Reallabore als Förderinstrument der Energieforschung

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Position

Reallabore als FÜrderinstrument der Energieforschung – Perspektive der Industrie

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: 28.05.2018


Experimentelle Forschung und Entwicklung – Forderung des BDI zum 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung In seinem Positionspapier „Strukturelle Anforderungen der deutschen Industrie an das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung“ hat der BDI die Einführung einer experimentellen Forschung und Entwicklung als dritten Förderbereich nebst der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung gefordert. Mit dieser Forderung verfolgt der BDI das Ziel, den Übergang von innovativen Technologien und technologischen Konzepten in den Markt zu stärken. Im Rahmen der experimentellen Forschung und Entwicklung sollen Experimentierräume entstehen, „in denen Wirtschaft und Wissenschaft ihre Konzepte unter realen Bedingungen mit reduzierten kommerziellen Risiken ausprobieren können. Dies sollte möglichst frei von Hürden des stark regulierten Energiemarkts erfolgen“1. Die Forderung des BDI wurde in dem Koalitionsvertrag zwischen der CDU, CSU und SPD mit dem Konzept der „Reallabore“ aufgegriffen, was wir ausdrücklich begrüßen. Laut des Koalitionsvertrags sollen die Reallabore als weitere Säule der Energieforschung ausgebaut werden2. Die Idee eines Realexperiments ist in der Industrie nicht neu. Dabei nahm die Bedeutung der Demovorhaben und realitätsnahen Technologietests aufgrund der komplexen Aufgaben der Energiewende in den letzten Jahren stetig zu. Zahlreiche Unternehmen beteiligen sich an staatlichen Förderprogrammen mit hohem Demonstrationsanteil, wie SINTEG – "Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende" oder Kopernikus-Projekte für die Energiewende. Darüber hinaus sind in erfolgreichen Kooperationen zwischen Industrie, Wissenschaft, Bundes- und Landespolitik mehrere regionale Versuchs- und Demonstrationskonzepte entstanden, wie z. B. die Elektrolysetest- und -versuchsplattform in Leuna, der Flexibilitätsmarktplatz des Projekts Flex4Energy, den EUREF Campus in Berlin, das Reallabor Pfaff-Quartier Kaiserslautern oder das „Smart Grid Labor“ der Siemens AG. Bei einer Weiterentwicklung der bereits praktizierenden Idee eines Realexperiments zu einem regulatorischen Förderinstrument systemischen Charakters – „Reallabore“ – bewegen wir uns allerdings auf ein mit Ausnahme der SINTEG-Verordnung unbekanntes Terrain. So ist ein Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik für eine effektive Entwicklung dieses neuen Förderinstruments aus unserer Sicht essenziell. Uns ist bekannt, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hierzu ein bereichsübergreifendes Forschungsgutachten in Auftrag gegeben hat, was der BDI begrüßt. Mit diesem Papier möchte der BDI die Sicht der Industrie auf die Entwicklung des Förderinstruments Reallabore spezifisch für den Energiebereich darstellen.

BDI. Strukturelle Anforderungen der deutschen Industrie an das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung. Positionspapier. Berlin, Juli 2017. 2 Zitat aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, (S. 73): „den Übergang von Forschung zu Demonstration und Markteinführung unterstützen und die 'Reallabore' (z. B. Power to Gas/Power to Liquid) als weitere Säule der Energieforschung ausbauen.“ Berlin, Februar 2018. 1

