Position
„Synthetische Kraftstoffe Rahmenbedingungen für Forschung und Markteinführung“
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: 05.12.2017
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Inhaltsverzeichnis
Wichtigste Punkte vorab ................................................................ 3 1. Mit erneuerbarer Energie zu synthetischen Kraftstoffen und so einen Beitrag für Energiewende und Klimaschutz leisten ..... 4 2. Anwendungsbereiche von synthetischen Kraftstoffen .......... 5 3. Chance für die deutsche Exportwirtschaft............................... 6 4. Rahmenbedingungen für PtX-Schlüsseltechnologie schaffen .....................................................................................................8 5. Bestehende rechtliche Regelungen und Normen nicht vergessen ...................................................................................... 10 6. Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung ........ 12 Über den BDI.................................................................................. 13 Impressum ..................................................................................... 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Wichtigste Punkte vorab -
Die Energiewende ist bisher eine Stromwende. Mit Blick auf die sehr ambitionierten deutschen und europäischen Klimaziele bedarf es eines breiten Technologiemixes, um gleichberechtigt die notwendige Reduktion der Treibhausgase zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu stärken. Synthetische Kraft- und Brennstoffe werden gerade in Bereichen, wie Schwerlastverkehr, Luft- und Seefahrt, sowie im Industriebereich benötigt werden. Damit sie jedoch bald großtechnisch verfügbar sind, muss die Politik heute die richtigen Weichen stellen.
-
Die derzeitigen Steuern und Abgaben im Energiebereich belasten vor allem den Strompreis, so dass zunehmend aus erneuerbaren Energien gewonnener Strom als Input für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen zu teuer ist. Die neue Bundesregierung ist aufgefordert, das Steuer- und Abgabensystem auch mit Blick auf die Sektorkopplung zu reformieren, ohne dass dabei die mit Blick auf die internationalen Energie- und Strompreise dringend benötigten Ausnahmeregelungen der Industrie in ihrer Wirksamkeit verringert werden.
-
Die Energiewende insgesamt und die Einführung von wettbewerbsfähigen synthetischen Kraftstoffen gelingt nur mit größeren Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen. Insgesamt sollten Forschungsaktivitäten neben der Verbesserung von Schlüsseltechnologien insbesondere die Senkung der Herstellungskosten aus dem Gesamtprozess sowie die Steigerung der Energieeffizienz der Verfahren im Blick haben. Für den Erfolg synthetischer Kraftstoffe, der für das Erreichen der globalen Klimaziele ein grundlegendes Element darstellt, werden auch die Kosten dieser Produkte und der Energieeinsatz mitentscheidend sein.
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Mitgliedsverband BUSINESSEUROPE Hausanschrift Breite Straße 29 10178 Berlin Postanschrift 11053 Berlin Ansprechpartner Philipp Nießen T: +493020281487 Internet www.bdi.eu E-Mail P.Niessen@bdi.eu
www.bdi.eu
Seite 3 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
