Europas Antwort auf die Cloud-Frage

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POSITION | DIGITALE SOUVERÄNITÄT | CLOUD

Europas Antwort auf die Cloud-Frage Einschätzung der deutschen Industrie zur Diskussion über die Stärkung der digitalen Souveränität Europas im Bereich Cloud-Computing

Oktober 2019 Cloud-Kompetenzen als Element digitaler Souveränität 23. Oktober 2017 Cloud-basierte Dienste zählen zu den zentralen Enablern der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund muss Deutschland jetzt mit Tempo eigene Fähigkeiten in wichtigen digitalen Technologiefeldern wiedererlangen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken und den eigenen Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden. Dies gilt insbesondere auch für die cloud-basierte Verarbeitung großer Datenmengen. Digitalexperten und Politiker verschiedener Parteien sprechen sich daher in letzter Zeit zunehmend für eine Stärkung europäischer CloudKompetenzen als Alternative zu den dominanten außereuropäischen Wettbewerbern aus. Der BDI begrüßt die Diskussion um eine Stärkung europäischer Cloud-Kompetenzen. Dabei kann es jedoch nicht das Ziel sein, einen europäischen Hyperscaler nach dem Vorbild bestehender USamerikanischer und chinesischer Modelle nachzubauen. Vielmehr muss innerhalb der EU die Entstehung einer interoperablen und für kommende Technologien anschlussfähigen Plattform für Cloud-Lösungen vorangetrieben werden, die bestehende Cloud-Angebote mit den Bedarfen der Nutzer marktgerecht zusammenführt und auf offenen Schnittstellen basiert. Die über solch eine Plattform bereitgestellten Angebote und Services müssen auf Standards basieren, die dem europäischen Rechts- und Wertesystem vollumfänglich entsprechen, ein Höchstmaß an digitaler Souveränität gewährleisten. Diese Angebote und Services sollten außerdem möglichst einen Open-SourceAnsatz verfolgen und sich mit Ihren Funktionalitäten an den Anforderungen und Bedarfen der Anwender orientieren. Jeder Marktteilnehmer, der diese Kriterien (u.a. sachlich begründbare Security-Anforderungen) erfüllt, sollte nach Etablierung der Plattform für Cloud-Lösungen seine Cloudangebote auf der Plattform anbieten dürfen. Leitplanken der deutschen Industrie zum Aufbau von Cloud-Kompetenzen in Europa: ▪

Die EU braucht eine eigene, offene Plattform für Cloud-Lösungen mit einer klaren Governance.

Ein europäisches Modell muss marktbasiert, effizient und flexibel sein.

Die europäische Plattform für Cloud-Lösungen muss auf allgemeinen staatlichen Rahmenbedingungen und einer privatwirtschaftlichen Finanzierung beruhen. Gegebenenfalls sollte sie als Öffentlich-Private Partnerschaft initiiert werden.

Das Nachfragepotenzial der öffentlichen Hand sollte genutzt und ein breites Cloud-Ökosystem in Europa etabliert werden.

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. | Breite Straße 29 | 10178 Berlin Digitalisierung und Innovation: Dr. Thomas Koenen | Steven Heckler | Oliver Klein | Carolin Proft