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1. Welcher Nutzen ist durch Reallabore im Energiebereich zu heben? Die BDI-Studie „Klimapfade für Deutschland“ hat gezeigt, dass die Erreichung der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung – 80 bis 95 Prozent CO2-Reduktion bis 2050 im Vergleich zu 1990 – einen Umbau des Energiesystems erfordert (insbesondere der 95-Prozent-Pfad). Für die Schaffung eines modernen Energiesystems, das die Sektorkopplung ermöglicht und die immer größeren Mengen des erneuerbaren Stroms integriert, ist ein Umdenken der traditionellen Herangehensweisen und somit die Erprobung neuer Konzepte gefragt. Das Experimentieren und Ausprobieren ermöglicht es, in einem technologieoffenen Umfeld nach technisch und ökonomisch effizientesten Lösungen zu suchen und sie zu validieren. Die Möglichkeit eines Tests unter realen Bedingungen vermindert somit das Risiko von technologischen (ggf. politisch gesteuerten) Fehlentscheidungen und privatwirtschaftlichen sowie staatlichen Fehlinvestitionen. Dies macht die Reallabore vor dem Hintergrund der ambitionierten klimapolitischen Ziele der Bundesregierung zum wichtigen und dringend erforderlichen Instrument der Energieforschung. Die Notwendigkeit der Reallabore beschränkt sich dabei nicht nur auf einzelne Themengebiete wie Power-to-X oder intelligente Netze, sondern ist in der gesamten Breite der erforderlichen industriellen Transformation in Anbetracht der Sektorenkopplung zu denken. So sind hierunter Themen wie die Flexibilisierung industrieller und privater Verbraucher und Erzeuger, Energiespeicher, zirkuläre Wirtschaft des Kohlenstoffs und Nutzung des erneuerbaren Stroms in der Chemieproduktion, innovative Mobilitätskonzepte, Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und effiziente Nutzung der Abwärme zu nennen. Deshalb sollen die Reallabore als ein möglichst themenoffenes Instrument der Energieforschung etabliert werden, das je nach Bedarf unterschiedlichen Fragestellungen dienen kann, immer aber die reale Umsetzung und Übertragung der Ergebnisse im Fokus hat. 2. Definition des Begriffs „Reallabor“ 2.1. Definitionen des BMWi Vom BMWi ist uns u. a. die folgende Definition eines “Reallabors” bekannt: 1. „Reallabore sind zeitlich und räumlich begrenzt sowie rechtlich abgesicherte Experimentierräume, die unter realen Bedingungen eine Erprobung von vorwiegend digitalen Innovationen und Regulierung im Zusammenspiel erlauben. Neben Praxistests für Technologien und Geschäftsmodelle stehen die Überprüfung bestehender und die Erprobung neuer regulatorischer Rahmensetzungen im Vordergrund. Reallabore erfordern daher zumeist eine befristete Änderung des rechtlichen Rahmens,

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sogenannte „Experimentierklauseln“, und müssen 3 entsprechender Begleitforschung flankiert werden .“

von

In dem BMWi-Papier „Innovationspolitische Eckpunkte. Mehr Ideen in den Markt bringen“ findet sich außerdem die folgende Beschreibung: 2. „Wir wollen 'Reallabore' als regulatorische Experimentierräume systematisch nutzen. Diese 'Labore' lassen unter realen Bedingungen eine Erprobung von Innovationen zu, indem zeitlich und räumlich begrenzt bestehende Vorgaben angepasst werden. So sollen neue Regelungen gefunden werden, die einerseits innovationsfreundlicher wirken, andererseits aber auch gesellschaftlich akzeptiert sind und die Schutzinteressen der Verbraucher berücksichtigen4.“ Generell sind die beiden Definitionen zu begrüßen. Auffällig ist allerdings der Fokus der zweiten Definition auf der Suche nach neuen Regelungen anstatt von Tests neuer Technologien und Konzepte. Ein solcher Fokus greift aus unserer Sicht zu kurz. So ist die Formulierung der ersten Definition hingegen zu begrüßen: „Neben Praxistests für Technologien und Geschäftsmodelle stehen die Überprüfung bestehender und die Erprobung neuer regulatorischer Rahmensetzungen im Vordergrund.“ Die beiden Definitionen sind bereichsübergreifend formuliert. Folgende Punkte sind in Bezug auf Reallabore als Instrument der Energieforschung hervorzuheben: a) Der Fokus auf „vorwiegend digitale Innovationen“ stellt eine ineffiziente Einschränkung dar, die wichtige Türen verschließt. Die digitalen Technologien sind heute in der Regel ein notwendiger Bestandteil energietechnischer Innovationen und fungieren oft als „Enabler“, sind allerdings keine Innovationen aus sich heraus. Im Folgenden sind nur ein paar Beispiele von potenziellen Fällen für Reallabore genannt, die keinen bzw. unwesentlichen digitalen Bezug vorweisen, die Anwendung von digitalen Technologien allerdings nicht ausschließen:   

