Rechts- und Planungssicherheit in Genehmigungsverfahren für Betreiber von Industrieanlagen

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Position

Rechts- und Planungssicherheit in Genehmigungsverfahren fĂźr Betreiber von Industrieanlagen

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: 27.09.2019


BDI-Position Rechtssicherheit in Genehmigungsverfahren

7 Punkte für ein schnelles und rechtssicheres Genehmigungsverfahren Schnelle und rechtssichere Genehmigungsverfahren sind für viele Bereiche der Wirtschaft von allergrößter Bedeutung. Wir benötigen in unserem hochindustrialisierten Land eine gute Infrastruktur, wir wollen die Energiewende umsetzen und wir brauchen Anlagen für die Herstellung von Basis und Endprodukten sowie zur Energieerzeugung. Während bei den Planfeststellungsverfahren - unter aktiver Mitwirkung des BDI- bereits viel Bewegung in der Diskussion ist, fehlt es in dieser Legislaturperiode noch an einer zukunftsweisenden Initiative für die beschleunigte Zulassung der Industrieanlagen. Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland im Jahr 2018 betrug knapp 23%. Damit belegt die deutsche Industrie sowohl in Europa als auch weltweit einen Spitzenplatz. In Deutschland existieren mehr als 50.000 genehmigungsbedürftige und mehrere 100.000 nichtgenehmigungsbedürftige Industrieanlagen. Rund 1500 Genehmigungsverfahren sind allein nach Bundes-Immissionsschutzgesetz von Behörden und Betreibern pro Jahr zu bewältigen. Die Mehrzahl der Anlagen und Verfahren betreffen dabei kleine und mittelständische Unternehmen. Der BDI hat daher 7 Punkte für ein schnelleres und rechtssicheres Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen entwickelt: 1. Es ist zwingend notwendig, den Einfluss der gesamten Bundesregierung auf die Entwicklung des europäischen Umweltrechts zu stärken. Da Regelungen auf europäischer Ebene eine große Auswirkung auf Industrieunternehmen haben, muss für die Positionierung Deutschlands zu europäischen Umweltrechtsfragen zukünftig die ausdrückliche Zustimmung aller betroffenen Ressorts eingeholt werden. 2. Aufgrund bestehender und neuer Vorgaben im Umweltrecht wird die gebundene Genehmigung nach BImSchG zunehmend zu einem Verfahren, in welchem zahlreiche Gutachten erstellt werden. Um sowohl die Anzahl als auch den Umfang dieser Gutachten zu reduzieren, müssen rechtsverbindliche Standards wie Technische Anleitungen erarbeitet werden. 3. Diese einheitlichen fachlichen Standards müssen unter StakeholderBeteiligung erstellt werden. 4. Dabei müssen alle bestehenden Spielräume zur Vereinfachung der Verfahren genutzt und fachrechtlich ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber hat Vereinfachungen der Verfahren bereits rechtlich verankert, diese werden in der Praxis jedoch entschieden zu selten genutzt. 5. Um flächendeckend eine ausreichende Personalausstattung und Sachkompetenz in den Behörden zu gewährleisten sind insbesondere die Landesregierungenaufgefordert ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Die kontinuierliche Weiterqualifizierung des Personals ist massiv voran zu treiben.


