WTO-Reform dringend geboten

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POSITION | WELTHANDELSORGANISATION (WTO)

WTO-Reform dringend geboten WTO stärken und Gleichgewicht im multilateralen Handelssystem herstellen

28. November 2018 Aktuelle Krise der WTO 23. Oktober 2017

Die WTO ist die Hüterin des Welthandels, die es ihren 164 Mitgliedern ermöglicht, im Konsens transparente und verlässliche Handelsregeln zu schaffen. Zudem überwacht die WTO die Umsetzung der verhandelten Regeln und schlichtet Streitfälle. Protektionismus, Uneinigkeit über das weitere Vorgehen und Unzufriedenheit über die Effektivität gefährden zunehmend das Funktionieren der WTO. Um ihre zentrale Rolle für das Welthandelssystem nicht zu verlieren, muss die WTO dringend reformiert werden. Dafür müssen die G20 ihrer Führungsrolle besser gerecht werden.

23%

…der Fortune-Global-500Unternehmen sind staatlich (2005 nur 9 Prozent).

65%

…der WTO-Mitglieder haben 2017 keine Subventionen notifiziert

Quelle: B20 Communiqué, 2018, <https://cs7e6cd119b4008x4ccax818.blob.core.windows.net/documents/20181010_193648-B20%20CommuInitiativen für moderne WTO-Regeln (im Dez.2017 plurilateral beschlossen) niqu%C3%A9.pdf />; Europ. Kommission, 2018, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/september/tradoc_157331.pdf >.

Elektronischer Handel: Erarbeitung einer Grundlage für zukünftige WTO-Verhandlungen über Aspekte des elektronischen Handels, ohne existierende Abkommen und Mandate zu beeinträchtigen. Heimische Regeln im Dienstleistungssektor: Weiterführen der Verhandlungen auf Basis von aktuellen Vorschlägen, um am Ende ein multilaterales Ergebnis zu erzielen. Investitionserleichterungen: Entwicklung eines Rahmens für die Förderung ausländischer Direktinvestitionen (nicht abgedeckt: Marktzugang, Investitionsschutz, Investor-Staat-Streitschlichtung). Mikro, Kleine und Mittlere Unternehmen: Gründung einer informellen Arbeitsgruppe mit dem Ziel, für die nächste Ministerkonferenz ein formales multilaterales Arbeitsprogramm für MKMUs zu erstellen.

BDI-Forderungen: Multilaterales Handelssystem ins Gleichgewicht bringen Beseitigung marktverzerrender Praktiken Wiederbelebung der Arbeitsgruppe „Handel und Wettbewerbspolitik“. Einführung von Regeln gegen erzwungenen Technologietransfer, Lokalisierungsanforderungen, Cyber-Diebstahl und Joint-Venture-Bestimmungen. Es muss prinzipiell auf neutrale Wettbewerbsbedingungen zwischen privaten und staatlichen Firmen hingewirkt werden.


Erhöhte Transparenz und Einhaltung von Notifikationsvorgaben Bessere Durchsetzung der Meldepflichten einschließlich einer Kompetenzerweiterung des WTO-Sekretariats bei der geboten BeWTO-Reform dringend urteilung des Mitgliederverhaltens, z.B. durch effektivere Unterstützungsmaßnahmen, Prozesse und Anreize. Diese sollten Berichte über die Einhaltung der Regeln und neue Sanktionsmöglichkeiten (naming and shaming, Entzug von Mitgliederrechten, Erhöhung des Mitgliederbeitrags) enthalten.

Unfairen Wettbewerb bekämpfen Umfassende Regeln gegen marktverzerrende Subventionen für Industrie und Dienstleistungen vereinbaren. Staatsunternehmen, öffentliche Körperschaften und staatlich kontrollierte Unternehmen klar definieren. Ausarbeitung von Regeln, um marktverzerrende Unterstützung von bzw. für Staatsunternehmen einzuschränken. Transparenz über Staatskontrolle und -besitz erhöhen. Plurilaterales Abkommen beschließen, um staatlich verursachte Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Handel zu beseitigen.

