Auf den Punkt: OECD-Steuerrevolution

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Auf den Punkt: OECD-Steuerrevolution Von der Digitalsteuer zu einer neuen Weltsteuerordnung


Position | Steuerpolitik | Weltsteuerordnung Auf den Punkt: OECD-Steuerrevolution

Reform der Weltsteuerordnung steht bevor Wertschöpfung an physischen Orten als Grundprinzip internationaler Besteuerung

Digitalisierung der Wirtschaft stellt historische Grundprinzipien in Frage

Die industrielle Revolution veränderte Gesellschaft und Wirtschaft tiefgreifend und nachhaltig. Der technische Fortschritt brachte neue Geschäftsmodelle hervor, die Produktionsfaktoren bündelten und vorwiegend materielle Werte zur Produktion und Dienstleistung einsetzten. In diesen klassischen industriellen Fertigungsprozessen findet die Wertschöpfung bzw. Dienstleistungserbringung bisher grundsätzlich in Produktionsstätten, also an physisch greifbaren Orten, in relativer Nähe zu den Marktstaaten statt. Die seit rund 100 Jahren bestehende Weltsteuerordnung ist Ausdruck dieser wirtschaftlichen Realität der Industrialisierung. Die Besteuerung von Unternehmensgewinnen soll am Ort der Wertschöpfung erfolgen. Voraussetzung für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen ist deshalb, dass ein greifbarer physischer Anknüpfungspunkt, wie z. B. eine Betriebsstätte, besteht. Von zentraler Bedeutung für die Besteuerung international tätiger Unternehmen ist nach wie vor, wo die Wertschöpfung stattfindet, wie hoch die Wertschöpfung an dem jeweiligen Ort ist und ob ein physischer Anknüpfungspunkt vorliegt.

Da die Digitalisierung der Wirtschaft Wertschöpfung revolutioniert, wird die historisch gewachsene Weltsteuerordnung herausgefordert. Die zentralen Werttreiber digitaler Geschäftsmodelle sind mobil und nicht mehr an physische Orte gebunden. Zudem ist es durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologien sowie direkten Vertrieb möglich, mit hochdigitalen Geschäftsmodellen in einem Marktstaat wirtschaftlich tätig zu sein und Gewinne zu generieren, ohne sich dort physisch niederzulassen. Aufgrund dieser Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle ist die Wertschöpfung schwer zu lokalisieren und zu quantifizieren. Ohne physisch greifbare Anknüpfungspunkte in den Marktstaaten erfolgt die Besteuerung von Unternehmensgewinnen digitaler Geschäftsmodelle in der Regel dort, wo die Hauptaktivitäten wie die Entwicklung digitaler Produkte angesiedelt sind, jedoch nicht zwangsläufig in den Marktstaaten. Diese Entwicklungen nimmt die OECD zum Anlass, das Grundprinzip der internationalen Besteuerung – Besteuerung am Ort der physischen Präsenz – grundlegend zu reformieren. Diese Reform wird weitreichende Folgen für alle Unternehmen haben.

Was wird besteuert? Wo wird besteuert? Quelle: Jacques Delors Institut

„Traditionelle“ Geschäftsmodelle

Materielle Wirtschaftsgüter

Betriebsstätte als steuerlicher Anknüpfungspunkt

Digitale Geschäftsmodelle

Wertschöpfung

Betriebsstätte

Immaterielle Wirtschaftsgüter

Weltweit mobil und in mehreren Ländern


Weg zur neuen Weltsteuerordnung 1

BEPS 1-Projekt ohne Lösung

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Die Initiative von OECD und G20 zur Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerverkürzung wurde im Jahr 2015 ohne konkrete Maßnahmen für die Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft abgeschlossen.

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Nationale Einzelmaßnahmen fragmentieren die bestehende Weltsteuerordnung zunehmend. So erhebt Frankreich eine Digitalsteuer, Indien kreiert einen Besteuerungsanspruch durch eine „digitale Betriebsstätte“ und die USA führen besondere Maßnahmen für Einkünfte aus immateriellen Wirtschaftsgütern im Alleingang ein.

EU-Digitalsteuer gescheitert

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Die Einführung einer Digitalsteuer als umsatzabhängige Sondersteuer ist auf EU-Ebene vorerst gescheitert. Alternative Kommissionsvorschläge liegen vor, die europäische Debatte ruht aber bis Ende 2020. Sofern bis Ende 2020 kein Konsens auf OECD-Ebene gefunden wird, strebt die neue Kommission eine europäische Lösung an.

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Nationale Alleingänge kontraproduktiv

OECD 2: Globaler Konsens gesucht

Die G20 hat die OECD beauftragt, bis Ende 2020 einen konsensfähige Lösung für die Besteuerung der Digitalisierung der Wirtschaft zu erarbeiten. Im sogenannten „Inclusive Framework“ beraten mehr als 130 Staaten über die Reform der Weltsteuerordnung. 2

Base Erosion and Profit Shifting.

