POSITION | MOBILITÄTS- UND LOGISTIKPOLITIK
Zukunft der EU-Verkehrspolitik GEMEINSAME ERKLÄRUNG I THEMA Für eine nachhaltige und leistungsfähige Mobilität von morgen
September 2019
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Die Sicherstellung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur ist für eine hochgradig 23. Oktober 2017 vernetzte europäische Industrie, die auf grenzüberschreitende Produktionsprozesse und verlässliche Logistikabläufe angewiesen ist, zwingend notwendig.
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Die Schaffung eines wettbewerbsgeprägten, europäischen Verkehrsbinnenmarkts und die intermodale Vernetzung der Verkehrsträger müssen oberste politische Priorität bleiben. Die Optimierung europäischer Transportabläufe stärkt die Wettbewerbsfähigkeit Europas.
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Die Erreichung der äußerst ambitionierten Klimaziele im Verkehr stellt die Industrie vor eine große Herausforderung. Hier gilt es technologieoffen Lösungen für die Mobilität von morgen zu fördern. Einseitige Verbote und Quoten verteuern unnötig die individuelle Mobilität, ohne dabei zwingend einen Beitrag zur Emissionssenkung zu leisten.
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Die Förderung der Digitalisierung im Verkehr ist von Wirtschaft und Politik gemeinsam zu leisten. Die Digitalisierung bietet zusätzliches Potential für die Effizienzsteigerungen bei allen Verkehrsträgern.
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Die internationale Dimension der Verkehrspolitik hat weiterhin einen hohen Stellenwert. Dies gilt sowohl für den freien und fairen Wettbewerb, für den diskriminierungsfreien grenzüberschreitenden Verkehr aller Verkehrsträger als auch für die tragende Rolle des Verkehrs im internationalen Handel.
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Die Verkehrsträger sind sich Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und werden gemeinsam die aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Umwelt-, Lärm- und Klimaschutz angehen und meistern. Unilaterale, international nicht abgestimmte Regelungen oder zusätzliche Belastungen haben allerdings nur eine wettbewerbsverzerrende Wirkung.
Zukunft der EU-Verkehrspolitik
Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................................................. 2 Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ............................................................................................. 3 Vollendung des Transeuropäischen Verkehrsnetzes ........................................................................... 3 Schlagader der europäischen Mobilität: Das Straßennetz .................................................................... 4 Baustein klimafreundlicher Verkehrslösungen: Kapazitätsausbau im Schienennetz ........................... 5 Zweckbindung von Infrastrukturgebühren ............................................................................................. 5 Einheitlicher europäischer Verkehrsraum ........................................................................................ 6 Gewährleistung eines leistungsfähigen Straßengüterverkehrs ............................................................. 6 Gewährleistung eines modernen und interoperablen Eisenbahnnetzes .............................................. 7 Vollendung des einheitlichen Europäischen Luftraums ........................................................................ 8 Geeignete Rahmenbedingungen für die Wasserstraße ........................................................................ 9 Digitalisierung im Verkehr ................................................................................................................ 10 Bereitstellung von digitaler Infrastruktur und Testfeldern .................................................................... 10 Internationale Harmonisierung von Standards .................................................................................... 10 Entbürokratisierung im Straßengüterverkehr ...................................................................................... 11 Urban Air Mobility ................................................................................................................................ 11 Nachhaltige Mobilität ........................................................................................................................ 12 Förderung alternativer Antriebe und Kraftstoffe .................................................................................. 12 Internationale Lösungen zur CO2-Einsparung .................................................................................... 13 Ausgleich zwischen Umweltschutz und internationaler Wettbewerbsfähigkeit ................................... 14 Internalisierung externer Kosten ......................................................................................................... 15 Impressum ......................................................................................................................................... 16
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Zukunft der EU-Verkehrspolitik
Einleitung Für die deutsche Industrie ist der europäische Binnenmarkt die Grundlage für Freiheit und Wohlstand unserer Gesellschaft. Das weitere Zusammenwachsen der europäischen Gemeinschaft kann allerdings nur unter Gewährleistung eines effizienten Verkehrssystems gelingen, das grenzüberschreitend eine funktionierende sowie verlässliche Infrastruktur zur Verfügung stellt. Alle Verkehrsträger, d.h. Straße, Schiene, Wasserstraße sowie Flug- und Seeverkehr, haben ihre spezifischen Vorteile und tragen so in engem Verbund zum Erfolg der deutschen Wirtschaft bei, die durch dezentrale, europa- und weltweit vernetzte Produktionsstätten gekennzeichnet ist. Der Wohlstand der Europäischen Union basiert wesentlich auf dem wirtschaftlichen Erfolg des europäischen Binnenmarktes. Einem wettbewerbsgeprägten, europäischen Verkehrsbinnenmarkt und der Vernetzung der Verkehrsträger auch über die nationalen Grenzen hinweg kommt aus Sicht der deutschen Industrie eine große Bedeutung zu. Die Produktionsprozesse der europäischen Industrie sind hochgradig vernetzt. Für den Erhalt sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ist eine leistungsfähige grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur erforderlich, die effiziente und verlässliche Logistikabläufe ermöglicht. Dafür bedarf es verstärkter, auf EU-Ebene koordinierter Investitionen u. a. in den Kapazitätsausbau, in die Interoperabilität des Schienennetzes, den bedarfsgerechten Ausbau der Flughäfen sowie die Breitbandmobilfunk-Abdeckung der Verkehrswege. Mobilität noch klima- und ressourcenschonender zu gestalten und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken, hat für die deutsche Industrie einen hohen Stellenwert. Mehr denn je gilt, dass die Ambitionen der EU nur mit gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einem gesamteuropäischen Kontext erfüllt werden können. Die äußerst ehrgeizigen Klimaschutzziele für den Verkehrssektor sind mit wirtschaftlichem Erfolg und sozialen Belangen im Sinne des Nachhaltigkeitsansatzes in Einklang zu bringen. Hier gilt es alle vorhandenen und absehbar verfügbaren technischen Möglichkeiten aller Verkehrsträger sowie sämtliche Effizienzpotenziale der Digitalisierung zu nutzen, um die europäischen Klimaschutzziele zu erreichen. Dabei ist ein technologieoffener und kosteneffizienter Ansatz zu verfolgen. Neue Technologien für Fahrzeugantriebe und Verkehrsmanagementsysteme sowie leistungsfähige Infrastrukturen gilt es auszubauen. Neben der Elektromobilität spielen auch Erdgas sowie synthetische und biogene Kraftstoffe eine wichtige Rolle für den Übergang zur kohlenstoffarmen Mobilität bei allen Verkehrsträgern. Für den Luft- und Seeverkehr muss weiterhin der Grundsatz gelten, dass Lösungen auf internationaler Ebene Vorrang vor nationalstaatlichen Einzelmaßnahmen haben müssen. Alle Verkehrsträger sind für eine funktionierende Mobilität von morgen in Europa unentbehrlich und können so zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen. Die europäische Industrie liefert Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft. Die Politik bleibt aufgefordert, die Rahmenbedingungen auf Innovation auszurichten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) e.V. fordert mit diesem Positionspapier zur Zukunft der EU-Verkehrspolitik die europäischen Institutionen auf, den europäischen Wirtschaftsstandort durch nachfolgende Maßnahmen nachhaltig und dauerhaft zu stärken.
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Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind Zukunftsinvestitionen. Ein modernes und gut ausgebautes Verkehrssystem bildet das Rückgrat eines leistungsfähigen europäischen Binnenmarkts und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf den Weltmarkt. Die EU-Kommission erkennt die hohe Relevanz eines bedarfsgerechten Infrastrukturausbaus für Wirtschaft, Wachstum und Klimaschutz in Europa. Die deutsche Wirtschaft legt hier einen großen Wert auf die multimodale Vernetzung der europäischen Wirtschaftszentren, den Aufbau effizienter Hinterlandverbindungen der See- und Flughäfen sowie den Ausbau der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V).
