Position
Geplante gesetzliche Änderungen der Grunderwerbsteuer („share deal“-Regelungen)
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: August 2019
Position Grunderwerbsteuer
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ............................................................................ 3 Einleitung .......................................................................................... 5 Geplante Verschärfungen des GrEStG und grundsätzliche Problematik der geplanten Änderungen ...................................... 6 1. Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften, § 1 Abs. 2b GrEStG-E ................................................................. 8 1.1 Börsenklausel .............................................................................. 8 a) Handel über geregelte Märkte stellt keine Umgehung dar ............ 8 b) Unmöglichkeit des Nachweises..................................................... 9 c) Ausnahmeregelung für Börsenhandel ......................................... 11 1.2 Ausnahme für verbundene Unternehmen ................................. 12 a) Umstrukturierungshemmnis ........................................................ 12 b) Einführung einer Ausnahmeregelung für verbundene Unternehmen ............................................................................ 12 c) Keine Mehrfachbelastung mit Grunderwerbsteuer ...................... 13 2. Absenkung der Beteiligungshöhe von 95 Prozent auf 90 Prozent................................................................................. 13 3. Verlängerung der Fristen .......................................................... 13 4. Befreiungsvorschriften .............................................................. 15 5. Klare Subsidiaritäts- und Anwendungsregelungen ................... 15 5.1 Anwendungsregelungen/Rückwirkung ...................................... 15 5.2 Subsidiaritätsregelungen Verhältnis von § 1 Abs. 2b GrEStG-E zu § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG .................................................................... 16 5.3 Anwendbarkeit des neuen Rechts ............................................ 17 Über den BDI .................................................................................. 18 Impressum ...................................................................................... 18
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Zusammenfassung Der Gesetzgeber plant umfangreiche Änderungen bei der Grunderwerbsteuer, insbesondere mit Hinblick auf Kapitalgesellschaften. Bei den geplanten Änderungen ist zu beachten, dass eine überschießende und ausnahmslose Erweiterung von grunderwerbsteuerlichen Tatbeständen zu erheblichen Kollateralschäden für die gesamte Wirtschaft führt. Sie ist nicht zielgenau und entspricht insbesondere nicht der im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode enthaltenen Vorgabe einer „effektiven“ und „rechtssicheren“ gesetzlichen Regelung. Aufgrund erheblicher rechtlicher Bedenken gegen die vorgesehene Ausweitung der Grunderwerbsteuer auf Kapitalgesellschaften appellieren wir dringend daran, die geplanten Regelungen in dieser Form nicht einzuführen. Sollte dennoch an einer Einführung festgehalten werden, darf der Wunsch nach Missbrauchsvermeidung bei Einzelnen nicht zu Mehrbelastungen für alle führen: ▪
Zielgenaue Missbrauchsbekämpfung: Die geplanten Neuregelungen der Grunderwerbsteuer schießen über die beabsichtigte Missbrauchsverhinderung hinaus und müssen daher zielgenau begrenzt werden.
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Kollateralschäden für die Wirtschaft verhindern: Mit einer Börsenklausel muss klargestellt werden, dass der reine Aktienhandel an einer anerkannten Börse – ohne dass ein gezielter Grundstückserwerb verfolgt wird – keine Grunderwerbsteuer auslöst. → Vorschlag hierzu: S. 10
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Konzerninterne Umstrukturierungen freistellen: Ebenso ist eine rechtssichere Ausnahmeregelung bei Anteilsübertragungen zwischen verbundenen Unternehmen notwendig. → Vorschlag hierzu: S. 11
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Absenkung der Beteiligungsschwelle: Die beabsichtigte generelle Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 auf 90 Prozent ist keine zielgenaue Missbrauchsbekämpfung. → Vorschlag hierzu: S. 11
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Verlängerung von Haltefristen: Die geplante Verlängerung der Vorlauf- und Nachlauffristen birgt einen immensen zusätzlichen Verwaltungsaufwand sowohl für Unternehmen als auch für die Finanzverwaltung. Sie sollten vor diesem Hintergrund besonders kritisch geprüft werden. → Vorschlag hierzu: S. 12
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Keine Mehrfachbelastung der Unternehmen: Insbesondere mögliche Mehrfachbelastungen mit Grunderwerbsteuer müssen durch entsprechende gesetzliche Klarstellung wirksam verhindert werden. → Vorschlag hierzu: S. 14
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Keine Rückwirkung: Zur rechtssicheren Anwendung sollten die Neuregelungen keine Rückwirkung entfalten. → Vorschlag hierzu: S. 15
Dieses Positionspapier enthält konstruktive Vorschläge, wie die vorstehenden Forderungen zielführend umgesetzt werden können.