1. Mit erneuerbarer Energie zu synthetischen Kraftstoffen und so einen Beitrag für Energiewende und Klimaschutz leisten Die Europäische Union und Deutschland haben sich ambitionierte Energieund Klimaziele gesetzt. Demnach sollen in Deutschland die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis zum Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 1990 reduziert werden. Auf EU-Ebene gibt es immerhin die über das Jahr 2030 hinausgehende „Energy Roadmap“, die sich ebenfalls an diesen Zielmarken orientiert. Klar ist, dass alle Sektoren ihre Anstrengungen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, verstärken müssen. Eine Reduktion von 95 Prozent würde für viele Bereiche der Wirtschaft bedeuten, dass sie bis 2050 nahezu treibausgasneutral werden müssen. Eine wichtige Rolle können biobasierte Kohlenwasserstoffe spielen, wenn die Produktion nachhaltig und nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion erfolgt. Biotechnologische Verfahren können dazu beitragen, das Biomasse-Potenzial, beispielsweise bei Bioethanol oder Biomethan, zu erhöhen. Angesichts der Größenordnung der klimapolitischen Herausforderung misst der BDI perspektivisch jedoch verstärkt erneuerbar erzeugten synthetischen Kraftstoffen eine große Bedeutung zu. Die Sektorenkopplung auf Basis dieser synthetisch erzeugten Kraftstoffe kann zur Erreichung der Klimaziele einen wesentlichen Beitrag leisten und damit Schlüsseltechnologie für die Zukunft werden. Durch die Vernetzung des Stromsektors mit anderen Sektoren könnte Strom aus erneuerbaren Energien mittel- und langfristig, d. h. bis 2050, fossile Energieträger ersetzen. Unter dem Begriff „synthetische Kraftstoffe“ versteht dieses Positionspapier in Folge CO2-neutrale flüssige oder gasförmige Energieträger. Die Definition umfasst Kraft- und Brennstoffe („E-Fuels“), sowie Rohstoffe (Feedstock). Vereinfacht ausgedrückt wird dabei Wasserstoff aus erneuerbarer Stromerzeugung mit Kohlendioxid, z. B. aus der Luft, zu einem treibhausgasneutralen Kohlenwasserstoff zusammengesetzt. Gemeinhin haben sich für diese Verfahren die Begriffe Power-to-X (PtX), Power-toLiquid (PtL) oder Power-to-Gas (PtG) durchgesetzt. Schlüsseltechnologien für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe sind die Wasser-Elektrolyse zur Erzeugung von Wasserstoff, die Abscheidung von CO2 aus konzentrierten Quellen und in wachsendem Ausmaß wegen der langfristig erforderlichen Treibhausgasneutralität die CO2-Abscheidungen aus der Atmosphäre. Erste Anlagen zur Gewinnung von CO2 aus der Umgebungsluft sind im Einsatz. Hier wird aber noch erheblicher Forschungsbedarf gesehen, um die Verfahren effizienter, günstiger und damit wirtschaftlich zu gestalten. Die erforderlichen, nachgeschalteten Synthesen wie das Fischer-TropschVerfahren oder die Methanol-Synthese sind dagegen bereits seit vielen Jahren großtechnisch im Einsatz. Der Lesbarkeit wegen wird in Folge jedoch meist die Bezeichnung „synthetische Kraftstoffe“ oder „synthetische Brennstoffe“ verwendet.
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält es für realistisch, dass die entsprechenden Industriebranchen bei geeigneten Rahmenbedingungen eine Vielfalt synthetischer Kraftstoffe entwickeln können. Es ist notwendig, alternative Technologiepfade offen zu halten, zu erforschen und zu entwickeln, da eine abschließende Beurteilung der langfristigen Marktfähigkeit heute schwer möglich ist. Technologievielfalt bzw. -offenheit ist für eine kosteneffiziente Energiewende und den Klimaschutz unabdingbar. Der Verbraucher muss auch angesichts der ambitionierten Klimaziele die Möglichkeit haben, individuelle und auf den Anwendungsfall zugeschnittene Lösungen zu wählen. Gleichzeitig können bei Einführung synthetischer Kraftstoffe vorhandene Infrastrukturen grundsätzlich weiter genutzt werden. Angedachte Nutzungseinschränkungen oder gar Verbote einzelner Technologien, wie z. B. ein Verbot von Verbrennungsmotoren, sind daher kontraproduktiv. Der BDI möchte rechtliche und politische Herausforderungen aufzeigen, die von der Bundesregierung frühzeitig angegangen werden müssen, damit sich künftig tragfähige Geschäftsmodelle zur Entwicklung und Nutzung synthetischer Kraftstoffe entwickeln.