Vollendung des Transeuropäischen Verkehrsnetzes Der Ausbau der Transeuropäischen Verkehrsnetze ist von großer Bedeutung für die Leistungsfähigkeit der in ganz Europa arbeitsteilig verankerten Wertschöpfungsketten. Für den Erhalt und die Stärkung des leistungsfähigen europäischen Wirtschaftsraums sind der weitere Ausbau der Infrastrukturen aller Verkehrsträger und eine reibungslose Zusammenarbeit nach dem Prinzip der Ko-Modalität erforderlich. Die verschiedenen Verkehrsträger haben ihre spezifischen Stärken und die verladende Industrie ist auf die ganze Bandbreite der Verkehrsträger angewiesen. Quersubventionierungen zwischen den Verkehrsträgern führen zu möglichen Ineffizienzen und berücksichtigen selten die gesamte Wertschöpfungs- bzw. Logistikkette. Hierfür sind aber effiziente Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern und die Beseitigung der Hindernisse an nationalen Grenzen unabdingbar. Die optimale Nutzung der vorhandenen Infrastruktur erfordert neben einer adäquaten Etablierung und Finanzierung einer langfristigen und länderübergreifenden Instandhaltungsstrategie unter Einhaltung des Lebenszyklusprinzips auch Mittel für die Modernisierung und Einführung neuer Verkehrstechnologien. Die volle Entfaltung des europäischen Binnenmarktes kann nur gelingen, wenn auch die baulichen und technischen Voraussetzungen für einen grenzüberschreitenden Verkehr geschaffen sind. Der BDI begrüßt die geplante Fertigstellung des transeuropäischen Kernnetzes strategischer Infrastrukturen bis zum Jahr 2030. Die Anbindung strategisch wichtiger Häfen und Flughäfen und der Ausbau des Verkehrsnetzes für den transeuropäischen Güterverkehr auf allen Modi haben einen besonders hohen Stellenwert. Hierzu zählen auch der Ausbau von Hochgeschwindigkeitsstrecken des Schienenverkehrs und grenzüberschreitende Projekte zur Steigerung von Netzkapazitäten und zur Engpassbeseitigung. Ergänzend dazu muss der Ausbau eines umfassenden Netzes regionaler und nationaler Zubringerstraßen und -gleise sowie Gleisanschlüsse in logistischen Ballungsräumen bis zum Jahr 2050 vorangetrieben werden. Um die Termin- und Kostensicherheit bei der Realisierung öffentlicher Infrastrukturprojekte zu erhöhen, sollten alternative Beschaffungsmodelle, wie bspw. Design-andBuild-Modelle, Funktionsbauverträge und Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP), als Ergänzung zum konventionellen Bauvertrag insbesondere bei großen und komplexen Projekten genutzt werden. Durch die Möglichkeit auf unterschiedliche Modelle zugreifen zu können, wird sichergestellt, dass die Auftraggeber jeweils die wirtschaftlichste Umsetzungsform für ein Vorhaben auswählen können. Der Budgetansatz der EU-Kommission bleibt bisher weit hinter dem für den Aufbau des TEN-V-Netzes erforderlichen Mittelaufwuchs zurück. Daher sollte das EU-Parlament während der Verhandlungen für den mehrjährigen Finanzrahmen darauf hinwirken, dass die für den Verkehrssektor vorgesehenen Mittel den tatsächlichen Investitionsbedarf realistisch widerspiegeln und mehr Flexibilität innerhalb der europäischen Förderprogramme möglich wird. Zur Erreichung beider Ziele sollte die bevorstehende Revision der Verordnung über die Leitlinien für den Aufbau des TEN-V-Netzes (VO 1315/2013) als Chance zur Weiterentwicklung der TEN-V Politik genutzt werden. Die Investitionsförderung durch die europäischen Finanzierungsinstrumente, wie den Europäischen Fonds für strategische Investitionen
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(EFSI) und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), sollte fortgeführt und ausgeweitet werden. Hierbei sollte auch der Mobilisierung privaten Kapitals eine besondere Rolle zukommen, um bspw. Anlagemöglichkeiten im Bereich der öffentlichen Infrastruktur für institutionelle Investoren zu schaffen. Die Auswahl von förderungsfähigen transeuropäischen Vorhaben sollte nach EU-weit einheitlichen, objektiven und transparenten Kriterien anhand von verkehrsbezogenen Daten erfolgen – d.h. entlang des tatsächlichen Bedarfs. Bei EU-(ko-)finanzierten Projekten sollte die Identifikation und Umsetzung der wirtschaftlichsten Beschaffungsvariante durch die EU eingefordert werden. Für die Qualifizierung eines TEN-V-Projektes sollte ausschlaggebend sein, welchen Beitrag es leistet, um die Mobilität zu verbessern, Verkehrsengpässe zu beseitigen und einen einheitlichen Binnenmarkt zu schaffen. Angesichts des enormen langfristigen Mittelbedarfs zur Erreichung dieser Ziele sollten Mechanismen gestärkt werden, die zu einer stärkeren Priorisierung von Vorhaben entlang des Nachfragepotentials beitragen. Für den Schienengüterverkehr bedeutet dies, die Kunden von Transportdienstleistungen noch stärker als bisher bei der Priorisierung zu berücksichtigen, das europäische Einzelwagennetzwerk leistungsfähig zu erhalten und den Neubau bzw. die Instandhaltung von Gleisanschlüssen in der Fläche weiter zu fördern. Für den Straßenverkehr bedeutet eine stärkere Bedarfsorientierung, dass prioritär Flaschenhälse beseitigt, die Lkw-Parkplatz-Kapazitäten massiv gesteigert und die Anforderungen berücksichtigt werden, die die wachsende Zahl von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben an die Lade- und Tankinfrastruktur stellt. Zudem ist bei der Umsetzung von europäischen Infrastrukturprojekten darauf zu achten, dass die in den europäischen Vergaberichtlinien dargelegten Kriterien zur nachhaltigen Beschaffung umgesetzt werden. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass bei Ausschreibungen das beste PreisLeistungsverhältnis Anwendung findet (in Form des MEAT – Most Economically Advantageous Tender Prinzip) und nicht allein der niedrigste Preis entscheidend ist. Eine nachhaltige Beschaffungspolitik ermöglicht den Aufbau einer verlässlichen Infrastruktur und die bestmögliche Verwendung öffentlicher Gelder. Schlagader der europäischen Mobilität: Das Straßennetz Das Straßennetz in der Europäischen Union stellt nach wie vor das Rückgrat der individuellen motorisierten Mobilität – gleichermaßen für den ländlichen Raum und Ballungszentren – dar und trägt mit großem Abstand den größten Anteil der Güterverkehrsleistung. Der Erhalt und der bedarfsgerechte Ausbau müssen weiter vorangetrieben werden, um den Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu erhalten, die auf leistungsfähige und effiziente Transportwege angewiesen sind. Die Wahrnehmung der Waren-, Personen- und Dienstleistungsfreiheit vollzieht sich heute wesentlich über die Verkehrsinfrastruktur. Einschränkungen und Verbote bedeuten daher de facto Einschränkungen dieser Grundfreiheiten, die nur in extremen Ausnahmesituationen, bei Vorhandensein adäquater Transportalternativen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeitsgrundsetze zulässig sein können. Zu den Herausforderungen des Ausbaus der Straßeninfrastruktur zählen heute auch der Ausbau der Infrastruktur für die Elektromobilität sowie die Tankinfrastrukturen für alternative Antriebe wie LNG und Wasserstoff. Außerdem müssen Maßnahmen zur Bekämpfung des akuten Fahrermangels umgesetzt werden. Hier sollten beispielsweise der große Bedarf beim Ausbau der physischen Infrastruktur am Straßenrand, sichere Parkplätze, sanitäre Anlagen und Übernachtungsmöglichkeiten für Berufskraftfahrer angegangen werden. Darüber hinaus sollte die Attraktivität des Fahrerberufs für Männer und Frauen allgemein gesteigert werden.
