Mittelstand / Familienunternehmen im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

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Position

Mittelstand / Familienunternehmen im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom März 2018 Eine Bewertung

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: 14.03.2018


Mittelstandspolitik: Bewertung Koalitionsvertrag

Seit Mai 2017 – mit Blick auf Bundestagswahl, Regierungsbildung und kommende Legislatur – zeigen konkrete BDI-Handlungsempfehlungen 1, was Mittelstand und Familienunternehmen von der Politik erwarten: 1. 2. 3. 4.

Energiekosten des Mittelstands begrenzen Innovationen im Mittelstand stärken Digitalisierung im Mittelstand vorantreiben Industrielle Gründungen als Mittelstand von morgen effektiv unterstützen 5. Mittelstand in der Umweltpolitik mitdenken 6. Bürokratieabbau nachhaltig angehen 7. Internationalisierung des Mittelstands unterstützen 8. Ausdifferenzierte Unternehmens- und Branchenstruktur erhalten 9. Steuerpolitik mittelstandsfreundlich gestalten 10. Europa für Mittelstand nutzbar machen Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 2, verabschiedet am 7. Februar 2018 und unterzeichnet am 12. März 2018, überzeugt trotz aller Bekenntnisse zu Mittelstand und Familienunternehmen als tragenden Säulen der Wirtschaft mittelstandspolitisch nicht. Er gibt keine konsistente Antwort, wie industrieller Mittelstand und Familienunternehmen am Standort gestärkt und enkelfähig gemacht werden. Nicht zuletzt bei Forschung&Entwicklung sowie zur Digitalisierung und zur Energiepolitik bleibt der Koalitionsvertrag hinter den Erwartungen zurück. Das kann auch der geplante – zaghafte – Bürokratieabbau in Deutschland und Europa nicht kompensieren. Im mittelstandspolitisch relevanten Überblick und zur Bewertung folgen positive und negative Aspekte des Koalitionsvertrags. Der Überblick ist Teil einer BDI-Gesamtbewertung3 über alle fachlichen Bereiche hinweg.

Als positive Aspekte sind zu nennen: - Ein Bürokratieabbaugesetz ist ein richtiger Ansatz. Nachhaltiger und spürbarer Abbau unnötiger Bürokratie gelingt allerdings nur dann, wenn alle Unternehmensgrößen profitieren. Flankierend bedarf es eines konkreten Bürokratieabbauziels, an dem sich ein Bürokratieabbaugesetz messen lassen muss. Eine konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben ist hilfreich, nicht zuletzt im Umweltrecht. Rechtliche Digitaltauglichkeit öffnet Wege für mehr E-Government.

BDI-Handlungsempfehlungen zur Mittelstandspolitik vom Mai 2017 im Volltext Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD im Volltext (Quelle: Deutscher Bundestag) 3 BDI-Bewertung Koalitionsvertrag von Februar 2018 im Volltext 1 2