2. Anwendungsbereiche von synthetischen Kraftstoffen Synthetische Kraftstoffe könnten in mehreren Bereichen effizient eingesetzt werden. Für den Verkehrssektor stellen einerseits die direkte Elektrifizierung (z. B. Elektrofahrzeuge) und andererseits synthetische Kraftstoffe Optionen zur treibhausgasneutralen Energieversorgung und –speicherung dar. Insbesondere in den unvermindert stark wachsenden Verkehrssegmenten Güterverkehr mit LKW, Schifffahrt und Luftfahrt ist aus wirtschaftlicher, aber auch aus technologischer Sicht eine direkte Elektrifizierungsstrategie mittel- und langfristig nicht oder allenfalls in begrenztem Umfang realisierbar. Auch im Individualverkehr auf der Straße, gerade außerhalb der urbanen Zentren, könnten sich synthetische Kraftstoffe entwickeln. In Plug-InHybrid-Systemen können Technologien kombiniert werden. Zudem können in der Übergangszeit die den konventionellen Kraftstoffen zurechenbaren Treibhausgasemissionen bereits kurzfristig durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen erheblich reduziert werden. Neben dem Verkehrssektor gibt es auch für die Wärmeerzeugung im Industrie- und Gebäudebereich langfristig Anwendungen, in denen eine alleinige direkte Elektrifizierung nicht zielführend ist. Auch hier könnten gerade die heute im Hochtemperaturbereich eingesetzten konventionellen www.bdi.eu
Seite 5 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Brennstoffe in Abhängigkeit von technologischer Reife und Marktfähigkeit mittel- bis langfristig durch synthetische Kraftstoffe ergänzt werden. Bislang werden darüber hinaus ca. 20 Prozent der flüssigen Kohlenwasserstoffe und rund die Hälfte des deutschen Erdgasverbrauchs nicht energetisch genutzt, sondern z. B. als Rohstoff in der Industrie, vor allem in der Chemie, eingesetzt. Auch in diesem Marktsegment können synthetische Brennstoffe eine alternative Rohstoff-Basis werden, so sie die prozesstechnisch gegebenen Anforderungen, z. B. im Bereich Gasqualität, erfüllen. Schlussendlich kann diese Form der indirekten Elektrifizierung mithilfe von synthetischen Kraftstoffen im Vergleich zu einem „all-electric“ Szenario trotz schlechterer Wirkungsgrade volkswirtschaftlich kosteneffizient sein, da synthetische Kraftstoffe die Weiternutzung bereits existierender Infrastrukturen erlauben. Gerade der bis heute real erfolgte, mangelhafte Ausbau der Stromnetze in Deutschland veranschaulicht deutlich, dass ein geringerer Bedarf an Infrastruktur ein Argument für synthetische Kraftstoffe ist. Zudem kann die Bestandsflotte nur unter Verwendung CO2-neutraler Kraftstoffe an der Klimawende partizipieren. Im „all-electric“ Szenario wäre eine vorab lang andauernde Phase der Bestandserneuerung eine Voraussetzung für das Erreichen der Klimaschutzziele.
3. Chance für die deutsche Exportwirtschaft Eine erfolgreiche Energie- und Klimapolitik in Deutschland und in Europa darf sich nicht allein an der spezifischen Umsetzung der Energie- und Klimaziele in Deutschland und den hier politisch präferierten Technologien messen. Um eine Wirkung auf das Weltklima zu erzielen, müssen die Technologien auch global akzeptiert und angewendet werden. Der wesentliche „Rohstoff“ und der Kostenfaktor für die Erzeugung synthetischer Kraftstoffe ist erneuerbarer Strom. Es werden ca. 2 kWh elektrischer Energie benötigt zur Herstellung eines PtX-Brennstoffes mit einem Energiegehalt von 1 kWh. Nach heutigem Stand der Technik sollten großtechnische Anlagen zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe zudem möglichst rund um die Uhr betrieben werden. Sie sind daher auf eine kontinuierliche Stromversorgung angewiesen. Insofern ist allein eine hohe Kapazität für Stromerzeugung nicht ausreichend, weitere Infrastruktur zur Verstetigung der Strombereitstellung aus Erneuerbaren (Speicher, BackupKraftwerke) wären jedoch ebenfalls notwendig.
