Position
Forderungen des BDI zur Überprüfung und Überarbeitung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: 12.12.2017
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hat sich als Instrument des europäischen Wasserrechts bewährt. Sie gibt in Europa die zentralen Rahmenbedingungen vor und hat zu einer nachhaltigen Wasserpolitik wesentlich beigetragen. Die WRRL enthält wichtige Vorgaben zur Gewässerbewirtschaftung. Der BDI spricht sich daher für eine Beibehaltung und Fortentwicklung der WRRL aus. Diese Fortentwicklung muss Änderungen beinhalten, damit Genehmigungen einschließlich der wasserwirtschaftlichen Gestattungen für Industrieanlagen möglich bleiben. Umweltpolitik ist ein entscheidender Standortfaktor für die produzierende Industrie und stellt damit auch einen wichtigen Bestandteil der Gesamtwirtschaftspolitik dar. Deutsches und Europäisches Umweltrecht, und dabei insbesondere auch das Wasserrecht, haben eine große Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Umweltrecht entscheidet letztendlich über die Genehmigung und den Betrieb von Industrieanlagen – also damit über die zukünftige Entwicklung des Produktionsstandortes Deutschland und der damit verbundenen Sicherung von Arbeitsplätzen. Ein Großteil der Wasserkörper in Europa wird die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 nicht erreichen. Angesichts dieser Zielverfehlung sind Regelungsansatz sowie Regelungsziel der WRRL kritisch zu hinterfragen. Insbesondere muss das Zusammenspiel von Zielen und Ausnahmen in der WRRL einer grundlegenden Überprüfung unterzogen werden. Hierzu zählt die Überprüfung und Ausgestaltung der Regelungen zu den „abweichenden Bewirtschaftungszielen“ und den „Ausnahmen“. Wirtschaftliche und industrielle Aktivitäten müssen weiter genehmigungsfähig bleiben, um dem ökonomischen Aspekt der Nachhaltigkeit ausreichend gerecht zu werden. Die folgende Position zeigt daher die derzeitigen Probleme mit den Vorgaben der WRRL in den Genehmigungsverfahren auf. Die Forderungen sind nicht abschließend.
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Mitgliedsverband BUSINESSEUROPE
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Überprüfung und Überarbeitung WRRL
1.
WRRL grundsätzlich beibehalten unter Überprüfung des Zusammenspiels von Zielen und Ausnahmen (Art. 4 Absatz 5 und 7)
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wird von der deutschen Industrie grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Angesichts der Ausgestaltung der geltenden WRRL ist jedoch ein großer Teil der Gewässernutzungen auf die Ausnahme gemäß Artikel 4 Absatz 7 WRRL angewiesen. Und dies, obwohl die WRRL mit Artikel 4 Absatz 5 WRRL einen Tatbestand vorsieht, der grundsätzlich ein Bewirtschaftungsermessen ermöglicht. Letztlich wird die Ausnahme zur Regel gemacht. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis sollte aber nicht umgekehrt werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nicht für alle industriellen Tätigkeiten bei Gewässerbenutzungen eine Ausnahmemöglichkeit besteht.
1.1.
