Zukunftsmarkt Weltraum

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GRUNDSATZPAPIER | RAUMFAHRTPOLITIK | NEW SPACE

Zukunftsmarkt Weltraum Handlungsempfehlungen der deutschen Industrie


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V.04.20.28


Grundsatzpapier | Raumfahrtpolitik | New Space Zukunftsmarkt Weltraum

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................................................................................................... 5 Gesellschaftlicher Nutzen von Raumfahrt .............................................................................................................. 6 Kommunikation ............................................................................................................................................................. 6 Navigation ....................................................................................................................................................................... 7 Erdbeobachtung ........................................................................................................................................................... 7 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................... 7 Gesundheitsmonitoring .............................................................................................................................................. 8 Smart Grids .................................................................................................................................................................... 8 Innovationen .................................................................................................................................................................. 8 Begeisterung für MINT-Berufe ................................................................................................................................. 8 Stellenwert für die öffentliche Hand .......................................................................................................................... 9 Bedeutung für die deutsche Industrie .................................................................................................................... 10 Industrie 4.0 ................................................................................................................................................................. 11 Chemieindustrie .......................................................................................................................................................... 11 Verkehr und Logistik ................................................................................................................................................. 11 Rohstoffförderung ...................................................................................................................................................... 11 Level playing field ...................................................................................................................................................... 13 Herausforderungen.......................................................................................................................................................... 13 Vom New Space zum Zukunftsmarkt Weltraum ............................................................................................... 18 Handlungsempfehlungen............................................................................................................................................... 20 1 Mehr in Zukunft investieren ........................................................................................................................... 21 2

Strategische Autonomie erhalten ................................................................................................................. 22

3 Investitionsfreundlichen Rechtsrahmen schaffen ................................................................................... 23 4 Privatwirtschaftliche Investitionen und Ökosystem stärken ............................................................... 24 5

Weltraumschrott vermeiden .......................................................................................................................... 26

6 Ambitionierte Projekte realisieren ................................................................................................................. 27 7 Just-in-Time-Verbringung aus Deutschland ermöglichen ................................................................... 28 8 Weltraumbergbau international regeln ....................................................................................................... 29 Impressum............................................................................................................................................................................ 30

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00

“We choose to go to the moon. We choose to go to the moon in this decade and do the other things, not because they are easy, but because they are hard, because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills, because that challenge is one that we are willing to accept, one we are unwilling to postpone, and one which we intend to win, and the others, too.“

John F. Kennedy

Hintergrund Die deutsche Industrie und der BDI haben sich in den letzten Monaten intensiv mit dem Thema Raumfahrt und seiner Bedeutung für das Industrieland Deutschland auseinandergesetzt. Hierzu wurde u. a. die Formatreihe „New Space Breakfast“ etabliert, um Akteure aus den Bereichen der Raumfahrt, Nicht-Raumfahrtindustrie, Start-ups und institutionellen Raumfahrt zu vernetzen. Das vorliegende Papier legt den Grundstein für das weitere raumfahrtpolitische Engagement des BDI.

Zielsetzung Ziel ist es, die steigende Bedeutung der Raumfahrt für die deutsche Industrie und ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz darzustellen. Dabei sollen Chancen und Herausforderungen aufgezeigt sowie Lösungsansätze skizziert werden. Das Papier zielt nicht darauf ab alle Raumfahrt-Themen abzudecken.

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Grundsatzpapier | Raumfahrtpolitik | New Space Zukunftsmarkt Weltraum

Vorwort

Vorwort Raumfahrt ist für die deutsche Industrie im digitalen Zeitalter von zentraler Bedeutung. Sie ist ein Schlüssel für Zukunftstechnologien wie zum Beispiel autonomes Fahren und Bereiche des Industrial Internet of Things. Mit Blick auf die Anforderungen zur Vernetzung in einer modernen Industrie- und Informationsgesellschaft wird ihre Bedeutung weiter steigen. Raumfahrt wird damit zu einer kritischen Infrastruktur für das Industrieland Deutschland. Eine Industriestrategie der Bundesregierung muss dieser Entwicklung Rechnung tragen. Weltweit beträgt der Raumfahrt-Umsatz zurzeit etwa 260 Milliarden US-Dollar. Unternehmensberatungen gehen davon aus, dass sich der globale Raumfahrtmarkt bis 2040 auf bis zu 2.700 Milliarden US-Dollar mehr als verzehnfachen wird. Voraussetzung für die dynamische Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist eine leistungsfähige Infrastruktur im Weltraum und auf der Erde. Die durch Raumfahrt entstehenden neuen Anwendungen unter dem Schlagwort „New Space“ sind für das Industrieland Deutschland eine große Chance. Die deutsche Industrie verfügt mit ihren Systemhäusern, mittelständischen Unternehmen und Start-ups über die Expertise und Innovationskraft, um eine führende Rolle im New Space-Zeitalter zu spielen. Zentrale Herausforderung ist, dass weltweit immer mehr staatliche und private Akteure in den Zukunftsmarkt Weltraum drängen, teilweise mit großen Zielen und erheblichen staatlichen Budgets. Dadurch nehmen Wettbewerbsverzerrungen zu. Deutschland ist ein Hightech-Land, die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde und eine führende Exportnation. Diese Stärke spiegelt sich allerdings nicht in den Raumfahrtausgaben wider. Bei den staatlichen Investitionen hinkt Deutschland deutlich hinterher und liegt im interna-tionalen Vergleich lediglich auf Rang acht. Es fehlt zudem an Ressourcen und Mechanismen, um private Investitionen und Innovationen in Raumfahrt und darauf basierenden Anwen-dungen zu befördern. Deutschland muss mit Blick auf den Weltraum ambitionierter werden. Mit dem vorliegenden Grundsatzpapier bringt sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erstmals umfassend in den Themenbereich ein und zeigt die Bedeutung der Raumfahrt für die deutsche Industrie auf. Konkret macht der BDI acht Vorschläge, um das Industrieland Deutschland fit für den Zukunftsmarkt Weltraum zu machen.

Prof. Dieter Kempf

Dr. Stefan Mair

Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.

Mitglied der Hauptgeschäftsführung Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.

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Gesellschaftlicher Nutzen von Raumfahrt Die Raumfahrt ist von großer und steigender gesellschaftlicher Bedeutung.

Nachhaltigkeit Umwelt- und Klimaschutz Sustainiable Development Goals

Raumfahrt ist in unserem Alltag so präsent und unabdingbar wie der Strom aus der Steckdose. Jeden Tag kommen Menschen auf der Erde mit ihr in Berührung und nutzen sie bewusst oder unbewusst. Grundlage dafür ist eine entsprechend ausgebaute Infrastruktur, sowohl auf der Erde als auch im Weltraum. Die Satelliten im Weltraum sind in allen Größen, verschiedenen Technologiestufen, mit den unterschiedlichsten Nutzlasten und Anwendungsgebieten eingesetzt. Teilweise sind sie so klein wie ein Schuhkarton. Alleine oder in Konstellationen umkreisen sie die Erde und liefern essenzielle Daten, Dienste und Bilder für die moderne Informationsgesellschaft.

Kommunikation Täglich nutzen Menschen weltweit Telefone und Internet, um miteinander in Verbindung zu treten. Auch 6

satellitengestütztes Fernsehen oder Rundfunk sind heute selbstverständlich. Dabei steigen die Anforderungen an die moderne Kommunikation und Unterhaltung immer weiter. Der Bedarf an schneller, günstiger, breitbandiger und ständig verfügbarer Datenübertragung wächst in Wirtschaft und Gesellschaft. Die satellitenbasierte Telekommunikation unterstützt terrestrische Lösungen. Ihre Anwendungen sind heute schon vielfältig, insbesondere zur Anbindung von schlecht oder unerschlossenen Gegenden, in Grenzgebieten, in der Schifffahrt oder als Back-up, wenn die Glasfaserleitung durchtrennt wird. Kommunikationssatelliten leisten einen wesentlichen Beitrag, um Unternehmen, Behörden oder Privathaushalte sicher online zu bringen.