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Baustein klimafreundlicher Verkehrslösungen: Kapazitätsausbau im Schienennetz Der umweltfreundlichen Schiene kommt eine wichtige Funktion bei der Erreichung europäischer Klimaschutzziele zu. Gemeinsam mit der Politik geht es darum, die Weichen für den dazu benötigen Ausbau der Kapazitäten des europäischen Eisenbahnmarktes richtig zu stellen. Dabei spielt der europäische Finanzrahmen und der europäische Verkehrshaushalt zur Förderung der TEN-V-Projekte sowie die „Connecting Europe Facility“ ((CEF) II) in der kommenden Periode 2021 – 2027 eine zentrale Rolle. Neben den Inhalten für CEF II und den damit verbundenen Förderquoten muss auch das Budget – das vom mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) abhängig ist – angemessen ausgestattet sein, um die künftigen Herausforderungen des Infrastrukturaus- und Neubaus innerhalb Europas bewältigen zu können. Auch das Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Horizon Europe“ und eine bedarfsgerechte Fortsetzung von shift2rail sind hier wesentlich. Dabei geht es selbstverständlich nicht nur um Aus- und Neubau, sondern mit Blick auf die Kapazitätssteigerung auch um die infrastrukturseitige Förderung insbesondere auch des TEN-V-Kernnetzes mit dem europäischen Zugsicherungssystem „European Train Control System“ (ETCS) – als einem wesentlichen technischen Bestandteil des „European Traffic Managament System“ (ERTMS) sowie der neun europäischen Schienengüterverkehrskorridore. Die Chancen zur Weiterentwicklung transeuropäischer Verkehrspolitik sollten mit Blick auf die avisierten Revisionen der Verordnung über die Leitlinien für den Aufbau eines Transeuropäischen Verkehrsnetzes (VO (EU) 1315/2013) und der Verordnung zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr (VO (EU) 913/2010) genutzt werden. Die europäischen Förderinstrumente sollten künftig flexibler ausgestaltet sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass für eine ausreichende Störungsresilienz und einen möglichst reibungslosen Betrieb des Gesamtnetzes Ausweichrouten nach demselben technisch-betrieblichen Standard wie die Hauptstrecken auszustatten sind. Weiträumige Umfahrungen und Fahrtunterbrechungen, die mit negativen Kaskadeneffekten auf die Netzkapazität einwirken, lassen sich auf diese Weise verringern. Weiter sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, Güterzüge mit einer Länge von 740-Meter und mehr europaweit zu ermöglichen. Bei der europäischen Förderung des Ausbaus der Eisenbahninfrastruktur sollte zukünftig berücksichtigt werden, dass mit der Einführung des European Train Control System (ETCS) Aufgaben, die zuvor die Infrastruktur erfüllte, nun in die Fahrzeuge wandern. Durch eine klug ausgestaltete Förderung der Fahrzeugumrüstung ließe sich die Einführung der ETCS-Technik deutlich beschleunigen. Darüber hinaus muss der europäische Schienengüterverkehr adäquat bei den länderspezifischen Trassenkapazitäten berücksichtigt werden. Zweckbindung von Infrastrukturgebühren Der BDI setzt sich für die Zweckbindung von Infrastrukturgebühren und die Etablierung geschlossener Finanzierungskreisläufe in den Mitgliedstaaten ein. Nationale Einnahmen, die im Verkehrssektor generiert werden, sollten im Sinne der Subsidiarität auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten reinvestiert werden. Für die Erreichung ökologischer Ziele ist gesamtwirtschaftlich adäquaten Maßnahmen absoluter Vorrang vor rein politisch motivierten Erhöhungen der Mobilitäts- und Transportkosten einzuräumen. Konkrete Maßnahmen sollten stets daraufhin überprüft werden, inwieweit sie zusätzliche Belastungen für den Transportsektor und den Wirtschaftsstandort Europa bedeuten und ob sie zur Emissionsreduktion im jeweiligen Sektor beitragen können. Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Wirtschaftszweige müssen im globalen Kontext berücksichtigt werden.
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Einheitlicher europäischer Verkehrsraum Eine zentrale übergeordnete Zielsetzung der europäischen Verkehrspolitik ist es, einen einheitlichen europäischen Verkehrsraum zu verwirklichen. Der BDI misst der Schaffung eines wettbewerbsgeprägten, europäischen Verkehrsbinnenmarkts und der Vernetzung der Verkehrsträger auch über die nationalen Grenzen hinweg oberste Priorität bei. Die deutsche Wirtschaft unterstützt daher politische Maßnahmen auf europäischer Ebene, um einen leistungsfähigen Straßenverkehrsmarkt zu fördern, ein modernes und interoperables Eisenbahnnetz zu schaffen, geeignete Rahmenbedingungen für die Wasserstraße zu gewährleisten und den einheitlichen europäischen Luftraum zu vollenden. Gewährleistung eines leistungsfähigen Straßengüterverkehrs Zur Verbesserung des Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt sind eine Vereinfachung und Harmonisierung des Rechtsrahmens, der Abbau administrativer Hürden und eine möglichst harmonische Auslegung und Umsetzung der europäischen Vorgaben für den Straßengüterverkehr unabdingbar. Im grenzüberschreitenden und innereuropäischen Verkehr sind einheitliche Standards hinsichtlich eines europäischen Mautsystems sowie digitaler Kontrollsysteme zur Einhaltung der Mindestlohnvorgaben sowie der Lenk- und Ruhezeiten dringend erforderlich. Die Bereithaltung der Begleitpapiere in sämtlichen Sprachen der Länder, die durchfahren werden, stellen einen Anachronismus dar. Die zügige Einführung elektronischer Frachtpapiere sollte weiter vorangetrieben werden. Die EU-Kommission hat in der vergangenen Legislaturperiode überprüft, ob die Marktsituation im Straßengüterverkehr eine weitere Marktöffnung und eine Aufhebung der noch bestehenden Kabotagebeschränkungen zulässt. Anstelle einer Liberalisierung des Straßengüterverkehrs mit einer starken sozialen Komponente wurden nun lediglich schärfere Regelungen für die Entsendung von Arbeitnehmern im Verkehrssektor vorgeschlagen. Der BDI spricht sich weiterhin für eine völlige Freigabe der Kabotage aus, um Leerfahrten zu vermeiden und zu einer betriebswirtschaftlichen und umweltschonenden Optimierung der Transportabläufe im – ohnehin von Fahrermangel geplagten – Güterverkehr beizutragen. Die Umsetzung der aktuell im Raum stehenden Vorschläge würden in Europa zu erheblichen Versorgungsengpässen führen. Es bestehen zwar nach wie vor Unterschiede bei den Wettbewerbsbedingungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten, die aber auch wirtschaftliche Entwicklungschancen für wirtschaftlich schwächere EU-Mitgliedstaaten bieten. Differenzierungsmerkmale sind hierbei nicht allein unterschiedliche Lohnniveaus, sondern beispielsweise auch unterschiedliche Kraftfahrzeug- und Energiesteuersätze auf Kraftstoffe. Herausforderungen bei der Harmonisierung von Wettbewerbsbedingungen dürfen daher 15 Jahre nach Beginn der EUOsterweiterung nicht dafür herhalten, dass eine konsequente Marktöffnung des Straßengüterverkehrs weiter hinausgezögert wird. Innovative Nutzfahrzeuge können in ihrem Einsatzfeld zwischen logistischen Knoten einen wichtigen Beitrag zur Effizienzsteigerung im Güterverkehr und in Transportketten leisten. Längere Fahrzeugkombinationen, wie sie beispielsweise das Europäische Modulare System (EMS) bietet, können enorme CO2-Einsparungen erreichen. EMS-Fahrzeuge sind leistungsstarke Fahrzeugkombinationen und verfügen in der Regel mindestens über zwei weitere Achsen zur Minderung der Straßenbelastung. Auf dem Markt für schwere Nutzfahrzeuge bietet diese Technologie eine sehr CO 2effiziente Transportmöglichkeit pro Ladungseinheit. Die Möglichkeit einer Anrechnung dieser Systeme im Zuge der Revision der CO2-Regulierung für schwere Nutzfahrzeuge (VO (EU) 2019/1242) würde weitere Investitionsanreize in der Übergangsphase zu einem umweltfreundlichen Straßengüterverkehr darstellen. Erfahrungen mit dem Lang-Lkw in Deutschland weisen nach, dass pro transportierte Tonne bzw. pro Transporteinheit zwischen 15 bis 25 Prozent Kraftstoffeinsparungen erzielt werden können. Proportional zur Absenkung des Kraftstoffverbrauchs nehmen auch die CO2-Emissionen ab. Durch die