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

OECD-Auftrag: Globale Lösung bis 2020 Fahrplan der OECD-Initiative

Vorstellung des Zwei-SäulenKonzepts

Februar 2019

Erarbeitung eines „Programme of Work“ zur G20-Sitzung in Osaka

März 2019

Stellungnahmen und öffentliche Anhörung

Vorstellung Konzept zweite Säule

November 2019

Juni 2019

Oktober 2019

Stellungnahmen und öffentliche Anhörung

November 2019

Vorstellung Konzept erste Säule

Verabschiedung eines konkreten Maßnahmenpakets zur ersten Säule

Dezember 2019

Stellungnahmen und öffentliche Anhörung

Januar 2020

Vorstellung einer konsensfähigen globalen Lösung

Mitte 2020

Verabschiedung eines konkreten Maßnahmenpakets zur zweiten Säule

Ende 2020


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Grundzüge der OECD-Vorschläge Neuverteilung von Besteuerungsrechten Erste Säule

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Vorschläge zur Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten Ziel: Marktstaaten erweiterte Besteuerungsrechte gewähren Wege der Umsetzung:

— Formelhafte Aufteilung von globalen Unternehmensgewinnen — Feste Vergütungen für Marketing- und Vertriebsfunktionen im Ausland — Streitbeilegung und -vermeidung

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Globale Mindestbesteuerung Zweite Säule

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Vorschläge zur Sicherung eines globalen effektiven Mindestbesteuerungsniveaus Ziel: Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer verhindern Wege der Umsetzung:

— Hinzurechnungsbesteuerung verschärfen — Betriebsausgabenabzug für Zahlungen ins Ausland verstärkt begrenzen

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Problem: Gefahr der Doppelbesteuerung und rechtliche Umsetzungsrisiken

Problem: Hoher zusätzlicher administrativer Aufwand und Gefahr von Doppelbesteuerung

Im Kern behandelt die erste Säule der OECD-Vorschläge die Frage, wie Wertschöpfung zukünftig ermittelt und zugerechnet wird. Der „Einheitliche Ansatz“ der OECD soll die Besteuerung von verbraucherorientierten Unternehmen im Marktstaat auch dann ermöglichen, wenn keine greifbare physische Präsenz betrieben wird. Die Neuverteilung soll in drei Schritten ablaufen:

1. Formelhafte Aufteilung Einem Marktstaat soll ein Anteil des Gewinnes eines multinationalen Unternehmens zugewiesen werden.

Die zweite Säule der OECD-Vorschläge zielt darauf ab, eine effektive globale Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen sicherzustellen. Die zwei Maßnahmen der OECD-Vorschläge würden die bestehenden deutschen Regelungen verschärfen:

1. Hinzurechnungsbesteuerung Niedrigbesteuerte Einkünfte ausländischer verbundener Unternehmen sollen im Inland hinzugerechnet werden, d. h. diese Einkünfte werden im Inland zusätzlich besteuert. Für ausländische Betriebsstätten soll eine zusätzliche Regelung eine analoge Behandlung sicherstellen.

2. Feste Vergütung Vertriebs- und Marketingaktivitäten von Unternehmen sollen einem Marktstaat durch feste Vergütungen zugewiesen werden.

3. Streitbeilegung und -vermeidung Es sollen effektive und verpflichtende Streitbeilegungsverfahren für Unternehmen geschaffen werden.

2. Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs Der Abzug von gewinnmindernden Zahlungen an ausländische verbundene Unternehmen soll beschränkt werden, wenn diese im Ausland niedrigbesteuert sind. Der inländischen Steuer soll so der Gewinn des Unternehmens vor Abzug der niedrigbesteuerten Zahlung unterliegen.


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Alle Industrieunternehmen betroffen Digitale Transformation und globale Wertschöpfung Industriebasierte Geschäftsmodelle aller Branchen durchlaufen derzeit eine digitale Transformation. Bereits heute gibt fast ein Drittel der deutschen Industrieunternehmen an, einen wesentlichen Umsatzteil durch digitale Produkte zu erzielen.3 Ein „klassisches“ deutsches Industrieunternehmen kann physische Niederlassungen wie Produktionsstätten, Datencenter und andere Niederlassungen in mehreren Ländern betreiben, aber durch digitale Produkte und Datenauswertung auch ohne physische Präsenz in mehreren Marktstaaten wirtschaftlich tätig sein. Die Reform der Weltsteuerordnung der OECD betrifft deshalb nicht nur bekannte Internetunternehmen der „Digitalwirtschaft“, sondern auch traditionelle deutsche Industrieun ternehmen aller Branchen.