Flexibilität in WTO-Abkommen neu definieren Mitglieder sollten ihrem Wirtschaftsgewicht, Kapazitäten und Wettbewerbsfähigkeit entsprechend, Verpflichtungen zustimmen. Der Status oder das Niveau der Verpflichtung des Mitglieds sollte regelmäßig nach objektiven Kriterien überprüft werden. Ausgenommen der am wenigsten entwickelten Länder, sollte Flexibilität streng bedarfsorientiert zugelassen werden. Kernpunkte eines Abkommens sollten universell angewandt werden.

Protektionismus nimmt zu Protektionistische Maßnahmen wie Importzölle, Mengenbeschränkungen oder Lokalisierungszwang diskriminieren ausländische Unternehmen, behindern das Wirtschaftswachstum und können Arbeitsplätze kosten. Aktuelle Handelsberichte zeigen einen seit 2008 zunehmenden Protektionismus. Er lässt sich an der kontinuierlich wachsenden Anzahl der Handelsbeschränkungen ablesen. Zwischen Mai und Oktober 2018 hatten die durch die G20 Staaten verhängten restriktiven Maßnahmen ein geschätztes Handelsvolumen von 481 Milliarden US-Dollar betroffen. Das ist die höchste Summe, die seit Beginn der Berechnung, im Jahr 2012, gemessen wurde.

754

675

629

575

489

424

342

269

163

77

11

Anzahl an handelsbeschränkenden Maßnahmen G20-Staaten, Mitte Mai 2008 bis Mitte Okt. 2018

Quelle: WTO, Trade Monitoring Reports, <https://www.wto.org/english/news_e/archive_e/trdev_arc_e.htm>; BDI-Analyse.

Streitschlichtungsmechanismus (Dispute Settlement, DS) unter Druck

WTO: Gesamtzahl der Klagen (2018*: Bis September) 37 23

32

27

26 20

19 12

19 13

14

20

17 8

14 13

17 17

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018*

Der DS stellt eine weitestgehend entpolitisierte und strukturierte Beilegung von Handelskonflikten und die Durchsetzung des WTO-Regelwerks sicher. Die wachsende Anzahl an Handelskonflikten hat zum steilen Anstieg der Streitschlichtungsfälle geführt: Schon im September war 2018 das Jahr mit den meisten Streitfällen (32) seit 2002. Die meisten Beschwerden richteten sich dabei an die USA (v.a. wegen neuer Importzölle auf Stahl und Aluminium). Achtmal haben die USA bis September 2018 selbst Klage eingereicht. Trotzdem blockieren die USA aktuell die Ernennung neuer Streitschlichter, was bald zu einer Lähmung des Berufungsgremiums, der wichtigsten Instanz des DS, führen könnte. Dies würde die Glaubwürdigkeit der gesamten WTO in Frage stellen.

Quelle: WTO, Trade Monitoring Reports, <https://www.wto.org/english/news_e/archive_e/trdev_arc_e.htm>; BDI-Analyse.

Streitschlichtungsmechanismus reformieren Erster Schritt: Auf die Kritikpunkte der USA eingehen, um Blockade der Neubesetzung des Berufungsgremiums aufzulösen.

Zweiter Schritt: Substantielle Reformen, z.B. um vermeintliche Kompetenzüberschreitung des DS zu verhindern.

BDI-Position: ▪ ▪ ▪

Maßnahmen ergreifen, die die Handlungsfähigkeit der Berufungsinstanz sicherstellen. Effizientere Prozessabläufe sowie eine Aufstockung der Ressourcen für den DS. Wahrung der Unabhängigkeit des DS und die Verbindlichkeit der Regeln.

Der BDI unterstützt die Modernisierungsvorschläge der EU von September 2018 und die darauf aufbauenden Initiativen zu Transparenz und Reform der Streitschlichtung.


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