Grundsatzpapier | Raumfahrtpolitik | New Space Zukunftsmarkt Weltraum

In Zukunft sind Anforderungen der modernen Kommunikationsgesellschaft nur unter Einbeziehung von Raumfahrttechnologien und Weltrauminfrastruktur realisierbar. Neue und sichere Datenübertragungssysteme via Laserkommunikation, die eine sehr hohe Übertragungsrate störungsfrei und in Echtzeit ermöglichen, werden schon heute erfolgreich eingesetzt.

Navigation Ständig sind Güter unterwegs – sei es per Zug, Frachtflugzeug oder LKW. 43,3 Millionen LKW erbringen eine jährliche Frachtleistung von 615 Milliarden Kilometern auf deutschen Straßen. Auch der Personenverkehr nimmt zu. Staus und lange Reisezeiten sind die Folge. Um das Straßensystem effizient zu nutzen, muss es vorausschauend geführt werden. Bereits heute werden intelligente Navigationssysteme bei der Orientierung im Straßenverkehr eingesetzt. Sie können Staumeldungen empfangen und berechnen bei Bedarf neue und schnellere Routen. Darüber hinaus verlässt ohne Navigation kein Containerschiff den Hafen und findet kein Paket seinen Weg zum Empfänger. Ohne Navigation wäre der gesamte internationale Warenverkehr zu Luft, zu Land und zu Wasser nicht möglich. In Zukunft werden sich die Fahrzeuge untereinander über Staus, Straßenverhältnisse und Baustellen austauschen. So werden Hindernisse besser als durch den Einsatz von Warntafeln oder Ampeln erkannt und der Verkehr wird entzerrt, bevor ein Stau entsteht. Ermöglicht wird dies u. a. durch das europäische Satellitennavigations- und Ortungssystem Galileo. Durch die Kombination von Navigation, mobiler Telekommunikation und Informationsdiensten wird Galileo neue Märkte eröffnen. Einsatzbereiche sind beispielsweise die Steuerung des Flug- oder Bahnverkehrs, die Verwendung als elektronische Fahrhilfe, zur Kollisionswarnung und zum Management von Notfallsituationen zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Galileo gewährleistet die europäische Unabhängigkeit von bestehenden Systemen und unterstützt so die Souveränität Europas.

Gesellschaftlicher Nutzen von Raumfahrt

Erdbeobachtung Vielfältige Satellitenanwendungen liefern unter anderem die Grundlage für präzise Wettervorhersagen, ohne die kein Flugzeug die Startbahn verlässt. Darüber hinaus liefern sie wichtige Daten für die globale Umweltund Klimaforschung sowie Grundlagen für die Städteund Raumplanung. Erdbeobachtungsdaten helfen bei der Prävention und Bewältigung von Krisen- und Katastrophensituationen, indem sie schnell und präzise Auskunft über das Ausmaß der Schäden und die betroffenen Gebiete liefern.

Nachhaltigkeit Die Erde ist ein verletzlicher Lebensraum. Geschützt von einer dünnen Erdatmosphäre beherbergt sie heute bereits mehr als 7,5 Milliarden Menschen und es werden täglich mehr. Auch in Zukunft müssen alle Menschen mit den begrenzten natürlichen Ressourcen versorgt werden. Raumfahrttechnologie leistet unverzichtbare Beiträge, um die Umwelt und das Klima genau zu beobachten und die knappen Ressourcen sorgsam, umweltgerecht und nachhaltig zu bewirtschaften. Ein Beispiel ist ihr Einsatz in der Landwirtschaft. Satellitengestützte Anwendungen ermöglichen beispielsweise eine zentimetergenaue und damit effizientere Ausbringung von Saatgut, Pflanzenschutz- und Düngemitteln und auch Wasser auf die Felder.1 Im Ergebnis erhöht sich der Ertrag mit einem geringeren Einsatz von Düngemittel. Raumfahrt trägt somit zu mehr Nachhaltigkeit und dem Erreichen der globalen Sustainable Development Goals (SDG) bei. Im Weltall haben Satelliten ein Alleinstellungsmerkmal, weil sie kontinuierlich und frei von territorialen Grenzen Daten über die Erde liefern, die ohne sie nicht verfügbar wären. Dazu gehören vor allem Informationen über die Atmosphäre und Veränderungen der Landoberfläche. Die Daten bieten eine dringend benötigte Grundlage für Maßnahmen des Umwelt- und Klimaschutzes.2

1

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/wirtschaft/duengen-nach-demblick-auf-das-satellitenbild-16149154.html

2

BDLI, 7 Gründe warum Deutschland Raumfahrt braucht, April 2015.

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Gesellschaftlicher Nutzen von Raumfahrt

Gesundheitsmonitoring

hervorgebracht. So wird die für die Durchmusterung des Himmels programmierte Software heute in einem Handgerät zur Früherkennung von Hautkrebs eingesetzt, welches in Arztpraxen standardmäßig verwendet wird. Für ROSAT wurde zudem das Material Zerodur entwickelt, das für moderne Ceran-Kochfelder verwendet wird. Ein dritter Spin-off ist die individuelle Gleitsichtbrille. Die erfundene Poliertechnik wurde ursprünglich für Weltraumspiegel erfunden, die extrem glatt sein müssen. Heute dient sie dem Schliff der Gläser für individuell angepasste Gleitsichtbrillen.

Eine neue, als „E-Nose“ bekannte, Technologie besitzt das Potenzial, zukünftig im Bereich Gesundheitsmonitoring eingesetzt zu werden. Der Detektor zur Messung mikrobieller Kontaminationen wurde ursprünglich für die Internationale Raumstation (ISS) entwickelt. Insbesondere in Ländern mit einer weniger stark ausgeprägten medizinischen Infrastruktur könnte diese Technologie wertvolle Dienste leisten.3

Smart Grids Intelligente Stromnetze kombinieren Erzeugung, Speicherung und Verbrauch von Strom. Eine zentrale Steuerung stimmt sie optimal aufeinander ab und gleicht somit Leistungsschwankungen, die insbesondere durch fluktuierende erneuerbare Energien verursacht werden, im Netz aus. Smart Grids verhindern eine Überlastung, indem alle Energiespeicher und Energieverbraucher miteinander kommunizieren. Die Zeitsignale von Satellitennavigationssystemen ermöglichen dabei die Synchronisierung der dezentralen Energienetze.

Innovationen Raumfahrt ist ein Motor für Innovationen in Deutschland. Über Technologietransfer oder „Spin-off“ als Innovationstreiber wirkt sie in andere Wirtschaftsbereiche. Dies gilt auch für den Alltag: Ein Beispiel sind die Materialien, die einmal für die Kleidung von Astronauten entwickelt wurden. Sie finden sich mittlerweile in Sportschuhen wieder, werden in Rettungsdecken für die Erste Hilfe eingesetzt oder dienen Rennfahrern in ihren Anzügen zur Kühlung. Ein weiteres bekanntes Raumfahrt-Spin-off ist z. B. der Akku-Schrauber, der für die Apollo-Missionen in den USA entwickelt wurde. Kratzfeste Materialien, ursprünglich für Raketen entwickelt, erfreuen heute jeden Brillenträger. Ebenso haben gefriergetrocknete Lebensmittel und angereicherte Babynahrung ihren Ursprung in der Raumfahrt.4 Auch die deutschen Beiträge zur Erforschung des Weltalls und zur Forschung unter Weltraumbedingungen liefern eine Vielzahl von Transfers. Die 1990 gestartete Röntgen-Satelliten-Mission ROSAT hat drei Spin-offs

8

3

Zeitler, Brockamp, New Space und branchenübergreifender Wissensund Technologietransfer, DLR-Raumfahrtmanagment (2019).