Steuerbelastung im internationalen Vergleich

Ziel einer Reform der Weltsteuerordnung sollten einheitliche Wettbewerbsbedingungen, das sogenannte „Level Playing Field“, für alle Unternehmen sein. Die OECD-Vorschläge könnten die durchschnittliche Unternehmensteuerbelastung in Deutschland allerdings weiter erhöhen. Da Deutschland im internationalen Vergleich bereits heute ein Hochsteuerland ist, würde  die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Industriestandorts weiter sinken.

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31,7 %* 25,8 %

24,7 %

21,7 %

Deutschland ist Hoch­steuerland Durchschnittliche Unternehmensteuer­ belastung (2018) Quelle: OECD Bezogen auf die nominalen Steuersätze. *Mit durchschnittlichem GewSt-Hebesatz von 453 % (2017).

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digitale-Welt/monitoring-report-wirtschaftdigital-2018-langfassung.pdf.

Beispiel: ein „digitalisiertes“ Industrieunternehmen mit deutschem Stammhaus Q Quelle: BDI

Direktvertrieb | Digitale Produkte Niederlassung Datacenter Stammhaus Produktionsstätte Datenauswertung Forschung & Entwicklung Marktstaat


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Gravierende Folgen für Deutschland und die Industrie Forderungen an die deutsche Politik Die Entwicklungen auf OECD-Ebene aktiv begleiten Die angestrebte Reform betrifft die gesamte deutsche Wirtschaft und die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Die Politik muss den Prozess konstruktiv begleiten und sich für die Interessen der deutschen Unternehmen einsetzen.

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sichern Die OECD-Vorschläge können zu einer Höherbesteuerung in Deutschland führen und damit deutsche Stammhäuser im internationalen Wettbewerb schlechter stellen. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass die neuen Regelungen nur dann eingeführt werden, wenn sie von allen Staaten einheitlich umgesetzt werden. Eine Benachteiligung der deutschen Unternehmen zugunsten anderer Industriestandorte darf nicht zugelassen werden.

Fiskalische Auswirkungen beachten und Standortnachteile vermeiden Die Neuverteilung der Besteuerungsrechte an Unternehmensgewinnen könnte zu Steueraufkommensverlusten führen, welche nicht vollständig durch die

globale Mindestbesteuerung ausgeglichen werden könnten. Die fiskalischen Auswirkungen dürfen die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland allerdings nicht durch niedrigere Investitionen gefährden. Etwaige Aufkommensverluste dürfen nicht durch Ersatzsteuern oder über den globalen Konsens hinausgehende Maßnahmen kompensiert werden.

Doppelbesteuerung und administrative Zusatzbelastungen vermeiden Die OECD-Vorschläge dürfen die Unternehmen nicht zusätzlich belasten. Der Vermeidung von Doppelbesteuerung und administrativen Zusatzbelastungen muss höchste Priorität eingeräumt werden. Eine faire Besteuerung wird nur dann erreicht, wenn dasselbe Einkommen einmal angemessen besteuert wird. Deshalb muss klar und rechtssicher geregelt werden, welche Staaten die umverteilten und in den Marktstaaten besteuerten Gewinne im Gegenzug nicht mehr besteuern dürfen.

Lösungen für internationale Besteuerungskonflikte garantieren Aufgrund der erwarteten Komplexität und Streitanfälligkeit der reformierten Weltsteuerordnung ist eine vertragliche Einigung aller Länder über ein verbindliches und effektives Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsverfahren unverzichtbar.

Risiken für Industrie und Fiskus in Deutschland Quelle: BDI

Gefahr von Mehrfachbesteuerung und Strafbesteuerung anstatt fairer Besteuerung

Gefahr der Umsatzbesteuerung anstatt von Gewinnbesteuerung

Hoher administrativer Mehraufwand für Industrie und Fiskus

Hohe Rechtsunsicherheit und Streitanfälligkeit

Potenzieller Verlust von Steuereinnahmen

Risiko von Standortnachteilen für Deutschland


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Impressum Herausgeber Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Redaktion Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik m.wünnemann@bdi.eu Satenik Melkonyan, Referentin Steuern und Finanzpolitik s.melkonyan@bdi.eu Cedric von der Hellen, Referent Steuern und Finanzpolitik c.hellen@bdi.eu Konzeption Sarah Schwake, Referentin Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen Layout Michel Arencibia, Art Director www.man-design.net Druck Das Druckteam www.druckteam-berlin.de Verlag Industrie-Förderung GmbH, Berlin

Digitale Version

Bildnachweis S.1: © Nataliya Hora | 101709371 | stock.adobe.com Stand Dezember 2019 BDI-Publikation-Nr. 0093

Einfach den QR-Code mit dem Smartphone oder Tablet einscannen, um die digitale Version zu öffnen. www.bdi.eu/publikation/news/ Auf-den-Punkt-OECD-Steuerrevolution

V.09.16.20



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