Weniger strenge Umweltziele (abweichende Bewirtschaftungsziele) Artikel 4 Absatz 5 WRRL
Die überwiegende Zahl der Wasserkörper in Europa wird den guten Zustand voraussichtlich nicht erreichen. Notgedrungen wird daher ein großer Teil der Gewässernutzungen über Ausnahmen gemäß Artikel 4 Absatz 7 WRRL bewältigt werden müssen. Dies kann nicht die ursprüngliche Intention der WRRL gewesen sein, denn das Zusammenspiel von Zielen und Ausnahmen in der WRRL enthält insbesondere mit Artikel 4 Absatz 5 WRRL einen Tatbestand, der ein ausgewogenes Bewirtschaftungsermessen unter adäquater Berücksichtigung sozio-ökonomischer Erfordernisse ermöglicht, ohne regelmäßig den Ausnahmetatbestand bemühen zu müssen. Die Behörden können für bestimmte Wasserkörper gem. Artikel 4 Absatz 5 WRRL weniger strenge Ziele bestimmen. Dies ist aus Sicht der Industrie zu begrüßen, jedoch wird die Vorschrift in der Praxis kaum angewendet. .Dies liegt aus Industriesicht unter anderem an der in Artikel 4 Absatz 5 c WRRL genannten Voraussetzung („keine weitere Verschlechterung“), welche die Anwendung dieses Abwägungstatbestandes erheblich erschwert. Artikel 4 Absatz 5 WRRL muss künftig in der Bewirtschaftungspraxis eine viel größere Rolle spielen, um wirtschaftliche und industrielle Tätigkeiten weiterhin zu ermöglichen. Da bereits vorhandene industrielle Tätigkeiten abweichende Bewirtschaftungsziele auslösen können, müssen die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 5 WRRL modifiziert werden, damit das Bewirtschaftungsinstrument besser genutzt werden kann. 1.2.
Ausgestaltung der Ausnahme in Artikel 4 Absatz 7 WRRL
Zum einen ist die derzeitige textliche Ausgestaltung der Ausnahme gem. Artikel 4 Absatz 7 WRRL für industrielle Genehmigungsverfahren problematisch. Es sollte deutlich gemacht werden, dass der www.bdi.eu
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Ausnahmetatbestand gemäß Artikel 4 Absatz 7 WRRL grundsätzlich für alle industriellen Tätigkeiten offenstehen muss. Insbesondere bedeutet dies, dass nicht nur Änderungen der physischen Eigenschaften im Sinne von rein hydromorphologischen Eigenschaften der Ausnahme unterliegen sollten. Vielmehr müssen alle Veränderungen von Eigenschaften, also auch die chemischen, physikalisch-chemischen und biologischen im Rahmen des ökologischen Zustands (Anhang V der Wasserrahmenrichtlinie) und Veränderungen der Eigenschaften im Rahmen des chemischen Zustand (Umweltqualitätsnormen der Richtlinie 2008/105/EG) von Oberflächenwasserkörpern sowie auch aller stofflichen Änderungen von Grundwasserkörpern (u. a. infolge des Einbringens von Stoffen) grundsätzlich gemäß Artikel 4 Absatz 7 WRRL ausnahmefähig sein. Zum anderen sollte die Ausnahmeregelung in Artikel 4 Absatz 7 WRRL derart ausgestaltet werden, dass eine Ausnahme auch aus wirtschaftlichen Gründen gewährt werden kann. Ausnahmen nur aufgrund von übergeordneten Interessen zu gewähren, entspricht aus Sicht der deutschen Industrie nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
2.
Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot praxisgerecht ausrichten (Artikel 4 WRRL)
In Genehmigungsverfahren muss das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot seit dem EUGH Urteil zur Weservertiefung vom 01.07.2015 in einem eigenen Prüfungspunkt erörtert werden. Die Unternehmen legen in einem umfassenden gutachterlichen Fachbeitrag dar, dass keine Verschlechterung eintreten wird bzw. eine Verbesserung des Wasserkörpers aufgrund des Vorhabens nicht verhindert wird. Das schafft eine weitere Rechtsunsicherheiten in Bezug auf den Ausgang des Genehmigungsverfahrens. Die Vorgaben der WRRL zum Verschlechterungsverbot und zum Verbesserungsgebot führen teilweise zu einer Versagung von Industriegenehmigungen bzw. in die schwierige Ausnahmeprüfung nach Artikel 4 Absatz 7 WRRL, deren Ausgang aus den o. g. Gründen in vielen Fällen ungewiss ist. Als Beispiel sei genannt, dass die wasserrechtliche Erlaubnis des Kraftwerks Moorburg vom Oberverwaltungsgericht Hamburg bezogen auf das eingesetzte Kühlsystem untersagt wurde. Um industrielle Tätigkeiten weiter durchführen zu können, sollten die entsprechenden Vorschriften daher überprüft und überarbeitet werden. Zudem müssen vorübergehende Verschlechterungen und Verbesserungen mit dem Verschlechterungsverbot vereinbar sein. Werden Einleitungen eingestellt und ist absehbar, dass nach einer gewissen Zeit (z. B. durch die Wiederaufnahme der Produktion) wieder Einleitungen stattfinden, sollte dies durch das Verschlechterungsverbot nicht verhindert werden.