www.bdi.eu
Seite 6 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Es ist daher unstrittig, dass die Herstellung mit Produktionskapazitäten in der Größenordnung von einigen Millionen Jahrestonnen je Anlagenkomplex daher vorzugsweise an Standorten entstehen sollte, an denen in großen Mengen stetiger Strom zur Verfügung steht und langfristig niedrige Stromgestehungskosten realisiert werden können. Sonnen- und/oder windreiche Regionen bieten sich an. Flächenrestriktionen in Deutschland stehen voraussichtlich einer breiten Produktion von synthetischen Kraftstoffen für Verkehr, Industrie und Gebäude entgegen. Handelspolitische Autarkiebestrebungen im Rahmen der Energiewende hält der BDI auch in diesem Fall nicht für sinnvoll. PtX-Großanlagen bieten auch für zahlreiche Länder mit höherem Potenzial für erneuerbare Energien, darunter die derzeit Erdöl und Gas exportierenden Länder, eine Perspektive. Der Import synthetischer Kraftstoffe kann dann vergleichbar erfolgen wie der Import von Rohöl, Ölprodukten oder Erdgas heute. Ein schrittweiser Ersatz von konventionellem Rohöl durch erneuerbares synthetisches Rohöl ermöglicht eine kontinuierliche Reduzierung der CO2-Emissionen, ohne dass in der Anwendung neue Infrastrukturen benötigt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Produktion von synthetischen Kraftstoffen tatsächlich CO2-neutral erfolgt. Für kleinere Anlagen könnte sich in Deutschland ein Business Case an jenen Standorten ergeben, die den Rohstoff CO2 kostengünstig zur Verfügung stellen können. Dies kann im Verbund mit Industrieanlagen, wie auch mit fossil-gefeuerten Kraftwerken, die auch aus Gründen der Versorgungssicherheit noch lange benötigt werden, geschehen. Geschäftsmodelle auf Basis von temporären Stromüberangeboten sollten sich aber nicht dauerhaft etablieren, da das Strommarktdesign der Zukunft diesen systemeffizient bestenfalls vermeidet. Vielmehr müssen sich die Nachfragen aus den Sektoren Verkehr, Gebäude sowie Industrie auf der einen Seite und erneuerbarer Stromerzeugung auf der anderen synchronisieren. Unternehmen aus Deutschland gehören weltweit zu den Marktführern bei Technologien und Komponenten für PtX-Anlagen. Zu nennen sind hier z. B. der Anlagenbau (Elektrolyse, Synthesen) und der Chemiesektor als Zulieferer wesentlicher Komponenten (Membrane, Katalysatoren, Absorber etc.). Deutsche Technologieanbieter stehen jedoch schon heute im Wettbewerb mit Nordamerika und Asien um die Rolle des Leitanbieters klimafreundlicher Technologien. Nur mit innovativen technologischen Lösungen, die sich auf dem Weltmarkt behaupten, können deutsche und europäische Hersteller langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Technologieoffene Rahmenbedingungen und Forschungsförderung in Europa und in Deutschland leisten daher einen wichtigen Beitrag für die Weiterentwicklung des deutschen Geschäftsmodells von -
Import von (erneuerbarer) Energie und Rohstoffen Export von Maschinen und Anlagen (Technologien).
www.bdi.eu
Seite 7 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
4. Rahmenbedingungen für PtX-Schlüsseltechnologie schaffen In den nächsten Jahren wird es darauf ankommen, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, so dass erste Großanlagen zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe gebaut werden und in Betrieb gehen können. Nur so kann es gelingen, dass schrittweise die Effizienz der Gesamtprozesse gesteigert und die spezifischen Investitionskosten durch Durchlaufen der Lernkurve gesenkt werden können. Da für den Aufbau entsprechender Produktionsanlage mittel- bis langfristig sehr große Investitionen erforderlich sein werden, ist Planungssicherheit für Investoren eine unabdingbare Voraussetzung. Es gilt, klassische Antriebstechnologien und Kraftstoffe weiter zu optimieren und damit zugleich das Vertrauen der Konsumenten zu erhalten. Ein Verbot würde laufende Forschungen und damit Innovationen ausbremsen. Zudem würde es globale Verkehrsrealitäten vollkommen ausblenden. Die deutsche Industrie muss sich letztlich am Weltmarkt orientieren. Das Ziel müssen Rahmenbedingungen sein, in dem sich die zukunftsweisenden und vielversprechenden Technologien in einem fairen Wettbewerb durchsetzen können. Da es sich bei PtX Projekten um langfristige Infrastrukturprojekte handelt, muss nationale und europäische Politik unabhängig von Legislaturperioden ein „Level Playing Field“ schaffen, und nicht ausschließlich in Richtung einer direkten Elektrifizierung arbeiten. Da der Aufbau von Produktionskapazitäten eine „no-regret“-Maßnahme ist, kommt es zunächst nicht darauf an, in welchen Sektoren diese Produkte verwendet werden. Es gilt in allen Sektoren den Zugang zu dieser Technologie durch diskrimminierungsfreie Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Auf diese Weise können Skaleneffekte erzielt werden, die den Markthochlauf synthetischer Kraftstoffe befördern. Dies trägt dazu bei, dass schlussendlich auch synthetische Kraftstoffe für jene Anwendungen zur Verfügung stehen, für die es absehbar keine andere Alternative gibt (wie bspw. die Luft- und die Hochseeschifffahrt). Beispielsweise könnte der PKW-Individualverkehr ob der geringeren Preissensitivität vieler Kunden vor dem Hintergrund bestehender europäischer Regelungen genutzt werden, um diesen Markthochlauf von PtX zu befördern. Dies könnte umgesetzt werden z. B. durch: -
Überprüfung der derzeitigen Finanzierung der staatlich veranlassten Strompreiskomponenten. Derzeit steht vor allem die hohe Belastung des Strompreises mit Umlagen und Abgaben einem wirtschaftlichen PtX-Einsatz im Weg. Im Zuge der Energiewende machen Steuern und Abgaben derzeit rund 50 Prozent des Industriestrompreises aus.
