Positionspapier
Außenwirtschaftspolitik/ Internationale Märkte
Erweiterung der staatlichen Eingriffsrechte für ausländische Direktinvestitionen Datum 11. Juli 2017 Seite 1 von 6
BDI-Position auf einen Blick:
Ausländische Investitionen sind in Deutschland willkommen. Sie schaffen Wohlstand und Arbeitsplätze.
Die gegenwärtig im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) verankerten Kontrollmechanismen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sind ausreichend. Eine Ausweitung der Kontrollmechanismen auf „ökonomische“ Kriterien lehnen wir ab, sie können einer protektionistischen Instrumentalisierung Tür und Tor öffnen. Die Transparenz und Verlässlichkeit des Prüfverfahrens sollte jedoch verbessert werden.
Bundesregierung und EU-Kommission müssen auf uneingeschränkten Marktzugang und faire Wettbewerbsbedingungen hinwirken. Sie müssen Staaten mit eingeschränktem Marktzugang zur Öffnung ihrer Märkte für den Handel und für Investoren bewegen. Zur Öffnung von Märkten für Investoren sind Handels- (FTA) und Investitionsschutz- und -förderverträge (IFV/BITs) ein geeignetes Mittel.
Eine generelle und wertende Unterscheidung staatlicher und privater Akteure bei ausländischen Direktinvestitionen ist in der Praxis mit großen Schwierigkeiten behaftet. Die Tatsache, dass eine Investition durch Subventionen begünstigt wird oder den wirtschaftspolitischen Zielen des Herkunftslands entspricht, ist kein Beleg für deren Schädlichkeit.
Das Gefahrenpotenzial „feindlicher Übernahmen“ durch ausländische Unternehmen muss gegenüber den hohen Gütern Eigentumsschutz und Vertragsfreiheit als Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft abgewogen werden.
Die Europäische Kommission sollte zunächst in einem Monitoring-Prozess verlässliche Daten über Auslandsinvestitionen, die in die EU kommen, gewinnen. Dieses Monitoring könnte in einen Evaluations- und Review-Prozess münden, der bei der Feststellung von Fehlentwicklungen mögliche adäquate politische Maßnahmen identifiziert. Eine Ausweitung der Prüfkriterien für staatliche Eingriffsrechte sollte als Gegenmaßnahme nur als allerletztes Mittel in Erwägung gezogen werden.
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Hintergrund In den letzten Jahren stieg die Anzahl von Übernahmen deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren aus Schwellenländern, insbesondere aus China, deutlich an. Dieser Übernahmen fanden teilweise großes mediales Interesse (u.a. Kuka und Aixtron). Die Bestände etwa chinesischer Direktinvestitionen in Deutschland und Europa liegen noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Momentan kommen nur 0,5 Prozent der ausländischen Investitionsbestände in Deutschland aus China. Die deutschen Bestände in China überschreiten diese Investitionen in Deutschland um das 31-fache.1 Doch die Zuwachsraten der chinesischen Investitionen in Deutschland waren in den letzten Jahren beträchtlich (2014: 26,1 Prozent gegenüber 2013, 2015: 39,7 Prozent gegenüber 2014).2 Und die „Made in China 2025“Strategie der chinesischen Regierung lässt erwarten, dass strategisch motivierte Auslandsinvestitionen aus China zunehmen werden.
Investitionsbestände (Mrd. Euro) Anzahl der beteiligten Unternehmen Beschäftigte (Tsd.) Auslandsumsatz (Mrd. Euro)
Warenhandel (Mrd. Euro)
Direktinvestitionen* Deutsche Investitionen in China 69,6
Chinesische Investitionen in Deutschland 2,2
2.044
101
701 262,0
12 3,8
Außenhandel** Deutsche Ausfuhren nach China 76,0
Chinesische Ausfuhren nach Deutschland 93,8
* Deutsche Bundesbank, Bestandserhebungen über Direktinvestitionen. Statistische Sonderveröffentlichung 10, <http://g8fip1kplyr33r3krz5b97d1.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2017/03/2017-03-20-DraftUnion-Act-on-Foreign-Investment.pdf> (eingesehen am 16.05.2017). ** Statistisches Bundesamt, Außenhandel. Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland, <https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Aussenhandel/Tabellen/RangfolgeHandelsp artner.pdf?__blob=publicationFile> (eingesehen am 16.05.2017).