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3.
Phasing-out-Verpflichtung (Artikel 16 Absatz 6) überprüfen und ggf. streichen
Zu überprüfen ist das phasing-out-Gebot für prioritäre Stoffe (Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 16 Absatz 6 und 8 WRRL). Es sollte eine Klarstellung erfolgen, dass die WRRL jedenfalls kein Gebot zur vollständigen Einstellung von Emissionen prioritärer Stoffe enthält. Der Überprüfungsaufwand, der sich für Unternehmen aufgrund des phasing-out-Gebots ergibt, muss im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten bleiben. Allgegenwärtig und natürlich vorkommende Stoffe (ubiquitäre Stoffe) – wie alle Schwermetalle – sollten grundsätzlich vom phasing-Out-Gebot ausgenommen werden. Nulleinträge sind hier nicht möglich.
4.
„One out-all out“ modifizieren
Der One-Out All-Out Ansatz ergibt sich aus Nr. 1.4.2. Ziff. i Anhang V WRRL, welcher die Darstellung der Überwachungsergebnisse und Einstufung des ökologischen Zustands und des ökologischen Potenzials regelt. Die schlechteste Qualitätskomponente bestimmt die Einstufung des ökologischen Zustands. Verbesserungen bei den anderen Qualitätskomponenten ändern nichts an der Einstufung des Wasserkörpers. Gleiches gilt sinngemäß für den chemischen Zustand. Dadurch kommen die tatsächlich bei der Gewässerqualität erreichten Fortschritte nicht zur Geltung. Der Ansatz führt dazu, dass sich Verbesserungen und Verschlechterungen nicht adäquat darstellen lassen. In einem Review Prozess müssen daher Überlegungen angestellt werden, wie Verbesserungen einzelner Komponenten zukünftig erkennbar gemacht werden können. Vorhaben, die sich in einer Gesamtbilanz positiv auf ein Gewässer auswirken, können aufgrund der Beeinträchtigung einer einzelnen Qualitätskomponente verhindert werden. Beispiel: Die Kühlwassereinleitung eines Kraftwerks verstößt gegen Temperaturvorgaben, führt aber umgekehrt zu einer Sauerstoffanreicherung und Wassermengenerhöhung im Gewässer. Oder aufgrund einer Wassereinleitung wird eine UQN (ein einziges Schwermetallwert) überschritten. Ein Verstoß gegen das Verbesserungsgebot liegt vor. Ansonsten führt die Einleitung aber in der Gesamtbilanz zu einer deutlichen Reduktion von anderen Schadstoffparametern wie z. B. Eisen, pH-Wert, Trübung oder TOC. In der Gesamtbilanz eines Vorhabens kann sich somit in einigen Fällen eine Verbesserung für das Gewässer ergeben. Für solche Fälle fehlen aus Sicht der Industrie im Genehmigungsverfahren Ermessensund Abwägungsspielräume in der Anwendung der teils strikten Vorgaben der WRRL.
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5.
