Steuerpolitische Prioritäten 2018-2021

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POSITION | STEUERPOLITIK | STEUERRECHT

Steuerpolitische Prioritäten 2018-2021 Vorschläge zur Weiterentwicklung des deutschen Steuerrechts angesichts des internationalen Steuerwettbewerbs


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Position | Steuerpolitik | Steuerrecht Steuerpolitische Prioritäten 2018-2021

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis 01 Steuerpolitik ist Standortpolitik – Internationaler Steuerwettbewerb schafft Handlungsdruck ..... 6 Internationaler Steuersatzwettbewerb ................................................................................................................ 6 Die öffentlichen Haushalte sind für strukturelle Reformen bestens gerüstet ........................................ 7 Die Unternehmen tragen wesentlich zur Finanzierung des Gemeinwesens bei .................................. 7 Die hier ansässigen Unternehmen zahlen den Großteil ihrer Steuerlast in Deutschland .................. 7 Steuersatzsenkung führt zu Mehraufkommen .................................................................................................. 8 02 Steuerpolitische Prioritäten des BDI ................................................................................................................ 9 1

Steuerbelastung von max. 25 Prozent sicherstellen ............................................................................... 9

2

Steuerrecht strukturell reformieren .............................................................................................................. 10

3

Steuerrecht mit Einzelmaßnahmen verbessern ...................................................................................... 13

4

Rechts- und Planungssicherheit (Tax Certainty) gewährleisten ........................................................ 13

5

Zusammenfassung ........................................................................................................................................... 15

03 Interviews ..................................................................................................................................................................... 16 Impressum ........................................................................................................................................................................... 18

3


Dr. Wolfgang Haas Vorsitzender des Steuerausschusses des BDI | General Counsel und Leiter Legal, Tax, Insurance und Intellectual Property der BASF SE, Ludwigshafen

„Globale Standards für eine faire und rechtssichere Unternehmensbesteuerung sind auch für den Erfolg in Deutschland ansässiger Unternehmen unumgänglich. Nationale oder europäische Alleingänge sollten daher vermieden werden. Das BEPS-Projekt war daher der richtige Weg. Das deutsche Steuerrecht entspricht bereits weitestgehend den BEPS-Standards, weitere Verschärfungen sind daher zu vermeiden.“

Vernünftige Steuerpolitik erhöht die Wettbewerbsfähigkeit Das Unternehmensteuerrecht flankiert im guten Fall das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu erhöhen. Bund, Länder und Gemeinden erzielen Überschüsse. Mittelfristige Haushaltsziele können eingehalten und die staatliche Verschuldungsquote zurückgeführt werden. Die gute Haushaltslage ist in erster Linie das Ergebnis des wirtschaftlichen Erfolgs der Unternehmen in Deutschland. Damit die Unternehmen weiterhin ihrer Verantwortung zur Finanzierung des Gemeinwohls nachkommen können, sind sie neben einem international wettbewerbsfähigen Belastungsniveau insbesondere auf eine verlässliche und langfristig orientierte Gesetzgebung angewiesen, die Investitionen begünstigt und die Position von deutschen Stammhauskonzernen aller Größenordnungen im internationalen Wettbewerb stärkt.

4

Das Unternehmensteuerrecht darf zeitgemäße Unternehmensstrukturen durch überschießende, pauschale Missbrauchsregeln und ein restriktives Umwandlungssteuerrecht nicht behindern. Es muss daher durchgreifend modernisiert werden. Im Vordergrund steht dabei die Weiterentwicklung des Steuerrechts auf ein rechtsformneutrales System sowie die Ausrichtung auf eine rein ertragsorientierte Unternehmensbesteuerung. Unsystematische und ertragsunabhängige Elemente sind zurückzuführen. Neben modernen Regelungen im materiellen Steuerrecht brauchen Unternehmen auch einen praxisgerechteren Vollzug durch die Finanzverwaltung. Erste notwendige Schritte hierzu sind zeitnahe Betriebsprüfungen, Vereinfachungen im Vollzug und Rechtssicherheit. Die deutsche Politik ist in der internationalen Diskussion gefordert, die Position von deutschen Unternehmen im globalen Wettbewerb zu stärken sowie deutsches Steuersubstrat zu schützen.


Nach zehn Jahren Reformstillstand „Unternehmensteuerreform 2018“ notwendig Der globale Steuerwettbewerb setzt sich fort: Die wichtigsten Industriestaaten nehmen Steuersenkungen vor und verbessern ihre Investitionsbedingungen für die Unternehmen. In Deutschland liegt die letzte größere Reform der Unternehmensteuern, die „Unternehmensteuerreform 2008“ mittlerweile zehn Jahre zurück. Seitdem wurde keine Notwendigkeit gesehen, über eine Verbesserung der steuerlichen Bedingungen für die Unternehmen am Standort Deutschland nachzudenken.

