanada wird zunehmend über die Förderung grüner Technologien, die zur Erreichung der Klimaziele wichtig sind, diskutiert – insbesondere seit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act in den USA.

Auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es unterschiedliche Programme oder Gesetze, die beim Ausbau von Fertigungskapazitäten relevanter Schlüsseltechnologien unterstützen sollen. Ein Beispiel stellt in der EU der Net Zero Industry Act (NZIA) dar, der im März 2024 verabschiedet wurde. Der NZIA ist allerdings kein Subventionsprogramm und sieht daher keine neuen Fördermittel vor. Stattdessen liegt der Fokus vor allem auf der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Netto-Null-Technologien und der Reduzierung des Verwaltungsaufwands für entsprechende Projekte. Zudem sollen neue Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien in der öffentlichen Auftragsvergabe sowie bei Auktionen für erneuerbare Energien die Abhängigkeit von Importen solcher Technologien aus einzelnen Drittstaaten verringern. Obwohl der NZIA grundsätzlich einen positiven Ansatz verfolgt, bleibt er dennoch deutlich hinter den Erwartungen zurück und stellt keinen großen Durchbruch dar.

Die kanadische Regierung hat um Juni 2024 mit einem neuen Gesetz eine Reihe von Steuergutschriften für grüne Technologien (Clean Economy Investment Tax Credits, ITCs) geschaffen und folgt mit diesem Modell dem IRA In den folgenden vier Bereichen sollen mit den Steuergutschriften Investitionen angezogen und Innovationen unterstützt werden: saubere/grüne Technologien; Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (Carbon Capture, Utilization and Storage, CCUS); saubere Technologien für die Produktion; sauberer/grüner Wasserstoff. Bis 2034-35 sollen über diesen Steuergutschriften 93 Milliarden kanadische Dollar zur Verfügung gestellt werden.19 Für die genannten Bereiche sollten zudem Technologien zu Carbon Dioxide Removal (CDR) im Rahmen langfristig angelegter Forschungs- und Innovationsvorhaben berücksichtigt werden.

CDR, CCS und CCU gehören in Kanada zur strategischen Klimazielerreichung.20 Die Entnahme von CO2 ist nicht ortsgebunden. Kanada kann international, unter anderem wegen der großen

19 Government of Canada, Government of Canada Launches the First Clean Economy Investment Tax Credits <https://www.canada.ca/en/natural-resources-canada/news/2024/06/government-of-canada-launches-the-first-clean-economy-investment-tax-credits.html> (eingesehen am 01.08.2024).

20 Government of Canada, Canada’s Carbon Management Strategy <https://natural-resources.canada.ca/climate-change/canadas-green-future/capturing-the-opportunity-carbon-management-strategy-for-canada/canadas-carbon-management-strategy/25337#a3> (eingesehen am 23.10.2024).

Flächenverfügbarkeit, einem hohen Anteil an Wasserkraft und großen geologischen CO2-Speicherkapazitäten, eine wichtige Rolle im Bereich CDR, CCU und CCS einnehmen. Eine strategische Partnerschaft im Bereich CDR, CCS und CCU zwischen Deutschland und Kanada sollte angestrebt werden im Zuge der gemeinsamen industrienahen Forschung und Entwicklung, sowie der gemeinsamen Projektentwicklung zur CO2-Entnahme, Speicherung und Nutzung.

Da auf beiden Seiten des Atlantiks unterschiedliche Ansätze zu Förderung grüner Technologien verfolgt werden, ist es wichtig, dass die Effektivität der jeweiligen Ansätze regelmäßig evaluiert werden und beide Seiten einen Best-Practice-Austausch etablieren. Zudem sollten sich beide Seiten über geplante neue Vorhaben auf dem Laufenden halten, damit wo immer möglich Synergien geschaffen werden können. Hierfür könnte ein Bilateral Climate Panel mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dienen, das regelmäßig tagt.

Digitalisierung und Technologie

Digital- und Innovationspolitik Kanada

Kanada ist ein starker Innovationsstandort und für Deutschland ein wichtiger strategischer Partner für eine gemeinsame Digital- und Innovationspolitik. Nicht zuletzt im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind Kanadas Forschungszentren, insbesondere in Montreal und Toronto, wichtige und international anerkannte Akteure. Deutschland und Kanada pflegen seit über 50 Jahren eine erfolgreiche wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit.