Elektrifizierte Autobahnstrecken Städte bzw. Stadtbezirke mit elektrifizierten/wasserstoffbetriebenen Flotten von Nutzfahrzeugen und/oder öffentlichen Verkehrsmitteln Modellregionen für die Produktion und Nutzung von synthetischen Kraftstoffen oder der Nutzung und Speicherung von Elektrolyse-Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sowie der Zirkulären Wirtschaft des Kohlenstoffs Umstellung der Fernwärmeversorgung (Städte/Stadtbezirke) und/oder der Prozesswärmeversorgung (Industrieparks) auf erneuerbare Energien über direkte Elektrifizierung oder Elektrolyse-Wasserstoff.Modellregionen mit Großelektro-

BMWi. Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung eines Forschungsgutachtens durch BMWi. Berlin, Juni 2017. 4 BMWi. Innovationspolitische Eckpunkte – Mehr Ideen in den Markt bringen. Berlin, April 2017. 3

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lyseuren integriert in ein Pipelinesystem mit angeschlossenem Kavernenspeicher für Wasserstoff. b) Zwar wird die räumliche Begrenzung in beiden Definitionen erwähnt, allerdings nicht definiert. Es ist deshalb wichtig zu betonen, dass insbesondere im Energiebereich ein Reallabor die Größe eines Industrieparks, einer ganzen Stadt oder einer gesamten Region unter bestimmten Voraussetzungen einnehmen kann, wie z. B. die Modelregion NEW 4.0 im Rahmen des SINTEG-Förderprogramms dies aktuell zeigt. So sollte aus unserer Sicht die räumliche Definition eines Reallabors möglichst offen gelassen werden. c) Des Weiteren stellt die Formulierung „gesellschaftlich akzeptiert“ in der zweiten Definition eine schwer definierbare Einschränkung dar, die nicht zweifelsfrei ex ante beurteilt werden kann. Die soziale Akzeptanz ist ein wichtiger Aspekt, der allerdings im Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeit und Effektivität einer Regelung betrachtet werden sollte. d) Schließlich soll die Formulierung „Begleitforschung“ begrifflich offen gehalten sein und darf nicht auf eine rein außerindustrielle Forschung bezogen werden. 2.2.

Abgrenzung zu anderen Förderinstrumenten

Ein Reallabor unterscheidet sich von solchen Instrumenten wie Pilot- und Demonstrationsprojekten durch die Außerkraftsetzung bestimmter Regulierungen (s. Abschnitt 4). Das Zusammenspiel der innovativen technologischen Konzepte und geändertem regulatorischen Rahmen bildet somit den Kern des Konzepts „Reallabor“ und stellt das Alleinstellungsmerkmal dieses Förderinstrumentes dar. 2.3.

Impact Assessment und Rollout

Die Wirksamkeit des Förderinstruments „Reallabore“ ist nur dann gegeben, wenn das sich als erfolgreich bewiesene Konzept auch in der Praxis ggf. großflächig umgesetzt werden kann. Dabei stellt sich die Frage, was geschieht, wenn die zeitliche Befristung eines Reallabors endet? Wie wird das in einem Experimentierraum erprobte Konzept zum Teil des „Normalbetriebs“ bzw. zum regulären Teil des Energiesystems? Aus Sicht des BDI sollte ein Impact Assessment zu einem integrierten Teil der Durchführung eines Reallabors werden. Im Fall einer positiven Evaluierung (s. Abb. 1) bedarf es aus unserer Sicht eines Rollouts für die Verstetigung und ggf. nationale sowie internationale Skalierung des erprobten Konzeptes über den Rahmen eines Reallabors hinaus.

