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Einheitliche Schutzmaßmaßnahmen in europäischen Freihandelsabkommen
April 2019 Schutzmaßnahmen – oder Safeguards – sind ein wichtiges handelspolitisches Instrument, um europäischen Unternehmen in eng definierten Ausnahmen für eine Zeit Schutz vor ausländischer 23.Schutzklauseln Oktober 2017 Konkurrenz zu gewähren. Bisher gab es hier keinen einheitlichen Standard für in den Freihandelsabkommen (FTA) der EU. Das will die Europäische Kommission nun ändern. Die deutsche Industrie begrüßt dieses Vorhaben. Im Recht der Welthandelsorganisation (WTO) sind Schutzmaßnahmen grundsätzlich in Artikel XIX des General Agreements on Tariffs and Trade (GATT) von 1994 vorgesehen. Als Mitglied der WTO gestaltet die EU ihre Regeln zur Anwendung solcher Maßnahmen selbstverständlich WTO-konform. Schutzmaßnahmen spielen für eine politisch nachhaltige Handelsliberalisierung eine wichtige Rolle. Ein Abkommen über eine Freihandelszone verbindet zwei Märkte schlagartig miteinander. In diesem neuen Markt ändert sich dadurch auch die Arbeitsteilung. Das ist grundsätzlich positiv, weil die Produktion effizienter wird, Güter zu niedrigeren Preisen am Markt angeboten werden und neue Arbeitsplätze entstehen. Eine Freihandelszone entsteht allerdings wie in einem Zeitraffer und das kann unerwünschte Folgen haben. Ziel von Schutzklauseln in Freihandelsabkommen ist es, Unternehmen eine Atempause im internationalen Wettbewerb zu gewähren und ihnen damit beispielsweise eine Umstrukturierung zu ermöglichen. Schon in der Vergangenheit hat die EU Klauseln zu solchen Schutzmaßnahmen in ihre FTAs aufgenommen. Allerdings galten diese nur für einzelne Abkommen, weshalb in Europa ansässige Industrien genau Acht geben mussten, nach welchen Kriterien sie einen Schaden bei der Kommission melden und damit um temporären Schutz bitten konnten. Um diesen Mangel zu beheben, will die Kommission nun einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen, der für alle zukünftigen FTA gelten soll. Die EU hat daher im April 2018 ihren Entwurf „über die Anwendung von Schutzklauseln und anderen Mechanismen für die vorübergehende Rücknahme von im Rahmen bestimmter Abkommen zwischen der Europäischen Union und bestimmten Drittländern vereinbarten Präferenzen“ in das ordentliche Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Eine Vereinheitlichung dieser Art schafft identische und rechtssichere Standards für europäische Wirtschaftsbeteiligte. Unter eine solche
Dr. Stormy-Annika Mildner | Außenwirtschaftspolitik | T: +49 30 20281562 | s.mildner@bdi.eu | www.bdi.eu Dr. Nikolas Keßels | Außenwirtschaftspolitik | T: +49 30 20281518 | n.kessels@bdi.eu | www.bdi.eu
Einheitliche Schutzmaßmaßnahmen in europäischen Freihandelsabkommen
Horizontalverordnung würden auch die jüngst ausgehandelten Abkommen mit Singapur, Vietnam und Japan fallen.
Inhalt des Gesetzesvorhabens Der Entwurf sieht keine neuen Regulierungen vor, sondern fasst lediglich die geltende Praxis zusammen. Voraussetzung für die Anwendung von Schutzklauseln ist laut WTO und Europäischem Recht das Zusammenfallen dreier Ereignisse: ▪
Die Einfuhren eines Erzeugnisses müssen erstens in absoluten Zahlen oder im Verhältnis zur Unionsproduktion so hoch sein, dass
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zweitens dem betroffenen Wirtschaftszweig ein ernsthafter Schaden entsteht oder zu entstehen droht.
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Schließlich muss eindeutig nachweisbar sein, dass dieser Schaden der Liberalisierung durch ein EU-FTA geschuldet ist.
Schutzmaßnahmen nehmen dabei zwei Formen an: ▪
Zum einen können Zollabsenkungen für eine Zeit außer Kraft gesetzt werden.
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Zölle können aber auch angehoben werden – allerdings nur bis zu einem Niveau, das den angewandten Zollsatz der Welthandelsorganisation (WTO) oder den im FTA ausgehandelten Basiszoll nicht überschreitet.
Um den Vorgaben der WTO zu entsprechen, hat die EU nachvollziehbare Kriterien für Schutzmaßnahmen aufgestellt. Grundsätzlich muss die Kommission in einem jährlichen Bericht das Europäische Parlament (EP) und den Europäischen Rat (Rat) über die Anwendung der Verordnung informieren. Untersuchungen zu Schutzmaßnahmen können von der Kommission auf Verlangen eines Mitgliedsstaates, auf Betreiben eines europäischen Wirtschaftszweiges sowie auf eigenes Bestreben eingeleitet werden. Nach Eingang einer entsprechenden Anfrage hat die Kommission einen Monat Zeit, die Untersuchung im Amtsblatt der EU zu veröffen tlichen. Untersuchungen sollen innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein und dürfen maximal ein dreiviertel Jahr andauern. In dringenden Fällen sind vorläufige Schutzmaßnahmen von höchstens 200 Tagen vorgesehen. Beschließt die Kommission gemeinsam mit EP und Rat Schutzmaßnahmen, ist deren Dauer auf zwei Jahre beschränkt. Nach einer erneuten Untersuchung können diese einmalig verlängert werden. Abschluss des Gesetzesvorhabens Da die Klauseln inhaltlich nicht neu sind, war nicht zu erwarten, dass es im Gesetzgebungsprozess zu größeren Meinungsverschiedenheiten kommen würde. Der Ausschuss des EP für internationalen Handel (INTA) hatte den Kommissionsvorschlag im Oktober 2018 angenommen. Der Rat gab dem Verordnungsentwurf Ende Januar grünes Licht. Die Verordnung wurde im Februar im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat am 14. März 2019 in Kraft.
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Position der deutschen Industrie Schutzklauseln in FTAs sind ein wichtiges Mittel, um freien Handel zu ermöglichen und gleichzeitig Spielräume für strukturelle Anpassungen an die Auswirkungen von Handelsliberalisierung zu schaffen. Sie sind aber nur eine Übergangslösung. Den Wirtschaftsbeteiligten wird damit Zeit gegeben, sich an die veränderte Marktsituation anzupassen, während das Unionsinteresse gewahrt wird. Unter diesen Voraussetzungen ist das Gesetzesvorhaben für die deutsche Industrie begrüßenswert. Eine Vereinheitlichung dieser Art schafft identische und rechtssichere Standards für europäische Unternehmen, die durch FTAs kurzfristig und unverhältnismäßig unter Druck geraten könnten.
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