Künstliche Intelligenz

Nicht erst seit ChatGPT nimmt Künstliche Intelligenz (KI) und deren Regulierung eine zentrale Rolle im öffentlichen Diskurs ein Mit dem europäischen Artificial Intelligence Act (AI Act) sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die vertrauensvolle Anwendung von KI gesteckt werden. Mit der Umsetzung der kanadischen Digitalen Charta 2022 soll das kanadische Datenschutzrecht gestärkt und neue Regeln für die verantwortungsvolle Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz eingeführt werden. Der kanadische AI and Data Act (AIDA) zielt darauf ab, Risiken und mögliche Diskriminierungen durch KI zu identifizieren und abzumildern. Insgesamt strebt der AIDA ebenso wie der AI Act danach, einen Rahmen zu schaffen, der sowohl die Risiken als auch die Chancen von KI in der industriellen Anwendung berücksichtigt. Hier sind Parallelen zum AI Act erkennbar, wenngleich beide Regelwerke ihre innovationsfördernden Elemente erst bei entsprechend gelungener Implementierung entfalten können Im Juni 2022 startete die kanadische Regierung ferner die zweite Phase ihrer KIStrategie (Pan-Canadian Artificial Intelligence Strategy), welche 443 Millionen kanadische Dollar Investitionen in KI vorsieht. Die kanadische Regierung hat zudem kürzlich eine Förderung in Höhe von 2,4 Milliarden kanadische Dollar durch ISED (Innovation, Science and Economic Development Canada) angekündigt, um die Entwicklung und Implementierung von Künstlicher Intelligenz (KI) voranzutreiben. Der Einsatz von KI-Systemen im industriellen Umfeld, die praxisorientierte Anwendung und Forschung von KI-Systemen in der Industrie sind ein wesentlicher Faktor zur Wettbewerbsfähigkeit europäischer und kanadischer Unternehmen. Sowohl Deutschland als auch Kanada investieren deshalb verstärkt in die KI-Forschung und -Entwicklung und haben 2020 eine Forschungspartnerschaft zum Thema innovative Lösungen im Bereich Industrie 4.0 durch den Einsatz der Künstlichen

Intelligenz ins Leben gerufen.21 Ziel der Bundesregierung sollte sein, die deutsch-kanadische Partnerschaft im Bereich KI weiter zu vertiefen Um dies zu erreichen, empfiehlt der BDI:

- Die deutsch-kanadische Forschungskooperation im Rahmen von KI muss weiter ausgebaut und verfestigt werden Ein Best-Practice Austausch mit Blick auf Bildung und Ausbildung von IT-Fachkräften insbesondere hinsichtlich Schlüssel- und Zukunftstechnologien könnte hier ein wichtiger Baustein sein. Vor allem der Bedarf an KI-Experten und Fachkräften aus dem Informatikbereich ist steigend und in Deutschland nicht gedeckt. Hier sollten sich Deutschland und Kanada intensiv in den Wissenstransfer begeben, um Best Practices bei sozialen, politischen und ökonomischen Willkommensbedingungen für ausländische Fachkräfte zu entwickeln.

- Ein gemeinsamer EU-US Politikrahmen für vertrauenswürdige KI-Anwendungen im Rahmen des EU-US Trade and Technology Council muss so ausgestaltet sein, dass er auch Kanada und andere internationale Partner mit an Bord nimmt. Der Hiroshima-Prozess der G7 hat dabei eine wichtige Grundlage geschaffen. Dabei sollte die KI-Terminologie einheitlich an bestehende internationale Definitionen, wie die der OECD, angeglichen werden Bürokratische Hürden müssen minimiert werden, damit innovationsorientierte KI-Anwendungen ermöglicht werden

- Da der Zugang zu Hochleistungsrecheninfrastruktur zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit von KI-Ökosystemen bestimmt, sollten Deutschland und Kanada enge Partnerschaften eingehen, bei denen der gemeinsame Zugang zu KI-Recheninfrastruktur für Forschung und Entwicklung angestrebt wird.

- Deutschland und Kanada sollten sich gemeinsam für die Förderung vertrauenswürdiger, menschenzentrierter KI unter Beachtung der Menschenrechte und Nachhaltigkeitsaspekte in internationalen Foren einsetzen. Neben den beeindruckenden jüngsten Erfolgen bei statistischen Verfahren wie ChatGPT sollten dabei auch explizite Repräsentationen wie etwa Wissensgraphen berücksichtig werden, um die Gesamteffizienz und Zuverlässigkeit von KI zu maximieren. Die umfangreichen Chancen, die etwa auch die Verbindung von KI und Robotik für Anwendungen in der fertigenden Industrie bieten, müssen hier im Vordergrund stehen.