www.bdi.eu
Seite 8 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Der BDI fordert daher eine Überprüfung der derzeitigen Finanzierung der staatlich veranlassten Lasten beim Strompreis. -
Anrechenbarkeit von Elektrolysewasserstoff auf den Mindestanteil alternativer Energiequellen bei Kraftstoffen im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED): Da der Kostensenkung der Elektrolyse als Schlüsseltechnologie eine wichtige Rolle zukommt, kann im ersten Schritt die Anrechenbarkeit von grünem Wasserstoff - als Ersatz von fossilem, meist erdgasbasiertem Wasserstoff - im Herstellungsprozess von Kraftstoffen in Raffinerien entsprechend der damit verbundenen Treibhausgasreduzierung auf die Verpflichtungen der Kraftstofflieferanten beim Mindestanteil alternativer Energiequellen einen wichtigen Impuls setzen.
-
Anrechenbarkeit von PtX-Kraftstoffen im Rahmen der ErneuerbareEnergien-Richtlinie: In den vorliegenden Entwürfen zur Überarbeitung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie ist die Anerkennung vorgesehen, allerdings reicht der dort genannte Zeitraum bis 2030 nicht aus, um entsprechende Investitionen auszulösen. Impulse könnten durch die bevorzugte Förderung von Ptx-Kraftstoffen im Rahmen der indikativen Quoten entstehen.
-
Anrechnung CO2-neutraler Kraftstoffe auf den Flottenemissionswert ermöglichen: Die Flottengrenzwertregulierung CO2 post 2020 bietet die Chance, Hochlauf und Verbreitung synthetischer Kraftstoffe zu beflügeln. Geeignete Anreize motivieren Einsatz und Verbreitung synthetischer Kraftstoffe, steigern deren absolute Mengen und sorgen für eine schnellere Verbreitung über die vorhandenen Infrastrukturen, wie oben dargestellt. Entsprechend gilt es, den Einsatz CO2-neutraler Ersatzkraftstoffe durch die Anrechnung ihrer TreibhausgasMinderungen auf den Flottendurchschnittswert der Neuwagen zu fördern. Beim Einsatz von synthetischen Kraftstoffen, deren Menge und nachhaltige THG-Minderung zweifelsfrei nachweisbar sind, sollte der Hersteller eine CO2-Gutschrift für die mit diesen Kraftstoffen versorgte Fahrzeugflotte erhalten. So sollten die nachweisbar verringerten Emissionswerte direkt auf den Flottenemissionswert der Neufahrzeuge des jeweiligen Herstellers anrechenbar sein. Voraussetzung ist, dass diese Kraftstoffe in diesem Fall nicht zur Erfüllung der THG-Minderungsquote der Inverkehrbringer von Kraftstoffen herangezogen werden, d. h. es erfolgt keine Doppelanrechnung von THG-Minderungen. Grundsätzlich sollte sich im marktwirtschaftlichen Wettbewerb zeigen, wo die größte Attraktivität für den Einsatz und die Anrechnung der synthetischen Kraftstoffe gegeben ist.