Die deutschen Unternehmen sichern Wachstum und Beschäftigung Die deutschen Unternehmen tragen nicht nur durch ihre Steuern, sondern vor allem auch durch die Beschäftigung von Mitarbeitern und die daraus erzielte Wertschöpfung maßgeblich zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Nach der ifo-Konjunkturprognose vom Frühjahr 2018 setzt sich das starke Wachstum der deutschen Wirtschaft zunächst fort. Jedoch stellt das Institut auch fest, dass der Koalitionsvertrag eine Antwort auf die deutliche Absenkung der Unternehmensteuern in den USA, aber auch in Frankreich und in Großbritannien, schuldig bleibt. Der BDI schlägt mit dieser Broschüre einige Prioritäten zur Verbesserung des Unternehmensteuerrechts in Deutschland vor. Langfristig kann sich Deutschland keine höhere Steuerbelastung als andere Staaten leisten und das Ziel einer Gesamtsteuerbelastung der Unternehmen von maximal 25 Prozent muss angestrebt werden.

Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Abteilung Steuern und Finanzpolitik, BDI, Berlin

Im Wettbewerb nichts zu tun und abzuwarten bis Gewinne und Investitionen abwandern – das schadet dem Unternehmensstandort Deutschland. Eine „Unternehmensteuerreform 2018“ ist notwendig, um Wachstum und Beschäftigung am Standort Deutschland sicherzustellen

.

5


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01

Steuerpolitik ist Standortpolitik – Internationaler Steuerwettbewerb schafft Handlungsdruck

Steuerpolitik ist Standortpolitik – Internationaler Steuerwettbewerb schafft Handlungsdruck

Angesichts weltweiter Veränderungen gerät der deutsche Industriestandort im internationalen Vergleich zunehmend ins Hintertreffen. Die Bundesregierung bleibt bislang konzeptionelle Ansätze schuldig. Die Senkung der effektiven Steuerbelastung wäre ein wirkungsvolles Signal und wichtiges Bekenntnis für einen starken Unternehmensstandort. Internationaler Steuersatzwettbewerb Die Steuerpolitik im Jahr 2018 ist durch neue Rahmenbedingungen gekennzeichnet: Primäre Bedeutung hat nicht das nationale Umfeld, sondern ein internationaler Kontext, der den Reformdruck auf das deutsche Steuerrecht dramatisch erhöht.

Deutschland ist Hochsteuerland

. . . .

Dies zeigt sich sowohl im erhöhten Innovationsdruck im Zuge des digitalen Wandels, als auch in der verstärkten Tendenz anderer Industriestaaten, mit steuerlichen Anreizen Standortpolitik zu betreiben.

Durchschnitt Unternehmensteuerbelastung EU: 21,7 Prozent Durchschnitt Unternehmensteuerbelastung OECD: 24,7 Prozent Durchschnitt Unternehmensteuerbelastung USA: 25,8 Prozent Durchschnitt Gesamtsteuerbelastung Deutschland 2018: 31,7 Prozent

Ertragsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften Quelle: OECD.Stat, Statutory corporate income tax rate, Mai 2018 *Daten extrahiert von OECD.Stat am 29. März 2018 | **mit durchschnittlichem GewSt-Hebesatz von 453 % (2017)

40 % 34,4

35 %

31,7

30 %

29,7 29,6

27,3

25 %

25,8 25

25

25

25 24,7

22 21,7 21,1 21

20 %

19

19

19

17 12,5

15 %

9

10 % 5%

6

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Steuerpolitik ist Standortpolitik – Internationaler Steuerwettbewerb schafft Handlungsdruck

Die öffentlichen Haushalte sind für strukturelle Reformen bestens gerüstet

Euro. Das entspricht rd. 39 Prozent des Ertragsteueraufkommens von Bund, Ländern und Gemeinden.3

Die finanzpolitische Ausgangslage in Deutschland ist derzeit besonders günstig: Die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen werden bis Ende 2022 auf rd. 906 Milliarden Euro steigen1. Für die 19. Legislaturperiode der Bundesregierung ergibt sich daraus ein Haushaltsspielraum des Bundes von mindestens 52 Milliarden Euro2. Tatsächlich ist der Spielraum deutlich größer. Allein aus der Körperschaftsteuer nimmt der Fiskus zwischen 2017 und 2022 über 34 Milliarden Euro zusätzlich ein. Das zeigt der Vergleich der jüngsten Steuerschätzungen des Bundesfinanzministeriums. Zweifelsohne sind die Mittel für vernünftige Reformen und Zukunftsinvestitionen vorhanden.

Die hier ansässigen Unternehmen zahlen den Großteil ihrer Steuerlast in Deutschland

Die Unternehmen tragen wesentlich zur Finanzierung des Gemeinwesens bei

.

.

Angesichts steigender Investitionsanreize im Ausland und stetig wachsendem Export wird nun verstärkt diskutiert, Investitionen und IP künftig zunehmend da anzusiedeln, wo die Nachfrage ist. Steuersubstrat würde mangels fehlender Investitionsanreize langfristig ins Ausland verlagert.

