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EU-Verordnung für den Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck
August 2019 Bei der seit 2016 angestrebten Reform der Verordnung zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-Use-Verordnung) hat sich der Rat der Europäischen Union (EU) nach langer Diskussion Anfang Juni 2019 auf eine gemeinsame Position festgelegt. Der nun erzielte Vorschlag schafft eine Balance zwischen dem effektiven Schutz vor ungewollter Nutzung und unternehmerischer Freiheit im Hochtechnologiestandort EU. Die deutsche Industrie begrüßt insbesondere, dass sich die Mitgliedsstaaten zu ihren staatlichen Schutzpflichten bekennen. Juristisch-politische Folgeeinschätzungen werden nicht den Unternehmen überlassen. Im nun folgenden Trilog zwischen den drei EUOrganen wird sich diese Position bewähren müssen.
Hintergrund der Reform Doppelverwendungsfähig sind solche Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Die EU reguliert deren Ausfuhr auf der Grundlage von Beschlüssen multilateraler Kontrollregime, darunter das Wassenaar-Abkommen. Rechtlich einschlägig ist in der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom Mai 2009 (Dual-Use-VO). Im Nachgang zu den Ereignissen des arabischen Frühlings stieß die EU-Kommission im September 2016 den offiziellen Reformprozess dieser Verordnung an. So sollten potenzielle Menschenrechtsverletzungen durch die Kontrolle telekommunikationstechnischer Überwachungsgüter (TKÜ-Güter) in Zukunft verhindert werden. War die Ausfuhrkontrolle bisher der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verpflichtet, bedeutet der Schutz vor der illegitimen Verwendung von TKÜ-Gütern eine Verschiebung hin zum sogenannten human security-Ansatz. Anders als der national security-Ansatz formuliert dieser einen erweiterten und auf Individualrechte (z.B. Meinungs- und Versammlungsfreiheit) ausgerichteten Sicherheitsbegriff. Zugleich sollte die Dual-Use-Verordnung zukünftig der Terrorabwehr dienen. Die mögliche Güterverwendung für Menschenrechtsverletzungen als auch als Mittel des Terrors sollten Unternehmen im Rahmen einer Selbstkontrolle vor der Ausfuhr überprüfen (sog. Catch-All).
Dr. Stormy-Annika Mildner | Außenwirtschaftspolitik | T: +49 30 20281562 | s.mildner@bdi.eu | www.bdi.eu Dr. Nikolas Keßels | Außenwirtschaftspolitik | T: +49 30 20281518 | n.kessels@bdi.eu | www.bdi.eu
EU-Verordnung für den Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck
Die deutsche Industrie hat hierzu im März 2017 Stellung bezogen und auf die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung einer Catch-All-Kontrolle hingewiesen. Bei der Catch-All Kontrolle beurteilen technische Experten, ob ein Gut zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen missbraucht werden könnte. Beispielsweise finden im Anlagenbau oder bei Elektrogütern Bestellungen selten „von der Stange“ statt. Die Spezifikation der Bestellung ist hier der alles entscheidende Punkt. Das heißt, in einer bestimmten Konfiguration kann eine Anlage zu schädlichen Zwecken verwendet werden – in einer anderen Konfiguration hingegen nicht. Daher stammt auch der Begriff der verwendungsbezogenen Ausfuhrkontrolle. Wären die Güter alle gleich, könnten sie einfach gelistet werden. Die Beurteilung der Spezifikation eines Gutes erfordert zwar viel Know-How, ist für die Unternehmen jedoch machbar. Die deutsche Industrie unterstützt den Menschenrechtsschutz und insbesondere auch den Schutz von Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Bewertung möglicher Terrorgefahren oder Menschenrechtsverletzungen durch TKÜ überschreitet die technische Kompetenz von Unternehmen allerdings um ein Vielfaches.