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Einleitung Die Regelungen im Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) bezwecken eine Besteuerung der Eigentümerwechsel an Grundstücken. Mit dem am 1.1.1983 in Kraft getretenen GrEStG sollte ein einheitlich niedriger Steuersatz (2 Prozent) mit wenigen Befreiungsmöglichkeiten für eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des bis zu diesem Zeitpunkt stark unübersichtlichen Grunderwerbsteuerrechts führen. Seit seines Inkrafttretens am 1.1.1983 wurde das GrEStG mehrfach geändert und der Steuersatz auf 3,5 Prozent erhöht. Art. 105 Abs. 2a S. 2 Grundgesetz gewährt schließlich seit dem Jahr 2006 den Ländern die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes. Mit Ausnahme von Bayern und Sachsen haben alle Länder davon Gebrauch gemacht und die Steuersätze auf bis zu 6,5 Prozent erhöht. Das Aufkommen an der Grunderwerbsteuer, welches den Ländern zusteht, wurde für das Jahr 2018 auf insgesamt ca. 14 Mrd. EUR beziffert. Die Steuertatbestände des GrEStG setzen einen Rechtsträgerwechsel (Eigentümerwechsel) an einem Grundstück voraus. Eigentümerwechsel, welche der Besteuerung unterliegen, werden abschließend in § 1 GrEStG normiert. Änderungen im Gesellschafterkreis einer Personen- oder Kapitalgesellschaft führen zunächst nicht zu einem Eigentümerwechsel am Grundstück: es werden Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft verkauft – ein sogenannter share deal. Ein solcher Vorgang würde – mangels Eigentümerwechsel – keine Grunderwerbsteuer auslösen. Für diese Tatbestände wird ein Eigentumswechsel für Zwecke der Grunderwerbsteuer bei Vorhandensein bestimmter Voraussetzungen fingiert. Die Fiktion soll eine Umgehung der Grunderwerbsteuer durch gesellschaftsrechtlich zulässige Konstruktionen verhindern. Der Eigentumswechsel an einem Grundstück wird bisher dann gesetzlich angenommen, wenn mindestens 95 Prozent des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a GrEStG), der Gesellschaftsanteile von grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaften in einer Hand vereinigt werden (§ 1 Abs. 3 GrEStG), der wirtschaftlichen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen oder an der Gesellschaft auf einen neuen Erwerber übergehen (§ 1 Abs. 3a GrEStG). Durch einen so fingierten Rechtsträgerwechsel am Grundstück wird Grunderwerbsteuer für einen (fingierten) Erwerb des ganzen Grundstücks erhoben. Die Steuer bemisst sich in diesem Fall, trotz einer prozentual geringeren Anteilsübertragung, an 100 Prozent des Grundbesitzwertes (§ 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 151 ff. Bewertungsgesetz).
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Die aktuelle Besteuerung der share deals nach deutschem Vorbild ist keineswegs europäischer Standard: Einige Länder erheben keine Grunderwerbsteuer auf den Rechtsverkehr mit Gesellschaftsanteilen (u. a. Spanien, Schweden, Norwegen, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg und Dänemark). In einigen Ländern werden bestimmte share deal-Transaktionen von der Besteuerung ausgenommen (u. a. Frankreich, Niederlande, Polen) bzw. lediglich bestimmte share deals von der Besteuerung erfasst, z. B. in Portugal: Dort werden share deals nur besteuert, wenn es sich um einen direkten Erwerb von mind. 75 Prozent des Anteils vom Kapital einer grundbesitzenden Privatgesellschaft mit beschränkter Haftung, OHG, KG oder eines beschränkten Immobilien-Investment-Fonds handelt. Frankreich und Polen kennen Ausnahmen für die Börsennotierung von Unternehmen. Österreich schließlich besteuert share deals mit einem Steuersatz von 0,5 Prozent, Finnland mit 2 Prozent.1 Geplante Verschärfungen des GrEStG und grundsätzliche Problematik der geplanten Änderungen Die bisherigen gesetzlichen Regelungen konnten Gestaltungen, bei denen keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, nicht verhindern. Es sind einzelne Fälle bekannt geworden, in welchen Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften auf neue Rechtsträger übertragen wurden, ohne dass hierfür Grunderwerbsteuer angefallen ist. Seit einigen Jahren wird daher nach Lösungen gesucht, solche Umgehungsgestaltungen gesetzlich zu verhindern. Als vorläufiges Ergebnis hat sich die Finanzministerkonferenz (FMK) am 29.11.2018 auf einen Gesetzgebungsvorschlag zur Verschärfung der Regeln zu Anteilsübertragungen im GrEStG geeinigt. Hierbei soll gewährleistet werden, dass bestimmte Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften künftig grunderwerbsteuerlich erfasst werden, um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern. Hauptreformpunkte sind insbesondere die: Einführung eines neuen Tatbestandes für Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E), Herabsenkung der Beteiligungsquote von 95 Prozent auf 90 Prozent (Anwendung auf § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG), Verlängerung der Haltefristen von 5 auf 10 Jahre, (§ 1 Abs. 2a GrEStG), Verlängerung der Behaltensfristen von 5 auf 10 Jahre (§ 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG), bzw. auf 15 Jahre (§ 6 Abs. 4 Satz 3 GrEStG).
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Quelle: PwC: Real Estate Transfer Tax (RETT) – an international overview, August 2018.