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- Weniger Berichtspflicht und Vorgaben für junge Unternehmen kann auch die Gründungskultur stärken. Auch modernisierte Instrumente der Gründungsfinanzierung („Tech Growth Fund“), mehr Wagniskapital und der zielgerichtete Austausch zwischen Gründern und etabliertem Mittelstand helfen weiter. - Oft mangelt es im Mittelstand bereits heute an Fachkräften. Pläne für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz sowie für mehr Attraktivität der beruflichen Bildung weisen in die richtige Richtung. - Angesichts des Standorts vieler Mittelständler ist eine Stärkung ländlicher Regionen sinnvoll. Dabei sollten die spezifischen Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen geklärt und konkret berücksichtigt werden. - Bei der Digitalisierung kann die geplante Plattform „Industrie 4.0“ unter Beteiligung des Mittelstands Akteure enger vernetzen und ein „nationaler Pakt Cybersicherheit“ sowie erweiterte Aktivitäten des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verbreitete Besorgnisse im Mittelstand adressieren. - Es ist richtig, auf EU-Ebene die KMU-Definition durch eine Schwelle bei 500 Beschäftigten auf EU-Ebene zu modernisieren. Die geplante Fortentwicklung des EU-Binnenmarkts, eine Europäische Privatgesellschaft sowie die Fortführung und Stärkung der mittelstandsrelevanten Komponenten des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) sind richtig und machen Europa für den Mittelstand erfahrbar. Das Prinzip „One in, one out“ auf europäischer Ebene kann europarechtliche Bürokratie eindämmen. Eine konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben in nationales Recht schafft vergleichbare Wettbewerbsbedingungen. - Die unbürokratische und passgenaue Ausweitung der Exportfinanzierung auch für kleine Kreditsummen („small tickets“) ist sinnvoll, um die Internationalisierung des Mittelstandes zu unterstützen. Negativ zu bewerten ist: - Es gibt kein Konzept, wie die nationalen Energiekosten begrenzt oder standorttreue mittelständische Unternehmen von den hohen Energiekosten entlastet werden. Alternativen zur EEG-Umlage sind nicht vorgesehen, es drohen weiter steigender Netzentgelte. - Die steuerliche Forschungsförderung steht unter Finanzierungsvorbehalt. Eine Beschränkung auf „KMU“ nach aktueller EU-Definition würde zudem den Großteil des industriellen Mittelstands ausschließen. Noch dazu fehlt ein Ansatz zu

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innovationsfreundlicher Regulierung, etwa per Innovationscheck in der Gesetzesfolgenabschätzung. - Eine Stärkung ländlicher Regionen kann nicht nur auf öffentliche Daseinsvorsorge, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und stärkere Kommunen zielen. Es gilt auch gerade mittelständische Unternehmen zu berücksichtigen. Insbesondere der erforderliche Ausbau einer modernen digitalen Infrastruktur inklusive verlässlichem Mobilfunknetz müsste sehr viel ambitionierter angegangen werden. - Bei der Entwicklung der Plattformökonomie ist nicht allein auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu achten, sondern zugleich auf ausdifferenzierte Unternehmensund Branchenstrukturen, auch um flexible Wertschöpfungsverbünde aus kleinen, mittleren und großen Unternehmen und der Wissenschaft zu erhalten. - Die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Pläne werden vor allem mittelständische Unternehmen – nicht zuletzt bürokratisch – besonders belasten und den Arbeitsmarkt unflexibler machen. - Trotz verstreuter Bekenntnisse fehlt ein stringentes Eintreten für eine breite Gründer- und Unternehmerkultur. Die gerechte Verteilung von Wohlstand bekommt mehr Augenmerk als die – auch gesellschaftliche – Bedeutung unternehmerischen Handelns. - Ein weiterer Ausbau von Unternehmenssanktionen ist angesichts hinreichender Möglichkeiten im bestehenden Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht entbehrlich. Noch dazu sind Familienunternehmen durch die Einheit von Eigentum und Führung doppelt bedroht - Entscheidungsträger und Inhaber sind oft identisch. - Konkrete Bürokratieabbauziele fehlen, die nationale „One in, one out“-Regel (ohne einmaligen Erfüllungsaufwand und 1:1-Umsetzung von EU-Recht) wird nicht angegangen. Vielmehr droht neue Bürokratie, etwa durch unternehmerische Berichtspflichten etwa in Umsetzung des Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Die Ankündigung, europäische Vorgaben nicht mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen zu versehen, begrenzt bestenfalls neue Bürokratie, führt aber nicht zum Abbau.

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie – unabhängig davon ob börsennotierter Konzern oder mittelständisches Familienunternehmen - an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 36 überwiegend mittelständische Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.

Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Fabian Wehnert Abteilungsleiter Mittelstand und Familienunternehmen Telefon: +49 30 2028-1470 f.wehnert@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 0916

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