Die Zunahme der chinesischen Investitionen befeuerte die politische Diskussion darüber, ob die derzeitigen staatlichen Eingriffsmöglichkeiten bei Aktivitäten ausländischer Investoren in Deutschland ausreichend sind. Das deutsche und das europäische Recht eröffnen schon heute Möglichkeiten zum Umgang mit möglicherweise schädlichen Investitionen. Im Rahmen einer sektorspezifischen Prüfung (§ 5 Absatz 3 AWG in Verbindung mit §§ 60ff AWV) kann der Staat etwa bei Investitionen im Bereich Kriegswaffen eingreifen. Außerdem erlaubt das Außenwirtschaftsrecht (§§ 4 Abs. 1 Ziffer 4 AWG i.V.m § 55 ff. AWV) der Bundesregierung Verbote beziehungswei1
Die Zahlen zu ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland und Europa können sich je nach Institution und Erhebungsmethode stark unterscheiden. Die amtlichen Zahlen der Bundesbank spiegeln aktuelle Trends oft nicht hinreichend wider, da sie mit einer Verzögerung von über zwei Jahren erscheinen. Den Zahlen einer Studie von MERICS und der Rhodium Group zufolge betrugen die Bestände chinesischer Direktinvestitionen in Deutschland 2016 etwa 18,8 Milliarden Euro. MERICS/Rhodium Group, <https://www.merics.org/ueber-uns/merics-analysen/papers-on-china/cofdi/cofdi2017/>, MERICS Papers on China: Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa (eingesehen am 30.03.2017). 2 Deutsche Bundesbank, Bestandserhebungen über Direktinvestitionen. Statistische Sonderveröffentlichung 10, <http://g8fip1kplyr33r3krz5b97d1.wpengine.netdna-cdn.com/wpcontent/uploads/2017/03/2017-03-20-Draft-Union-Act-on-Foreign-Investment.pdf> (eingesehen am 16.05.2017).
se Beschränkungen von Beteiligung an deutschen Unternehmen durch unions-fremde Investoren, wenn infolge des Erwerbs die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sein könnten. Dies setzt voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 5 Abs. 2 S. 2 AWG). Dabei muss die Bundesregierung innerhalb von drei Monaten nach der Übernahme eine Entscheidung treffen. Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Geschäftspartner in der Anbahnungsphase der Investition vom Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 58 AWV) einholen können. Dadurch können Reputationsschäden der beteiligten Unternehmen vermieden werden. Konkret gab es in der Folge der Zunahme chinesischer Investitionen in Deutschland sowohl auf Länder-, auf Bundes- als auch auf EU-Ebene Vorstöße, die staatlichen Eingriffsrechte auszuweiten:
Im Oktober 2016 wurde ein internes Papier des BMWi mit dem Titel „Eckpunkte für einen Vorschlag zur Investitionsprüfung auf EUEbene“ bekannt. In dem Papier schlägt das Ministerium vor, dass die EU die Mitgliedsstaaten dazu ermächtigen soll, Investitionen durch unionsfremde Investoren untersagen zu können.
Am 31. Januar 2017 brachte der Freistaat Bayern einen Antrag in den Bundesrat ein, der die gleiche politische Stoßrichtung hat und darauf abzielt, die staatliche Einflussnahme auf ausländische Direktinvestitionen in Deutschland auszuweiten.
Im Februar 2017 wandten sich die drei EU-Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien in einem Brief an EUHandelskommissarin Malmström mit der Bitte, politische Maßnahmen zu ergreifen, um für mehr Reziprozität bei ausländischen Direktinvestitionen und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gegenüber Drittstaaten zu sorgen.
Im März 2017 forderten Abgeordnete der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament in einem Antrag die Europäische Kommission auf, strengere Regeln für den Kauf europäischer Unternehmen durch ausländische Investoren zu erlassen.3
Die Befürworter einer verschärften staatlichen Investitionskontrolle sehen zum einen die Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit der deutschen bzw. europäischen Wirtschaft durch strategische und oft staatlich geförderte Investitionen aus dem Ausland in Spitzentechnologieanbieter gefährdet. Es besteht die Befürchtung, dass ausländische Direktinvestitionen aus Ländern mit einer stark ausgeprägten industriepolitischen Agenda zu einem unkontrollierten Abfluss von Technologie und Arbeitsplätzen führen könnten. Zum anderen wollen sie andere Staaten durch die Stärkung der eigenen Eingriffsrechte zur stärkeren Öffnung ihrer Märkte bewegen (Reziprozität).