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Die beabsichtigte Ausgestaltung der vorstehenden Reformpunkte steht im Gegensatz zu der Einigung im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode auf eine „effektive und rechtssichere gesetzliche Regelung“. Weder werden durch die geplanten Regelungen effektiv Umgehungsgestaltungen verhindert, noch sind die beabsichtigten Regelungen rechtssicher ausgestaltet. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Änderungen für alle Unternehmen sind weitreichend. Insbesondere solche Unternehmen werden erfasst, die Immobilien für die operativen Geschäfte des Unternehmens benötigen (Produktionshallen, Bürogebäude). Bei diesen werden zukünftig wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen unter Beteiligung von Objektgesellschaften sowohl durch administrative als auch monetäre Hürden behindert. Damit wird pauschal ein Missbrauchsverdacht auf alle Unternehmensstrukturen ausgeweitet. Es kommt zu einer unzulässigen Substanzbesteuerung von Unternehmen. Missbrauchsvorschriften müssen verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügen, wie bereits die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts2 gezeigt hat. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands ist die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen; eine gesetzlich typisierte Missbrauchsbestimmung darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht und zielgenau am typischen, mithin regelungsbedürftigen Fall orientieren. Grunderwerbsteuerauslösend ist der Handel mit Gesellschaftsanteilen als Ersatztransaktion für den Grundstückshandel als solchen. Nicht im Fokus stehen gewöhnliche Unternehmenstransaktionen und rein unternehmensinterne Umstrukturierungen ohne liquiden Mittelzufluss von außen. Die Fokussierung auf missbräuchliche Formen sollte zum Maßstab einer künftigen Gesetzgebung genommen werden. Im Übrigen ist auf hinreichende Korrektive für nicht missbräuchliche Einzelfälle zu achten, insbesondere durch eine korrespondierende Tatbestandsstruktur bei den §§ 5-6a GrEStG. Dies gilt besonders im Hinblick auf (mittelbare) Übertragungen von Objektgesellschaften innerhalb einer Unternehmensgruppe im Rahmen von wirtschaftlich oder organisatorisch veranlassten Maßnahmen (z. B. Verkürzung oder Verlängerung der Beteiligungskette bei mehrstufigen Kapital- oder Personengesellschaftsbeteiligungen). Die zufällige (mittelbare) Übertragung von Anteilen an Objektgesellschaften bzw. Gesellschaften mit (produktivem) Immobilienvermögen sollte hier nicht unter Hinweis auf Missbrauchsvermeidung zur Erhebung von Grunderwerbsteuer führen, denn offensichtlich unterscheiden sich diese Fälle von den einzudämmen beabsichtigten share deal-Gestaltungen. Es geht in diesen Fällen gerade
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BVerfG, Beschl. 29.03.2017, 2 BvL 6/11.
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nicht darum, Grundstücke an Dritte außerhalb einer Unternehmensgruppe gegen Entgelt, aber möglichst ohne Anfall von Grunderwerbsteuer, zu übertragen. 1. Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften, § 1 Abs. 2b GrEStG-E Aktuell führen Gesellschafterwechsel an grundbesitzenden Personengesellschaften in Höhe von mindestens 95 Prozent der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren zur Auslösung der Grunderwerbsteuer. Geplant ist eine Ausdehnung dieser Regelung auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften und eine Herabsetzung der Quote bei gleichzeitiger Verlängerung der bisherigen Behaltens- bzw. Vor- und Nachlauffristen (Einführung eines neuen Ergänzungstatbestandes, § 1 Abs. 2b GrEStG-E). Damit soll zukünftig grunderwerbsteuerauslösend sein, wenn mindestens 90 Prozent der Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren übertragen werden. Auf die Mindesthöhe einer Beteiligung beim Erwerber und die konkrete Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft soll es nicht ankommen. Es ist demnach ausreichend, wenn viele kleine Anteile an theoretisch beliebig viele Erwerber übergehen, ohne dass in irgendeiner Weise ein Grundstückserwerb beabsichtigt ist. Damit wird erstmals unter Durchbrechung des für Kapitalgesellschaften geltenden Trennungsprinzips aus einem Vorgang auf der Gesellschafterebene eine Besteuerungsfolge auf der Gesellschaftsebene gezogen. Aufgrund erheblicher rechtlicher Bedenken gegen die vorgesehene Ausweitung der Grunderwerbsteuer auf Kapitalgesellschaften appellieren wir dringend daran, die geplanten Regelungen nicht einzuführen. Sollte dennoch an einer Einführung eines § 1 Abs. 2 b GrEStG-E festgehalten werden, sind mindestens nachfolgende Aspekte aufzunehmen. 1.1 Börsenklausel Mit der Einführung des geplanten § 1 Abs. 2b GrEStG-E wird bei börsennotierten Aktiengesellschaften oder anderen Publikumsgesellschaften mit einer großen Anzahl reiner Anlegergesellschafter Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn deren Anteile an einem geregelten Markt regulär gehandelt werden. a) Handel über geregelte Märkte stellt keine Umgehung dar Es ist unbestritten, dass der Aktienhandel auf einem geregelten Markt (Börse) nichts mit grunderwerbsteuerlichen Gestaltungen zu tun hat. Dabei haben einerseits Erwerber von Aktien in der Regel kein Interesse daran, die Verfügungsmacht an einem Grundstück zu erwerben und andererseits die Kapitalgesellschaft keinen Einfluss auf den Aktienhandel. www.bdi.eu