Stand der Reform Im Januar 2018 legte das Europäische Parlament seine Änderungsvorschläge vor. Die Erweiterung des Ausfuhrkontrollregimes auf Terrorabwehr wurde abgelehnt. Das Parlament versuchte darüber hinaus, die Fälle der menschenrechtsbezogenen Kontrolle durch eine Schärfung des Anwendungsbereichs handhabbarer zu machen. Der Rat hat im Juni 2019 zu diesen Vorschlägen Position bezogen. Der nun von allen Mitgliedsstaaten unterstützte Konsens hat eine Ausweitung der Exportkontrolle auf die Terrorabwehr und der human security eine Absage erteilt. Weder unterstützt der Rat einen allgemeinen Genehmigungsvorbehalt für TKÜ-Güter, noch wird auf EU-Ebene die Selbstkontrolle von Unternehmen beim Export ausgeweitet. Allerdings wird im Ratsentwurf den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eröffnet, auf nationaler Ebene eine solche Selbstkontrolle einzuführen. Unternehmen sollen danach eine Genehmigung zur Ausfuhr nicht gelisteter Güter einholen müssen, wenn sie berechtigte Gründe zur Annahme (grounds for suspecting) haben, dass diese Güter militärisch genutzt werden könnten. Diese Formulierung ähnelt der Sorgfaltspflicht des Kommissionsentwurfs. Diesem zufolge sollten Unternehmen die Endnutzung von Gütern im Rahmen einer gebotenen Sorgfalt (Due Diligence) abschätzen. An diese Sorgfaltspflicht auf nationaler Ebene schließt sich auch folgende Änderung seitens des Rats an: Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, zukünftig Endnutzungserklärungen bei den zuständigen Behörden abzugeben. Weder die Kommission noch das Parlament sahen die Notwendigkeit einer strikten Vorgabe solcher Erklärungen in ihren Entwürfen. Nach Vorstellung des Rats sollen Mitgliedsstaaten von dieser Pflicht wiederum auf nationaler Ebene Ausnahmen schaffen dürfen. Zuletzt hat der Rat den Wunsch von Kommission und Parlament verworfen, Unternehmen auf EU-Ebene interne Kontrollprogramme (Internal Compliance Programmes, ICPs) vorzuschreiben und die Entscheidung dazu ebenfalls den Mitgliedsstaaten an die Hand gegeben. Mit der gemeinsamen Ratsposition ist nun das Mandat für das Trilogverfahren erteilt. Hier stimmen sich Rat, Parlament und Kommission hinsichtlich ihrer Positionen ab, um zu einem endgültigen Reformentwurf zu gelangen.
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EU-Verordnung für den Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck
BDI-Position zum Ratsentwurf In der Folge der BDI-Kritik vom März 2017 wurden viele wichtige und aus Sicht der deutschen Industrie richtige Anpassungen durch das Parlament und nun durch den Rat am Kommissionsvorschlag vorgenommen. ▪
Die deutsche Industrie begrüßt, dass sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat den Vorschlag der KOM zurückgewiesen haben, die verwendungsbezogene Ausfuhrkontrolle (Catch-all) auf die Terrorismusbekämpfung auszuweiten.
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Die Ablehnung der Catch-All-Kontrolle bezüglich möglicher Menschenrechtsverletzungen durch den Rat erscheint nur folgerichtig. Es ist erfreulich, dass sich die Mitgliedsstaaten zu ihren hoheitlichen Schutzpflichten bekennen und schwierige Fragen politisch-juristischer Folgenabschätzung nicht den Unternehmen allein überlassen.
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Wichtig bleibt eine zweijährige Gültigkeit für Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen. Der Vorschlag von Parlament und Rat, Großprojektgenehmigungen von bis zu vier Jahren (zweimal zwei Jahre) zu ermöglichen, bietet Unternehmen mehr Planungssicherheit. Allerdings sollten diese nicht nur längere Laufzeiten vorsehen. Wünschenswert wäre auch die Möglichkeit, Großprojektgenehmigungen als Konsortium zu erhalten.
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Der BDI befürwortet das Vorhaben, den immateriellen Transfer von Technologie innerhalb von Unternehmen durch eine neue EU-Allgemeingenehmigung zu vereinfachen. Dies muss allerdings praxistauglich und unbürokratisch umgesetzt werden. Mitteilungs-, Unterrichtungs- und Publikationserfordernisse, wie gegenwärtig von Parlament und Rat gefordert, sieht die deutsche Industrie daher kritisch.
Der Rat hat allerdings einige Fragen auf die Ebene der Mitgliedsstaaten verlagert. Hier darf es nicht durch unterschiedliche Vorgaben zu einem regulatorischen „Flickenteppich“ mit ungleichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU kommen. ▪
Die Einführung einer Sorgfaltspflicht bzgl. der militärischen Nutzung von Gütern auf nationaler Ebene lehnt die deutsche Industrie daher ab. Der bisherige Standard sicheren Wissens durch den Exporteur selbst hat sich bewährt und entspricht einer fairen Lastenverteilung zwischen Wirtschaft und Staat.
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Der BDI lehnt den Vorschlag des Rates, bei der Erteilung von Individualausfuhrgenehmigungen End-Use-Statements vorzuschreiben, ab. Weder die Kommission noch das Parlament haben hier die Notwendigkeit einer verpflichtenden Vorgabe gesehen. Dies würde zu einer unnötigen Bürokratisierung genehmigungspflichtiger Exportfälle führen. Die unkritische Endverwendung ist oft auch ohne formale End-Use-Statements hinreichend gesichert. Die vom Rat vorgesehene Ausnahme durch nationale Behörden reicht als Flexibilisierungsoption nicht aus.
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EU-Verordnung für den Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck
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