Forschungskooperation mit Blick auf Zukunfts- und Schlüsseltechnologien sowie Fachkräfteaustausch vertiefen

Schon über 50 Jahre ist Kanada ein bedeutender Partner im Bereich der Forschung zu Zukunftstechnologien, unter anderem in den Bereichen der Digitalisierung, Künstliche Intelligenz in der Produktionstechnologie, Wasserstoffforschung oder Industrie 4.0. Beide Länder haben sich zum Ziel gesetzt, ihren wissenschaftlichen Nachwuchs umfassend zu fördern und ihm gemeinsam neue Perspektiven zu bieten. Diese Kooperation ist zu begrüßen und sollte weiter, unter anderem im Rahmen des gemeinsamen Eureka-Vorsitzes von Deutschland und Kanada 2025, vertieft werden:

- Um den steigenden Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften vor allem im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu decken, sollten gemeinsame

21 Bekanntmachung im Rahmen der Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung Richtlinie zur Förderung von Zuwendungen für Forschungsprojekte mit Kanada unter Beteiligung von Wissenschaft und Wirtschaft (2 + 3-Projekte) vom 04.06.2020

Forschungsinitiativen, der Wissensaustausch und die Mobilität von Talenten weiter gefördert werden Dies sollte auch in konkrete Maßnahmen, wie Praktika-Austausch, fließen.

- Der Best-Practice Austausch zur Verbesserung der Vermittlung digitaler Kompetenzen, ausgehend von der Grundschulbildung über die Berufs- oder Hochschulausbildung bis hin zur Weiterbildung der Beschäftigten, sollte vertieft werden

Cybersicherheit

Kanada erklärte Cybersicherheit mit Veröffentlichung ihrer nationalen Cybersicherheits-Strategie von 2018 zur Priorität und förderte diese mit über 500 Millionen kanadische Dollar bis 2023 Cybersicherheit ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, kanadische Unternehmen gaben im Durchschnitt 11,1 Prozent ihres IT- Budgets für Cybersicherheitsmaßnahmen aus.22 Im Jahr 2020 haben die kanadischen Cybersicherheitsunternehmen 2,4 Milliarden kanadische Dollar zum kanadischen BIP beigetragen.23 Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben sich Kanada und die Vereinigten Staaten Ende Mai 2023 darauf verständigt, gemeinsam einen identischen Zertifizierungsrahmen für Cybersicherheit für den Verteidigungsbereich zu schaffen. Infolgedessen fordert die deutsche Wirtschaft:

- Kanada und Europa sollten gemeinsam auf die gegenseitige Anerkennung von produktbezogenen Cybersicherheitszertifizierungen hinarbeiten. Idealerweise sollten beide eine vollständige Harmonisierung der Anforderungen und Strategien zur Cybersicherheit anstreben und sich möglichst auf eine Reihe international anerkannter Standards einigen und diese mit den jeweiligen Rechtsrahmen untermauern.

- Berichtpflichten bei Cyberangriffen sollten möglichst angeglichen werden, um doppelte Arbeit für Unternehmen zu vermindern. Sinnvoll wäre es, hier einen gemeinsamen Weg mit den USA zu finden.

- Ein rascher Informationsaustausch über neue Angriffs- und Bedrohungsvektoren ist für eine wirksame und rechtzeitige Reaktion auf neue Cyber-Bedrohungen von größter Bedeutung. Auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es diverse Plattformen für den Austausch von Informationen über Cyber-Vorfälle und Schwachstellen. Jedoch besteht hier bislang kein transatlantischer Austausch zwischen diesen Plattformen Dadurch entstehen Informationssilos, die eine schnelle Stärkung der Cyber-Resilienz von Unternehmen und Staaten behindern. Dies verschafft böswilligen Cyber-Akteuren einen erheblichen Vorteil. Die deutsche Wirtschaft fordert daher die Europäische Kommission, die kanadische und die US-Regierung auf, bis 2024 digitale Schnittstellen zwischen den bestehenden Plattformen für den Informationsaustausch einzurichten, um einen schnellen Informationsaustausch zwischen den nationalen Cybersicherheitsbehörden und Unternehmen zu ermöglichen

22 Made in CA, Cyber Crime Statistics in Canada, <https://madeinca.ca/cyber-crime-canada-statistics/> (eingesehen am 24.10.2024).

23 Government of Canada. 2022. State Of Canada’s Cybersecurity Industry, <https://ised-isde.canada.ca/site/aerospace-defence/en/state-canadas-cybersecurity-industry> (eingesehen am 24.10.2024).

Gesundheit

Projekte und Erfahrungen

Verschiedene Projekte und Kooperationen wurden bereits zwischen deutschen Unternehmen und kanadischen Partnern im Gesundheitssektor durchgeführt. Dazu gehören Initiativen wie die Einführung einer Distribution für medizinische Hygiene-Tastaturen und Mäuse, Messebeteiligungen auf internationalen Veranstaltungen wie der HIMSS und ipac sowie der Aufbau von Partnernetzwerken im Gesundheitswesen. Diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, den Marktzugang zu erleichtern und wertvolle Kontakte zu großen Kliniken und Verwaltungen in Kanada herzustellen.