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Realisierung multimodaler Behälterverkehre kann die Effizienz von Vor- und Nachläufen zum Schienen- und Schiffsverkehr ebenfalls signifikant erhöht werden. Dies stärkt den Kombinierten Verkehr und entlastet die Straßen im Fernverkehr. Die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich umgesetzten Richtlinien zu Maßen und Gewichten stellen die Unternehmen in Europa vor große Herausforderungen bei der Gewährleistung reibungsloser grenzüberschreitender Transporte. Aufgefangen werden kann dieses Defizit derzeit nur über eine Vielzahl bilateraler Abkommen. Dem vorzuziehen sind europaweit einheitliche Regelungen etwa für EMS-Fahrzeuge und für die zulässigen Gewichte im Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr. Die Einführung grenzüberschreitend gültiger Standards sollte sich hierbei an erfolgreichen Testbetrieben, den positiven Erfahrungen in den Mitgliedstaaten und den Erfordernissen des Kombinierten Verkehrs orientieren. Innovative KV-fähige Nutzfahrzeugkonzepte sollten deshalb schneller und vorurteilsfrei auch in grenzüberschreitenden europäischen Verkehren zugelassen werden, damit sie ihre Potenziale zur CO2-Minderung voll entfalten könne. Wichtig ist jedoch auch, dass EU-Vorschriften zum Einbau bestimmter Systeme in die Fahrzeuge ausreichende Vorlaufzeiten umfassen. Dafür ist es notwendig, dass neben den entsprechenden rechtlichen Vorgaben auch die detaillierten technischen Bestimmungen in Form von delegierten oder Durchführungsrechtsakten rechtzeitig veröffentlicht werden. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass gerade Lkw mit Aufbau ein oft längeres, mehrstufiges Produktionsverfahren durchlaufen. Die Einführung des neuen „smart tachograph“ zum 15. Juni 2019 war ein Beispiel für unzureichende Vorlaufzeiten und die damit verbundenen Probleme. So wurden durch notwendig werdende Nachrüstungen Zusatzkosten verursacht. Zudem entstand ein Nebeneinander unterschiedlicher nationaler Übergangsregelungen. Gewährleistung eines modernen und interoperablen Eisenbahnnetzes Schienengüterverkehre sind europäisch und erfordern daher eine Regulierung, die die Interoperabilität der europäischen Eisenbahnsysteme und die Vereinfachung grenzüberschreitender Verkehre weiter vorantreibt. Das Ziel eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums erfordert die wirksame Durchsetzung des bestehenden regulatorischen Aquis und die Umsetzung der Regelungen zur technischen Interoperabilität. Ein erster Schritt wäre damit getan, wenn es der EU-Kommission gelänge, auf eine rasche und einheitliche Umsetzung des „Vierten Eisenbahnpaktes“ durch die Mitgliedsstaaten hinzuwirken. Für die erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen des „Vierten Eisenbahnpakets“ ist ein reibungsloser Start der Tätigkeiten der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) sowie deren intensive Kooperation mit den nationalen Behörden entscheidend. Jedoch stehen auch dann noch viele national sehr unterschiedliche Anforderungen an Technik und Personal dem Ziel eines einheitlichen Eisenbahnbinnenmarkts entgegen. Die regulatorischen Rahmenbedingungen sind deshalb europaweit zu vereinheitlichen und zu verschlanken, um Betriebsabläufe zu vereinfachen. Hierfür sind unter andrem eine gemeinsame Sprache und europaweit gültige elektronische Frachtpapiere dringend erforderlich. Bei der Verwendung elektronischer Frachtbeförderungsinformationen (eFTI) sollte von einer gesetzlich vorgeschriebenen und obligatorischen Nutzung Abstand genommen werden und Papierdokumente weiterhin Bestand haben. Im Zuge eines weitgehend automatisierten, ETCS-geführten Zugbetriebes sollte ebenfalls das Vorhandensein der Streckenkunde zukünftig keine unabdingbare Voraussetzung mehr sein. Eine der größten Herausforderungen für den Kapazitätsausbau und die Interoperabilität der Schiene besteht gegenwärtig in einem konsequenten und möglichst synchronisierten Rollout von ERTMS/ETCS in Europa. Dabei geht es primär um die europaweite Standardisierung der technologischen Komponenten und Baselines von ETCS und ferner um die Sicherstellung einer EUweiten Harmonisierung bei der Bereitstellung ausreichender Frequenzen für das bahnbetriebliche
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Mobilfunksystem „Future Railway Mobile Communication System (FRMCS)“ und der FRMCSMigration. Mit der ETCS-Technik wandern Funktionen der Leit- und Sicherungstechnik, die heute noch durch die Infrastruktur erfüllt werden, hinein in die Schienenfahrzeuge. Da sich die Modernisierung der Infrastruktur und die Modernisierung der Fahrzeuge wechselseitig bedingen, sind Anreize für die Fahrzeugumrüstung ein Instrument, um die Vorteile der ETCS-Infrastruktur rascher nutzbar zu machen. Da auf den europäischen Eisenbahnmarkt verstärkt Unternehmen aus Staaten drängen, mit denen keine Abkommen zu fairen Wettbewerbsbedingungen bestehen, sollten zeitnah Instrumente entwickelt werden, die bei Modernisierung der Fahrzeuge und der Infrastruktur verhindern, dass es aufgrund eines fehlenden Level Playing Field zu einem Abbau von Kapazitäten und Innovationskraft in der europäischen Bahnindustrie kommt. Zugleich gilt es, Interoperabilität im operativen Eisenbahnbetrieb durch weitere technische Innovationen im Bereich der Digitalisierung und durch die vertiefte Zusammenarbeit im europäischen Eisenbahnsektor – verbunden mit Blick auf einen effizienten Personaleinsatz voranzutreiben. Dabei können beispielsweise bei der grenzüberschreitenden Kommunikation von Triebfahrzeugführern IT-Tools für die speech-to-speech Übersetzung einen wichtigen Beitrag leisten. Bezüglich der Vorgaben von Sprachkompetenzen muss die Sicherheit des operativen Betriebs höchste Priorität haben – diesbezügliche regulatorische Vorgaben sind jedoch bedarfsgerecht auszugestalten. Überschießende und in der Praxis des Eisenbahnbetriebs nicht relevante Anforderungen sollten vermieden werden. Weitere Effizienzsteigerungen und eine Verbesserung der Zuverlässigkeit und Sicherheit im Eisenbahnbetrieb können durch automatisiertes Fahren, aber auch durch den