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Da es bei der geplanten Norm auf die (Mindest-)Höhe einer Beteiligung beim Erwerber, wie im Falle der Anteilsvereinigung, nicht ankommen soll, kann der Fall eintreten, dass allein durch den Handel von Aktien an einer Börse Grunderwerbsteuer entsteht. Börsennotierte Aktiengesellschaften könnten sogar mehrmals im Jahr mit Grunderwerbsteuer belastet sein. So ist es nicht ungewöhnlich, dass wenigstens 90 Prozent der Anteile in einem überaus kurzen Zeitraum, teilweise von einem Vierteljahr, übertragen werden. Dies gilt umso mehr, soweit auch mittelbare Anteilseignerwechsel einbezogen werden, d. h. bei Aktionären, die ihrerseits börsennotiert sind, weil auch der mittelbare Anteilseignerwechsel grunderwerbsteuerpflichtig sein soll. Kleinere und mittlere Aktiengesellschaften mit nennenswertem Grundbesitz könnten hierdurch in ihrem Bestand gefährdet sein. Es entsteht eine Substanzbesteuerung, woraus sich u. a. ein klarer Standortnachteil für Gesellschaften mit deutschem Grundbesitz ergibt. Die Kapitalgesellschaft, welche als Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer vorgesehen ist und häufig gar keine Möglichkeit hat, die Übertragung der Anteile an ihr zu unterbinden, wäre gegebenenfalls innerhalb eines kurzen Zeitraums mehrfach mit Grunderwerbsteuer belastet, ohne dass ein Rechtsträgerwechsel am Grundstück stattgefunden hat und ohne dass die Gesellschaft einen liquiden Mittelzufluss empfangen hat. b) Unmöglichkeit des Nachweises Gemäß § 19 GrEStG obliegt dem Steuerpflichtigen die Anzeige der Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes. Börsennotierte Kapitalgesellschaften müssten somit den Handel der eigenen Anteile börsentäglich daraufhin überprüfen, ob eine Änderung am Gesellschafterbestand in Höhe von 90 Prozent stattgefunden hat. (Mittelbare) Übertragungen von Minderheitsbeteiligungen sowie Anteilsbewegungen im Fonds- und Aktienbereich können in der Praxis jedoch nicht überwacht werden. So müsste die börsennotierte Gesellschaft zur Bestimmung der Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2b GrEStG-E in die Lage versetzt werden, die Eigentümerstruktur jeder einzelnen Aktie nachzuverfolgen, um so zu bestimmen, mit welcher Übertragung die Anwendungsschwelle erreicht wurde. Die bestehenden Meldevorschriften (beispielweise § 33 Wertpapierhandelsgesetz, WpHG) erfassen Mitteilungen erst ab einem Anteil von 3 Prozent an den Stimmrechten. Die aktuelle gesetzliche Planung stellt nicht auf eine Mindestbeteiligungshöhe der Anteilserwerber ab. Erwerbe unter 3 Prozent, abgesehen von Namensaktien, würden der betreffenden Gesellschaft demnach nicht gemeldet und könnten nicht nachvollzogen werden. Auch bei Inhaber- oder institutsregistrierten Namensaktien ist der Aktionär unbekannt. Trotz Bestehen von Meldepflichten können die Kapitalgesellschaften somit den Gesellschafterwechsel in diesen Fällen gar nicht überwa-
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chen, wodurch ein verfassungswidriges strukturelles Vollzugsdefizit unumgänglich wäre. Hieran wird auch die geplante Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie 2017/828/EU nichts ändern. Daneben können börsennotierte Unternehmen unmöglich feststellen, ob die Anteile von neuen Gesellschaftern auf Fondsebene erworben werden, da sie nicht durch die Fonds „durchblicken“ können. Auch die Fondsgesellschaften können diese Informationen nicht bereitstellen, da ihnen in der Regel nicht bekannt ist, wer ihre Fondsanteile hält. Bei ausländischen Investoren ist eine Zuordnung des Anteilserwerbers gar nicht möglich. Für solche Investoren aus Drittstaaten besteht für die börsennotierte Gesellschaft mangels Sanktionsmaßnahmen keine Möglichkeit, eine Offenlegung der entsprechenden Daten zu erreichen. Durch einfachen Einsatz entsprechender Beteiligungsstrukturen werden ausländische Investoren in der Lage sein, eine Grunderwerbsteuerpflicht faktisch zu verhindern, was ihnen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber inländischen strategischen Investoren einbringt, der so nicht gewollt sein kann. Weiterhin beteiligen sich in der Regel institutionelle Investoren, d. h. Pensionsfonds oder Kapitalverwaltungsgesellschaften an börsennotierten Aktiengesellschaften. Auch hier stellt sich die Frage, inwiefern die vorgeschlagenen Regelungen zum mittelbaren Anteilserwerb durch zwischengeschaltete Personen- oder Kapitalgesellschaften rechtssicher anzuwenden sind. Sowohl nach den gesetzlichen als auch den tatsächlichen Gegebenheiten kann ein (börsennotiertes) Unternehmen nicht sicher feststellen, wann 90 Prozent seiner Aktien den Letzteigentümer gewechselt haben. Genauso wenig lässt sich identifizieren, ob bei 90 Prozent der Marktkapitalisierung ausschließlich verschiedene Aktien gehandelt wurden oder nur ein Teil der ausgegebenen Aktien mehrfach gehandelt wurde. Daher wäre jedes Abstellen auf den Börsenumsatz eine Fiktion, die zu einer Besteuerung führen würde, obwohl der die Besteuerung auslösende Tatbestand noch gar nicht sicher eingetreten ist. Darüber hinaus widerspricht dies der Logik des Börsenhandels, dessen Funktion wesentlich von liquiden, d. h. einfach handelbaren, Anteilen abhängt. Es besteht daher das Risiko, dass allein aufgrund des Börsenhandels ein Gesellschafterwechsel und damit ein grunderwerbsteuerauslösender Eigentümerwechsel fingiert wird. Dieses Risiko wird auch nicht durch mögliche, sogenannte, Ankeraktionäre gedämmt. Es verfügen nicht alle Kapitalgesellschaften dauerhaft über Aktionäre, welche mindestens 10 Prozent der Anteile