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6. Inwieweit die gerichtliche Vollkontrolle im Hinblick auf das deutsche und europäische Umweltrecht noch zeitgemäß ist, ist zu diskutieren und kritisch zu hinterfragen. 7. Die Wiedereinführung der Präklusionsregel auf europäischer Ebene ist zwingend erforderlich. Einleitung Langwierige Genehmigungsverfahren und die Unberechenbarkeit ihres Ausgangs erschweren Investitionsentscheidungen in Deutschland. Die Dauer von Genehmigungsverfahren sowie der Umfang und Inhalt der vorzulegenden Unterlagen nimmt stetig zu, während sich gleichzeitig die Personalsituation in den Genehmigungs- und Fachbehörden verschlechtert. Die Klagebereitschaft gegen Industrieprojekte steigt ebenso wie die Möglichkeiten, solche Klagen erfolgreich durchzuführen. Ein Genehmigungsverfahren nach Immissionsschutzrecht dauert nach Antragseinreichung derzeit im Schnitt zwischen 6 Monaten und 2 oft 3 Jahren. Hinzu kommt die Zeit für die Vorbereitung des Genehmigungsverfahrens und die Erstellung der Antragsunterlagen. Im Laufe der Jahre hat sich der Aufwand im Hinblick auf die Vorbereitung und Planung erhöht. Eine Umfrage in der deutschen Industrie hat ergeben, dass sich die Dauer in den letzten 10 Jahren um 30 % bis 100 % verlängert hat, der Mehraufwand liegt in der Vorbereitung und Planung. Für die Vorbereitung des Verfahrens bis zur Einreichung des Antrags rechnen unsere Unternehmen je nach Verfahrensumfang zwischen 3 Monaten und 1,5 Jahren. Die Kosten eines Genehmigungsverfahrens belaufen sich – zusammengerechnet in einem durchschnittlichen Verfahren – auf 10.000 bis 500.000 Euro oder 3 - 5 % der Bausumme. Ein Großteil der Ausgaben fließt in Gutachten, welche zwischen 5.000 und 120.000 € kosten. Kam ein Genehmigungsverfahren vor 15 Jahren noch mit durchschnittlich 2 Gutachten aus, so sind es heute 5 bis 10 Gutachten. Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren müssten aus Sicht der deutschen Industrie so gestaltet werden, dass sie weitgehend ohne gutachterliche oder anwaltliche Unterstützung beantragt werden können. Das Umweltrecht entscheidet über die Genehmigung und den Betrieb von Industrieanlagen. Hierbei sind die zu beachtenden umweltrechtlichen Anforderungen, sowohl von der Anzahl als auch vom Inhalt her, kaum noch zu überblicken. Die Anforderungen steigen durch neue, immer komplexere Vorgaben und umfangreichere Rechtsprechung – sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene – sowie neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse kontinuierlich weiter. Sowohl für Anlagenbetreiber als auch für Behörden wird es vor diesem Hintergrund zu einer immer stärkeren Herausforderung, Genehmigungsverfahren rasch und rechtssicher durchzuführen. Mitarbeiter in den Vollzugsbehörden sind trotz hoher Einsatzbereitschaft oft nicht mehr in der Lage, die fachlichen Anforderungen für die Genehmigung einer Industrieanlage in ausreichender Zeit abzuarbeiten. Auch sind die Bescheide der Behörden angesichts des stetig komplexer werdenden Umweltrechts angreifbarer als früher.

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Unsicherheiten bestehen insbesondere deshalb, da Vorgaben aus dem europäischen Recht häufig national fast wörtlich übernommen werden und nicht durch konkretisierende bzw. Regelungsspielräume nutzende Umsetzungsregeln ausgeführt werden. Dadurch kommt es zusätzlich regelmäßig zu Diskussionen über den Umfang der vom Antragsteller vorzulegenden Antragsunterlagen, wodurch es zu weiteren Verzögerungen im Verfahren und – zu Lasten des Antragstellers – erhöhten Kostenbelastungen durch den Einsatz von Gutachtern kommt. Diese Entwicklung mindert stetig die Rechtssicherheit in Genehmigungsverfahren. Unternehmen brauchen jedoch verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Investitionen in Deutschland. Rechts- und Planungssicherheit sind entscheidende Standort- und Kostenfaktoren. Dieses Positionspapier ist eine Diskussionsgrundlage für einen Austausch mit Bundesregierung, Landesregierungen und Behördenvertretern, um gemeinsam Lösungen für die aufgezeigte Problematik zu finden. 1. Es ist zwingend notwendig, den Einfluss der gesamten Bundesregierung auf die Entwicklung des europäischen Umweltrechts zu stärken. Die Anforderungen aus dem europäisches Umweltrecht haben in den letzten Jahren in der Praxis zu erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten geführt. Das europäisch geprägte Umweltrecht wie insbesondere die Richtlinie über Industrieemissionen (IED), die Wasserrahmenrichtlinie und die Natura 2000Richtlinien, bilden die Grundlage von Genehmigungsverfahren. Die Erarbeitung neuer oder die Änderung bestehender Vorgaben werden in der Kommission meist ausschließlich von der DG Environment gesteuert. Eine Beteiligung der Wirtschaftsseite der Kommission findet aus Sicht der deutschen Industrie nicht oder nur selten oder erst spät statt und es fehlt insgesamt an einer vollständigen Folgenbetrachtung. Es sollte auch in europäischen Verfahren (insb. Richtlinien und BVT-Merkblättern zur Beschreibung der besten verfügbaren Techniken) verfahrensrechtlich verankert werden, dass ein „Spiegelreferat“ zu beteiligen ist, sodass die Wirtschaft – ebenso wie die Umwelt – zu Wort kommt. In allen Rechtssetzungsverfahren zum europäischen Umweltrecht sind deutsche Vertreter aus dem Bundesumweltministerium beteiligt – teilweise wird dies vorrangig sogar federführend durch das Umweltbundesamt geführt. Aus Sicht der deutschen Industrie existiert auf europäischer Ebene jedoch keine ausreichende direkte Vertretung der Interessen der deutschen Wirtschaft in den Gesetzgebungsverfahren zum europäischen Umweltrecht. Insbesondere im Bereich der nichtförmlichen Verfahren wie BVT-Prozess, Entscheidung über die Revision von Richtlinien, delegierte Rechtsakte aus Richtlinien und Erarbeitung von Guidances, z. B. bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Rahmen der common implementation strategy (CIS) oder der Natura 2000-Richtlinien im coordination group bidiversity and nature (CGBN), erfolgt keine formale Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung. Da auch diese Regelungen und Entscheidungen auf europäischer Ebene durch