www.bdi.eu
Seite 9 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
-
Ermäßigung der Energie-/Mineralölsteuer auf synthetische Kraftstoffe: Eine wichtige Rolle kommt der Besteuerung der im Verkehr eingesetzten Kraftstoffe zu. Bezieht man die Energie/Mineralölsteuern auf Kraftstoffe auf die dadurch verursachten CO2Emissionen, so werden heute auf Benzin Steuern von ca. 230 € pro Tonne CO2 erhoben. Der Vergleichswert für Diesel (bei im Vergleich höheren Kfz-Steuern) liegt bei 145 € pro Tonne CO2, während die Steuer auf Strom als Kraftstoff beim heutigen Strommix nur bei 39 € pro Tonne CO2 liegt. Für die Besteuerung von synthetischen Kraftstoffen muss daher – analog zur Förderung von beispielsweise Erdgas als Kraftstoff – für die Phase der Markteinführung eine steuerliche Entlastung erfolgen. Wären die CO2-Emissionen eine Basis für die Besteuerung, wären treibhausgasreduzierte oder treibhausgasneutrale Kraftstoffe automatisch geringer besteuert. Ziel muss ein „Level Playing Field“ im Steuersystem für alle alternativen Antriebe und Kraftstoffe sein.
-
Für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe im See- und Luftverkehr sind einheitliche internationale Regelungen erforderlich, die weltweit wettbewerbsneutrale Preise sicherstellen. Höhere Treibstoffpreise aufgrund von zum Beispiel Einsatzverpflichtungen im nationalen oder europäischen Alleingang würden aufgrund der dann höheren Kostenbelastung für deutsche bzw. europäische Fluggesellschaften zu massiven Marktanteilsverlusten an andere internationale Wettbewerber führen.
5. Bestehende rechtliche Regelungen und Normen nicht vergessen Über das bereits Skizzierte hinaus, ist die Verwendung von synthetischen Kraftstoffen in den hier genannten Anwendungsfällen des Verkehrssektors an viele weitere, teils produktspezifische Regularien und Normen geknüpft, deren Vernachlässigung eine schnelle Markeinführung behindern könnte. Normen dokumentieren auf der einen Seite den aktuellen technischen Stand zu einem Sachverhalt, machen diesen einem breiten Nutzerkreis zugängig und etablieren dadurch neue Technologien am Markt. Auf der anderen Seite wird auf Normen auch vielfach in technischen Regularien verwiesen und damit eine rechtliche Verbindlichkeit geschaffen. Als Beispiel seien Kraftstoffnormen genannt, die bei der Zertifizierung von Industriemotoren anzuwenden sind und einen Referenzkraftstoff definieren. Wenn in diesen Normen synthetische Kraftstoffe nicht enthalten sind, können sie bei der Zertifizierung dieser Motoren nicht berücksichtigt werden. Synthetische Kraftstoffe dürften dann in diesen Motoren de facto nicht verwendet werden. Anpassungen des Normungswerkes gestalten sind zudem meist zeitintensiv.