3
Proposal for a union act on the Screening of Foreign Investment in Strategic Sectors vom 20. März 2017, <http://g8fip1kplyr33r3krz5b97d1.wpengine.netdna-cdn.com/wpcontent/uploads/2017/03/2017-03-20-Draft-Union-Act-on-Foreign-Investment.pdf> (eingesehen am 16. Mai 2017).
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Auch in Teilen der Industrie nimmt die Sorge vor ungleichen Wettbewerbsbedingungen zu. Allerdings geben die bisherigen Erfahrungen mit Auslandsinvestitionen in Deutschland dazu bisher wenig Anlass. Die bis heute vorliegenden statistischen Daten über chinesische Investitionen in Deutschland lassen nicht erkennen, dass die Sorgen vor einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und Technologieabfluss gerechtfertigt sind. Vielmehr ist die Offenheit Deutschlands und Europas ein wichtiger Erfolgsfaktor der deutschen Industrie. Außerdem sollte die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Verfechter offener und freier Märkte nicht durch politische Maßnahmen gefährdet werden, die als protektionistisch interpretiert werden könnten. Denn im Kampf gegen Protektionismus, der für den Erfolg der deutschen Wirtschaft eine hohe Bedeutung hat, ist diese Glaubwürdigkeit von zentraler Bedeutung. Dies haben sowohl der BDI als auch die Bundesregierung im Rahmen des B20/G20 Prozesses zuletzt besonders unterstrichen.
BDI-Position
Ausländische Investitionen in Deutschland sind willkommen. Sie schaffen Wohlstand und Arbeitsplätze am Standort Deutschland. Auch ausländische Investoren müssen sich an die hier geltenden Regeln halten. Die Förderung freier Wettbewerbsbedingungen sollte durch bilaterale Verhandlungen und nicht durch einseitige Beschränkungen des Zugangs zur EU erfolgen. Es ist genau abzuwägen, ob eine Ausweitung der Eingriffsrechte des Staates in Unternehmensübernahmen zu rechtfertigen ist. Eine Veränderung der politischen Regeln hierzu bedarf einer ergebnisoffenen Analyse auf Grundlage einer gesicherten Datenbasis.
Die gegenwärtig im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) verankerten Kontrollmechanismen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sind ausreichend. Der Schutz der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit ist ein weltweit akzeptiertes Motiv für staatliche Eingriffsrechte. Darüber hinaus verhindern die allgemeinen Gesetze zur Regulierung der Wirtschaft (z.B. Gesetze gegen Wettbewerbsbeschränkung oder gegen unlauteren Wettbewerb) negative Auswirkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Außerdem verhindern die Regelungen zur Exportkontrolle Technologieexporte, die für die nationale Sicherheit Deutschlands gefährlich werden könnten.
Eine grundsätzliche Ausweitung des Eingriffskriteriums „Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ in AWG und AWV auf ökonomische Prüfkriterien, die gegebenenfalls industrie- oder technologiepolitisch motiviert sind, kann einer protektionistischen Instrumentalisierung Tür und Tor öffnen. Solche Kriterien sind schwer definierbar und dürften kaum praxistauglich sein. Wenn überhaupt dürften sie sich nur auf solche Fälle beziehen, in denen eine erhebliche Marktverzerrung im Inland infolge einer offensichtlich staatlichen Unterstützung auf Seiten des ausländischen Investors zu erwarten ist.
Die Transparenz und Verlässlichkeit des Prüfverfahrens sollte verbessert werden. Eine transparentere und präzisere Definition dessen, was unter „nationaler Sicherheit und Ordnung“ im Kontext ausländischer Direktinvestitionen zu verstehen ist, kann die Rechtsicherheit für Inves-
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toren erhöhen und dadurch für den Standort Deutschland förderlich sein.4 Einer Modernisierung von Prüfverfahren darf dabei nicht mit höheren Bürokratielasten für die Unternehmen einhergehen. Eine Ausweitung der zu prüfenden Wirtschaftsbereiche muss sich strikt am Schutz der nationalen Sicherheit und Ordnung orientieren.