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ihre Pflicht zur nationalen Umsetzung eine große Auswirkung auf Industrieunternehmen haben, muss für die Positionierung Deutschlands zu europäischen Umweltrechtsfragen zukünftig die ausdrückliche Zustimmung aller betroffenen Ressorts eingeholt werden. 2. Methodisches und fachliches Regulierungsdefizit: Um Gutachtenanzahl und -umfang zu reduzieren, müssen rechtsverbindliche Standards (Technische Anleitungen) erarbeitet werden. Das Umweltrecht und damit das Genehmigungsverfahren ist geprägt von unbestimmten Rechtsbegriffen, also wertoffenen Begriffen. Diese bergen ein hohes Maß an Rechtsunsicherheiten und führen zu stark verzögerten Genehmigungsverfahren und erheblichen Risiken für gerichtliche Auseinandersetzungen. Es fehlt in vielen Bereichen an Regelungsschärfe der maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen. In Genehmigungsverfahren treten immer wieder ähnliche rechtliche Fragestellungen auf, insbesondere zum Fachbeitrag Verschlechterung von Gewässern, zu Habitatschutz, Artenschutz, Ausgangszustandsbericht, anlagenbezogener Gewässerschutz, Lärmschutz und Brandschutz. Aufgrund bereits bestehender und neuer Vorgaben im Umweltrecht wird die gebundene Genehmigung nach BImSchG zunehmend zu einem Verfahren, in welchem zahlreiche Gutachten, insbesondere auf Seiten der Projektträger, aber auch auf Seiten der Behörden erstellt werden. Bei vielen Industrieprojekten bestehen seitens der Behörde und des Projektträgers Unsicherheiten darüber, welche Unterlagen in welcher Detailtiefe beizubringen sind. Gutachten werden im Rahmen von Genehmigungsverfahren zur Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen benötigt, etwa in den Fachgebieten Immissionsprognose von Luftschadstoffen und Gerüchen, Brandschutz, Schutzabständen, gewässerökologische Verträglichkeit, Fauna-Flora-Habitat-Verträglichkeit, Stickstoffausbreitung, Artenschutz, Ausgangszustandsbericht Boden. Auch im Hinblick auf den Umfang der Umweltbetroffenheit erfolgt kaum eine Unterscheidung, weshalb auch hier häufig das Maximum an Unterlagen gefordert und erstellt wird. Rechtsunsicherheiten ergeben sich auch aufgrund der Frage, welche Methodik bei der Bewertung von Umweltauswirkungen und der Überprüfung der Umweltverträglichkeit von Projekten anzuwenden ist. Fragen wie beispielsweise, wann ein Eintrag von Stoffen auf ein Naturschutzgebiet erheblich ist, wie ein angemessener Abstand für Betriebsbereiche zu bestimmen ist, wann Auswirkungen einer Anlagenänderung erheblich im Sinne einer UVP-Vorprüfung sind oder wenn eine Verschlechterung eines Gewässers bzw. eine Gefährdung der Erreichung der Bewirtschaftungsziele gegeben ist, sind unbeantwortet und führen zu umfangreichen Diskussionen zwischen Projektträger, Behörden und Dritten. Zudem würde die Festlegung spezifischer Werte und Maßstäbe, bei deren Unterschreitung eine weitere Prüfung der jeweiligen Umweltauswirkung