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an der Gesellschaft halten.3 Weiterhin würde diesen Aktionären eine entsprechende Machtposition und damit verbunden erhebliches Erpressungspotential gegenüber der Gesellschaft eingeräumt.4 Der durch die geplante Neuregelung bedingte Überwachungsprozess kann demnach nicht gewährleisten werden, insbesondere bei einer unverändert zeitlich befristeten Anzeigepflicht von zwei Wochen nach Kenntnis des anzeigepflichtigen Vorgangs. Hierdurch würden in unverhältnismäßiger Weise steuerstrafrechtliche Risiken für Geschäftsführer und Vorstände geschaffen. Weiterhin wird im Fall von Gesellschafterwechseln durch Börsenhandel der Finanzverwaltung voraussichtlich ebenfalls nicht gelingen, das Vorliegen des grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E) durch eigene Ermittlungen nachzuweisen. Aufgrund des hierdurch bedingten strukturellen Vollzugsdefizits stellt sich die dringende Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. c) Ausnahmeregelung für Börsenhandel Dem sollte mit einer umfassenden Börsenklausel Rechnung getragen werden, sodass der Handel der Anteile an einer anerkannten Börse keine Grunderwerbsteuer auslöst. Von der Systematik des Gesetzes her sollte die Börsenklausel bzw. vergleichbare Konstellationen eines außerbörslichen Handels bei Publikumsgesellschaften in den neuen § 1 Abs. 2b GrEStG-E aufgenommen werden. Eine Börsenklausel ist entsprechend auch für Gesellschafterbestandswechsel bei Personengesellschaften (§ 1 Absatz 2a GrEStG) zu ergänzen, da börsennotierte Aktiengesellschaften an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sein können. Eine Börsenklausel könnte beispielsweise wie folgt ausgestaltet sein: „[Neuer Satz 7]: Die Sätze 1 bis 6 gelten nicht, wenn mit der Hauptgattung der Aktien der Kapitalgesellschaft im Sinne des Satzes 1 ein regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. [Neuer Satz 8]: Die Sätze 1 bis 6 gelten ferner insoweit nicht, als eine unmittelbar oder mittelbar an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist, deren Anteile die Voraussetzungen des Satzes 7 erfüllen.“
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Hierzu ausführlich: Deutsches Aktieninstitut, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, 5. Juni 2019, S. 7. 4 Joisten/Spierts/Heijnen/Ratzenhofer, ifst-Schrift 528 (2019), S. 30. www.bdi.eu
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Eine konkrete Ausgestaltung der Börsenklausel muss europarechtlichen Vorgaben genügen, insbesondere darf sie keine unionsrechtswidrige Beihilfe darstellen. Vor diesem Hintergrund ist eine Ausgestaltung entsprechend zu prüfen und zu notifizieren. 1.2 Ausnahme für verbundene Unternehmen a) Umstrukturierungshemmnis Durch die Reform werden wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen innerhalb verbundener Unternehmen zusätzlich gehemmt. Dabei ist bei einer Übertragung innerhalb von verbundenen Unternehmen die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung zur Umgehung von Grunderwerbsteuer nicht gerechtfertigt. Obwohl verbundene Unternehmen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b GrEStG partiell als grunderwerbsteuerliche Einheit behandelt werden („grunderwerbsteuerliche Organschaft“), sind Übertragungen von Grundstücken oder Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften grundsätzlich auch zwischen verbundenen Unternehmen grunderwerbsteuerpflichtig. Letztendlich geht es in der Vielzahl von share deals gerade nicht darum, Grundstücke an außerhalb eines Unternehmensverbundes stehende Dritte gegen Entgelt, aber möglichst ohne Anfall von Grunderwerbsteuer, zu übertragen. Vielmehr resultieren Umstrukturierungen innerhalb von verbundenen Unternehmen in der Regel als Reaktionen auf Markterfordernisse, regulatorische Anforderungen oder sonstige betriebliche Erfordernisse und stellen damit keine missbräuchliche Gestaltung dar. Ein Zuwachs an Liquidität findet nicht statt, stattdessen wird die Unternehmenssubstanz besteuert. b) Einführung einer Ausnahmeregelung für verbundene Unternehmen Dem sollte mit einer umfassenden Ausnahmeregelung Rechnung getragen werden. Gesellschafterwechsel innerhalb verbundener Unternehmen sollten nur dann Grunderwerbsteuer auslösen, wenn und soweit an dem Rechtsvorgang nicht ausschließlich solche Unternehmen beteiligt sind, deren Anteile direkt oder indirekt ausschließlich in der Hand eines Rechtsträgers liegen. Von der Systematik des Gesetzes sollte diese Klausel in die bereits bestehenden Regelungen des § 6a GrEStG aufgenommen werden. Die bisher im § 6a GrEStG verankerte Konzernklausel begünstigt aktuell nur bestimmte Umstrukturierungen zwischen verbundenen Unternehmen. Jedoch sollten sämtliche wirtschaftlich begründeten Erwerbsvorgänge i. S. v. § 1 GrEStG steuerneutral erfolgen, soweit sie zwischen verbundenen Unternehmen durchgeführt werden.