Die Unternehmen in Deutschland tragen durch die Beschäftigung von Mitarbeitern und die daraus erzielte Wertschöpfung maßgeblich zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Darüber hinaus leisten sie einen erheblichen Beitrag zum Steueraufkommen. In 2018 beträgt die Steuerbelastung von Gewerbebetrieben voraussichtlich rd. 145 Milliarden

1

BMF, Ergebnisse der 153. Steuerschätzung, Mai 2018

2

IW Köln, Kurzgutachten vom 24.11.2017

Beispiel Chemieindustrie: Umsatz in Deutschland rd. 18-20 Prozent ↔ Anteil Ertragsteuern in Deutschland: rd. 50-60 Prozent4

Beispiel Automobilindustrie: Die deutschen Automobilhersteller (Exportquote 2015 i. H. v. 77 Prozent) erzielen nur mehr gut 1/3 ihres Umsatzes im Inland. Allerdings begleichen sie rd. 60 Prozent ihrer weltweiten Steuerpflicht in Deutschland. Gleichzeitig liegt der Schwerpunkt der Beschäftigung mit rund 2/3 der Mitarbeiter, inkl. der damit verbundenen Lohnsteuerzahlungen und Sozialabgaben, ebenso in Deutschland

.

3

BDI, Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland 2017/2018 und BMF, Ergebnisse der 153. Steuerschätzung Mai 2018

4

BDI/VCI, Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland 2017/2018

Steuermehreinnahmen und Niedrigzinsen stärker für Investitionen nutzen Quelle: BMF Finanzbericht 2018; Eckwerte des RegE zum Bundeshaushalt 2018 sowie des Finanzplans 2018-2022

1.000

Einnahmen steigen

D

900 800

0,15 0,13

700 600

0,11

500 400

Investitionen sinken

D

300 200 100

Zinsniveau niedrig

D

0

0,17

4

0 20

5

0 20

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7

0 20

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0 20

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1 20

Gesamtsteuereinnahmen in Mrd. Euro

11 012 013 014 015 016 017 18* 19* 20* 21* 22* 20 2 2 2 2 2 2 20 20 20 20 20

0,09 0,07 0,05 0,03

Investitionausgaben in % der Gesamtausgaben des Bundes

Zinsausgaben des Bundes in % der Gesamtausgaben des Bundes

7


Steuersatzsenkung führt zu Mehraufkommen Trotz Steuersatzsenkung 2008 auf 15 Prozent stieg danach das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer deutlich an. Ein "race to the bottom" findet nicht statt.

Körperschaftsteueraufkommen Bundesgebiet in Milliarden Euro Quelle: BMF, Steuerschätzung, Mai 2018; Quelle: BMF Finanzbericht 2017

40

KSt-Satzsenkung

35

von 25 % auf 15 %

30

27,4

25

22,9 22,9

20 16,3

15

13,1

10 5 0

8,3

15,9

15,6

16,9

19,5

20

29,3

32,3

34,7

35,9

37,2

38,2

19,6

12 7,2

2,8 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018*2019*2020*2021*2022* *Daten auf Basis der 153. Steuerschätzung, Mai 2018.

Auch im internationalen Vergleich bleibt das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer konstant auf hohem Niveau.

Körperschaftsteueraufkommen der OECD-Staaten in Prozent des BIP Quelle: OECD Revenue Statistics, https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=REV Abruf vom 29.3.2018

4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

0,0 1965 1968 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 2016


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02 Steuerpolitische Prioritäten des BDI

Steuerpolitische Prioritäten des BDI In dieser neuen, international geprägten Ausgangslage sind strukturelle Anpassungen der steuerlichen Rahmenbedingungen dringend nötig, um künftiges Wachstum sicherzustellen.

02

In ihren länderspezifischen Empfehlungen für Deutschland äußerte die Europäische Kommission im Mai 2018 deutliche Kritik an der deutschen Investitionsschwäche und dem deutschen Steuersystem5. Zukunftsweisende Antworten und Konzepte zur Behebung der Missstände lässt die Bundesregierung bislang jedoch vermissen. Um Industriearbeitsplätze und die mit ihnen verbundene Wertschöpfung in Deutschland langfristig zu sichern, müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden. Vor diesem Hintergrund fordert der BDI die Bundesregierung auf, in der laufenden Legislaturperiode folgende steuerpolitische Maßnahmen umzusetzen:

1

Steuerbelastung von max. 25 Prozent sicherstellen

Für eine wettbewerbsfähige Industrie muss die Steuerbelastung auf einem international vergleichbaren Belastungsniveau liegen. Dauerhaft wird sich Deutschland keine höhere Steuerbelastung als andere Industriestaaten leisten können. Angesichts einer durchschnittlichen Steuerbelastung der Unternehmen in der OECD von 24,7 Prozent und in den 28 Mitgliedstaaten der EU von 22,7 Prozent sollte auch in Deutschland mittel- bis langfristig die (effektive) Steuerbelastung nicht mehr als 25 Prozent betragen. Ziel der letzten Unternehmensteuerreform in 2008 war u. a. eine effektive Gesamtsteuerlast von maximal 30 Prozent sicherzustellen. Neben vielen gewerbesteuer- und außensteuerlichen Verschärfungen wurde die steuerliche Bemessungsgrundlage in den letzten Jahren auch durch eine Reihe von Abwehrmaßnahmen im internationalen Vergleich stetig ausgeweitet: Hierzu zählen die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwendungen (Zinsschranke), die 2017 eingeführte Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs von Lizenzaufwendungen (sog. Lizenzschranke) sowie die in den letzten Jahren stark eingeschränkten Verlustausgleichsund Abzugsmöglichkeiten.

Prof. Dr. Christian Dorenkamp Leiter der Konzernsteuerabteilung der Deutsche Telekom AG, Bonn

„Ein Signal bei den Steuersätzen ist notwendig, gerade nach der US-Steuerreform“

Im Ergebnis liegt die Ertragsteuerbelastung für Kapitalgesellschaften in Deutschland aktuell bei 31,7 Prozent (vgl. Grafik Seite 6). Je nach Gewerbesteuerhebesatz kann die Belastung noch höher sein. Bei Personengesellschaften wird dieser Wert unter Berücksichtigung der jeweiligen Gewerbesteuerhebesätze regelmäßig deutlich überschritten.

5

Europäische Kommission, COM(2018) 405 final, Brüssel, 2018.

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02 Steuerpolitische Prioritäten des BDI

Vor diesem Hintergrund ist neben einer langfristig rechtsformneutralen Besteuerung eine Senkung der effektiven Steuerlast für alle Unternehmen dringend geboten. Kurzfristig könnte dies durch folgende Korrekturen erreicht werden:

an den aktuellen Aufkommensrekorden6. Eine Entlastung beim Solidaritätszuschlag ist vor diesem Hintergrund als absolutes Minimum angezeigt. Eine Senkung des Zuschlagssatzes auf 3 Prozent würde eine Entlastung aller SolZ-Zahler in Höhe von insgesamt 10 Mrd. Euro jährlich ermöglichen. Verbunden mit einem klaren Enddatum für die Erhebung des SolZ wäre das ein wichtiges Signal für die Wirtschaft und würde die verfassungsrechtlichen Fragestellungen berücksichtigen.

. . . . . .

Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 15 Prozent auf 10 Prozent, wobei die Senkung schrittweise erfolgen könnte. Wiedereinführung der Abzugsfähigkeit der GewSt als Betriebsausgabe

2

Anrechnung der GewSt auf die Körperschaftsteuerschuld (analog § 35 EStG)

Steuerrecht strukturell reformieren

Neben einem wettbewerbsfähigen Belastungsniveau sind nach nunmehr zehn Jahren seit der letzten „Unternehmensteuerreform 2008“ vor allem strukturelle Korrekturen des Unternehmensteuerrechts notwendig.

Verbesserung der Anrechnung der Gewerbesteuer bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) Senkung des Thesaurierungssatzes gem. § 34a EStG Abbau des Solidaritätszuschlags für alle Zahler

Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Abbau des Solidaritätszuschlags muss alle Zahler der Ergänzungsabgabe entlasten. Die Unternehmen in Deutschland haben in den Jahren 2009 bis 2017 gut eine Billion Euro zum Steueraufkommen beigetragen und damit hohen Anteil

Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung Zur Stärkung des Innovationsstandortes durch einen Investitionsschub bei Forschung und Entwicklung (FuE) fordert der BDI, eine Steuergutschrift in Höhe von 10 Prozent des FuE-Personalaufwands noch in dieser Legislaturperiode einzuführen. Damit können, unabhängig von der Unternehmensgröße, wirksame Anreize 6

BDI/VCI, Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland 2017/2018

Solidaritätszuschlag fließt ab 2020 vollständig in Bundeshaushalt Quelle: BMF, Steuerschätzung Mai 2018

25

Solidaritätszuschlag

20 15

15,9

22,8

21,8

20,8

19,9

18,8

18,0

16,9

Soli-Ost*

10 5,06

50 0

2015

4,29

2016

3,58

2017

2,81 2018

2,10 2019

0 2020

0 2021

0 2022

*Sonderbedarfsergänzungszuweisungen zum Abbau teilungsbedingter Sonderlasten für Brandenburg 2005-2019; (Quellen: Finanzplan des Landes Brandenburg 2014-2018, Fortschrittsbericht „Aufbau Ost“ des Landes Brandenburg 2009 sowie BMF, Ergebnisse der 153. Steuerschätzung Mai 2018; Werte in Milliarden Euro