4

7 Gründe, warum Deutschland Raumfahrt braucht.

Begeisterung für MINT-Berufe Raumfahrt ist Vorreiterin für die Wissenschaft bei der Entwicklung und Erprobung neuer Technologien. Einen wichtigen Beitrag leistet die ISS, an der auch Deutschland über die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) beteiligt ist. Sie ist das bisher größte internationale Wissenschaftsprojekt. Als Außenposten der Menschheit im All ist sie zugleich ein fliegendes Labor mit exzellenten und immer stärker kommerziell genutzten Möglichkeiten für Wissenschaft und Forschung. Unter Ausschluss der natürlichen Gravitation werden große Fortschritte im Bereich der Materialforschung, bei technologischen Erprobungen und in den Naturwissenschaften erzielt. Astronautinnen wie Samantha Cristoforetti oder Astronauten wie Dr. Alexander Gerst sind zudem internationale Helden und dienen als Vorbild und Ansporn für die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Raumfahrt ist wie keine andere Disziplin geeignet, junge Menschen für Naturwissenschaft und Technik zu begeistern. Insofern leistet sie einen wichtigen Beitrag, um dem Fachkräftemangel, insbesondere in Berufen der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) entgegenzuwirken. Astronautische Missionen haben vor diesem Hintergrund neben einer wissenschaftlichen und technologischen auch eine gesellschaftspolitische Komponente.


Stellenwert für die öffentliche Hand Raumfahrt trägt maßgeblich zur Bewältigung zentraler globaler Herausforderungen und zum Wohlstand Deutschlands bei. Die Handlungsfähigkeit des Staates hängt auch erheblich von der unabhängigen Urteilsfähigkeit ab. Weltraumsysteme für Kommunikation, Navigation und Erdbeobachtung sowie der unabhängige europäische Zugang zum All leisten einen entscheidenden Beitrag für Deutschlands außen- und sicherheitspolitische Urteils- und Handlungsfähigkeit und für die Gewährleistung einer gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge.5 Militärische Einsätze sind ohne Weltraumsysteme nicht mehr vorstellbar. Die Abhängigkeit von weltraumgestützten Systemen und Dienstleistungen wird mit der fortschreitenden Digitalisierung auch bei den Streitkräften weiter zunehmen. Der ungehinderte Zugang und die störungsfreie Verfügbarkeit weltraumgestützter Systeme und Dienstleistungen sind dabei von hoher Relevanz. Die Basis für die Verfügbarkeit dieser Fähigkeiten sind neben den erforderlichen Systemkompetenzen auch der gesicherte Zugang zu strategischen Schlüsseltechnologien, die Beherrschung der Verwertungskette und die Fähigkeit zum gesicherten Betrieb der Systeme. Die deutsche Raumfahrtindustrie verfügt zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt e. V. (DLR) und weiteren Forschungseinrichtungen, wie z. B. der Fraunhofer Gesellschaft, über entsprechendes Know-how und weltweit führende und anerkannte Schlüsselfähigkeiten. Zum Erhalt dieser Fähigkeiten und damit verbunden auch der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Raumfahrtindustrie ist eine kontinuierliche Stärkung und Förderung der strategischen Raumfahrtkompetenzen durch die Bundesregierung im nationalen und internationalen Umfeld erforderlich. Die fortschreitende Kommerzialisierung der Raumfahrt und hohe privatwirtschaftliche und staatliche Investitionen in die Raumfahrt weltweit werden den Wettbewerbsdruck auf die deutsche Raumfahrt­industrie verstärken. Die Bundesregierung muss daher ebenso gezielt und nachhaltig in das deutsche nationale Raumfahrtprogramm sowie in die deutsche Beteiligung bei der europäischen Raumfahrt investieren und die strategische Positionierung der deutschen Raumfahrtindustrie unterstützen.

5

02 $ 260 Mrd.

Jahr 2018

Mrd.

@c@c91$ 2700 Jahr 2040

+1000 % Unternehmensberatungen gehen davon aus, dass sich der globale Raumfahrtmarkt bis 2040 auf bis zu 2.700 M ­ illiarden US-Dollar mehr als verzehnfachen wird.

vgl. Raumfahrtstrategie der Bundesregierung „Für eine zukunftsfähige deutsche Raumfahrt“, BMWi, August 2012.

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Bedeutung für die deutsche Industrie Die Raumfahrt ist Schlüssel und Voraussetzung für Zukunftstechnologien „Made in Germany”

Wettbewerbsfähigkeit Zukunftstechnologie Innovationen

10

03


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Bedeutung für die deutsche Industrie

Raumfahrt ist ein industrieller Schlüsselbereich.6 Als Innovationstreiber, dessen Daten, Dienste und Technologien bereits heute branchenübergreifend Anwendung finden, steigert die Raumfahrt in erheblichem Maße die Wachstums- und Wettbewerbschancen des Standorts Deutschland. Zeitgleich ist Raumfahrt die technologische Vorbedingung zahlreicher künftiger Geschäftsmodelle. Davon werden auch Branchen profitieren, die zunächst nicht zwangsläufig mit Raumfahrt assoziiert werden.

Verkehr und Logistik

Industrie 4.0 An die Industrie 4.0, das Internet der Dinge und den automatisierten Informationsaustausch zwischen Geräten werden hohe Anforderungen mit Blick auf die Verfügbarkeit und Abhörsicherheit der Kommunikationsinfrastruktur gestellt. Dies setzt eine lückenlose Breitbandinfrastruktur voraus. Satellitenkommunikation stellt eine der Möglichkeiten zur Erfüllung dieser Anforderungen dar. Firmensitze mit mehreren nationalen oder internationalen Standorten benötigen für eine durchgängige Digitalisierung ihrer Prozesse eine Vernetzung dieser Standorte. Neben eingeschränkter Breitbandverfügbarkeit in einigen Regionen bringen insbesondere ausländische Standorte eine gewisse Intransparenz hinsichtlich der Datensicherheit mit sich. Satellitenkommunikation bietet eine Möglichkeit, sich vom öffentlichen terrestrischen Internet als Übertragungsmöglichkeit abzukoppeln und damit Datensouveränität sicherzustellen.

Chemieindustrie

Weltweit gibt es 20 Millionen Kilometer Schienen, Stromtrassen und Pipelines. Bisher mussten Menschen an diesen entlanglaufen, -fahren oder -fliegen, um festzustellen, wo etwa Bäume auf die Trassen stürzen könnten oder Erdrutsche drohen. Das kostet viel Geld und ist zeit- und personalintensiv. Deutsche Konzerne aus der Verkehrs- und Logistikbranche mit weitverzweigter Infrastruktur lassen ihre Netze deshalb mit Erdbeobachtungssatelliten automatisch überwachen. Zudem senkt der zunehmen Einsatz von satellitengestützten Navigationssystemen durch bessere Verkehrsplanung die Transportkosten.

Rohstoffförderung Rohstoffversorgung und Zukunftstechnologien sind zwei Seiten einer Medaille. Ohne eine gesicherte Versorgung sind viele Technologien „Made in Germany“ nicht möglich. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen wird damit zu einer zentralen Herausforderung für das Industrieland Deutschland. Metallische Rohstoffe müssen vollständig importiert werden. Deutsche Automobilkonzerne mit einem großen Bedarf arbeiten deshalb mit Dienstleistungsunternehmen der Raumfahrt zusammen, um Rohstoffvorkommen wie Lithium und Kobalt für die strategische Angebots- und Nachfrageanalyse zu identifizieren. Dafür werden Satellitenbilder genutzt. Dieser neue Ansatz ermöglicht die umweltfreundliche Untersuchung von neuen und bestehenden globalen Lagerstätten ohne aufwendige Lizenzierungsprozesse im Rahmen einer geologischen Exploration.