flächendeckenden, europäischen Einsatz der digitalen automatischen Kupplung erzielt werden; hier ist u.a. mit Blick auf den Schienengüterverkehr auch die Harmonisierung von Brems- und Zugleitbildungsregeln relevant. Für dieses „Mehr“ an Interoperabilität innerhalb des europäischen Schienenverkehrsmarkts und die Umsetzung technischer Innovationen ist auch ein konzertiertes Vorgehen der Eisenbahnverkehrsunternehmen gemeinsam mit der Politik unabdingbar. Notwendig ist jetzt die Entwicklung eines Europäischen Masterplans. Bei Entwicklung und Umsetzung eines europäischen Masterplans sollte ebenfalls auf eine europäische Harmonisierung der Maßnahmen geachtet werden. Vollendung des einheitlichen Europäischen Luftraums Auf EU-Ebene ist die Umsetzung des Single European Sky (SES) – ein einheitlicher Luftraum über Europa – das größte Klimaschutzprojekt in der europäischen Luftfahrt. Ein effizient organisierter und einheitlicher europäischer Luftraum mit modernen Technologien und harmonisierten Prozessen könnte nachhaltig Umwelt- und Klimaauswirkungen des Luftverkehrs um bis zu 10 Prozent reduzieren. Gleichzeitig kann durch SES ausreichend Kapazität im Luftraum für die steigende Luftverkehrsnachfrage geschaffen und somit Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit im Flugverkehr verbessert werden. Ein digitalisierter und besser optimierter europäischer Luftsicherungsraum dient der dauerhaften Sicherstellung eines leistungsfähigen Luftverkehrs in Europa und nützt Klima, Passagieren und der Fracht. Mobilität und die Anbindung Deutschlands an das internationale Luftverkehrsnetz für Passagiere und Cargo sind essentiell für den Erfolg der deutschen Wirtschaft. Zur Erhöhung der Umwelteffizienz und der kapazitativen Leistungsfähigkeit des Luftraums muss der europäische Regulierungsrahmen für den einheitlichen europäischen Luftraum überarbeitet werden. Zur Erreichung der Umweltziele müssen bei der notwendigen Neujustierung des Regulierungssystems u.a. folgende Themen angegangen werden: Unterstützung der Einführung neuer Technologien zur Erleichterung der Flugverkehrskontrolltätigkeit und eine verbesserte grenzüberschreitende Zusammenarbeit der verschiedenen, meist nationalen Flugsicherungsorganisationen. Die Optimierung von Flugwegen hilft, Treibstoff und Emissionen einzusparen. Eine verbesserte Flugführung führt zu
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einer Steigerung der Kapazität und einer zusätzlichen Verringerung der Umwelt- und Klimaauswirkungen des Luftverkehrs. Der BDI setzt sich für die grenzüberschreitende Kooperation der nationalen Flugsicherungsorganisationen, mehr Automatisierung zur Unterstützung der Lotsentätigkeit und mehr Flexibilität beim Lotseneinsatz ein. Die neue EU-Kommission und die deutsche EURatspräsidentschaft sollten sich aktiv für eine Weiterentwicklung des regulativen Rahmens für den einheitlichen europäischen Luftraum einsetzen. Durch die finnische Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2019 wurden bereits die Grundlagen gelegt und am 12. September 2019 wurde eine Erklärung zu den nächsten Schritten durch alle Stakeholder und die EU-Kommission gemeinsam verabschiedet. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung hier vorangeht und im Leipziger Statement für die Zukunft der Luftfahrt angekündigt hat, die aktive Weiterentwicklung des regulativen Rahmens für den einheitlichen europäischen Luftraum auf die Agenda ihrer EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 zu setzen. Der BDI fordert die Bundesregierung und alle beteiligten Organisationen auf, zur schnellstmöglichen Umsetzung der Ziele der Erklärung beizutragen. Dazu sollte der aktuelle Regulierungsrahmen des einheitlichen europäischen Luftraums grundsätzlich überarbeitet werden, um den verschiedenen Voraussetzungen der Luftverkehrswirtschaft besser gerecht zu werden und einen kooperativen Ansatz zu fördern. Im Rahmen der Weiterentwicklung einer wirkungsvollen Regulierung sollte den Flugsicherungsorganisationen in Europa die Schaffung bedarfsgerechter Personalressourcen durch eine höhere Flexibilität beim Lotseneinsatz, der Vereinfachung bei der Vergabe von Fluglotsenlizenzen innerhalb Europas, die Schaffung regulativer Rahmenbedingungen für sektorloses Fliegen im oberen europäischen Luftraum sowie die konsequente Vereinheitlichung von Technologien, Schnittstellen, Systemen, Ausbildungen und Prozessen ermöglicht werden. Geeignete Rahmenbedingungen für die Wasserstraße Der Transport von Rohstoffen und Massengütern über die Wasserstraße sichert als ein wichtiges Standbein des internationalen Verkehrs die Wertschöpfung der deutschen und europäischen Industrie. Um die Exportstärke der deutschen Industrie in Zukunft halten zu können, ist ein effizientes, konzeptionell vernetztes System von Seehäfen, Binnenhäfen und Wasserstraßen unabdingbar. Neben bedarfsgerechten Investitionen in Erhalt und Ausbau der Infrastruktur in Europa ist hierfür auch eine Optimierung der maritimen Lieferkette unerlässlich. Außerdem ist die Fortentwicklung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die sich als Instrument eines gesamteuropäischen Wasserrechts bewährt hat, erforderlich. Da 80 Prozent der Wasserkörper in Europa die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 nicht erreichen werden, bedarf es einer Novellierung der WRRL, um auch die Binnenschifffahrt als äußerst umweltfreundlichen Verkehrsträger weiter zu entwickeln. Denn die WRRL stellt den bedarfsgerechten Ausbau der Binnenwasserstraßen vor enorme Herausforderungen. Auch Pläne mit einem insgesamt positiven Effekt auf den Wasserkörper können aufgrund des Verschlechterungsverbots und des fehlenden integrierten Ansatzes betreffender einzelner Qualitätskomponenten im Genehmigungsverfahren abgelehnt werden, so dass das Ziel, den Anteil der Binnenschifffahrt als besonders CO2-emissionsarmen Verkehrsträger am Güterverkehrsaufkommen zu erhöhen, unnötig erschwert wird. Der BDI setzt sich darüber hinaus für einen freien und fairen Wettbewerb zwischen den und innerhalb der Häfen ein. Nur Wettbewerb bietet die Gewähr dafür, dass der verladenden Industrie ein qualitativ hochwertiger, kostengünstiger Zugang zum internationalen Seeverkehr zu Verfügung steht. Wettbewerb generiert effiziente Lösungen und darf nicht durch Beihilfen verzerrt werden. Gleichzeitig gilt es, für die oft immensen Investitionen in Infra- und Suprastrukturen der Häfen langfristige Planungssicherheit zu schaffen. Deutsches und europäisches Umweltrecht, dabei insbesondere auch das Wasserrecht, haben eine große Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Umweltrecht entscheidet letztendlich über die Genehmigung und den Betrieb von Industrieanlagen und so über die
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Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Deutschland mit seinen Binnenwasserstraßen. Von wesentlicher Bedeutung ist auch die langfristige Sicherung der Schifffahrt auf der wichtigsten Binnenwasserstraße der EU, dem Rhein, angesichts der Gefahr klimawandelbedingt häufigerer und schwererer Niedrigwasserphasen.
