Rechtsfolgen beim Wechsel zum Drittstaat

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POSITION | EUROPAPOLITIK | BREXIT

Rechtsfolgen beim Wechsel zum Drittstaat Herausforderungen durch den Brexit

Februar 2018

Größtmögliche Kontinuität des Rechtsrahmens sicherstellen 23. Oktober 2017 Unter dem vorgenannten Titel „Rechtsfolgen beim Wechsel zum Drittstaat“ geht der BDI auf Rechtsfolgen in fünf zentralen Bereichen des Wirtschaftsrechts ein: (1) Wettbewerbs-, Kartell- und Beihilferecht, (2) Europäisches und internationales öffentliches Auftragswesen/Vergaberecht, (3) Gesellschafts- und Insolvenzrecht, (4) Zivil- und Zivilverfahrensrecht (einschließlich Verbraucherrechtsaspekten) und (5) Verbraucherpolitik. Über alle Einzelheiten hinweg besteht angesichts der äußerst negativen Folgen eines ungeregelten Brexit (oder einer zu kurzen Übergangsfrist) ein starkes Interesse der Industrie an größtmöglicher Kontinuität des Rechtsrahmens.

BDI-Kernforderungen Wettbewerbs-, Kartell- und Beihilferecht: U.a. Regelungen hinsichtlich der Freigabe von Zusammenschlüssen „mergers“ nötig Im Bereich des Wettbewerbs-, Kartell- und Beihilferechts wird mit dem Brexit, soweit keine Übergangslösung erfolgt, die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission bezüglich der Freigabe von Zusammenschlüssen mit EU-weiter Dimension im Verhältnis zum Vereinigten Königreich entfallen. Insoweit und hinsichtlich weiterer Aspekte des Wettbewerbs-, Kartell- und Beihilferechts ist eine hinreichende Übergangsphase mit Fortgeltung des EU-Rechts – möglichst bis zum Inkrafttreten der künftigen Vereinbarungen mit dem Vereinigten Königreich – anzustreben. Für künftige Regelungen sind eindeutige Festlegungen unter weit gehender Orientierung am EU-Recht erforderlich. Öffentliches Auftragswesen/EU-Vergaberecht: Übergangsphase und künftige Regelungen erforderlich Ohne besondere Vereinbarungen würden mit dem Brexit wichtige marktöffnende Regelungen für den bedeutenden britischen Markt für öffentliche Aufträge entfallen. Übergangsregelungen sind nötig: Das künftige Abkommen sollte sich inhaltlich möglichst an den EU-Richtlinien und hilfsweise an CETA orientieren. Gesellschafts- und Insolvenzrecht: Insbesondere Klarstellungen bezüglich der „Limiteds“ wichtig Auch insoweit löst der Brexit viele Unsicherheiten aus. Vor allem ist unsicher, welche Folgen beim Wegfall der Niederlassungsfreiheit auf Unternehmen zukommen werden, bei denen es sich um in UK gegründete Gesellschaften (insb. „Limited“) mit Verwaltungssitz in Deutschland handelt. Insoweit ist zu prüfen, wie etwaige künftige Regelungen oder Ausnahmeregelungen gestaltet werden müssten. Zivil- und Zivilprozessrecht: Alternative künftige Lösungen nötig Zu erwartende Rechtsunsicherheiten für Unternehmen bei der Abwicklung von Verträgen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr sollten durch alternative künftige Lösungen minimiert werden. Verbraucherpolitik: Vereinbarungen in Anlehnung an EU-Recht anzustreben Es ist im Interesse der deutschen Wirtschaft, zukünftige Verbraucherschutzvorschriften in einem bilateralen Abkommen mit dem Vereinigten Königreich soweit möglich identisch zum EU- Recht zu gestalten.