Mehr Überblick, weniger Risiko und mehr Planungsund Entscheidungssicherheit für Kunden aus der Landwirtschaft: Digital Farming Solutions deutscher Unternehmen aus der Chemieindustrie helfen dabei, das Potenzial von Feldern und Feldzonen optimal zu nutzen. Dies erhöht die Effizienz, spart Zeit, optimiert Pflanzenbau und -schutz und leistet gleichzeitig einen Beitrag zur nachhaltigen Landwirtschaft. Voraussetzung sind u. a. Messungen mit Mikrowellen- und Hyperspektralsystemen aus dem Weltraum, die eine genauere Ermittlung von Feuchtigkeit und Temperatur der Böden ermöglichen. Raumfahrtgestützte Erdbeobachtungsmissionen und -produkte werden zukünftig noch weitere Potenziale aufzeigen. 6

Entwurf der nationalen Industriestrategie 2030, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 05.02.2019, S. 6. 11


Präsenz im Weltall Staatliche Weltraumprogrammen 2017 Quelle: European Space Policy Institute, Goldman Sachs Budget in Prozent des Bruttoinlandsprodukt

1

USA

0,224 %

2

Frankreich

0,117 %

3

Russland

0,102 %

4

China

0,070 %

5

Japan

0,067 %

6

Italien

0,055 %

7

Indien

0,054 %

8 Deutschland

0,050 %

Spanien

0,025 %

9

Verteilung des Budgets der ESA 2017 Quelle: European Space Policy Institute, Goldman Sachs

27 %

 19 %

Erdbeobachtung mit Satelliten

 16 % Sonstiges

 9%

Wissenschaftliche Programme

Trägersysteme

5,75 Mrd. Euro

 18 % Navigation

11 % Bemannte Raumfahrt, Erforschung mit Robotern


Herausforderungen

04

Level playing field

Rechtsrahmen

Die wirtschaftliche, strategische und infrastrukturelle Bedeutung der Raumfahrt im 21. Jahrhundert ist enorm. Viele Länder haben dies erkannt. Insbesondere außerhalb Europas fließen immer mehr staatliche Investitionen in Raumfahrtaktivitäten. Sie werden von industriepolitischen Maßnahmen flankiert, zu denen auch protektionistischen Marktbarrieren gehören. Neue Akteure drängen auf den Markt und etablieren teilweise erhebliche Wettbewerbsverzerrungen. Diese Asymmetrien verschärfen den Konkurrenzdruck auf die deutschen und europäischen Raumfahrtunternehmen zusätzlich, besonders im Bereich des Raumtransports mit Trägerraketen. So erhält beispielsweise der US-amerikanische Startdienstleister SpaceX 100 Millionen US-Dollar7 von der US-Regierung für einen Start seiner Falcon 9 auf dem geschützten heimischen Markt, um den gleichen Träger für einen marktverdrängenden Exportpreis von 50 Millionen US-Dollar in Europa anbieten zu können. In Abwesenheit eines vergleichbaren Vorzugs europäischer Institutionen für europäische Anbieter (europäische Präferenz) schlagen diese Quersubventionen und Wettbewerbsverzerrungen spürbar und ungebremst auf den offenen europäischen Markt durch und untergraben die wirtschaftliche Existenzgrundlage des unabhängigen europäischen Zugangs zum Weltraum. Zur weiteren Verschärfung trägt bei, dass Anbieter von Startdienstleistungen in den USA in der Regel langfristige und hochdotierte Abnahmegarantien von der Regierung erhalten. Über diese Verträge erhalten die Unternehmen einen stetigen Mittelzufluss, der wiederum kontinuierliche Investitionen in die technologische Weiterentwicklung des eigenen Trägersystems ermöglicht. Staatliche Aufträge sind hier der Nährboden des kommerziellen Erfolges.

In den letzten Jahren haben zahlreiche Staaten nationale Weltraumgesetze erlassen. Diese Gesetze dienen in der Regel dazu, nationale kommerzielle Aktivitäten zu schützen, zu befördern und gleichzeitig justiziabel zu machen, auch mit Blick auf potenzielle Auswirkungen auf andere Staaten oder deren Raumfahrtinfrastruktur. Hierfür wurden in diesen Staaten unter anderem Behörden zur Genehmigung, Aufsicht und Registrierung eingerichtet. Auch die Haftung bei Schäden durch Weltraumaktivitäten wird in den meisten dieser Weltraumgesetze geregelt. Hinzu kommt, dass immer mehr Staaten mit ihren Gesetzen oder Gesetzesänderungen gezielt versuchen, ein investitionsfreundliches Umfeld zu schaffen. In Deutschland existiert hingegen bisher kein eindeutiger Rechtsrahmen für kommerzielle Raumfahrtaktivitäten.

7

https://dod.defense.gov/News/Contracts/Contract-View/ Article/1760766/.

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Herausforderungen

Finanzierung

@c@c75

¾

16 $

Mrd.

Drei Viertel der Raumfahrt-Investoren und Venture Capital Unternehmen haben ihren Sitz in den USA, Kanada, Australien oder Großbritannien. Drei Viertel der eingesammelten Gelder werden in den USA investiert.

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Darüber hinaus trifft das Thema Finanzierung die deutsche Industrie in doppelter Hinsicht. Auf der einen Seite fehlt ein vergleichbares Instrument wie die Abnahmeverträge in Nordamerika. Auf der anderen Seite stehen jungen Raumfahrtunternehmen häufig nicht die Mittel zur Verfügung, um zu wachsen. Zwar fließen weltweit immer mehr Gelder in New Space-Startups: zwischen 2000 und 2016 waren es bereits über 16 Milliarden US-Dollar.8 Drei Viertel der Raumfahrt-Investoren und Venture Capital Unternehmen haben ihren Sitz in den USA, Kanada, Australien oder Großbritannien. Drei Viertel der eingesammelten Gelder werden in den USA investiert. Aus Deutschland kommen hingegen nur wenige Investoren. Fließen Investitionen nach Europa, gehen sie nicht nach Deutschland, sondern beispielsweise nach Spanien, wo nahe Alicante eine Rakete für kleine Nutzlasten entwickelt wird oder ins südfinnische Espoo, wo Radar-Satelliten gebaut werden, um die Schiffe vor Eisbergen zu warnen.9 Dabei sind vergangene Investitionen sehr erfolgreich. So wurden in Deutschland Projekte wie die Erdbeobachtungsmission TerraSAR/TanDEM realisiert. Sie hat mit der Bereitstellung präziser Daten und einem globalen digitalen Höhenmodell weltweit eine hohe Downstream-Nachfrage ausgelöst. Diese Mission ist ein idealtypisches Beispiel, wie institutionelle und kommerzielle Raumfahrt Hand in Hand gehen können.

8

P. Hollinger, Private Investors push down stratospheric costs, Financial Times vom 19.10.2017.

9

P. Schneider, Die jungen Wildem im Weltall, WirtschaftsWoche, 20.05.2018.


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Herausforderungen

Technologietransfer

Anwendungen

Der Wandel des Raumfahrtmarktes hat auch Auswirkungen auf Nicht-Raumfahrt-Unternehmen. Denn Daten, Dienste und Technologien von Landwirtschaft bis Industrie 4.0 finden branchenübergreifend Anwendung. Durch die weltweit zunehmenden Akteure in diesem Markt, findet der Technologietransfer zwischen Raumfahrt und Nicht-Raumfahrtunternehmen häufig nicht mehr mit deutschen oder europäischen Unternehmen statt. Große US-Firmen aus der IT-Branche nutzen Raumfahrtanwendungen und setzen ihre riesigen Rechenzentren für die Speicherung und Bearbeitung von Erdbeobachtungsdaten ein oder planen sogar selbst Satellitenkonstellationen aufzubauen. Deutschland droht dabei den Anschluss zu verlieren. Dabei hat die deutsche Industrie für den Zukunftsmarkt Weltraum alle Voraussetzungen zur Sicherung der wirtschaftlichen und technologischen Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie-Vorherrschaft. Unternehmen der Raumfahrt und anderer Industrien können sich hervorragend ergänzen, wenn innovative Formen der Zusammenarbeit gefunden werden.

Die neue Dynamik bietet viele Chancen für den Ausbau der deutschen Fähigkeiten im Up- und Down­stream Bereich. So kann die schnelle Erschließung neuer Anwendungsfelder, die Nutzung deutscher Kernkompetenzen in der industriellen Produktion und die Fokussierung auf Felder, in denen Deutschland bereits führend ist, ein deutliches wirtschaftliches Wachstum nach sich ziehen. Hierzu bedarf es aber der zielgerichteten Stimulanz durch staatliche Ankerkunden, wie am Beispiel von SpaceX aufgezeigt, und der Schaffung eines investitionsfreundlichen Klimas durch Geschäftsmodelle, wie beispielsweise Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPPs).