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Sofern § 6a GrEStG nicht geändert werden kann, könnte eine solche Ausnahmeregelung ebenfalls in einen neuen § 1 Abs. 7 GrEStG aufgenommen werden. c) Keine Mehrfachbelastung mit Grunderwerbsteuer Unabhängig von einer vorgenannten Ausnahmeregelung für verbundene Unternehmen, sollte die Anrechnung i. S. d. § 1 Abs. 6 GrEStG durch eine nähere Definition der Erwerberidentität, die Vorgänge innerhalb von verbundenen Unternehmen berücksichtigt, ermöglicht werden, um eine mehrfache wirtschaftliche Belastung mit Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Zudem sollte die in § 1 Abs. 6 GrEStG enthaltene Regelung zum Absatzwechsel ebenfalls überarbeitet werden, sodass eine Anrechnung nicht länger eine Aufeinanderfolge von mehreren grunderwerbsteuerbaren Vorgängen bedingt, die nach unterschiedlichen Absätzen des § 1 GrEStG besteuert werden müssen. Vielmehr sollte die Anrechnung unabhängig davon erfolgen, ob der Rechtsvorgang in demselben Absatz oder in unterschiedlichen Absätzen des § 1 GrEStG bezeichnet ist. 2. Absenkung der Beteiligungshöhe von 95 Prozent auf 90 Prozent Die geplante Absenkung der Beteiligungsquote von 95 Prozent auf 90 Prozent bei allen Ersatztatbeständen (§ 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG) stellt aus unserer Sicht mit Blick auf die Missbrauchsbekämpfung keine wirksame Maßnahme dar. Insbesondere ist auch nicht davon auszugehen, dass der Einsatz von share deals zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer hierdurch ausgeschlossen wird. Vielmehr führt die Absenkung der Beteiligungsquote zu einer unzulässigen Substanzbesteuerung von Unternehmen. Ihr Anwendungsbereich als Missbrauchsvorschrift geht deutlich über das zulässige Maß hinaus, da bei Anteilsveräußerungen in der Regel der Übergang des Unternehmens an sich und nicht der Übergang von Grundstücken den Transaktionskern bildet. 3. Verlängerung der Fristen Die Verlängerung der diversen Behaltens-, Vor- und Nachlauffristen im Grunderwerbsteuergesetz wird als zum Zwecke der Missbrauchsabwehr notwendig gerechtfertigt. Aus unserer Sicht werden durch die pauschalen Fristverlängerungen auch Transaktionen erfasst, die rein konzeptionell nicht der Vermeidung von Grunderwerbsteuer dienen, während die Auswirkung auf solche Gestaltungen, welche eigentlich von der Norm getroffen werden sollen, eher gering sein dürften. Transaktionen, welche nicht der Vermeidung von Grunderwerbsteuer dienen, sind der Erwerb von mindestens 90 Prozent der Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften durch eine Vielzahl unabhängiger Erwerber, die Veränderung von Gesellschaftsanteilen solcher Gesellschaften, deren Vermögen nur zu einem geringen Anteil aus www.bdi.eu
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Grundvermögen besteht sowie die Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Rahmen der Generationennachfolge. Die Verlängerung der Vor- und Nachlauffristen in §§ 5, 6 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 4 GrEStG wird mit „Gründen der Missbrauchsabwehr“ gerechtfertigt. Dies trifft nur bedingt zu. Ganz im Gegenteil werden durch die pauschalen Fristverlängerungen eine Vielzahl von offensichtlich nicht missbräuchlichen Maßnahmen betroffen, während die Auswirkung auf share deal-Gestaltungen eher gering sein dürfte. Bereits die bestehenden Fristen verhindern wirtschaftlich sinnvolle Transaktionen und sind unter dem Aspekt einer Missbrauchsvermeidung nicht zielgenau. Insbesondere werden die verlängerten Fristen einen share deal zunächst nicht verhindern. Daneben müssen die erheblich verlängerten Fristen durch die Steuerpflichtigen sowie durch die Finanzverwaltung überwacht werden, so dass insoweit auch ein erhöhter monetärer und administrativer Aufwand auf Seiten des Fiskus und der Unternehmen entsteht. Die Verlängerung der Vorlauffrist in § 6 Abs. 4 Nr. 3 n.F. GrEStG von 5 auf 15 Jahre erschwert nur den Unterfall eines share deals in Form eines „gestreckten Erwerbs“ von Anteilen an einer Personengesellschaft. Andere typische share deal-Gestaltungen, bei denen 6 Prozent (bzw. künftig 11 Prozent) an einer GmbH dauerhaft durch einen fremden Dritten erworben werden oder beim Verkäufer verbleiben, können durch die Verlängerung der