Digitalisierung im Verkehr Die Digitalisierung des europäischen Transport- und Logistiksektors ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer intelligenten, effizienten, sicheren und nachhaltigen Mobilität von morgen. Moderne Technologien sind unabdingbar um mit dem erwarteten Anstieg des Mobilitätsaufkommens in den kommenden Jahrzehnten Schritt zu halten. Die Integration der bestehenden digitalen Werkzeuge sollte in harmonisierter und interoperabler Weise angestrebt werden. Beispielsweise kann die Vernetzung und eine Cloud-Anbindung effizienteres Flottenmanagement ermöglichen, Platooning kann durch Vernetzung den Kraftstoffverbrauch von Lkw senken und Transport sowie Straßen sicherer machen. Darüber hinaus sollten neue und innovative Technologien weiterhin gefördert werden. Viele Technologien stecken heute in der Entwicklung und müssen wirksam in unsere Verkehrssysteme integriert werden. Technologieoffenheit sollte eine wichtige Richtschnur bei der Unterstützung von Innovationen sein. Eine Voraussetzung für vernetzte und automatisierte Mobilität sind Daten. Als Treibstoff der vernetzten Mobilität bieten sie große Potentiale für Endkunden, Marktteilnehmer und die Gesellschaft. Bereitstellung von digitaler Infrastruktur und Testfeldern Die intelligente Vernetzung und die Digitalisierung aller Verkehrsträger werden zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen. Die intermodale Vernetzung und Automatisierung der Mobilität stellt einen wichtigen Innovationsbereich dar, in dem die EU das Potenzial hat, eine weltweit führende Rolle einzunehmen. Um dieses Potential zu heben ist der Ausbau der grenzüberschreitenden Breitbandinternet- und mobilfunk-Abdeckung entlang der Verkehrswege essentiell. Darüber hinaus ist ein europäischer Ansatz erforderlich, um auch über Ländergrenzen hinweg Pilotanlagen und Testfelder aufzubauen, auf denen vernetzte und automatisierte Mobilitätslösungen getestet werden können. Zudem bedarf es eines modernen Zulassungsrahmens, um konkrete Projekte zu etablieren. Vor allem abgegrenzte Räume (z.B. Betriebshöfe, Flughäfen, Felder) bieten großes Potential für vernetzte und automatisierte Mobilitätslösungen. Für den Eisenbahnverkehrssektor ist eine effektive und mit Blick auf die unterschiedlichen Regularien der Mitgliedstaaten bedarfsgerechte und zukunftsgerichtete europäische Frequenzpolitik erforderlich. Hinsichtlich des Future Railway Mobile Communication Systems (FRMCS) als Nachfolger des heutigen Mobilfunkstandards Global System for Mobile Communication (GSM-R) ist essentiell, dass der durch die fortschreitende Digitalisierung des Bahnbetriebs kontinuierlich ansteigende Datendurchsatz durch eine hinreichende Frequenzausstattung ermöglicht wird. Für den Schienenverkehr in Europa ist es ausschlaggebend, dass die FRMCS-Entscheidung der EU-Kommission Ende 2020/Anfang 2021 die gestiegenen Bedarfe der europäischen Eisenbahnen berücksichtigt und damit die Grundlage für die europaweite Digitalisierung des Bahnbetriebs schafft. Internationale Harmonisierung von Standards Für die zeitnahe Einführung neuer Technologien in den Straßenverkehr, bedarf es der Schaffung der notwendigen gesetzlichen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen. Die reibungslose Funktionsweise automatisierter und vernetzter Fahrzeuge benötigt eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur. Einen Grundstein bildet die Schaffung einer flächendeckenden Vernetzung der
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Infrastruktur zur Kommunikation zwischen Fahrzeug und Umwelt. Auf Seiten der Straßeninfrastruktur muss die EU-weite Einhaltung bestimmter Qualitäts- und Sicherheitskriterien sichergestellt werden. Darüber hinaus bedarf es einer verstärkten Zusammenarbeit zur Einführung europäischer Systeme zur Übertragung von Informationen über übergangweise oder dauerhafte Änderungen an der Infrastruktur. Gesetzliche und infrastrukturelle Rahmenbedingungen müssen mit dem Ziel möglichst großer Harmonisierung international abgestimmt werden. Die konkrete Regulierungsarbeit findet hier direkt zwischen den Staaten auf UNECE-Ebene statt. Die EU-Kommission koordiniert die Positionen der EU-Mitgliedstaaten. Diese Koordination und eine starke Stimme der EU in der UNSECE sind von großer Bedeutung. Dabei gilt es auch, von eigenen EU-Standards zu Gunsten internationaler Lösungen abzusehen. Für den Schienengüterverkehr bedeutet die internationale Harmonisierung von Standards die europaweite Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) vom Typ 4, damit Effizienzsprünge im System Schiene durch die Automatisierung von Betriebsabläufen (Produktivitätssteigerung / Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit) realisiert werden können, die Sicherheit im Rangierbetrieb weiter gesteigert und die Flexibilisierung des Schienengüterverkehrs vorangetrieben werden kann. Entbürokratisierung im Straßengüterverkehr Für den grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr bietet die Einführung europaweit einheitlicher Standards für digitale Onboard-Systeme ein großes Potential für die Entbürokratisierung, für die Minimierung des Aufwands bei Kontrollen und für einen insgesamt möglichst unterbrechungsfreien Transportfluss. Hierzu zählen digitale Standards zur Mauterhebung, zur Kontrolle entsenderechtlicher Vorgaben sowie zur Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten. Insbesondere der digitale Tachograf und die Einführung elektronischer Transportdokumente sollte weiter vorangetrieben werden. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung elektronischer Frachtbeförderungsinformationen ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. In den Trilogverhandlungen muss sichergestellt werden, dass nationale Behörden verpflichtet werden, elektronische Frachtbeförderungsinformationen zu akzeptieren. Eine Verpflichtung für Unternehmen lehnt der BDI ab. Wenn die Gewissheit besteht, dass elektronische Dokumente von Behörden in der gesamten EU akzeptiert werden, werden die Betreiber einen natürlichen Wandel hin zur elektronischen Berichterstattung vollziehen. Werden Durchführungsrechtsakte und delegierte Rechtsakte als Instrument zur späteren Festlegung von technischen Einzelheiten eingesetzt, sind Transparenz und die Beteiligung der Industrie am Prozess von entscheidender Bedeutung. IT-Experten von Behörden der Mitgliedstaaten und Interessengruppen aller Verkehrsträgern sollten als Experten an der Definition der erforderlichen Informationen beteiligt werden. Insgesamt sollte die Anzahl von Durchführungsrechtsakten und delegierte Rechtsakten begrenzt gehalten werden, um eine realistische Aussicht auf die Auswirkungen der Gesetzgebung zu ermöglichen. Bestehende Systeme zur Nutzung und Übertragung von Frachtinformationen sollten möglichst beibehalten bzw. in neue Lösungen integriert werden. Urban Air Mobility Unbemannte Systeme und Flugtaxis können einen Beitrag für den umweltfreundlichen Mobilitätsmix der Zukunft leisten. Daneben eröffnen sich Möglichkeiten im Bereich ziviler Drohnentechnologien – gerade auch für Start-Ups, kleine und mittelständische Unternehmen. Drohnen sind ein weltweiter Zukunftsmarkt mit der Chance, weltweit bei Industrie und Anwendern viele Arbeitsplätze zu schaffen. Die Drone-Economy benötigt eindeutige Rahmenbedingungen. Hier sind klare europäische Regeln für die Zulassung, den Betrieb und die sichere Integration von Drohnen in den Luftraum von Nöten. Das Ziel muss sein, sicherzustellen, dass es im Umfeld von kritischen Infrastrukturen, wie beispielsweise Kraftwerken, Bahnhöfen oder Verkehrsflughäfen, nicht zu Beeinträchtigungen kommt. Deshalb muss eine Registrierungspflicht und der verpflichtende Einbau manipulationssicherer Technologien für die
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Nachverfolgbarkeit und die Begrenzung der Bewegungsfreiheit von Drohnen in sicherheitsrelevanten Gebieten geschaffen werden. Der Staat muss seiner Verantwortung für die Gefahrenabwehr auch bei unbemannten Flugsystemen gerecht werden. Dies erfordert eine zentrale Koordination der behördlichen Aktivitäten sowohl auf europäischer, als auch auf Bundes- und Landesebene.