Bewertungsmechanismen – chemischer Zustand
Die Einteilung des chemischen Zustands in lediglich zwei Stufen (gut und nicht gut) führt teilweise zu fachlich unverständlichen Ergebnissen, insbesondere im Zusammenhang mit der EUGH-Rechtsprechung zur Weservertiefung. Eine Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers nimmt der EuGH dann an, wenn sich die Einstufung mindestens einer der relevanten Qualitätskomponenten um eine Klasse verschlechtert. Ist die betreffende Qualitätskomponente schon in der schlechtesten Kategorie eingeordnet, sodass nach dem eben genannten Grundsatz keine Verschlechterung des Zustandes mehr möglich wäre, stelle jede weitere Beeinträchtigung eine Verschlechterung des Zustands dar. Angesichts des schlechten chemischen Zustands vieler Oberflächenwasserkörper kann somit jede weitere stoffliche Verschlechterung einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot auslösen. Im „nicht guten“ Zustand wird damit keine messbare Erhöhung gestattet, auch wenn es zu keinen negativen Auswirkungen auf das Gewässer kommt. Am Ende wird der chemische Zustand damit deutlich strenger bewertet als der 5stufige ökologische (sehr gut/gut/mäßig/unbefriedigend/schlecht). Einem einzelnen Schadstoff kommt dieselbe Bedeutung zu wie z. B. einer kompletten Lebensgemeinschaft von Fischen. Die ursprünglich als Bewertungsmaßstab konzipierte Umweltqualitätsnorm wird – aufgrund der Auslegung zum Verschlechterungsverbot (siehe 2.) – zu einem Grenzwert, dessen Überschreitung pauschal zu einem Einleitverbot führen kann. Hilfreich wäre eine weitere Differenzierung innerhalb des „nicht guten“ Zustands, damit auch innerhalb des nicht guten Zustandes Konzentrationserhöhungen möglich werden.
6.
Möglichkeit zur Ausweisung künstlicher / erheblich veränderter Wasserkörper verbessern
Viele Wasserkörper befinden sich seit Jahrzehnten in von Menschen in Anspruch genommen und industriell geprägten Gegenden. Die WRRL unterscheidet daher zwischen natürlichen Wasserkörpern einerseits und künstlichen bzw. erheblich veränderten Wasserkörpern andererseits. An künstlichen und erheblich veränderten Gewässern kann das grundsätzliche Bewirtschaftungsziel, der gute ökologische Zustand, nicht erreicht werden, ohne dass es zu nachteiligen Folgen für die bestehenden Nutzungen kommt. Die WRRL berücksichtigt diese Einschränkung. Gem. Artikel 2 Nr. 9 und 4 Absatz 1 a) iii) WRRL können betroffene Oberflächenwasserkörper als „erheblich verändert“ („heavily modified water body“, abgekürzt HMWB) ausgewiesen werden. Für sie gilt ein abweichendes Bewirtschaftungsziel, nämlich das „gute ökologische Potenzial“. Wie für den ökologischen Zustand wird auch hier die Tier- und Pflanzenwelt des Gewässers untersucht und bewertet. Es gelten aber andere, gegenüber dem ökologischen Zustand www.bdi.eu
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abgeschwächte Anforderungen, die den Auswirkungen der faktisch irreversiblen Gewässerveränderung Rechnung tragen. Aus Sicht der deutschen Industrie sollte stärker von der Ausweisung erheblich veränderter oder künstlicher Wasserkörper Gebrauch gemacht werden. Die Definition der erheblich veränderten Wasserkörper unter Artikel 2 Absatz 9 WRRL sollte auf stoffliche/chemische Veränderungen von Oberflächengewässern und auf Grundwasserkörper ausgedehnt werden. Bisher ist eine Ausweisung nur aufgrund physikalischer Änderungen möglich. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso z. B. eine Gewässerbegradigung als erhebliche und damit dauerhaft akzeptierte Veränderung gilt, jedoch die notwendige Wasserentnahme zu Trinkwasserzwecken, zur Sicherung der Rohstoffgewinnung oder zur Absicherung einer Industrieproduktion nicht als erhebliche Veränderung eingestuft werden kann.
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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 36 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.
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