Die bisherigen Erfolge werden positiv bewertet, insbesondere in Bezug auf die guten und offenen Kontakte sowie die konkreten Ergebnisse, die erzielt wurden. Herausforderungen liegen jedoch in den unterschiedlichen Zertifizierungsanforderungen, dem komplexen Marktzugang und den regulatorischen Hürden, die sich aus den Unterschieden in den Gesundheitssystemen und den nationalen Rechtsvorschriften ergeben.

Potenziale & Anregungen

Die vielversprechenden Bereiche für eine vertiefte Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zwischen Deutschland und Kanada umfassen Forschung und klinische Studien, 3R-Methoden in der medizinischen Forschung, Telemedizin und E-Health, Langzeitpflege und Alterung, Notfallvorsorge und Katastrophenmedizin, Abbau von Bürokratie sowie Prävention und Hygiene. Diese Bereiche bieten Potenzial für Innovation und gemeinsame Initiativen.

Gemeinsame Initiativen könnten in Bereichen wie der Erforschung von Infektionskrankheiten und Pandemien sowie der Förderung von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen sinnvoll sein. Die Stärkung bilateraler Partnerschaften zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden erfordert den Austausch von Expertise, die Förderung von Kooperationsprojekten, die Schaffung von Netzwerken, die Erleichterung von regulatorischen Prozessen, die Einrichtung gemeinsamer Innovationszentren und die Förderung von Talentmobilität. Darüber hinaus gibt es Chancen bei der gegenseitigen Absicherung sensibler Wertschöpfungsketten im Arzneimittel- und Medizintechnikmarkt. Hier sollte eruiert werden, inwiefern entsprechende Wertschöpfungsketten gegenseitig ergänzt oder dupliziert werden können, um ein höheres Resilienzniveau zu erreichen.

Herausforderungen

Regulatorische und rechtliche Hindernisse, wie Datenschutz, Arzneimittelzulassung und Medizinprodukte, Berufszulassung und Anerkennung sowie Patentrecht und geistiges Eigentum, könnten die Zusammenarbeit beeinträchtigen und erfordern sorgfältige Planung und Abstimmung.

Kanada hat 2019 das Medical Device Single Audit Program (MSDAP) eingeführt. Die Einhaltung und Registrierung dieses Verfahrens ist für Hersteller, die in Kanada verkaufen möchten, verpflichtend. Kanada ist der einzige Markt weltweit, der eine solche verpflichtende Anforderung hat, was in der Konsequenz eine Hürde für den Marktzugang, insbesondere für mittelständische Unternehmen, darstellt, da die Anwendung des MSDAP mit zusätzlichen Kosten für deutsche Hersteller einhergeht und es unattraktiv macht, Innovationen für den Markteintritt in Kanada zu priorisieren.

Ein Prozess, der die Qualitätssysteme für die Zulassung verbessern würde, zum Beispiel ein Verfahren, bei dem die MDSAP-Registrierung in den TÜV-Prozess integriert werden könnte, würde die Effizienz erheblich steigern und den Marktzugang für MedTech-Produkte in Kanada verbessern.

Impressum

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu

T: +49 30 2028-0

Lobbyregisternummer: R000534

Redaktion

Matthias Krämer Abteilungsleiter Außenwirtschaftspolitik

T: +49 30 2028-1562 m.kraemer@bdi.eu

Anna Kantrup Referentin Außenwirtschaftspolitik

T: +49 30 2028-1526 a.kantrup@bdi.eu

Alexander Boxler stellvertretender Geschäftsstellenleiter GHA - German Health Alliance

T: +49 30 2028-1484 a.boxler@gha.bdi.eu

Cedric von der Hellen Referent Außenwirtschaftspolitik

T: +49 30 2028-1602 c.hellen@bdi.eu

Polina Khubbeeva Referentin Digitalisierung und Innovation

T: +49 30 2028-1586 p.khubbeeva@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 2032

Anne Lauenroth stellvertretende Abteilungsleiterin Int. Zusammenarbeit, Sicherheit, Rohstoffe und Raumfahrt

T: +49 30 2028-1405 a.Lauenroth@bdi.eu

Claas Oehlmann Geschäftsführer | BDI-Initiative Circular Economy

T.: +49 30 2028-1606 c.oehlmann@ice.bdi.eu

Eberhard von Rottenburg

Stellvertretender Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik

T: +49 30 2028-1542 e.rottenburg@bdi.eu

Stefanie Stündel

Senior Manager Digitalisierung und Innovation

T: +32 27921015 s.stuendel@bdi.eu

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