Vorlauffristen nicht verhindert werden. Ebenso verhindert die Verlängerung der Nachlauffristen von 5 auf 10 Jahre in §§ 5, 6 GrEStG den Erwerb eines Anteils im Rahmen eines share deals nicht. Im Ergebnis bedeutet die pauschale Verdoppelung oder gar Verdreifachung der Vor- und Nachlauffristen eine erhebliche Erschwerung für den Steuerpflichtigen bei einer Vielzahl von wirtschaftlich sinnvollen und nicht missbräuchlichen Übertragungen (z. B. mittelbare Übertragung von Gesellschaften im Rahmen der Verkürzung oder Verlängerung der Beteiligungskette bei mehrstufigen Kapitaloder Personengesellschaftsbeteiligungen). Die zufällige (mittelbare) Übertragung von Anteilen an Gesellschaften bzw. Gesellschaften mit (produktivem) Immobilienvermögen sollte nicht unter Hinweis auf Missbrauchsvermeidung zur Erhebung von Grunderwerbsteuer führen. Es geht in diesen Fällen gerade nicht darum, Grundstücke an Dritte außerhalb der Unternehmensgruppe gegen Entgelt, aber möglichst ohne Anfall von Grunderwerbsteuer zu übertragen. Die Verlängerung der Vor- und Nachlauffristen in §§ 5, 6 GrEStG sollte grundsätzlich unterbleiben. Sollte trotz der vorgetragenen Kritik an der Verlängerung festgehalten werden, sollte grundsätzlich zwischen der Verlängerung der Fristen in § 1 Abs. 2a GrEStG bzw. § 1 Abs. 2b GrEStG-E
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und der Fristen in §§ 5, 6 GrEStG differenziert werden. Die Nachlauffristen in den §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG dürfen nicht verlängert werden. 4. Befreiungsvorschriften Bei Erfüllung der Voraussetzungen sind gemäß §§ 5, 6 GrEStG Anteilsveränderungen an grundbesitzenden Personengesellschaften trotz Erfüllung eines Ergänzungstatbestandes von der Grunderwerbsteuer befreit. Die geplanten gesetzlichen Änderungen sehen die Anwendung der Befreiungsvorschriften für die Anteilsveränderung bei Kapitalgesellschaften nicht vor. Durch die Neuregelungen bei den Besteuerungstatbeständen, insbesondere die geplante Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG-E, wird das für Kapitalgesellschaften geltende Trennungsprinzip durchbrochen und die Besteuerung der Kapitalgesellschaft damit derjenigen von Personengesellschaften angenähert. Sofern neben Anteilsübertragungen an Personengesellschaften nunmehr auch solche an Kapitalgesellschaften grunderwerbsteuerauslösend sein sollen, ist konsequenterweise auch hinsichtlich der – aktuell nur für Personengesellschaften geltenden – Befreiungsvorschriften nach §§ 5, 6 GrEStG ein Gleichlauf herzustellen. Dass diese Steuerbefreiungen (§§ 5, 6 GrEStG) bislang auf Personengesellschaften beschränkt waren, war Ausfluss der unterschiedlichen Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften (Transparenzprinzip versus Trennungsprinzip). Wenn die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft durchbrochen wird, indem Vorgänge auf der Gesellschafterebene Besteuerungsfolgen auf der Gesellschaftsebene auslösen, kann diese Beschränkung nicht mehr bestehen bleiben. Die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG-E ohne eine entsprechende Anwendung der Befreiungsvorschriften (insbesondere § 6 Abs. 3 GrEStG) führt dazu, dass Kapitalgesellschaften grunderwerbsteuerlich schlechter gestellt würden als Personengesellschaften. Die Befreiungsvorschriften sollten demnach auch für Kapitalgesellschaften Anwendung finden. 5. Klare Subsidiaritäts- und Anwendungsregelungen 5.1 Anwendungsregelungen/Rückwirkung In der Vergangenheit sind Übertragungen insbesondere im nicht missbrauchsverdächtigen Bereich (z. B. unternehmensinterne Umstrukturierungen, Nachfolgegestaltungen bei Familienunternehmen) anhand der geltenden Rechtslage vorgenommen worden, ohne hierbei auf Risiken durch Neuregelungen abstellen zu können. Übertragungen aus der Zeit vor Inkrafttreten einer Neuregelung dürfen daher auf keinen Fall relevant sein. Diese können dazu führen, dass während der gesamten Beobachtungsfrist sämtliche Anteilsübertragungen, auch auf mittelbaren Ebenen und in minimalem Umfang die Verwirklichung des neuen www.bdi.eu