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Satelliten: Boom im Orbit Zahl der aktiven Satelliten, die um die Erde kreisen Quelle: Handelsblatt

2062

1957

2018

Diese Nationen bringen die meisten Satelliten ins All Quelle: Handelsblatt

16

1

USA

883

2

China

296

3

Russland

150

4

Japan

79

5

Multinational

64

6 GroĂ&#x;britanien

60

7

Indien

8

Europa (Esa)

9

Deutschland

Gesamt

2060 Satelliten

57 49 33


Aus diesen Bereichen kommen die Satelliten Quelle: Handelsblatt Budget in Prozent des Bruttoinlandsprodukt

547

 310

168

Staatlich

Militarisch

Zivil

902

Kommerziell

So viele Satelliten werden von 2018 bis 2027 gestartet Quelle: Handelsblatt Prognose

ca. 2000

Unternehmen

ca.

284

Mrd. Dollar Geschätzter Umsatz durch Fertigung und Inbetriebname

3300 Satelliten

ca. 1300 Staat

der Satelliten

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Grundsatzpapier | Raumfahrtpolitik | New Space Zukunftsmarkt Weltraum

05

Vom New Space zum Zukunftsmarkt Weltraum

Vom New Space zum Megatrends, Zukunftsmarkt Weltraum Zukunftsfelder und Innovationstreiber

Der Zukunftsmarkt Weltraum bietet enormes wirtschaftliches Potenzial.

Chancen Begeisterung Zukunftsmarkt

Als „New Space“ werden neben neuen technologischen Ansätzen auch neue Geschäftsmodelle mit Kommerzialisierungspotenzial in der Raumfahrt bezeichnet. Grundvoraussetzung zur Erschließung dieses Potenzials ist eine leistungsfähige Infrastruktur im Weltraum und auf der Erde. Insbesondere New Space-Akteure im datenverarbeitenden Downstream-Bereich der Raumfahrt profitieren dabei erheblich von institutionellen Infrastrukturen im All, wie etwa für Navigation und Erdbeobachtung. Auch der Bau, Start und Betrieb von Konstellationen, bestehend aus Kleinsatelliten kombiniert mit Hochleistungssatelliten und entsprechenden Diensten sind Teil der Kommerzialisierung des Weltraums. Daneben werden auch die Wartung von Satelliten im Orbit, die Beseitigung von Weltraumschrott, die Konstruktion kleinerer und wiederverwendbarer Träger- und Startsysteme, die Produktion in der Schwerelosigkeit,

der Abbau von Ressourcen auf Himmelskörpern oder der Weltraumtourismus dem New Space zugerechnet.10 Alle genannten Aktivitäten, Produkte und Dienste haben gemeinsam, dass für ihre Verwirklichung privates Kapital, neue Technologien, disruptive Herangehensweisen und ein Businesscase erforderlich sind.11 Hierfür werden in der Raumfahrtindustrie innovative Produktionsmethoden eingeführt, neuartige Dienste entwickelt und so eine immer breiter werdende Anzahl von Anwendungsfeldern erschlossen.

10

Space Tec und BHO Legal, New Space – Geschäftsmodelle an der Schnittstelle von Raumfahrt und digitaler Wirtschaft, S. 2.

11

Artikel Schlüsseltechnologien Raumfahrt, BMWi.


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Vom New Space zum Zukunftsmarkt Weltraum

Dabei werden bewährte Produkte aus anderen Technologiebereichen (sogenannte Spin-in) genutzt und die Geschäftsmodelle auf Marktchancen fokussiert (Surfing the Trend Wave).12 Raumfahrt ist längst mehr als wissenschaftliche Liebhaberei. Sie ist Technologieträger, Innovationstreiber und Schlüsselfähigkeit für die Nutzung der Zukunftsdimension Weltraum. Vor dem Hintergrund von Digitalisierung, Autonomisierung und Vernetzung ergeben sich für die deutsche Industrie große Chancen zur synergetischen Unterstützung bestehender und zur Erschließung neuer Geschäftsfelder. Die Raumfahrt ist damit ein erheblicher Wirtschaftsfaktor mit enormem Potenzial. Die Bundesregierung muss heute aktiv werden, um die Weichen für die Technologie-, Markt- und Wettbewerbsführerschaft der deutschen Raumfahrt von morgen zu stellen. Sie ist gefordert, die Rahmenbedingungen für den Zukunftsmarkt Weltraum national und international entsprechend zu gestalten. In der Folge benennt der BDI acht Forderungen zur Stärkung der deutschen Industrie im Zeitalter des Zukunftsmarkts Weltraum.

Prof. Dieter Kempf Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.

„Raumfahrtanwendungen sind für die deutsche Industrie von zentraler Bedeutung. Sie sind Schlüssel und Voraussetzung für viele Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, Digitalisierung und Industrie 4.0. Raumfahrt wird damit zu einer kritischen Infrastruktur für das Industrieland Deutschland. Die Industriestrategie der Bundesregierung muss das stärker abbilden.“ 12

Space Tec und BHO Legal, New Space – Geschäftsmodelle an der Schnittstelle von Raumfahrt und digitaler Wirtschaft, S. 2.

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Handlungsempfehlungen Mehr private und staatliche Investitionen in die Raumfahrt stärkt die deutsche Industrie insgesamt.

Investitionen Ökosystem Rückkehr zum Mond

20

06


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Mehr in Zukunft investieren

Handlungsempfehlungen

Deutschland ist eine der führenden Industrienationen und die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Diese Stärke spiegelt sich allerdings nicht in den Raumfahrtausgaben wider. Mit seinem ESA-Beitrag und dem nationalen Budget liegt Deutschland im internationalen Vergleich lediglich auf Rang neun. Im Jahr 2018 lag das deutsche „Nationale Programm für Weltraum und Innovation“ bei 285 Millionen Euro. Im Vergleich dazu verfügte beispielsweise Frankreich im selben Zeitraum über ein Budget von 726 Millionen Euro. Dieses Ungleichgewicht besteht auch im außereuropäischen Vergleich. China hat sein Raumfahrtbudget binnen weniger Jahre verdoppelt. Auch Indien investiert erheblich. Die USA wenden trotz geringerer volkswirtschaftlicher Gesamtleistung rund fünfmal so viel für Raumfahrt auf, wie die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

und schafft einen verlässlichen Rahmen für Investitionen in den Erhalt und Ausbau unserer technologischen Kernkompetenzen. Ein selbstbewusstes Raumfahrtprogramm ist der Nährboden einer selbstbewussten Teilhabe der deutschen Raumfahrt am wachsenden Weltmarkt, auf dem Deutschland nicht nur mit dem Trend geht, sondern an der Spitze die Standards setzt. Das zusätzliche Budget sollte gezielt dafür genutzt werden, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in den neuen Technologie- und Anwendungsmärkten zu stärken. Außerdem sollten Anwendungen für den konkreten Nutzungsbedarf der öffentlichen Hand – etwa in den Bereichen Umweltschutz, Raumplanung, Stadtplanung, Smart Cities, öffentlicher Nahverkehr, Schutz kritischer Infrastrukturen etc. – zur Marktreife entwickelt werden. Die Zusammenarbeit der Raumfahrtunternehmen mit Unternehmen der Automobilindustrie, des Maschinenbaus, der Landwirtschaft und dem gesamten Transportund Logistikbereich sollte gefördert werden.

Angesichts der steigenden Bedeutung der Raumfahrt für die moderne digitale Wirtschaft und Gesellschaft ist es dringend erforderlich, das nationale Raumfahrtbudget in Deutschland deutlich aufzustocken. Das stärkt die deutsche Industrie im internationalen Wettbewerb

Eine Steigerung des nationalen Budgets auf Augenhöhe mit Frankreich wäre das richtige Signal, um gemeinsam mit einer starken nationalen Raumfahrtindustrie als Motor in diesem Sektor in der Europäischen Union und in der ESA zu agieren.