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Eine generelle und wertende Unterscheidung staatlicher und privater Akteure bei ausländischen Direktinvestitionen ist in der Praxis mit großen Schwierigkeiten behaftet.5 Die Tatsache, dass eine Investition durch Subventionen begünstigt oder den wirtschaftspolitischen Zielen des Herkunftslands entspricht, ist kein Beleg für die Schädlichkeit für die eigene Volkswirtschaft. Gleichzeitig sollten sich Bundesregierung und EU-Kommission dafür einsetzen, dass staatliche Subventionen oder andere unterstützende Maßnahmen den Wettbewerb möglichst nicht verzerren sollten.
Der BDI begrüßt politische Initiativen zum Abbau von Investitionsbeschränkungen, zur Bekämpfung von Protektionismus und zur Beseitigung von Beschränkungen im öffentlichen Beschaffungswesen auf den Auslandsmärkten der deutschen Industrie. Bundesregierung und EUKommission müssen darauf hinwirken, Staaten mit eingeschränktem Marktzugang zur Öffnung von Märkten zu bewegen. Das gilt insbesondere angesichts des weltweit zunehmenden Protektionismus. Das Androhen der Einführung von Marktzugangsbeschränkungen für ausländische Investitionen („Reziprozität“) dürfte jedoch kaum geeignet sein, solche Staaten zur Marktöffnung zu bewegen. Zur Öffnung von Auslandsmärkten für Investoren sind Investitionsschutz- und – förderverträge (IFV/BITs) FTAs geeignete Mittel.
Die Gefahr „feindlicher Übernahmen“ durch ausländische Unternehmen ist in der deutschen Industrie bisher gering. Rund 95 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind in Familienhand und können nicht gegen den Willen der Eigentümer übernommen werden. Die Entscheidung von Eigentümern, an wen sie ihre Unternehmensanteile verkaufen, sollte nicht weiter als bisher eingeschränkt werden. Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit als Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland sind zu gewährleisten und zu stärken. Der BDI lehnt politisch motivierte Entscheidungen darüber, welche Investitionen aus dem Ausland für den Standort Deutschland positiv oder negativ sind, ab.
Die Europäische Kommission sollte zunächst in einem MonitoringProzess verlässliche Daten über das Investitionsgeschehen in Europa gewinnen (Ströme, Finanzierung, Verhalten der Investoren nach der Übernahme, Staatsnähe von Investoren etc.).6 Dieses Monitoring sollte
99,7 Prozent der Investitionsprüfungen in Deutschland wurden nicht von der Bundesregierung, sondern von den – teilweise verunsicherten – Investoren selbst initiiert. Besonders sicherheitssensible Bereiche, wie etwa Kryptotechnologie oder Netzbetrieb (Telekommunikation, Strom, Gas) könnten ggf. als genehmigungspflichtige Branchen genannt werden. 5 Staatsfonds gibt es in zahlreichen Ländern, z.B. in China, Kuweit, Katar, Norwegen oder Singapur. 6 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, die bereits im TRIMs (Trade Related Investment Measures) Abkommen festgehaltenen Grundsätze (z.B. im Bereich von erzwungenem Technologietransfer) innerhalb der WTO zu stärken. Beim Monitoring könnte dabei darauf zurückgegriffen werden, dass bereits heute Informationen z.B. über Technologielizenzverträge von Unternehmen gegenüber Drittstaaten offengelegt werden müssen.
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in einen ergebnisoffenen Evaluations- und Review-Prozess münden, der bei der Feststellung von Fehlentwicklungen mögliche adäquate politische Maßnahmen identifiziert. Das Monitoring könnte eine disziplinierende Wirkung entfalten. Kriterien für Fehlverhalten und entwicklungen müssten präzise definiert werden (z.B. „Marktverzerrung“, „staatliche Unterstützung ausländischer Investoren“), um Willkür und Unsicherheit zu begrenzen. Das Monitoring sollte ohne zusätzliche Berichtspflichten der Unternehmen erfolgen. Eine Ausweitung der Prüfkriterien für staatliche Eingriffsrechte sollte als Gegenmaßnahme nur als allerletztes Mittel in Erwägung gezogen werden.
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