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nicht notwendig ist, die Anzahl der gutachterlichen Stellungnahmen verringern. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2018 darf der Gesetzgeber Verwaltung und Gerichten nicht ohne weitere Maßgaben auf Dauer Entscheidungen in einem fachwissenschaftlichen „Erkenntnisvakuum“ übertragen, das weder Gericht noch Verwaltung auszufüllen vermöge. Der Gesetzgeber solle vielmehr für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung beispielsweise durch Einsetzung fachkundiger Gremien zur Festlegung einheitlicher Maßstäbe und Methoden sorgen oder wenigstens genauere Regeln für die behördliche Entscheidung zwischen mehreren vertretbaren Auffassungen vorgeben. Die Bundesregierung hat aus Sicht der Industrie daher die Aufgabe, weitere rechtsverbindliche Standards – ähnlich der TA Luft und TA Lärm - zur Methodik der Bewertung von Umweltauswirkungen zu erarbeiten. 3. Die einheitlichen fachlichen Standards müssen unter Stakeholder-Beteiligung geschaffen werden. Aus Sicht der deutschen Industrie muss der Bund seine Rolle als Normgeber stärker ausfüllen, und hierfür einheitliche fachliche Standards erarbeiten. Hiermit kann der Umfang der für die Genehmigungsverfahren erforderlichen Unterlagen und Gutachten bereits am Anfang des Verfahrens klar definiert, teilweise erheblich reduziert und die Verfahrensdauer verlässlich bestimmt werden. Die Industrie als ein Adressat sollte an der Erstellung zumindest wesentlicher normkonkretisierenden Standards, welche nicht im förmlichen Verfahren erarbeitet werden (z. B. Handlungsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaften) beteiligt werden. Eine Erarbeitung solcher Regelungen ohne Stakeholder-Beteiligung führt letztlich dazu, dass diese die sich in der Praxis abzeichnenden Probleme nicht angemessen berücksichtigen und zu nicht oder kaum erfüllbaren (Mehrfach-) Prüfungen führen. Die Beteiligung aller Stakeholder hingegen führt zur Verbreitung, Akzeptanz und Anerkennung der Regelung bei Behörden, Vorhabenträgern, NGOs und Gerichten. Es gilt, einen normativen Rahmen in Gestalt einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zu schaffen, welcher die Beteiligung der betroffenen Kreise an den zu erarbeitenden Standards festschreibt.

4. Es müssen alle bestehenden Spielräume zur Vereinfachung der Verfahren genutzt und fachrechtlich ausgeweitet werden. Wie bereits oben dargestellt, sind Genehmigungsverfahren häufig ausgesprochen komplex und damit aufwändig. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und einige Vereinfachungen der Verfahren rechtlich verankert, wie beispielsweise die UVP-Vorprüfung, die bloße Anzeige einer (unwesentlichen) Anlagenänderung oder das Instrument der Verbesserungsgenehmigung sowie vorzeitigen Bau- und Betriebsbeginn. Diese werden in der Praxis jedoch entschieden zu selten genutzt.