1

Nationale Raumfahrt Deutschland & Frankreich

Deutschland

285 Mio.

Frankreich

726 Mio.

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2

Strategische Autonomie erhalten

Eine zunehmend daten- und dienstleistungsbasierte Gesellschaft ist strategisch darauf angewiesen, über die kritische Infrastruktur im All jederzeit, unabhängig, selbstbestimmt und eigenständig zu verfügen. Zwingende Voraussetzung dafür ist eine eigenständige und unabhängige Bereitstellung von Raumtransport. Mit der Ariane 5 ist Europa bereits seit Jahren weltweite Spitzenreiter in der Kommerzialisierung des Raumtransportes. Während ihre internationale Konkurrenz weitgehend bis vollständig von institutionellen Aufträgen auf ihren Heimmärkten abhängig ist, gewinnt die europäische Ariane Dreiviertel ihrer Aufträge auf dem kommerziellen Weltmarkt. Die Kombination aus kommerzieller und institutioneller Nutzung steigert ihre effiziente Auslastung und stärkt dabei wechselwirkend die Wettbewerbsfähigkeit des Trägersystems. Ab 2020 platziert Europa mit der neu entwickelten Ariane 6 eine deutlich vielseitigere und wettbewerbsfähigere Trägerrakete auf dem Markt, die von Einzelund Doppelstarts über Satelliten-Konstellationen bis hin zum Schwerlasttransport zu ISS oder Mond alle denkbaren Missionsanforderungen und Marktentwicklungen bedienen kann. Als Mitgliedstaat der ESA hat Deutschland die Ariane 6 nicht nur selbst in Auftrag gegeben, sondern ist zudem als Führungsnation mit einem Anteil von rund 20 Prozent maßgeblich an ihrer Entwicklung beteiligt. In Höhe dieses Anteils fließen Industrieaufträge für jede produzierte Ariane-Rakete mit signifikantem Wertschöpfungshebel in die eigene Wirtschaft

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Handlungsempfehlungen

zurück. Die aktive Nutzung der Ariane 6 für die eigenen institutionellen Missionen ist somit im wesentlichen Interesse Deutschlands und leistet zudem einen entscheidenden Beitrag zum wirtschaftlichen Betrieb und strategischen Erhalt des unabhängigen europäischen Zugangs zum All – nicht zuletzt mit erheblicher Vertrauenswirkung auf dem kommerziellen Markt. Doch um mit der Ariane 6 an den Erfolg ihrer Vorgängerin anzuknüpfen, muss der unabhängige Zugang zum All von Europa ausgebaut und stärker genutzt werden. Zur kommerziellen Ertüchtigung ihrer Trägersysteme vergeben alle großen Raumtransportnationen ihre institutionellen Startaufträge für ihre eigenen Nutzlasten ausschließlich an ihre nationalen Startdienstleister. Eine vergleichbare „Europäische Präferenz“ für Europas Ariane-Rakete existiert hingegen bislang nicht. Zudem können außereuropäische Startdienstleister durch staatliche Abnahmegarantien auf ihren geschlossenen institutionellen Heimmärkten quersubventionierte Preise weit unterhalb des Marktniveaus auf dem offenen europäischen Markt anbieten. So werden mittel- bis langfristig Marktanteile maximiert, Konkurrenz minimiert und Kompetenzen monopolisiert. Um Europas strategische Autonomie im Weltraum auch für die Zukunft zu sichern und zugleich entlang der gesamten Wertschöpfungskette am Wachstumsmarkt Raumfahrt zu partizipieren, muss der europäische Zugang zum All kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dazu zählt die konsequente Umsetzung einer europäischen Präferenz, der technologische Einstieg in die Wiederverwertbarkeit, ebenso wie neue kostenreduzierte Triebwerke aus dem 3D-Druck oder ultraleichte CFK-Oberstufen.


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Handlungsempfehlungen

Investitionsfreundlichen Rechtsrahmen schaffen

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag auf ein Weltraumgesetz verständigt, um Investitions- und Rechtssicherheit für nicht-staatliche Raumfahrtaktivitäten zu schaffen. Das Ziel sollte ein schlankes Gesetz sein, das die kommerzielle Raumfahrt in Deutschland fördert. Dabei sollte keine zusätzliche Bürokratie geschaffen werden. Ziel des Gesetzes sollte es vielmehr sein, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft deutscher Unternehmen zu unterstützen. Zentraler Bestandteil des Weltraumgesetzes sollte die verbindliche Regelung von Haftungsfragen sein. Nur wenn das Haftungsrisiko klar bestimmt und wirtschaftlich beherrschbar ist, haben Unternehmen Rechtssicherheit und es werden sich Investoren engagieren. Dazu zählt, dass Haftungssummen bereits im Weltraumgesetz selbst und nicht erst in späteren Verordnungen oder in einzelnen Behördenentscheidungen festgelegt werden. Die Haftungshöchstsummen sollten sich am europäischen und internationalen Vergleich orientieren und müssen spezielle Aktivitäten wie universitäre Kleinsatelliten, Test- und Demosatelliten, Satellitenkonstellationen und neue, riskante Aktivitäten wie Weltraumtourismus oder Weltraumbergbau angemessen berücksichtigen. Die Haftungsregelungen sollten nicht durch andere gesetzliche Regelungen, insbesondere dem Produkthaftungsgesetz, ausgehebelt werden. Die Verfahren zur Genehmigungserteilung sollten zügig durchgeführt werden können. In vielen Staaten werden Genehmigungen in weniger als einem Monat erteilt. Bestimmte Vorhaben können bei mehrmonatiger Verfahrensdauer schon zu spät am Markt sein. Auch die Verfahrensgebühren sollten sich am internationalen Vergleich orientieren und den Fördergedanken umsetzen.

180

%

added value to European economies Did you know that each Euro invested in the ­ Space Station produces €1.8 added value to European economies? #Space19Plus #BusinessOnISS Read more: www.esa.int pic.twitter.com/GP9o87Auzl

Darüber hinaus sollte das Weltraumgesetz das Verhältnis zum Satellitendatensicherheitsgesetz klarstellen oder dieses integrieren. Dabei sollte eine entsprechende Aktualisierung vorgenommen werden, da insbesondere das Gebührenwesen nicht mehr marktgerecht ist. Zudem bedarf es der Abstimmung mit dem Außenwirtschaftsrecht (AWG, AWV, KrWaffKontG). Auf EU-Ebene sollte Deutschland auf die Erleichterung der Ausfuhr von Raumfahrtgegenständen und Zubehör in Nicht-EU-Staaten hinwirken.

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Privatwirtschaftliche Investitionen und Ökosystem stärken

Private Investoren tragen in zunehmendem Maß zur Finanzierung von kommerziellen Raumfahrtaktivitäten bei. Vorreiter bei der Förderung privater Investitionen sind die USA. Dort trifft die National Aeronautics und Space Administration (NASA) die strategische Entscheidung, welche Raumfahrtaktivitäten sie weiterhin selber betreibt und welche Aktivitäten sie durch gezielte Anfangsinvestitionen oder langfristige Abnahmegarantien in die Privatwirtschaft überführt. Ziel ist es, die heimische Wirtschaft zu stärken und nationale Fähigkeiten gezielt aufzubauen. Überlässt die NASA eine Aufgabe der Privatwirtschaft, unterstützt sie die Unternehmen auf verschiedene Weise. Dies geschieht beispielsweise durch Auftragsvergabe an Unternehmen für Dienstleistungen z. B. in Form von langfristigen Abnahmegarantien oder durch die Bereitstellung und kostenlose Nutzung von Daten.13

13

24

Morgan, Daniel, Commercial Space: Federal Regulation, Oversight, and Utilization, Congress Research Service (CRS) Report, R45416, 29.11.2018.

Handlungsempfehlungen

Letzteres wird in Europa nach dem Vorbild der freien Datenpolitik der USA mit ihren Landsat-Daten bereits mit großem Erfolg praktiziert.14 Nach Freigabe der Daten im Jahr 2008 schnellten die Anwendungszahlen in die Millionenhöhe und eine Vielzahl neuer Dienste entstand. Heute stehen die Daten des europäischen Copernicus-Erdbeobachtungsprogramms offen und frei jedermann zur Verfügung und dürfen kommerziell genutzt werden.15 So entstehen neue Anwendungen z. B. in den Bereichen Erdbeobachtung, Kommunikation oder Navigation. Viele Start-ups nutzen heute diese Möglichkeit für ihre Geschäftsmodelle. Müssten sie die Daten einkaufen, wären ihre Dienste viel zu teuer. Die neu entstehenden Informationsprodukte schaffen einen Nutzen für die gesamte Gesellschaft.16 Neue Anwendungen bedingen in vielen Bereichen auch neue Technologien. Diese müssen erprobt und der Nachweis ihrer Funktionalität erbracht werden. Dies geschieht u. a. durch sog. in-orbit demonstrations 14

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/?uri=CELEX:32013R1159.