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Im Detail Status Quo Die Stärkung europäischer Cloud-Kompetenzen ist nach Ansicht der deutschen Industrie ein zentrales Element europäischer Souveränität. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung sind verlässliche, performante, datenschutzkonforme und zugleich sichere Cloud-Lösungen unabdingbar. Da Unternehmern sich für ihr Datenmanagement in aller Regel externer Cloud-Anbieter bedienen und dabei parallel die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit dieser Anbieter ebenso steigen, wie die Sorge um den Zugriff ausländischer Sicherheitsbehörden auf eben jene Systeme, hat die Stärkung europäischer Cloud-Kompetenzen enorm an Bedeutung gewonnen. Konkret geht es um die Marktdominanz einiger weniger US-amerikanischer und chinesischer Anbieter in diesem Feld, gegenüber denen in Europa zurzeit kein Anbieter von Cloud-Diensten wettbewerbsfähig ist. Diese Marktmacht resultiert weniger aus der Fähigkeit zur Speicherung großer Datenmengen (Data Storage), denn diese Services können auch europäische Anbieter wettbewerbsfähig anbieten. Es geht vielmehr um das Gesamtangebot von Data Storage in Kombination mit Datenverarbeitung (Data Processing) und Datenauswertung mittels KI (Data Analytics). Auf Basis dieser nahezu in Echtzeit durchgeführten Anwendungen werden die heute für Industrieunternehmen so relevanten Innovationen erst ermöglicht: Prozess- und Robotersteuerung, Supply Chain-Management, digitale B2B-Plattformen und weitere neue Geschäftsmodelle. Aufgrund des Bedarfs an hochgradig leistungsfähigen Cloud-Lösungen entsteht eine wachsende Abhängigkeit von ausländischen Anbietern, die ausgereifte und hochprofessionelle Angebote machen und sich damit aktuell am Markt durchsetzen. Gleichzeitig unterliegen außereuropäische Anbieter in ihren Heimatstaaten allerdings zum Teil Regulierungen, die nicht deckungsgleich mit europäischen Standards und Werten sind. Daher bedarf es neben einer europäischen Plattform für Cloud-Lösungen (technischer Ansatz) in Bezug auf die Frage des Zugriffs von Sicherheitsbehörden von Drittstaaten auf digitale Inhalte in der Cloud auch zeitnah einer internationalen politischen Lösung, um das wechselseitige Spannungsfeld zwischen dem Zugriffsinteresse von Behörden im Heimatland und datenschutzrechtlichen Vorgaben im jeweiligen Zielland aufzulösen (politischer Ansatz). Der BDI unterstützt in diesem Sinne die Bemühungen der EU für ein entsprechendes Abkommen mit den Vereinigten Staaten sowie anderen Drittstaaten. Die EU braucht eine eigene, offene Plattform für Cloud-Lösungen mit einer klaren Governance Die Vorteile der etablierten, nicht-europäischen Cloud-Lösungen liegen auf der Hand: Als Hyperscaler können sie ihre Dienstleistungen zu vergleichsweise niedrigen Kosten anbieten. Daher greifen deutsche Unternehmen für das Gros ihrer Bedarfe auf das Angebot nicht-europäischer Anbieter zurück. Hochsensible Daten (z.B. KRITIS, IP) werden hingegen häufig weiterhin deutschen oder europäischen Anbietern anvertraut. Die Investitionen, die notwendig wären, um einen direkten Konkurrenten zu diesen marktdominanten Anbietern in der EU zu etablieren, wären durch deren enormen technologischen Vorsprung ohne Zweifel zu groß und würden einen zu großen Zeitanlauf benötigen, um diesen Weg beschreiten zu können. Vor diesem Hintergrund kann es nicht das Ziel sein, einen europäischen Hyperscaler nach dem Vorbild bestehender US-amerikanischer und chinesischer Modelle nachzubauen. Vielmehr muss innerhalb der EU die Entstehung einer interoperablen und für kommende Technologien anschlussfähigen Plattform für Cloud-Lösungen vorangetrieben werden, die bestehende Cloud-Angebote mit den Bedarfen der Nachfrageseite marktgerecht zusammenführt, auf offenen Schnittstellen basiert und deren Anwendungen möglichst einen Open-Source-Ansatz verfolgen. Durch auf europäischen Werten basierenden einheitlichen und transparenten Standards gewährleistet eine solche Plattform ein Höchstmaß an digitaler Souveränität. Um eine ausreichende internationale Skalierbarkeit zu gewährleisten, sollte es perspektivisch auch außer-europäischen Cloud-Anbietern möglich sein – unter Einsatz der zuvor