Nachhaltige Mobilität Klimaschutz ist zentrale Herausforderung. Die Industrie bekennt sich zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. Die Umsetzung dieser Ziele erfordert in den nächsten Jahren massive private und öffentliche Investitionen im Verkehrsbereich. Für eine volkswirtschaftlich effiziente Umsetzung von Klimaschutz und dem Vermeiden von Wettbewerbsverzerrungen ist ein international abgestimmtes Vorgehen der richtige Ansatz. Mehr denn je gilt, dass die Ambitionen der EU nur mit gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einem gesamteuropäischen Kontext erfüllt werden können. Klimaschutzpolitik darf nicht beim einseitigen Setzen von Zielen stehen bleiben. Ambitionierte Klimaziele sind nur erreichbar, wenn alle verfügbaren Pfade zur klimaneutralen Mobilität genutzt werden. Aus Sicht der deutschen Wirtschaft, besteht deshalb die dringende Notwendigkeit eines technologieoffenen und marktorientierten Ansatzes zur Reduktion der negativen externen Effekte im Verkehr. Die Effizienzsteigerung bei allen Verkehrsträgern alleine wird nicht ausreichen die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen. In einen klimapolitisch optimierten Zusammenspiel aller Verkehrsträger gilt es die Stärken der einzelnen Verkehrsträger für das Gesamtverkehrssystem nutzbar zu machen. Der heute schon im hohem Umfang elektrisch betriebene Schienenverkehr kann hier ebenso wie die Binnenschifffahrt insbesondere auf der Langstrecke und bei der Bündelung von Verkehrsströmen seine Stärke einbringen. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Leistungen des Schienenverkehrs insbesondere den Schienengüterverkehr ebenso wie alle anderen Verkehrsträger verstärkt in eng getaktete Logistikabläufe und intermodale Transportketten zu integrieren. Ziel muss es sein, insgesamt den elektrische Antriebe und CO2-neutrale Kraftstoffe im Güterverkehr zu stärken und die Sektorkopplung voranzubringen. Die deutsche Industrie liefert Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft. Die Politik bleibt aufgefordert, die Rahmenbedingungen auf Innovation auszurichten. Neue Technologien für Fahrzeugantriebe und Verkehrsmanagementsysteme sowie leistungsfähige Infrastrukturen gilt es auszubauen. Förderung alternativer Antriebe und Kraftstoffe Der Hochlauf alternativer Antriebe und der Einsatz alternativer Kraftstoffe sind die entscheidenden Hebel für die Erreichung der Klimaschutzziele. Effizienzsteigerungen und Verkehrsträgerwechsel tragen zu 25 Prozent zur Erreichung der Klimaschutzziele bei. Die Bedeutung alternativer Antriebe für alle Verkehrsträger wird daher weiter rasant zunehmen. Die Nutzung von Elektro- und Hybridantrieben wird für den Personen- und Güterverkehr auf der Straße kontinuierlich wachsen. Dies gilt zunächst im städtischen Verkehr und bei Nutzfahrzeugen im Liefer- und Verteilerverkehr. Für lange Strecken, vor allem im Straßengüterverkehr sowie für den Luft- und Seeverkehr, stellen CO2-neutrale Kraftstoffe, d.h. synthetische sowie biogene Kraftstoffe, eine praktikable Lösung für die kohlenstoffarme Mobilität dar. Um die zusätzlichen Effizienzpotentiale dieser Technologien zu heben, braucht es eine konsequente und technologieoffene Förderung von Forschung und Entwicklung für alle alternativen Antriebe und Kraftstoffe. Die Marktdurchdringung bereits verfügbarer Technologien erfordert den raschen Ausbau einer ausreichenden Lade- und Tankinfrastruktur in ganz Europa sowie finanzielle Anreize für den Einsatz aller verfügbaren Technologien zur CO2-Reduktion im Straßenverkehr. Dazu zählen zum Beispiel auch Investitionen in Oberleitungen entlang von Autobahnen zwischen Logistikhubs und Häfen sowie der Ausbau der Tankstelleninfrastruktur beispielsweise für CNG/LNG und Wasserstoff. Bisher erfüllen die EU-Mitgliedstaaten die Anforderungen aus der Richtlinie über den
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Aufbau der Infrastruktur für alternative Antriebe (RL 2014/94/EU) in keiner Weise. Dies ist in der anstehenden Revision der Richtlinie zu thematisieren. Die EU-Kommission hat in der vergangenen Legislaturperiode erstmalig eine CO2-Flottenregulierung für neue schwere Nutzfahrzeuge (VO (EU) 2019/1242) und aktualisierte, schärfere Standards für PKW und leichte Nutzfahrzeuge (VO (EU) 2019/631) verabschiedet. Diese Grenzwerte sind dabei äußerst ambitioniert und stoßen gerade im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge an die Grenzen der technischen Machbarkeit. Auch hier sollten alle Technologiepfade zur CO2-Minderung genutzt werden. In beiden Segmenten können die Vorgaben nur über eine massive Elektrifizierung des Straßenverkehrs erreicht werden. Technologien für batterie- oder wasserstoffelektrische Nutzfahrzeuge, die auch lange Strecken bewältigen können, stecken allerdings teilweise noch in einer frühen Entwicklungsphase. Hier könnten synthetische Kraftstoffe beim Übergang zur kohlenstoffarmen Mobilität eine wichtige Brücke schlagen. Der BDI setzt sich dafür ein, dass im Zuge der Revision der CO2-Regulierung für PKW und schwere Nutzfahrzeuge ein Anreizsystem für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe eingeführt wird. Generell gilt es sicherzustellen, dass alle Innovationen zur Minderung der CO2-Emissionen, beispielsweise auch auf der Werkstoffseite, in der Flottenregulierung anrechenbar sind. In diesem Zusammenhang bietet eine einheitliche Methodik für die Bewertung und Meldung der CO2-Emissionen von Fahrzeugen während ihres gesamten Lebenszyklus (Lebenszyklus-Analyse, LCA) die Möglichkeit, das gesamte CO2-Einsparungspotenzial im Mobilitätssektor zu erheben. So könnten durch ein LCA-Berichtswesen zusätzliche Incentivierungen für kosteneffiziente Emissionseinsparungen als Ergänzung zu bereits existierenden CO 2-Kreditoptionen (z.B. Ökoinnovationen) geschaffen werden, die über die End-of-Pipe Betrachtung hinausgeht. Ein Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen ist auch über den Schwerlastverkehr hinaus von großer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft. Die deutsche Industrie möchte auch im Luftverkehr in führender Position zur Entwicklung neuer Technologien und Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz beitragen, dies gerade auch mit dem Ziel des CO2-neutralen Flugzeugbetriebs. Um das ambitionierte Ziel des CO2-neutralen Fliegens zu erreichen, ist der Einsatz von alternativen nachhaltigen Kraftstoffen – insbesondere synthetischen Power-to-Liquid (PtL) - Kraftstoffen – dringend erforderlich. Hier muss die marktfähige Entwicklung von PtL-Kraftstoffen gefördert werden. Hierzu müssen Energiewirtschaft, Anlagenbauer, Luftfahrtindustrie, Luftverkehrsunternehmen, EU und Mitgliedsstaaten eine PtL-Roadmap für den Aufbau entsprechender Produktionsanlagen und die Bereitstellung eines regenerativen Kraftstoffs zu wettbewerbsfähigen Preisen definieren und gemeinsam umsetzen. Internationale Lösungen zur CO2-Einsparung Die internationale Dimension der europäischen Verkehrspolitik nimmt einen hohen Stellenwert ein. Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, die auf Reziprozität beruhende Öffnung internationaler Märkte für einen freien Wettbewerb und umweltschonende Verkehrstechnologien im Rahmen internationaler Verhandlungen weiter voranzutreiben. Bei der Reduzierung von CO 2-Emissionen im Verkehrssektor sollte ein internationaler regulatorischer Ansatz angestrebt werden. So unterscheiden sich zum Beispiel im Automobilsektor die CO2-Standards, Emissionsgrenzwerte und Testmethoden in den regionalen Märkten. In Europa, Japan und den USA hat dies zu verschiedenen technischen Lösungen und infolgedessen zu unterschiedlichen Zertifizierungsverfahren geführt. Dadurch entstehen den Unter-nehmen ein höherer Verwaltungsaufwand und zusätzliche Kosten und es wird zudem die Markteinführung von neuen, emissionsärmeren Fahrzeugen erschwert. Die EU sollte anstelle einer Vorreiterrolle eher ihren Einfluss nutzen, um auf globaler Ebene auf eine Harmonisierung bestehender Systeme hinzuwirken. Mit Blick auf den elektrisch betriebenen Schienenverkehr ist zu berücksichtigen, dass dieser bereits heute über den Energiesektor vollständig in den Europäischen Emissionshandel einbezogen ist. Der elektrisch betriebene Schienenverkehr muss schon heute vollständig