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02 Steuerpolitische Prioritäten des BDI

gesetzt werden, FuE-Tätigkeiten weiterhin in Deutschland anzusiedeln. Eine Begrenzung der FuE-Förderung auf kleine und mittlere Unternehmen greift zu kurz, denn gerade große Unternehmen sind Treiber von notwendigen Innovationen im Bereich der Digitalisierung und der Weiterentwicklung neuer Technologien. Mit einer Begrenzung der Förderung auf FuE-Personalaufwand lässt sich die fiskalische Wirkung in einem ersten Schritt auf rund 3,8 Mrd. Euro p. a. begrenzen. Dies entspricht einer 10-prozentigen Förderung der internen FuE-Personalausgaben, die ca. 48 Prozent der gesamten FuE-Ausgaben ausmachen. Eine zusätzliche Minderung der fiskalischen Kosten könnte durch eine Deckelung der förderfähigen Arbeitskosten je Mitarbeiter über eine "Gehaltsgrenze" erreicht werden. Dies hat den Vorteil, dass hiermit alle Unternehmen in eine Förderung einbezogen werden (Spillover-Effekte), der administrative Aufwand reduziert wird (Vermeidung von Abgrenzungsproblemen) und vorübergehende Steuermindereinnahmen präzise vorhersagbar sind.

Reform des Außensteuerrechts Investitionen deutscher Unternehmen in ausländische Tochtergesellschaften dürfen nicht länger benachteiligt werden. Eine Reform des Außensteuerrechts („Hinzurechnungsbesteuerung“) ist dringend notwendig: Die Niedrigsteuersatzgrenze muss auf das Niveau des Körperschaftsteuersatzes, derzeit noch 15 Prozent, abgesenkt werden, denn mittlerweile gelten zahlreiche EU-Staaten und selbst die USA, abhängig von dem jeweiligen Satz der State Taxes, nach der US-Steuerreform als Niedrigsteuerland (vgl. Abschnitt 1, Seite 5). Zudem muss der die Hinzurechnung auslösende Aktivitätskatalog modernisiert (§ 8 AStG) und der Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 AStG) angemessen begrenzt werden.

Gewerbesteuer im Kontext europäischer Harmonisierung reformieren Zur Stärkung der ökonomischen Vorteile des EU-Binnenmarktes sollte weiterhin eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung angestrebt werden. Zur Erreichung dieses Ziels sind weitgehende Nachbesserungen bei der Gewerbesteuer erforderlich, die als Sonderweg Deutschlands nicht mehr zu rechtfertigen ist. Ziel muss es daher bleiben, die deutsche Gewerbesteuer für die Kommunen aufkommensneutral in die Ertragsteuern zu integrieren. Dieses Vorhaben muss mit Bedacht und Augenmaß umgesetzt werden. Als Zwischenschritt sind dafür insbesondere die substanzbesteuernden Elemente abzubauen. Die 2008 eingeführten Hinzurechnungsvorschriften müssen überarbeitet werden, sodass die Ertragsorientierung wieder in den Fokus rückt. Insoweit sind die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) durch Absenkung des 25%-igen Hinzurechnungsfaktors zu korrigieren.

Kirsten Birnbaum Senior Vice President, Leiterin der Konzernsteuerabteilung, SAP SE, Walldorf

„Die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung für alle Unternehmen ist dringend geboten, damit Deutschland als Innovationsstandort den Anschluss nicht verliert.“

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02 Steuerpolitische Prioritäten des BDI

Primär aber gilt es, die in der Gewerbesteuer begründete Überbesteuerung der Unternehmen zurückzuführen. Dieses Ziel kann durch kurzfristige und leicht umzusetzende Anpassungen, wie der Wiedereinführung der Abziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 5b EStG) oder der Schaffung der Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer erreicht werden.

Zinssätze im Steuerrecht deutlich absenken

Bernd-Peter Bier Global Head of Accounting & Taxes, Bayer AG, Leverkusen

„Im internationalen Vergleich ist die Steuerund Abgabenbelastung in Deutschland zu hoch. Dies wirkt sich auf das Investitionsverhalten aus.“

Die anhaltende Niedrigzinsphase entlastete allein den Bund von 2008 bis 2018 um rd. 179 Milliarden Euro (gesamtstaatlich sogar über 240 Milliarden Euro; Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juli 2017). Gleichzeitig belastet sie aufgrund der fehlenden Anpassung im Steuerrecht die Unternehmen weiterhin. Unverändert sind bei der Bewertung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen Zinssätze von bis zu sechs Prozent zu berücksichtigen. Insbesondere der Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen gem. § 6a Abs. 3 EStG und die Verzinsung von Steuernachforderungen bzw. -erstattungen gem. § 238 Abs. 1 AO stehen in einem starken Missverhältnis zum Marktzins. Eine verschärfende Wirkung entsteht u. a. durch die Versagung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsen. Im Ergebnis führt dies zu einer Belastung für die Unternehmen, die angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase weder realitätsgerecht noch zumutbar ist. Vor diesem Hintergrund muss der gesetzliche Zinssatz nach §§ 233a, 238 AO an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst und entsprechend abgesenkt werden. Der BDI schlägt die Einführung eines variablen marktorientierten Zinssatzes oder alternativ eine deutliche Absenkung des Zinssatzes vor.