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definierten Technologien und Regelwerke – ihre Dienste über die Plattform anzubieten. Zudem sollten bestehende Ansätze wie beispielsweise die Referenzarchitektur der International Data Spaces Association (IDSA) in die angestrebte europäische Lösung integriert werden, um funktionale Anforderungen wie etwa die Interoperabilität zwischen den über die Plattform bereitgestellten Cloud-Lösungen umzusetzen. Ein europäisches Modell muss marktbasiert und flexibel sein Wie alle Angebote am Markt, würde eine europäische Plattform für Cloud-Lösungen der Aufsicht durch staatliche Behörden unterliegen (z.B. hinsichtlich Ihrer DSGVO-Konformität). Der Betrieb und die Organisation eines entsprechenden Angebots müssen jedoch ausschließlich marktbasiert sein. Unnötige Bürokratiekosten sind unbedingt zu vermeiden. Eine einheitliche europäische Lösung ist 27 einzelstaatlichen Ansätzen strikt vorzuziehen. Das europäische Modell muss zudem flexibel sein, indem es den einzelnen Nutzern jederzeit und ohne großen Aufwand ermöglicht, verschiedene Angebote miteinander zu verknüpfen oder zwischen den Angeboten einzelner auf der Plattform vertretener Anbieter zu wechseln. Auf diese Weise wird verhindert, dass sich Lock-In-Effekte einstellen, die einen Wechsel des Anbieters technisch oder finanziell nahezu unmöglich machen. Die europäische Plattform für Cloud-Lösungen muss auf allgemeinen staatlichen Rahmenbedingungen und einer privatwirtschaftlichen Finanzierung beruhen. Gegebenenfalls sollte sie als Öffentlich-Private Partnerschaft initiiert werden. Die Stärkung europäischer Cloud-Kompetenzen liegt im gemeinsamen Interesse von staatlichen und privaten Akteuren, da beide Anwenderkreise auf hochverlässliche und hochsichere Cloud-Lösungen angewiesen sind. Eine Öffentlich-Private Partnerschaft (PPP) kann in diesem Kontext eine geeignete Form der Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Akteuren zum Aufbau eines europäischen Angebots darstellen. Eine europäische Plattform für Cloud-Angebote kann in der Anfangsphase durch die öffentliche Hand finanziell unterstützt werden. Über die Startphase hinaus dürfen finanzielle Zuwendung allerdings keine Rolle spielen. Das Nachfragepotenzial der öffentlichen Hand sollte genutzt und ein breites Cloud-Ökosystem in Europa etabliert werden Im Zusammenhang mit dem Aufbau einer europäischen Plattform für Cloud-Lösungen, die die Transparenz über bestehende Cloud-Lösungen erhöht, gilt es, in Europa ein Ökosystem für Cloud- Technologien zu fördern. Erstens sollten die EU-Institutionen und öffentlichen Stellen in den einzelnen Mitgliedsstaaten ihre eigene Nachfragemacht nutzen, indem sie auf die Angebote der europäischen Plattform für Cloud-Lösungen zurückgreifen. Durch eine europaweit gesteigerte Nachfrage könnten darüber angebotene Lösungen, die die vorab definierten Kriterien erfüllen, schneller skalieren. Dadurch würde zugleich die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen und europäischen Standortes gestärkt. Zweitens sollte eine Strategie, die auf die Erhöhung der digitalen Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit im Bereich des Cloud-Computings zielt, auch die Nachfragepotenziale auf Seiten der übrigen Anwendergruppen adressieren. Da cloud-basierte Dienste zu den zentralen Enablern der digitalen Transformation zählen, liegt eine breite Nutzung entsprechender Angebote im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Privatwirtschaftlich agierende Unternehmen müssen dabei jederzeit frei entscheiden können, welche Angebote sie am Markt wählen Drittens gilt es, auch energie- und klimapolitische Instrumente zu nutzen. Die deutschen Energiepreise sind mit die höchsten im internationalen Vergleich. Da Rechenzentren energieintensive Unternehmen sind, erschweren die hohen Energiekosten in Deutschland die internationalen Wettbewerbschancen

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einheimischer Cloud-Angebote. Bei der Konzeption energiepolitischer Maßnahmen sollten daher immer auch die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Digitalwirtschaft mitberücksichtigt werden. Viertens bedarf es einer verstärkten Investition in digitale Bildung und die Qualifikation von Fachkräften in Europa. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfügen gemeinsam über ein großes Fachkräftepotenzial, das beim Aufbau eigener Cloud-Kompetenzen mit einbezogen werden muss. Nur wenn Europa und insbesondere Deutschland verstärkt in die Ausbildung von IT-Fachkräften investiert, können hiesige Anbieter innovative Lösungen entwickeln und am Markt anbieten.

Resümee Eine eigene, auf offenen und transparenten Standards und europäischen Werten basierende Plattform für Cloud-Lösungen ist eine wichtige Voraussetzung, um die europäische Datensouveränität im Zeitalter der Digitalisierung zu wahren. Dabei muss aber klar sein: Deutsche Unternehmen müssen auch zukünftig selbstständig entscheiden dürfen, welche inner- oder außereuropäischen Anbieter sie nutzen wollen. Sie brauchen aber zwingend eine Wahlalternative, die europäische Werte und Rechtsstandards garantiert. Die europäische Plattform für Cloud-Lösungen muss auf staatlichen Rahmenbedingungen und einer privatwirtschaftlichen Finanzierung beruhen. Gegebenenfalls sollte sie als ÖffentlichPrivate Partnerschaft initiiert werden. Die oben skizierten Vorschläge sollen die weitere Diskussion zum Aufbau von Cloud-Kompetenzen in Europa leiten. Die konkrete Ausgestaltung muss in Kooperation von Wirtschaft, Staat und Wissenschaft erfolgen. In dieser Kurz-Position hat sich der BDI mit der Frage nach einer Stärkung europäischer Cloud-Kompetenzen auseinandergesetzt, die aber nur Teil einer größeren Diskussion um digitale Souveränität Europas und Deutschlands ist. Der BDI wird Ende 2019 einen holistischen Vorschlag zum Thema digitale Souveränität vorlegen.

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite StraĂ&#x;e 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Redaktion Dr. Thomas Koenen T: +49302028-1415 T.Koenen@bdi.eu Steven Heckler T: +49302028-1523 S.Heckler@bdi.eu Oliver Klein T: +49 30 2028-1502 O.Klein@bdi.eu Carolin Proft T: +49 30 2028-1529 C.Proft@bdi.eu

Dokumentennummer: 1083

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