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kostenpflichtig für seine von ihm verursachten CO2-Emissionen aufkommen. Beim Schiffsverkehr begrüßt der BDI den Ansatz der EU die angestrebten Minderungen der CO2- und Luftschadstoffemissionen im Rahmen der internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) zu erreichen. Der stark internationale Charakter der Schifffahrt benötigt einen globalen Ansatz, um negative externe Effekte zu vermindern und gleichzeitig einheitliche Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb zu gewährleisten. Im Luftverkehr stellt der europäische Emissionshandel (EU-ETS) als marktbasiertes Instrument zur Begrenzung und Reduktion der CO2-Emissionen und zur CO2-Bepreisung im Luftverkehr die am besten geeignete Lösung dar. Andere nationale oder europäische Ansätze, wie Steuern, Abgaben oder gar Verbote fördern allein Umgehungseffekte, inklusive zusätzlicher Umweltbelastungen durch Umwege oder zu schwere Beladung/Betankung. Die Fluggesellschaften finanzieren bereits heute den Emissionshandel durch den Kauf der hierfür erforderlichen Emissionszertifikate (mittlerweile müssen allein die deutschen Fluggesellschaften für 62 Prozent ihrer Emissionen CO2-Zertifikate zukaufen). Mit der Einbeziehung ins EU-ETS tragen die deutschen und europäischen Luftfahrtunternehmen dazu bei, dass die CO2-Emissionen der in den Emissionshandel einbezogenen Wirtschaftsbereiche bis 2030 um 43% gegenüber 2005 reduziert werden. Die Unterstützung der EU für die Einführung des globalen Klimaschutzinstrumentes CORSIA ist zu begrüßen. Aufgrund der Internationalität des Luftverkehrs sind allein weltweit abgestimmte Maßnahmen zielführend. Nur so lassen sich nachhaltige Lösungen ermöglichen und messbare Erfolge für den Klimaschutz erzielen. Nun muss der Beschluss der internationalen Luftfahrtorganisationen (ICAO) konsequent umgesetzt werden. Mit diesem System werden die wachstumsbedingten Emissionen dann auch im weltweiten Luftverkehr kompensiert werden. Damit ist dann auch das internationale Luftverkehrswachstum CO2neutral. Auch dieses System finanzieren die Fluggesellschaften durch den Erwerb entsprechender Kompensationszertifikate. CORSIA soll das einzige Klimaschutzinstrument für den internationalen Luftverkehr sein. Aus diesem Grund setzt sich der BDI dafür ein die Emissionen der Flüge zwischen zwei europäischen Staaten aus dem europäischen Emissionshandelssystem mit Beginn von CORSIA herauszulösen. Eine Fortsetzung von EU-ETS für internationale Flüge widerspricht dem internationalen Konsens. Die doppelte Belastung des europäischen Luftverkehrs würde zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung gegenüber außereuropäischen Fluggesellschaften führen. Das EUParlament wird aufgefordert sich klar zu positionieren, damit CORSIA das EU-ETS für innergemeinschaftliche Flüge ersetzt. Weiter muss die EU sich dafür einsetzten, dass die noch zögerlichen Länder (u. a. China, Russland, Indien und Brasilien) gewonnen werden können, sich diesem CO2Kompensationssystem bereits ab 2021 anzuschließen. Ausgleich zwischen Umweltschutz und internationaler Wettbewerbsfähigkeit Der internationalen Luftverkehr bietet ein gutes Beispiel für den drastischen Wettbewerbsanstieg der letzten Jahre. Im Angesicht der anstehenden Herausforderungen im Klima- und Umweltschutz müssen bei allen Verkehrsträgern geeignete Wege und Instrumente zur Absicherung gleicher und fairer Wettbewerbsbedingungen auf internationaler Ebene entwickelt werden. Nationale Alleingänge sind der falsche Weg. Insbesondere klimapolitische Regulierungen durch nationale Steuern, Abgaben oder Verbote sind ökologisch und ökonomisch kontraproduktiv. Solche Maßnahmen senken CO 2Emissionen nicht, sondern verschieben sie lediglich in andere Regionen, wo diese Abgaben nicht erhoben werden, zu Lasten der jeweiligen Heimatindustrie. Gerade im Luftverkehr sind nur globale Lösungen klima- und umweltpolitisch wirksam. Lokale Eingriffe reduzieren den Flugverkehr nicht, sondern verlagern ihn nur. Die bestehenden Nachtflugbeschränkungen an Flughäfen sind eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz des Luftverkehrs. Zur Verhinderung von Wettbewerbsnachteilen und zur Wahrung der internationalen Konnektivität müssen die bestehenden Betriebszeiten gewährleistet werden. Ein Eingreifen in bestehende Betriebsgenehmigungen an Flughäfen wird
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ausdrücklich abgelehnt; Betriebsgenehmigungen müssen langfristig Bestand haben, um Planungssicherheit für alle zu gewährleisten. Die europäische Wirtschaft ist – im Luftverkehr wie im Straßenund Schienenverkehr – dringend auf leistungsfähige Logistikketten in der Nacht angewiesen. Für den Luftverkehr muss weiter der „ausgewogene Ansatz“ der ICAO im Sinne der EU VO 598/2014 angewandt werden, d.h. Betriebsbeschränkungen bleiben nur dann zulässig, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft worden sind und zwingend weitere Maßnahmen erforderlich wären. Internalisierung externer Kosten Grundsätzlich ist es richtig, ökonomische Anreize für ein ökologisch nachhaltiges Verhalten und zur Einführung innovativer Technologien zu setzen. Der BDI sieht die pauschale und obligatorische Einführung einer Gebührenerhebung für externe Kosten jedoch kritisch. Das Instrument der Internalisierung externer Effekte ist nicht nur dann problematisch, wenn es einseitig einen bestimmten Verkehrsträger stärker belastet, es wirft auch generell erhebliche methodische Fragen bei der Bezifferung der Kosten auf. Zudem werden bspw. Staukosten bereits heute in Form von Zeitverlusten von den Nutzern getragen. Eine erneute Anlastung z.B. bei der Maut würde daher eine Doppelbelastung darstellen. Der BDI wirbt deshalb dafür, das Prinzip der Internalisierung externer Kosten differenzierter zu bewerten. Ziel muss es daher sein, negative Effekte durch kluges Verkehrsmanagement und die Bereitstellung alternativer Mobilitätsangebote nachhaltig zu reduzieren, als diese noch weiter zu bepreisen. Dafür bedarf es effektiver und effizienterer Instrumente. Für unterschiedliche umweltpolitische Ziele können sich unterschiedliche Instrumente als optimal erweisen. Ein „one size fits all“-Ansatz wird den spezifischen Herausforderungen möglicherweise nicht gerecht. Statt einem pauschalen und obligatorischen Ansatz der Internalisierung zu folgen, fordert der BDI eine offene Diskussion über geeignete Instrumente, wobei auch vorhandene erfolgreiche Instrumente weiterzuentwickeln sind. In dieser Diskussion gilt es auch, den Beitrag bereits bestehender Steuern und Abgaben zur Internalisierung externer Kosten zu berücksichtigen.
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