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Abb. 1: Mögliche Etappen eines Impact Assessments und Rollout.

Ein derartiges Impact Assessment könnte in zwei Etappen durchgeführt werden. Als erster Schritt bedarf es einer allgemeinen Evaluierung des erprobten Konzepts. Die zentrale Frage dabei ist „Hat sich das erprobte Konzept entlang der definierten Kriterien (s. Abschnitt 3) als erfolgreich bewiesen?“. Es wird hier u. a. die technisch-wirtschaftliche Umsetzbarkeit des Konzepts evaluiert und ggf. Empfehlungen für die Verbesserung bzw. Steigerung der Effektivität des erprobten Konzeptes definiert. Im Fall einer positiven allgemeinen Evaluierung bedarf es im nächsten Schritt einer Evaluierung der Auswirkungen des geänderten regulatorischen Rahmens auf die Wirtschaftlichkeit und praktische Umsetzbarkeit des Konzepts. Die zentralen Fragen dabei sind „Kann das erprobte Konzept auch ohne die Anwendung der Experimentierklausel wirtschaftlich weitergeführt werden? Welche Änderungen im regulatorischen Rahmen waren entscheidend für den Erfolg des Konzepts?“. In diesem Schritt können Empfehlungen für die Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens formuliert werden. Um die Objektivität des Impact Assessments zu gewährleisten, sollte es in Zusammenarbeit mit einem Partner aus der Wissenschaft und ggf. dem zuständigen Projektträger (s. Abschnitt 5) durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Gesamtevaluierung fließen in die Formulierung der Rollout-Phase (Schritt 3, Abb. 1) für das in einem Reallabor erprobte Konzept. In dem Rollout werden die Anforderungen für die nationale sowie ggf. für die internationale Umsetzung berücksichtigt.

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2.4. Reallabore als Instrument der Energieforschung – Definition aus Sicht der Industrie Basierend auf den oben genannten Punkten 2.1 – 2.4 schlagen wir unsere Definition eines Reallabors als Instrument der Energieforschung vor: Reallabore sind zeitliche und räumlich begrenzte sowie rechtlich abgesicherte Experimentierräume, die unter realen Bedingungen eine Erprobung von Innovationen und Regulierungen im Zusammenspiel erlauben. Die räumliche Begrenzung unterliegt keiner festen Oberbzw. Untergrenze, sondern ist wie die zeitliche Begrenzung im Einzelfall zu prüfen. Neben Praxistests für einzelne Technologien, technologische Konzepte und Geschäftsmodelle stehen die Überprüfung bestehender und die Erprobung neuer regulatorischer Rahmensetzungen im Vordergrund. Reallabore erfordern daher eine befristete Änderung des rechtlichen Rahmens. Für die Energieforschung eignet sich hierfür eine kriterienbasierte Experimentierklausel, die im Energieforschungsprogramm verankert ist. Reallabore werden in der Regel von entsprechender Begleitforschung flankiert und mit einem Impact Assessment abgeschlossen. Im Fall einer positiven Gesamtevaluierung im Rahmen des Impact Assessments folgt auf die Reallabor-Phase die Rollout-Phase, die die praktische Umsetzung des getesteten Konzepts über den Rahmen eines Reallabors hinaus zum Ziel hat. 3. Systemische Implementierung von Reallaboren mit einer kriterienbasierten Experimentierklausel Die Absicht der Bundesregierung „Reallabore als weitere Säule der Energieforschung zu etablieren“ verstehen wir so, dass Reallabore systemisch und nicht als eine punktuelle Lösung eingeführt werden sollen. Dafür bedarf es eines Mechanismus, der die Entstehung eines Reallabors ermöglicht. Aus unserer Sicht eignet sich hierfür eine kriterienbasierte Experimentierklausel für Projekte der Energieforschung, die in dem neuen Energieforschungsprogramm der Bundesregierung verankert werden soll. Im Vergleich zu projektbezogenen Einzelregulierungen wie der SINTEGVerordnung hat eine themenoffene kriterienbasierte Experimentierklausel das Potenzial, die Reallabore als einen integrierten Teil der Energieforschung zu etablieren. Ein weiterer Grund, der gegen die Einführung mehrerer projektbezogener Experimentierklauseln spricht, ist der damit einhergehende bürokratische Mehraufwand. Letztlich erlaubt eine kriterienbasierte Experimentierklausel den rechtlichen Anforderungen an die Reallabore, u. a. dem Beihilferecht, gerecht zu werden. Eine kriterienbasierte Experimentierklausel verstehen wir als ein regulatorisches Instrument zur Schaffung von Reallaboren. Die Unternehmen sollen die Möglichkeit bekommen, sich für die Anwendung der Experimentierklausel für ihre Reallabor-Projekte zu bewerben. 6