15

https://www.d-copernicus.de/daten/datenzugang/.

16

Raumzeit: RZ069 Copernicus Open Data Strategy, 20.01.2018.


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Handlungsempfehlungen

(IOD) und in-orbid validations (IOV). Mit ihrer Hilfe kann der Einsatz innovativer Technologien beschleunigt und entsprechende Wettbewerbsvorteile geschaffen werden. Zur gezielten Erprobung und zum Nachweis der Funktionalität neuer Technologien sollten kleinere nationale IOD- und IOV-Missionen im nationalen Programm implementiert werden. Diese könnten in Kooperation mit potenziellen Industriepartnern, z. B. aus den Bereichen Transport- oder Automobilindustrie durchgeführt werden.

profitieren. Eine steuerliche (Teil-)Befreiung wäre ein klares politisches Signal und würde neben einer Verstärkung deutscher Investitionen auch eine Erhöhung ausländischer Direktinvestitionen in die deutsche Raumfahrt begünstigen.

Darüber hinaus schaffen weitere staatliche Fördermaßnahmen positive Rahmenbedingungen für private Investitionen. Dazu zählt die Einführung einer steuerlichen Förderung, von der private Raumfahrtinvestoren

Auch ein deutscher Weltrauminnovationsfonds kann dazu beitragen, private Raumfahrtvorhaben frühzeitig und gezielt zu fördern. Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angesiedelt, sollte er mit dem Aufbringen von privatem Wagniskapital verknüpft werden. Einerseits sollte der Fonds, anders als die Europäische Investitionsbank (EIB), kleinere Investitionssummen für Startups anbieten, andererseits aber auch für große Vorhaben wie Satellitenkonstellationen das Kapital bereitstellen.

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Handlungsempfehlungen

5

750

K

Trümmer im Orbit sind größer als ein Zentimeter.

Weltraumschrott vermeiden

Eine moderne Gesellschaft ist auf die Nutzung einer funktionierenden Raumfahrtinfrastruktur angewiesen. Die erdnahen Umlaufbahnen werden gebraucht und müssen mit Blick auf immer größer werdende Konstellationen und die Entstehung von Weltraumschrott geschützt werden. Typische Beispiele für Weltraumschrott sind ausgediente Raketenoberstufen oder abgeschaltete Satelliten. Den größten Teil machen Trümmerteile aus. Sie entstehen, wenn Raumfahrzeuge auseinanderbrechen, Treibstoffreste explodieren oder Objekte kollidieren. Derzeit sind etwa 18.000 Trümmerteilchen mit einer Größe von etwa zehn Zentimetern katalogisiert. Sie werden zum Schutz aktiver Satelliten vor Kollisionen und zum Schutz der Bevölkerung vor wiedereintretenden Weltraumobjekten dauerhaft beobachtet. Simulationen zufolge befinden sich 750.000 Trümmer im Orbit, die größer als ein Zentimeter sind und etwa 150 Millionen Teile, die größer als ein Millimeter sind.17 Das Risiko durch Weltraumschrott wird aufgrund der hohen Geschwindigkeiten von Objekten in niedrigen Erdumlaufbahnen verstärkt. Diese liegen in einer Größenordnung von zehn Kilometern pro Sekunde. Bei so hohen Geschwindigkeiten kann bereits ein wenige Zentimeter großes Objekt einen Satelliten schwer beschädigen und außer Funktion setzen. Ab einer Größe von etwa zehn Zentimetern setzt das Objekt bei einem Einschlag so viel kinetische Energie frei, dass es einen Satelliten vollständig zerstören kann. Die dabei entstehenden Trümmerstücke können wiederum weitere Kollisionen verursachen. Es kann zu einem Kollisions-Kettenreaktionseffekt kommen, der als „Kessler-Syndrom“ bezeichnet wird.18 Wird eine Kollisionsgefahr mit einem manövrierbaren Satelliten oder der ISS erkannt, so erfolgt ein Ausweichmanöver. Diese kosten jedes Mal Treibstoff, was bei Satelliten ohne elektrischen Antrieb die Lebensdauer deutlich verkürzen kann. Derzeit deuten alle Simulationsrechnungen darauf hin, dass vor allem in 800 Kilometern Höhe die Trümmerzahl in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen wird. Grund sind die vielen neuen Satelliten, die in diesen Orbit gestartet werden. Es ist damit zu rechnen, dass es zunehmend zu Kollisionen von Objekten kommen wird.19 Kommerzielle Anwendungen sehen sich dadurch einem steigenden Risiko ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund sind die Umsetzung von Weltraumschrott-Vermeidungsmaßnahmen sowie die Beseitigung von Weltraumschrott notwendig. Grundsätzlich sind alle staatlichen und privaten Akteure an einer Lösung des Problems interessiert. In den vergangenen Jahren wurden auch internationale Leitlinien für den Umgang mit Weltraumschrott20 verabschiedet.

26

17

DLR, Weltraummüll–Forschung.

18

Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, Weltraummüll, 21.01.2019.

19

Ibid.

20

http://www.unoosa.org/pdf/publications/st_space_49E.pdf.


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Handlungsempfehlungen

Allerdings sind diese nicht verbindlich und werden von vielen Staaten und Unternehmen nicht hinreichend umgesetzt. Zudem ist seit der Verabschiedung der Richtlinien die Zahl von Satellitenstarts und Satelliten, insbesondere in den meistgenutzten niedrigen Umlaufbahnen, stark angestiegen. Technologien zur Beseitigung von Weltraumschrott sind vorhanden, werden aber zurzeit nur für Tests und erste Pilotanwendungen genutzt. Die deutsche Industrie ist bei vielen der derzeit existierenden Technologien führend, die Weiterentwicklung in kommerzielle Produkte und Dienste sollte durch Ausschreibungen und Förderungen aktiv unterstützt werden. Deutschland sollte sich weiterhin in den internationalen Diskussionen zur Vermeidung und Beseitigung von Weltraumschrott engagieren. Voraussetzung ist der Aufbau eines Weltraumlagebildes. Auch hier besteht weiterer Handlungsbedarf.

eine Mission zum Mars zu dienen. Bei der Rückkehr zum Mond sollte die Bundesrepublik eine zentrale Rolle spielen. Bereits heute verfügt Deutschland als federführender Hersteller des sogenannten „European Service Moduls“ für die nächsten bemannten Raumfahrzeuge der USA (Projekt Orion) über eine weltweit einmalige Kernkompetenz. Darauf sollte Deutschland aufbauen und als zentraler Partner der USA agieren. Sowohl mit Blick auf die Begeisterung für Raumfahrt in der Gesellschaft als auch auf die technologischen Fähigkeiten und daraus resultierenden wirtschaftlichen Entwicklungen kann dies nicht hoch genug eingeschätzt werden.

6

Ambitionierte Projekte realisieren

Raumfahrt ist ein emotionales Thema. Sie begeistert viele Menschen, egal ob alt oder jung. Die astronautische Raumfahrt hat daran maßgeblichen Anteil. Mittlerweile ist es 50 Jahre her, dass der letzte Mensch den Mond betreten hat. Lange Zeit stand der Mond als Ziel nicht im Fokus. Das ändert sich derzeit wieder. Im Januar 2019 gelang China weltweit erstmalig die Landung einer Raumsonde (Chang'e 4) auf der erdabgewandten Seite des Mondes. Auch die USA planen ihre Rückkehr zum Mond zu beschleunigen.21 Der Mond hat langfristig auch das Potenzial, als Zwischenstation für

21

Die internationale Raumstation ISS wird in ihrer jetzigen Form bis mindestens 2028 weiter betrieben werden. Spätestens dann wird es Nachfolgelösungen brauchen. Da solche Projekte jedoch Vorlaufzeiten von mindestens zehn Jahren haben, muss heute über ein ambitioniertes Folgeprojekt entschieden werden, um auch nach 2028 in der erdnahen Umlaufbahn weiter forschen zu können. Kleinere und flexiblere Strukturen als die ISS, die leichter zu erreichen sind, könnten als Lösung in Erwägung gezogen werden. Parallel beabsichtigt die NASA in Verbindung mit der nächsten Mondmission den Aufbau einer Station in der Mondumlaufbahn, dem sogenannten Lunar-Gateway. Die NASA hat internationale Partner zur Beteiligung eingeladen. Deutschland und Europa müssen jetzt die Weichen für die zukünftige Partizipation an diesem Projekt stellen.

https://www.nytimes.com/2019/03/26/science/nasa-moon-pence.html.