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Dies liegt unter anderem daran, dass die Instrumente der Vereinfachung Anforderungen mit unbestimmten Rechtsbegriffen unterliegen. Beispielsweise ist der Behörde die Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage anzuzeigen. Die Behörde hat dann innerhalb eines Monats zu entscheiden, ob die Änderung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens bedarf oder nicht. Das Genehmigungsverfahren ist nach dem Gesetz erforderlich, wenn durch die Änderung der Anlage „nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können“. Der unbestimmte Rechtsbegriff der nachteiligen Auswirkung ist nicht näher definiert und muss von der Behörde interpretiert werden. Viele Industrieunternehmen haben die Erfahrung gemacht, dass die Behördenvertreter in diesem und ähnlich gelagerten Fällen eher den strengeren Maßstab (im Beispielsfall das förmliche Genehmigungsverfahren) wählen, um dem Risiko aus dem Weg zu gehen, dass Behörde oder Vorhabenträger in einer möglichen Klage gegen ihre Entscheidung unterliegen. Verzögerungen in Genehmigungsverfahren ergeben sich auch aus der Beteiligung von Fachbehörden und Trägern öffentlicher Belange sowie privater Einwender und NGOs, da diese die gesetzlich vorgesehenen Fristen teilweise nicht einhalten. Stellungnahmen, die nach der Einwendungsfrist oder nach dem Erörterungstermin eingehen, sollen nach geltendem Recht nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn, sie sind – unter anderem – „für die Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen von Bedeutung“. Auch diese Regelung entfaltet aufgrund ihrer unbestimmten Vorgabe nicht die erwünschte Wirkung. Es sollte rechtlich eindeutig geregelt werden, wann verspätet eingegangene Stellungnahmen nicht mehr Eingang in die Entscheidung finden. Auch die Vollständigkeitserklärung, nach welcher die Erteilung der Genehmigung innerhalb von sieben Monaten zu erfolgen hat, entfaltet nicht ausreichend Wirkung. Nachforderungen sind nach Erfahrung deutscher Industrieunternehmen auch nach Vollständigkeitserklärung die Regel. Hier fehlt eine rechtliche Klarstellung, dass grundsätzlich ab Vollständigkeitserklärung keine weiteren fachbehördlichen Nachforderungen mehr möglich sind. Hiervon sollte es jedoch für zwingend erforderliche Informationen Ausnahmen geben. Genehmigungsbehörden fordern wegen gestiegener Anforderungen im Rahmen von Genehmigungsverfahren seit einigen Jahren letztlich eine Ausführungsplanung mit allen spezifischen Anlagendetails. Die voranschreitende Technik überholt das Genehmigungsverfahren hingegen immer häufiger, sprich die Technik verbessert sich, die Anlagendetails verändern sich noch während des Genehmigungsverfahrens. Ein abstraktes Konzept der Anlage mit den für die Beurteilung des Standes der Technik sowie der Auswirkungen erforderlichen Angaben, wie im Immissionsschutzrecht angelegt, sollte ausreichend sein. Auch hier bedarf es einer rechtlichen Klarstellung. Auch die materiell-rechtlichen Vorgaben aus dem jeweiligen Fachrecht sollten dahingehend überprüft werden, inwieweit der Vorhabenträger zur Erlangung der Genehmigung von einer Detailplanung zunächst entbunden und nur eine einfachere Genehmigungsplanung einreichen kann.