Für die Anwendung einer solchen Experimentierklausel schlagen wir folgende Kriterien vor: 1) Innovationsstärke: Was ist die konzeptionelle Neuigkeit des zu erprobenden Konzepts?5 2) System- und Marktdienlichkeit: Leistet das Konzept einen Beitrag zur Versorgungssicherheit und/oder Netzstabilität? Kann es die notwendigen Preissignale auf dem Markt stärken bzw. generieren? 3) CO2-Minderungspotenzial des zu erprobenden Konzeptes, z. B. durch direkte oder indirekte Einbindung erneuerbarer Energien oder Effizienzsteigerung. 4) Wirtschaftlichkeit: Welche wirtschaftlichen Potenziale können im Fall einer erfolgreichen Umsetzung des Konzepts gehoben werden? 5) Skalierbarkeit: Im Fall des Erfolgs, kann das Konzept im breiteren Umfang (bundesweit, EU-weit, international) implementiert werden? 6) Notwendigkeit der regulatorischen Anpassung: Kann das Konzept bzw. das Geschäftsmodell ohne die Anwendung der Experimentierklausel wirtschaftlich betrieben werden? Welche regulatorischen Hürden stehen aktuell im Weg der praktischen Umsetzung des zu erprobenden Konzepts? Es ist an dieser Stelle wichtig anzumerken, dass die gleichrangige Erfüllung aller Kriterien keine Voraussetzung für die Anwendung der Experimentierklausel werden darf. Es ist davon auszugehen, dass die aufgelisteten Kriterien je nach Schwerpunkt des zu erprobenden Konzepts unterschiedliche Gewichtung haben können. Weitere Kriterien können ggf. im Dialog mit der Wissenschaft und Politik diskutiert werden. Die zeitliche und räumliche Begrenzung für die Anwendung der Experimentierklausel sollte im Einzelfall entschieden werden. 4. Dimensionen für die Anpassung des regulatorischen Rahmens Wie bereits die BMWi-Definition festschreibt (s. Abschnitt 2), wird im Rahmen eines Reallabors mittels einer Experimentierklausel der bestehende regulatorische Rahmen angepasst. So stellt sich die Frage, welche Dimensionen der regulatorischen Änderungen sollen für eine effektive Umsetzung des Förderinstruments Reallabore durch eine Experimentierklausel ermöglicht werden?