www.bdi.eu
Seite 10 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Dem kann begegnet werden, in dem diese Anforderungen zur Anpassung bestehender Normen sehr frühzeitig in den zuständigen Normungsgremien auf internationaler oder europäischer Ebene platziert werden. Hier ist nicht nur die Industrie, sondern die Bundesregierung gefragt, diese Themen innerhalb des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und des Europäischen Komitees für Normung (CEN) mit geeignetem Normierungsauftrag zu adressieren. Aber auch andere technische Regelwerke, die im Zusammenhang mit der Markteinführung von synthetischen Kraftstoffen stehen, müssen frühzeitig identifiziert und deren Anpassung initiiert werden. Dadurch wird verhindert, dass die effektive Markteinführung einer neuen Technologie nicht durch solche, leicht lösbare Hürden verzögert wird. Beispielsweise muss sichergestellt werden, dass synthetische Kraftstoffe auch in bereits in Verkehr gebrachten Fahrzeugen und Motoren eingesetzt werden dürfen, ohne dass dadurch die Betriebserlaubnis oder die Typgenehmigung erlischt. Dazu sollte ein branchenübergreifender Lenkungskreis installiert werden, der alle möglichen Erzeuger und Verwender von synthetischen Kraftstoffen an einen Tisch bringt. Der BDI und seine Mitgliedsverbände bieten sich gerne an, hier eine aktive Rolle zu übernehmen. Die Anpassung der Normen und Regelwerke ist zeitintensiv. Eine beispielhafte, aber nicht abschließende Liste relevanter technischer Regelwerke und Normen, bei der Änderungsbedarf gesehen wird, ist nachfolgend beigefügt: -
-
Richtlinie 2009/28/EG: Erneuerbare-Energien-Richtlinie Richtlinie 2009/30/EG in Verbindung mit 98/70/EG: Kraftstoffqualitätsrichtlinie Richtlinie (EU) 2015/652: Festlegung von Berechnungsverfahren und Berichterstattungspflichten gemäß der Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe DIN EN ISO 14044:2006-10 „Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen“ DIN EN 590:2017-08 „Kraftstoffe - Dieselkraftstoff - Anforderungen und Prüfverfahren“ ISO 8178-5:2015 „Reciprocating internal combustion engines -- Exhaust emission measurement -- Part 5: Test fuels”
www.bdi.eu
Seite 11 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
6. Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung Richtige Rahmenbedingungen für die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten stellen eine weitere wichtige Voraussetzung für den Markthochlauf von PtX-Technologien und den großskaligen Einsatz von synthetischen Kraftstoffen dar. Insgesamt sollten Forschungsaktivitäten neben der Verbesserung von Schlüsseltechnologien insbesondere die Senkung der Herstellungskosten aus dem Gesamtprozess sowie die Steigerung der Energieeffizienz der Verfahren im Blick haben. Für den Erfolg synthetischer Kraftstoffe, der für das Erreichen der globalen Klimaziele ein grundlegendes Element darstellt, werden die Kosten dieser Produkte und der Energieeinsatz mitentscheidend sein. Folgende Maßnahmen im Bereich der Forschungsförderung sollten deshalb umgesetzt werden: -
Implementierung von sektorenübergreifenden Förderprogrammen Es bedarf Förderinitiativen, die einen systemorientierten Ansatz verfolgen. Bestehende Förderinitiativen wie „Energiewende im Verkehr: Sektorenkopplung durch die Nutzung strombasierter Kraftstoffe“ (BMWi) sollten fortgeführt und in Bezug auf weitere Anwendungsbereiche von synthetischen Kraftstoffen (Wärmeerzeugung im Industrie- und Gebäudebereich, chemische Industrie, PtX als Energiespeicher) weiterentwickelt und ausgebaut werden. Fördermaßnahmen zur Sektorenkopplung sollten aufeinander abgestimmt und in der Umsetzung vernetzt werden.
-
Etablierung einer ressortübergreifenden Plattform zur Koordination von Förderaktivitäten im Bereich der Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen Da der Anwendungsbereich von synthetischen Kraftstoffen sehr breit ist und deren Einsatz einen wichtigen Baustein der Sektorenkopplung darstellt, sollte eine ressortübergreifende Plattform zur Koordination von relevanten Forschungs- und Förderaktivitäten geschaffen werden. Diese soll Akteure der Energiewirtschaft, der chemischen und energieintensiven Industrie, der Automobilindustrie und Zulieferer entlang der automobilen Wertschöpfungskette, der Luftund Seeverkehrswirtschaft, der Mineralölwirtschaft, des Maschinenund Anlagenbaus, der Ministerien und relevante gesellschaftliche Gruppen einbeziehen und ihre aktive Zusammenarbeit ermöglichen.
-
Forschungsprogramme mit Blick auf zukünftige Kooperationen mit anderen Ländern strategisch ausrichten Es bedarf europäischer und internationaler Kooperationen bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten, um den Weg für den Import von synthetischen Kraftstoffen aus anderen Ländern sowie den Export von Maschinen und Anlagen aus Deutschland zu bereiten.
www.bdi.eu
Seite 12 von 13
Kurztitel: Rahmenbedingungen für Synthetische Kraftstoffe
Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 36 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Philipp Nießen Referent Energie- und Klimapolitik Telefon: +49 30 20281487 p.niessen@bdi.eu
BDI Dokumentennummer: D 0899
www.bdi.eu
Seite 13 von 13