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Handlungsempfehlungen

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Prof. Dieter Kempf Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.

“Die USA planen bis 2024 die Rückkehr zum Mond. Als federführender Hersteller des European-Service-Moduls für die nächsten bemannten Raumfahrzeuge der USA verfügt die deutsche Industrie über eine weltweit einmalige Kernkompetenz. Darauf sollte Deutschland weiter aufbauen und sich als zentraler Partner der USA bei der Rückkehr zum Mond engagieren.“

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Just-in-Time-Verbringung aus Deutschland ermöglichen

Die Ariane-Trägerfamilie sichert den autonomen Zugang Europas zum Weltraum. Mit Blick auf die sich gegenwärtig rapide verändernden Rahmenbedingungen stellt sich die Frage: Wie lässt sich dieses erfolgreiche Portfolio an Raumfahrtträgern in Zukunft erweitern und welche Perspektiven eröffnen sich dabei? Konkret: Mit welchem Mix aus bestehenden und neuen Trägertechnologien kann die deutsche und europäische Industrie noch erfolgreicher werden? Satelliten werden Dank Miniaturisierung kontinuierlich kleiner. Die Bedeutung und Möglichkeiten von Klein-, Micro- und Nanosatelliten steigt zunehmend. Kleinsatelliten sind komplementär zu den großen Systemen und werden diese künftig zunehmend ergänzen, jedoch nicht komplett ersetzen. Sie werden zum einen von Universitäten und Forschungseinrichtungen für Ausbildungszwecke gebaut, zum anderen aber auch mehr und mehr kommerziell genutzt.22 Eine Just-in-Time-Verbringung von einzelnen Kleinsatelliten für Unternehmen oder Regierungen, z. B. im militärischen Bereich oder zum kurzfristigen Austausch von ausgefallenen Satelliten, kann schnell an Relevanz gewinnen. Mehrere europäische Länder, allen voran Großbritannien, realisieren vor diesem Hintergrund bereits nationale Micro Space-Ports. Der erste Micro Space-Port wird in Schottland eröffnen und soll ab Mitte des Jahres 2020 Satelliten mit einem Gewicht von bis zu 150 kg in den Orbit befördern.23 Die Bundesregierung sollte aufgrund des Trends zu kleineren Lasten prüfen, ob in Zukunft nicht auch von Deutschland aus kleine Trägersysteme gestartet werden können. Ein deutscher Micro Space-Port sollte nicht in Konkurrenz zum europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guayana) stehen, sondern diesen ergänzen. Wenn Deutschland keine Möglichkeiten schafft, werden neue Systeme von anderen europäischen Staaten starten. Neben Großbritannien haben u. a. bereits Italien24 und Portugal25 konkrete Pläne.

22

DLR, Kleinsatelliten, Megakonstellationen und Strategien gegen zunehmenden Weltraummüll, 13.04.2017.

23

https://www.gov.uk/government/news/ lockheed-martin-and-orbex-to-launch-uk-into-new-space-age.

24

https://www.theverge.com/2018/7/6/17541834/ virgin-galactic-space-tourism-italy-altec-siteal-vss-unity-grottaglie-spaceport.

25

http://www.spacedaily.com/reports/Portugal_builds_spaceport_in_the_Azores_999.html.


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Weltraumbergbau international regeln

Der Aufbruch des Menschen ins All steht immer noch am Anfang. Doch bereits jetzt ist klar: je weiter die Menschen in den Weltraum vordringen, desto mehr Ressourcen werden benötigt und desto teurer werden die Missionen. Optimal wäre es, wenn nicht jedes Kilo Wasser, Baumaterial oder Treibstoff von der Erde mitgenommen werden müsste. Die Lösung könnte sein, die nötigen Rohstoffe auch im Weltraum abzubauen. Weltraumbergbau ist ein Zukunftsthema. Bis es zum Abbau von Rohstoffen auf Asteroiden oder Planeten kommt, wird noch einige Zeit vergehen. Doch aufgrund rasanter technologischer Innovationen rückt die Förderung von Rohstoffen im Weltraum in den Bereich des Möglichen. Private Unternehmen und staatliche Agenturen wie ESA, NASA oder CNSA (China National Space Administration) forschen bereits zum Weltraumbergbau. Die USA und Luxemburg haben bereits eine Kooperation zur Erschließung von Rohstoffen im Weltraum geschlossen.26 Auch die Global Exploration Roadmap27 nennt Weltraumbergbau als mittelfristiges Ziel für die Menschheit im All. Wasserstoff und Sauerstoff vom Mond könnten die Grundlage für Wasser oder Raketentreibstoff liefern. Der Regolithstaub des Mondes eignet sich möglicherweise als Grundstoff für Bauten auf dem Mond, zusammengesetzt von autonomen 3D-Druckern. Und irgendwann könnten

26

Ismer, G., USA und Luxemburg schließen Abbau-Vertrag, Tagesspiegel, 11.05.2019.

27

The Global Exploration Roadmap, January 2018.

Handlungsempfehlungen

Metalle von Asteroiden sogar eine Industrieproduktion im All ermöglichen. Vielleicht: Denn zunächst müssten diese Verfahren in kleinem Maßstab erprobt werden. Derzeit laufen erste Forschungsprojekte, um Planeten und Asteroiden auf ihre Rohstoffvorkommen zu erkunden. Damit Deutschland das Zukunftsthema Weltraumbergbau morgen mitgestalten kann, müssen heute die Weichen gestellt werden. Die Bundesregierung sollte deshalb Forschungsvorhaben für den Weltraumbergbau fördern. Darüber hinaus gilt es, dringend eine internationale Lösung für die Fragen des Eigentums an Rohstoffen aus dem Weltraum zu finden. Einige Länder haben aufgrund der international unklaren Lage nationale Gesetze und Regelungen erlassen und damit versucht, das Eigentum an Rohstoffen im Weltraum national zu regeln. Dies ist völkerrechtlich stark umstritten. Das Vorgehen einzelner Staaten zeigt jedoch, dass das Thema mehr und mehr in den Fokus rückt und eine Antwort bereits heute gefunden werden sollte. Eine internationale Regelung brächte Rechtssicherheit und könnte Streitigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen vermeiden. Das Zeitfenster ist jetzt günstig, da es derzeit noch keine wirtschaftliche Exploration gibt. Sobald Rohstoffe erst einmal abgebaut werden, wird eine internationale Regelung zunehmend schwieriger. Deutschland sollte sich mit seinen europäischen Partnern der Herausforderung stellen und einen Vorstoß bei den Vereinten Nationen (UN) zur Überarbeitung des Weltraumvertrags unternehmen.

29


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Impressum

Impressum Herausgeber Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Breite Straße 29 10178 Berlin T.: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Redaktion Matthias Wachter, Abteilungsleiter Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Katharina Will, Referentin Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Thilo Kräußlich, Referent Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Ansprechpartnerin Katharina Will, Referentin Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Bereich Raumfahrt T.: +49 30 2028-1451 k.will@bdi.eu Konzeption & Umsetzung Sarah Schwake, Referentin Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen Layout Michel Arencibia, Art Director www.man-design.net Druck Das Druckteam www.druckteam-berlin.de Verlag Industrie-Förderung Gesellschaft mbH, Berlin

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Bildnachweis S. 1: 440299 | rawpixel.com S. 4: 247044208 ©brand.punkt | stock.adobe.com S. 6: 231480526 ©Andrey Armyagov | stock.adobe.com S. 10: Odin ©Rymdbolaget | OHB S. 15: 228815038 ©scharfsinn86 | stock.adobe.com S. 18: 199957576 ©Tryfonov | stock.adobe.com S. 20: id-395554 ©David Ducros | ESA S. 24: 94801594 ©cosmicvue | stock.adobe.com Stand Oktober 2019 BDI-Publikations-Nr. 0087


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