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Bundesregierung und Landesregierungen sollten die Prüf- und Nachweiserleichterungen für solche Genehmigungssituationen detaillierter und anwendungsfreundlicher regeln, damit die existierenden Verfahrensvereinfachungen in Zukunft, wenn immer möglich, angewendet werden. 5. Optimierung der Personalsituation bei den Genehmigungsbehörden Insbesondere im Umweltrecht sind die rechtlichen Anforderungen kaum noch zu überblicken. Sie sind geprägt von einer hohen Komplexität und entwickeln sich aufgrund umfangreicher Rechtsprechung auf deutscher und europäischer Ebene und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse kontinuierlich weiter. Genehmigungsverfahren werden damit immer fehleranfälliger. Klare Verantwortlichkeiten und Organisationsstrukturen sind eine Voraussetzung dafür, dass Fehler in den Genehmigungsverfahren vermieden werden. Fachbehörden müssen generell personell besser ausgerüstet sein und es bedarf einer Kontinuität in der Zuständigkeit zwischen Kommunal- und Landesebene. Es muss sichergestellt werden, dass bei einem Generationenwechsel in den Behörden die gesammelten Erfahrungen weitergegeben werden. Neue Mitarbeiter sollten von erfahrenen Kollegen geschult und über einen angemessenen Zeitraum begleitet werden. Insbesondere die Landesregierungen sind daher aufgefordert, ausreichend Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, um flächendeckend eine ausreichende Personalausstattung und Sachkompetenz in den Behörden zu gewährleisten. Es ist eine kontinuierliche Qualifizierung des Personals nötig, damit fundierte und damit rechtssichere Genehmigungsentscheidungen getroffen werden können. Auch sollte die behörden- und länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Genehmigungsbehörden zu konkreten Projekten oder übergreifenden Fragestellungen verstärkt zum Wissens- und Erfahrungsaustausch genutzt werden. 6. Es ist zu diskutieren, inwieweit die gerichtliche Vollkontrolle im Hinblick auf das deutsche und europäische Umweltrecht noch zeitgemäß ist. Die deutschen Probleme mit dem europäischen Umweltrecht sind im europäischen Vergleich nahezu einmalig, obwohl die meisten Mitgliedstaaten vergleichbare oder größere Umweltprobleme haben. Rechtsunsicherheiten in Genehmigungsverfahren sind nicht nur auf die europäischen Vorgaben, sondern auch auf Eigenheiten des deutschen Rechtssystems zurückzuführen. Dazu gehören eine starke Stellung der Umweltverbände verbunden mit einer hohen Klagebereitschaft Privater und insbesondere die weitreichende Kontrolldichte der Gerichte und die damit einhergehende behördliche Ermittlungstiefe. Aus Sicht der deutschen Industrie sollte auf politischer Ebene dringend die Frage geklärt werden, inwieweit die gerichtliche Vollkontrolle im deutschen Umweltrecht noch zeitgemäß und im europäischen Kontext angemessen ist.


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7. Die Wiedereinführung der Präklusionsregel auf europäischer Ebene ist zwingend erforderlich. Aufgrund der Präklusionsregelung konnten in der Vergangenheit Klagen nur auf solche Gründe gestützt werden, die auch im Genehmigungsverfahren vorgebracht wurden. Alle anderen Gründe waren ausgeschlossen, präkludiert. Das aktuelle Umweltrechtsbehelfsgesetz von 2017 sieht diese Präklusionsregelung nicht mehr vor. Umweltverbände können daher seit zwei Jahren im gerichtlichen Verfahren auch Argumente vorbringen, die sie im Verfahren vor der Behörde nicht genannt haben. Umweltverbände können im gerichtlichen Verfahren somit auch Argumente vorbringen, die sie im Verfahren vor der Behörde nicht genannt haben. Damit wird während des Genehmigungsverfahrens nicht mehr deutlich, gegen welchen Teil einer Genehmigung Klage erhoben werden kann. Aufgrund dessen sichern sich die Behörden in jede Richtung mit Hilfe von Gutachten ab. Daraus resultieren zusätzliche zeitliche und finanzielle Belastungen für den Vorhabenträger. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Klagerechte im Jahr 2018 stark ausgeweitet wurden. Anerkannte Verbände können seither auch ohne Verletzung eigener Rechte klagen. Der Umfang der zu beklagenden umweltrechtliche Entscheidungen wurde ebenfalls stark erweitert: Entscheidungen über Pläne und Programme (z. B. Luftreinhaltepläne sowie Bebauungspläne), Verwaltungsakte (Genehmigungen für Industrieanlagen) und öffentlich-rechtliche Verträge sind nun ebenfalls beklagbar. Die deutsche Industrie fordert die Bundesregierung daher auf, sich auf völkerrechtlicher und europäischer Ebene für eine Präklusionsregelung einzusetzen. In der europäischen UVP-Richtlinie sollte ausdrücklich geregelt werden, dass mitgliedstaatliche Präklusionsregelungen eingeführt bzw. aufrechterhalten werden dürfen, sodass verspätet eingebrachte Einwendungen nicht mehr berücksichtigt werden müssen. Soweit erforderlich, sollte dabei eine Neuverhandlung der Aarhus-Konvention mit dem Ziel, eine Präklusionsregelung einzufügen, erfolgen. Auf nationaler Ebene kann bereits jetzt geregelt werden, dass alle Einwendungen bereits im Anhörungsverfahren vorgebracht werden müssen.


Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politischen Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 36 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.

Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner RAin Catrin Schiffer Referentin Telefon: +49 (30) 2028 1582 c.schiffer@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 1064


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