Es ist wichtig zu betonen, dass auch bereits etablierte Technologien im Rahmen eines neuen Konzepts und neuen Zusammenspiels einen Innovationsgrad vorweisen können. 5

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Aus Sicht des BDI bestehen vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Reallabore im Energiebereich folgende wichtige Dimensionen für die Anpassung des regulatorischen Rahmens: 1) Entlastung von der EEG-Umlage 2) Modifizierung der Netzentgeltzahlungen. Sowohl die Entlastung von der EEG-Umlage als auch die Anpassung der Netzentgelte werden im Rahmen der SINTEG-Modelregionen bereits praktiziert, z. B. Entlastung von den EEG-Zahlungen für die Teilnehmer der Enko-Plattform. Darüber hinaus sehen wir zwei weitere mögliche Dimensionen für die Anpassung des regulatorischen Rahmens: 3) Zeitlich befristete Implementierung von flexiblen Tarifkonzepten . Eine zeitlich befristete Implementierung von flexiblen Tarifkonzepten kann insbesondere für die Erprobung von Demand-Side-Management-Konzepten wesentliche Vorteile bringen. 4) Besondere Regelung des Umgangs mit Daten. Die Teilnehmer eines Reallabors sollten einen erleichterten Zugang zu anonymisierten Nutzerdaten bekommen (z. B. Daten der Smart-Meter) – vorausgesetzt, es besteht die Einwilligung aller Akteure und ein definierter projektbezogener Nutzen. Denkbar wäre z. B. ein Datenpool, der allen Teilnehmern des Reallabors zur Verfügung steht. Wichtig ist, dass die Auswertung echter Kundendaten ermöglicht wird, da diese im Vergleich zu Simulationen und virtuellen Einbindungen genauere Analysen erlauben. Darüber hinaus können weitere Dimensionen der regulatorischen Anpassung diskutiert werden, wie z. B. erleichterte Genehmigung für ReallaborStandorte oder spezifische Regelungen für den Sektorübergang von erneuerbarem Strom.

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5. Rechtliche Anforderungen an die Reallabore Aus Sicht des BDI ist die richtige Ausgestaltung der für die Reallabore erforderlichen Experimentierklausel zentral, um den rechtlichen Anforderungen an die Reallabore gerecht zu werden. So stellt die im Abschnitt 3 vorgeschlagene kriterienbasierte Experimentierklausel aus unserer Sicht eine gute Lösung dar, um einen fairen und diskriminierungsfreien Zugang aller Akteure zu den Reallaboren zu ermöglichen. Der themenoffene Charakter solch einer Experimentierklausel schließt eine selektive Beteiligung bzw. eine Vorauswahl aus. Im Gegensatz hierzu kann eine Vielzahl von projektbezogenen Verordnungen ggf. als staatliche Beihilfe interpretiert werden. Für die Prüfung der Projekte in ihrer Eignung für die Etablierung eines Reallabors und die Anwendung der Experimentierklausel bedarf es aus unserer Sicht einer gesonderten Prüfstelle, z. B. in Form eines Projektträgers. Um die möglichen Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollte aus Sicht des BDI ein von der Prüfstelle genehmigtes Reallabor den Status eines öffentlich geförderten Projektes bekommen. Eine bestehende staatliche Förderung darf allerdings nicht zu einer Voraussetzung für die Etablierung eines Reallabors werden. Abschließende Bemerkung Mit dem BDI-Positionspapier „Strukturelle Anforderungen der deutschen Industrie an das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung“ haben wir auf die bestehende Förderlücke in dem marktnahen Bereich des Innovationsprozesses hingewiesen. Die Reallabore sind ein wichtiges Förderinstrument, um diese Förderlücke zu schließen. Internationale Kooperationen, die an die Ergebnisse der erfolgreich durchgeführten Reallabore anknüpfen und/oder der Umsetzung eines technologischen Konzepts im Ausland dienen, stellen einen nächsten logischen Schritt in dem Skalierungsprozess dar. Dieser soll im Dialog zwischen Industrie und Politik ggf. vor dem Hintergrund der bestehenden Energiepartnerschaften weiter entwickelt werden.

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 36 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.

Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Jekaterina Grigorjeva Referentin Telefon: +49 302028-1429 j.grigorjeva@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 0920

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