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Ersatztatbestands auslösen. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn bereits andere Grunderwerbsteuertatbestände verwirklicht worden sind. 5.2 Subsidiaritätsregelungen Verhältnis von § 1 Abs. 2b GrEStG-E zu § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG Als Konsequenz der beabsichtigten Verschärfungen des Grunderwerbsteuergesetzes können Mehrfachbelastungen mit Grunderwerbsteuer entstehen, die zu vermeiden sind. Eine klare Regelung bestehender Konkurrenzverhältnisse ist erforderlich. Maßgeblich ist dies bereits zur Vermeidung des Risikos einer Doppelbesteuerung sowie auch für die Compliance-relevanten Fragen, auf welcher Ebene Grunderwerbsteuer entsteht und welche Gesellschaft die grunderwerbsteuerlichen Anzeigepflichten treffen. Durch die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG-E kann es sowohl im Verhältnis zu § 1 Abs. 2a GrEStG als auch im Verhältnis zu § 1 Abs. 3 GrEStG zu Überschneidungen der Anwendungsbereiche kommen. Bisher ist im Gesetzesentwurf geregelt, dass § 1 Abs. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG subsidiär zu § 1 Abs. 2b GrEStG-E sind. Eine Regelung bzgl. des Verhältnisses zu § 1 Abs. 2a GrEStG besteht bislang nicht. Dadurch kann es zu einer doppelten Besteuerung eines Vorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG-E kommen. Weiterhin kann durch den Vorrang von § 1 Abs. 2b GrEStG-E vor § 1 Abs. 3 GrEStG ein bisher nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbarer aber nach §§ 5, 6 GrEStG steuerbefreiter Vorgang künftig durch § 1 Abs. 2b GrEStG-E steuerpflichtig werden, ohne die Möglichkeit der Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG. Beispiel 1: Hält eine Personengesellschaft 100 Prozent der Anteile an einer grundstücksbesitzenden GmbH gilt sie als grundstücksbesitzend, da ihr durch die 100 Prozent Beteiligung das Grundstück der Objekt-GmbH zugerechnet wird. Bei einem Gesellschafterwechsel von mindestens 95 Prozent bei der Personengesellschaft wird daher § 1 Abs. 2a GrEStG auch in Bezug auf die Objekt-GmbH ausgelöst. § 1 Abs. 3 oder § 1 Abs. 3a GrEStG sind in diesem Fall subsidiär zu § 1 Abs. 2a GrEStG. Unter den entsprechenden Voraussetzungen ist der Vorgang steuerfrei nach §§ 5, 6 GrEStG. Der Vorgang ist künftig auch nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbar, ohne die Möglichkeit einer Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG. Beispiel 2: Eine 100 Prozent Beteiligung an einer Objekt-GmbH wird von einer Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft übertragen (beide Personengesellschaften haben den gleichen Gesellschafter). Dieser Vorgang ist steuerbar nach § 1 Abs. 3 GrEStG und ggf. steuerbefreit nach www.bdi.eu
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§§ 5, 6 GrEStG. Künftig ist der Vorgang auch steuerbar nach § 1 Abs. 2 b GrEStG-E, ohne die Möglichkeit einer Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG. Die Schlechterstellung bisher steuerfreier Vorgänge bzw. eine Doppelbesteuerung ein und desselben Vorgangs dient nicht der Missbrauchsbekämpfung. Entsprechend sollte eine Regelung der Subsidiarität von § 1 Abs. 2b GrEStG-E zu § 1 Abs. 2a GrEStG erfolgen. 5.3 Anwendbarkeit des neuen Rechts Sollte trotz den vorgebrachten rechtlichen Bedenken an der Regelung an einer Einführung festgehalten werden, sind mindestens die Anwendungs- bzw. Übergangsvorschriften rechtsicher auszugestalten. Insbesondere dürfen die geplanten Rechtsänderungen erst ab Verkündung im Bundesgesetzblatt anwendbar sein, eine rückwirkende Inkraftsetzung mit Geltung für Sachverhalte, die zu diesem Datum bereits rechtsfolgenauslösend umgesetzt bzw. eingeleitet worden sind, ist nicht verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind. Im Steuerrecht entfaltet ein Gesetz „echte“ Rückwirkung in diesem Sinn, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert.5 Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen ist gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten, so dass ein anerkannter Vertrauensschutz besteht.6 Die Übergangsregelungen sind demnach so auszugestalten, dass Sachverhalte, die bereits unter bisheriger Rechtslage umgesetzt bzw. eingeleitet worden sind, hiervon nicht erfasst werden.
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BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08, Tz. 42. Vgl. BVerfG, a.a.O, Tz. 65.
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