Neuregelung des steuerlichen Verlustuntergangs Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Neuregelung der sog. Mantelkaufvorschrift des § 8c KStG unumgänglich. Dabei sollte der Verlustuntergang auf wirkliche Missbrauchsfälle beschränkt werden, indem neben einen mehrheitlichen Anteilseignerwechsel auch auf die wirtschaftliche Identität der Körperschaft abgestellt wird. Zudem sollte die Mindestgewinnbesteuerung allenfalls eine zeitliche Streckung der Geltendmachung von Verlusten zur Folge haben und demnach z. B. um Bereichsausnahmen für konzerninterne Reorganisationen oder Sanierungsfälle ergänzt werden.

Effiziente und verfassungsfeste Neuregelung der Grundsteuer verabschieden Der Gesetzgeber ist gefordert, die verfassungsrechtlich gebotene Neuregelung effizient und belastungs- bzw. aufkommensneutral umzusetzen. Aus Sicht der Industrie ist dabei eine Regelung nötig, die auf die vollständige Neubewertung der rd. 35 Millionen Grundstücke verzichtet. Alles andere wäre angesichts des weltweiten Trends, Steuern zu senken, eine Steuererhöhung durch die Hintertür. 12


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02 Steuerpolitische Prioritäten des BDI

Steuerrecht mit Einzelmaßnahmen verbessern

Die Gesetzgebung der vergangenen zehn Jahre hat zu steuerlichen Hürden geführt, die in dieser Legislaturperiode korrigiert werden müssen. Dafür sind Maßnahmen zur Verbesserung des Steuerrechts umzusetzen, die den Bürokratieaufwand der Unternehmen abbauen und deren betriebswirtschaftlich gebotene Handlungsfähigkeit stärken. Ziel ist hierbei nicht die Steuerentlastung, sondern die Beseitigung von unnötigen Hürden des Steuerrechts. Insbesondere körperschaftsteuerliche sowie umwandlungssteuerliche Verbesserungen stehen für den BDI dabei im Vordergrund.

4

Der Anstieg von internationalen Besteuerungskonflikten und die damit verbundenen Doppelbesteuerungsrisiken der Unternehmen zeigen die Notwendigkeit, Verfahren zur Streitbeilegung und Streitvermeidungsmechanismen zu optimieren sowie ihre Effizienz zu verbessern. Das Ziel frühzeitiger Rechts- und Planungssicherheit (Tax Certainty) gewinnt steigende Bedeutung für die Unternehmen.

.

Maßnahmen für eine Verbesserung des Steuerrechts könnten exemplarisch sein:

. .

. .

Reduzierung von Nachweis- und Dokumentationspflichten Überschießende Tendenz von Missbrauchsverhinderungsnormen reduzieren (z. B. § 8b Abs. 1 KStG, um u. a. eine steuerneutrale Abspaltung/Verschmelzung auch dann zu ermöglichen, wenn das ausländische Recht keine vergleichbare Umwandlungsregelung kennt, jedoch die steuerneutrale Übertragung zu Buchwerten zulässt; § 8b Abs. 3 S. 4 KStG)

Rechts- und Planungssicherheit (Tax Certainty) gewährleisten

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Streitvermeidung: Nationale „Cooperative Compliance“-Programme, zeitnahe Betriebsprüfungen und gemeinsame zwischenstaatliche Betriebsprüfungen (Joint Audits) sowie die Durchführung von Advance Pricing Agreements müssen weiterentwickelt werden, um eine frühzeitige Streitvermeidung und Verkürzung von Besteuerungskonflikten zu erreichen. Streitbeilegung: Zur Beseitigung von Besteuerungskonflikten müssen DBA-Verständigungsverfahren und EU-Schiedsverfahren zu einem verbindlichen Ergebnis führen. Die EU-Richtlinie zur Weiterentwicklung des EU-Schiedsverfahrens und verbindliche Streitbeilegung muss zügig in nationales Recht umgesetzt werden. Auch für Drittstaaten muss ein vergleichbarer Mechanismus auf OECD-Ebene verabschiedet werden. (BEPS-Aktionspunkt 14 reicht nicht aus.)

Formale Anforderungen an eine steuerliche Organschaft reduzieren (bspw. durch Verzicht auf das Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrages) Beschränkung der überschießenden Wirkung von § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 KStG, insbesondere mit Blick auf die nicht gerechtfertigte Versagung der Verrechnung von ausländischen Betriebsstättenverlusten beim inländischen Organträger.

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Prof. Dr. Christian Kaeser Global Head of Tax bei SIEMENS AG, München

„Deutschland ist gegenwärtig trotz seines Steuerrechts wettbewerbsfähig – in Zukunft sollten wir mit anderen Industriestaaten gleichziehen und das Steuersystem in den Dienst des Unternehmensstandorts stellen.“


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Zusammenfassung

02 Steuerpolitische Prioritäten des BDI

2. Steuerrecht strukturell reformieren

.. .. .. .. ..

Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung

Eine international vergleichbare Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland ist ein zentrales Ziel in dieser Legislaturperiode, das mit Blick auf künftige Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland mit hoher Priorität verfolgt werden sollte. Dazu bieten die zu erwartenden Steuermehreinnahmen ausreichend finanziellen Spielraum.

Reform des Außensteuerrechts (Hinzurechnungsbesteuerung) Gewerbesteuer im Kontext europäischer Harmonisierung reformieren Zinssätze im Steuerrecht deutlich absenken

Die Unternehmen in Deutschland leisten durch die Beschäftigung von Mitarbeitern, die daraus erzielte Wertschöpfung und ihre Steuerzahlungen einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens. Damit das so bleibt, sind neben einem wettbewerbsfähigen Belastungsniveau insbesondere strukturelle Reformen sowie punktuelle Verbesserungen im Steuerrecht in der laufenden Legislaturperiode notwendig.

Steuerpolitische Prioritäten des BDI 1. Steuerbelastung von max. 25 Prozent sicherstellen

Effiziente und verfassungsfeste Neuregelung der Grundsteuer verabschieden

3. Steuerrecht mit Einzelmaßnahmen verbessern

.. .. ..

Steuerliche Hürden des Unternehmensteuerrechts beseitigen Überschießende Tendenz von Missbrauchsverhinderungsnormen reduzieren Umstrukturierungen nicht behindern

Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 15 Prozent auf 10 Prozent, wobei die Senkung schrittweise erfolgen könnte.

4. Rechts- und Planungssicherheit (Tax Certainty) gewährleisten

Wiedereinführung der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe

Nationale und internationale Streitbeilegung fördern

.. .. .. .. ..

Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuerschuld (analog § 35 EStG) Verbesserung der Anrechnung der Gewerbesteuer bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) Senkung des Thesaurierungssatzes gem. § 34a EStG

.. .. ..

Internationale Streitbeilegungsmechanismen verbessern Antworten auf den globalen Steuerwettbewerb sind möglich und der Investitionsstandort Deutschland muss auch in Zukunft für die deutschen Unternehmen wettbewerbsfähig sein

.

Abbau des Solidaritätszuschlags für alle Zahler

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03

03 Interviews

Interviews Wie beurteilen Sie die steuerpolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland im Vergleich zum Ausland? Deutschland ist ein stabiles Land mit einem guten Rechtssystem. Aber leider verwenden Gesetzgeber und Verwaltung den politischen Gestaltungswillen häufig nur dazu, angebliche oder tatsächliche Missbräuche einzudämmen. Die Folge ist ein immer komplexeres Steuersystem ohne eine sinnvolle Fortentwicklung zu einem modernen Unternehmensteuerrecht. Es fehlt der Mut des Gesetzgebers notwendige Strukturveränderungen anzugehen. Erforderlicher Steuerwettbewerb zwischen den Staaten wird als „race to the bottom“ verunglimpft. Modernisierungen finden nicht statt. So schaffen wir es noch nicht einmal, den Solidaritätszuschlag – 28 Jahre nach der Wiedervereinigung trotz sehr solider Steuereinnahmen – für alle abzuschaffen. Außerdem hören wir immer wieder, dass der Ton in Betriebsprüfungen zunehmend rauer wird.

Hat der verschärfte Steuerwettbewerb Folgen für Investitionen und Arbeitsplätze der (Personen-) Unternehmen in Deutschland? Die Personenunternehmen – und das ist immer noch die Mehrzahl der deutschen Unternehmen - leiden unter der hohen Belastung (bis zu 47,5 Prozent) mit der für sie anwendbaren Einkommensteuer. Die Möglichkeiten, stattdessen vom günstigeren Körperschaftsteuersatz zu profitieren, sind gering. Der sog. Thesaurierungssteuersatz muss nun endlich reduziert werden. Die hohe Belastung trifft im Zweifel auch qualifizierte Arbeitskräfte, die wir ins Inland locken bzw. in Deutschland halten müssen. Zudem existiert keine steuerliche Forschungsförderung – im Unterschied zu den meisten anderen EU-Ländern – die das ausgleichen könnte. „Steuerwettbewerb“ bedeutet für Unternehmen leider oft auch, dass mehrere Staaten den gleichen Gewinn besteuern wollen – das führt zu Doppelbesteuerungen. Die Folgen können eine Verlagerung von Investitionen und Arbeitsplätzen ins Ausland hin zu den Absatzmärkten und an Standorte mit günstigeren Bedingungen sein.

Wenn sich steuerpolitisch nichts weiter mehr tut – welche Nachteile könnten dem Standort Deutschland drohen?