Wettbewerbs-, Kartell- und Beihilferecht Im Bereich des Wettbewerbs-, Kartell- und Beihilferechts wird mit dem Brexit, jedenfalls soweit keine Übergangslösung erfolgt, die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission bezüglich der Freigabe von Zusammenschlüssen mit EU-weiter Dimension im Verhältnis zum Vereinigten Königreich entfallen. Auch das Beihilferecht der EU würde gegenüber dem Vereinigten Königreich mangels anderweitiger Vereinbarungen keine Anwendung mehr finden. Angesichts dieser weitreichenden

Änderungen sollten insoweit Ersatzlösungen gefunden werden. Für alle Bereiche des Wettbewerbs-, Kartell- und Beihilferechts gilt, dass eine hinreichende Übergangsphase mit vollständiger Fortgeltung des EU-Rechts erforderlich ist, die bis zum Inkrafttreten der künftigen Vereinbarungen mit dem Vereinigten Königreich gelten sollte. Für die künftige Regelung sind eindeutige Festlegungen unter möglichst weit gehender Orientierung am EU-Recht erforderlich.

Öffentliches Auftragswesen/ EU- Vergaberecht Im Sektor Öffentliches Auftragswesen / EU-Vergaberecht würden, wenn keine Vereinbarungen getroffen werden, wichtige marktöffnende Regelungen für den bedeutenden britischen Markt entfallen. In britisches Recht übernommenes EU-Recht bietet keinen zuverlässigen Ersatz, da es leicht abgeändert werden kann, und die verbleibenden Regelungen der WTO (GPA) sind weniger konkret als das EU-Recht.

Die von der Kommission vorgeschlagene Austrittsvereinbarung für laufende Vergabeverfahren ist zu begrüßen, reicht aber nicht weit genug. Auch insoweit ist anzustreben, dass die avisierte Übergangsphase, in der der status quo aufrechterhalten wird, bis zum Inkrafttreten des künftigen Handelsabkommens gilt. Das künftige Abkommen sollte am Inhalt der EU-Richtlinien und hilfsweise an CETA orientiert werden.

Gesellschafts- und Insolvenzrecht Auch im Gesellschafts- und Insolvenzrecht verursacht der Brexit viele praxisrelevante Unsicherheiten. So fragt sich z. B., welche Folge es für Unternehmen der deutschen Wirtschaft hat, wenn in UK gegründete Gesellschaften (insb. „Limited“) mit Verwaltungssitz in Deutschland bei einem Wegfall der Niederlassungsfreiheit angesichts der hier

geltenden „Sitztheorie“ nicht als haftungsbeschränkte Gesellschaften behandelt würden. Insofern ist zu prüfen, wie etwaige künftige Regelungen oder Ausnahmeregelungen gestaltet werden müssten. Auch insoweit erscheint eine hinreichend lange Übergangsphase erforderlich.

Zivil- und Zivilprozessrecht Im Zivil- und Zivilprozessrecht würde der Brexit mangels anderweitiger Einigungen dazu führen, dass bestehende Regelungen im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts im Verhältnis zum Vereinigten Königreich wegfallen und zahlreiche Verordnungen insoweit nicht mehr anwendbar sind.

Dies wird zu erheblichen Rechtsunsicherheiten für Unternehmen bei der Abwicklung von Verträgen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr führen. Auch insoweit erscheint eine hinreichende Übergangsphase notwendig.

Verbraucherpolitik Auch im Bereich der Verbraucherpolitik könnte der Austritt aus der EU für beide Seiten nennenswerte Folgen haben. So könnten EU-Bürger beispielsweise ihre Reiserechte einbüßen, wenn sie mit einer britischen Fluggesellschaft von Großbritannien aus fliegen. Auch müssten Briten damit rechnen, dass ihre Europäische Krankenversichertenkarte, die Zugang zum jeweiligen örtlichen Gesundheits-

system bewirkt, in der EU nicht mehr gültig ist. Für die deutsche Wirtschaft ist es von Interesse, dass Regelungen zum Verbraucherschutz in einem etwaigen künftigen bilateralen Abkommen mit dem Vereinigten Königreich möglichst identisch mit den diesbezüglichen Vorschriften des EU-Rechts sind.

Das ausführliche Positionspapier in englischer Sprache finden Sie hier: https://english.bdi.eu/media/publications/#/publication/news/legal-consequences-of-the-transition-to-a-thirdcountry/


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