Dr. Ullrich Fechner Boehringer Ingelheim, Ingelheim am Rhein

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Neben den direkten Folgen aus dem Nachlassen der Investitionen (nachlassende Bautätigkeit, fehlende Aufträge für Zuliefererbranchen etc.) und der Verlagerung von Arbeitsplätzen (Arbeitnehmeranzahl, Kaufkraftverlust, Verlust von Einzahlern in die Sozialsysteme usw.) bricht natürlich der Gewinn der Unternehmen weg, den Deutschland künftig besteuern kann: Investitionen im Ausland führen zur Entstehung von Erfindungen und Patenten im Ausland und damit zur Gewinnentstehung im Ausland. Projekte wie BEPS führen tendenziell zu einer Verminderung des Steueraufkommens in Deutschland und den anderen Industrieländern – wer die Schuld daran den Unternehmen gibt, der argumentiert nicht seriös. Es wäre also nicht nur notwendig, etwas zu tun, die Zeiten sind auch günstig: die Steuereinnahmen sprudeln wie noch nie! Wenn wir die Innovationskraft nicht jetzt stärken, werden wir erleben, dass die Jungen ins Ausland gehen – mit mittelfristig dramatischen Folgen für eine Volkswirtschaft, die praktisch ohne Rohstoffe auskommen muss und deshalb von der Leistungsfähigkeit aufgrund von Humankapital lebt.


Position | Steuerpolitik | Steuerrecht Steuerpolitische Prioritäten 2018-2021

03 Interviews

Wie beurteilen Sie die steuerpolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland im Vergleich zum Ausland? International ist ein starker Trend hin zu Entlastungen von Unternehmen zu beobachten, nicht nur durch die US-Steuerreform sondern auch in Europa. Angesichts des massiv verschärften internationalen Steuerwettbewerbs sollte Deutschland nun Reformfähigkeit beweisen, um nachhaltig als Standort attraktiv zu bleiben und somit dauerhaft Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Die jüngste Einschätzung der EU-Kommission, dass das deutsche Steuerrecht zielgerichtet Unternehmen entlasten sollte, um Investitionen, Wachstum und Beschäftigung nachhaltig zu fördern, teilen wir daher vollumfänglich.

Hat der verschärfte Steuerwettbewerb Folgen für Investitionen und Arbeitsplätze der Unternehmen in Deutschland? Steuerwettbewerb ist Standortwettbewerb, mithin werden einige Unternehmen ihre Entscheidungen unter anderem an der veränderten steuerlichen Wettbewerbslage orientieren. Ungeachtet dessen gibt es aber auch Unternehmen, die sich z. B. wegen ihrer Ausrichtung oder wegen ihrer Anteilseignerstruktur trotz zunehmender steuerlicher Wettbewerbsnachteile grundsätzlich zum Standort Deutschland bekennen. Diese Unternehmen schaffen in Deutschland hochqualifizierte und angemessen vergütete Arbeitsplätze. Gerade diese Unternehmen und ihre Belegschaften sollten für ihre Loyalität zum Standort Deutschland nicht bestraft werden, sondern durch eine zielgerichtete Reform in Deutschland faire Wettbewerbsbedingungen erhalten.

Wenn sich steuerpolitisch nichts verbessert – welche Nachteile könnten dem Standort Deutschland drohen? Da diverse ausländische Standorte innerhalb und außerhalb der EU deutliche Verbesserungen eingeführt haben und einführen werden, würde Deutschland im internationalen Standortwettbewerb erheblich zurückfallen. Fällt Deutschland im internationalen Standortwettbewerb zurück, wird es dadurch gerade für die (Industrie-) Unternehmen schwerer, die sich nicht wegen, sondern trotz der steuerlichen Bedingungen über umfangreiche Investitionen und Hunderttausende von Arbeitsplätzen seit vielen Jahren eindeutig zum Standort Deutschland bekennen. Dies wäre weder gegenüber diesen dem Standort Deutschland stark verbundenen Unternehmen noch gegenüber ihrer Arbeitnehmerschaft fair

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Dr. Berend Holst Global Head of Tax and Customs, Volkswagen AG, Wolfsburg

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Position | Steuerpolitik | Steuerrecht Steuerpolitische Prioritäten 2018-2021

Impressum Herausgeber Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Breite Straße 29 10178 Berlin T.: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Redaktion Dr. Monika Wünnemann, Abteilungsleiterin Abteilung Steuern und Finanzpolitik m.wuennemann@bdi.eu Cedric von der Hellen, Referent Abteilung Steuern und Finanzpolitik c.hellen@bdi.eu Konzeption & Umsetzung Sarah Pöhlmann, Referentin Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen Layout Michel Arencibia, Art Director www.man-design.net Druck Das Druckteam www.druckteam-berlin.de Verlag Industrie-Förderung Gesellschaft mbH, Berlin Bildnachweis S. 1: BMF © Hendel S. 4: pixabay © scholty1970 | 3114551 S. 14: pixabay © kschneider2991 | 3244068 Stand Juli 2018 BDI-Publikations-Nr. 0076

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